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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
VwGG §46 Abs1;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):2000/21/0014Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Pelant und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ferchenbauer, 1. über den Antrag der H in Sallingberg, geboren am 30. Juni 1955, vertreten durch Dr. Clemens Schnelzer, Rechtsanwalt in 3910 Zwettl, Dr. Franz Weismannstraße 19, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Behebung von Mängeln der Beschwerde gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 13. April 1999, Zl. Senat-ZT-98-132, betreffend Bestrafung wegen Übertretung des Fremdengesetzes 1997, sowie 2. in dieser Beschwerdesache, den Beschluss gefasst:
Spruch
1. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgewiesen.
2. Das Verfahren wird eingestellt.
Begründung
Mit hg. Verfügung vom 27. Juli 1999, zugestellt am 2. August 1999, erging an die Beschwerdeführerin gemäß § 34 Abs. 2 VwGG die Aufforderung, die von ihr eingebrachte Beschwerde gegen den genannten Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich in mehreren (näher bezeichneten) Punkten zu verbessern. Hiefür wurde eine Frist in der Dauer von zwei Wochen bestimmt; diese Frist ist fruchtlos verstrichen.
Mit dem vorliegenden Schriftsatz vom 23. August 1999 (beim Verwaltungsgerichtshof eingelangt am 25. August 1999) begehrt die Beschwerdeführerin unter gleichzeitiger Nachholung der versäumten Handlung die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Mängelbehebungsfrist.
Begründet wird dieser Antrag wie folgt: Der Verbesserungsauftrag sei von der Kanzleileiterin des Vertreters der Beschwerdeführerin übernommen worden. Diese habe ihn unmittelbar danach dem Vertreter der Beschwerdeführerin vorgelegt, welcher nach Durchsicht nachdrücklich den Auftrag erteilt habe, die zweiwöchige Mängelbehebungsfrist unverzüglich in den händisch geführten Terminkalender einzutragen; von der Kanzleileiterin sei die umgehende Fristeintragung zugesagt worden. Bei dieser Kanzleileiterin handle es sich um eine absolut zuverlässige Mitarbeiterin, die seit März 1996 ununterbrochen in der Kanzlei des Beschwerdeführervertreters als Kanzleileiterin tätig sei. Während dieses Zeitraums habe sie sich als sorgfältige Mitarbeiterin ausgewiesen und sei es niemals vorgekommen, dass sie einem ihr erteilten Auftrag nicht nachgekommen wäre oder gar die Vormerkung einer Frist unterlassen hätte. Trotz dieser bislang bewiesenen absoluten Zuverlässigkeit habe die Kanzleileiterin den ihr erteilten Auftrag zur Vormerkung der gegenständlichen Frist nicht sofort ausgeführt und auch in weiterer Folge die Erfüllung dieses Auftrages unterlassen. Dieses Verhalten sei offenbar darauf zurückzuführen, dass der Vertreter der Beschwerdeführerin im August 1999 seine Kanzlei verlegt habe, wobei die gesamte Kanzleieinrichtung einschließlich sämtlicher Akten "übersiedelt" worden sei. Die mit der Übersiedlung bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung des Kanzleibetriebes verbundene Mehrbelastung der Kanzleileiterin des Vertreters der Beschwerdeführerin habe einerseits dazu geführt, dass diese dem erteilten Auftrag nicht sofort nachgekommen sei, und andererseits dazu, dass sie in der irrtümlichen Annahme, die Frist ohnedies vorgemerkt zu haben, den gegenständlichen Akt in die neuen Kanzleiräumlichkeiten "übersiedelte"; dies, obwohl der Vertreter der Beschwerdeführerin seinen Mitarbeiterinnen während der Übersiedlungstätigkeiten mehrmals und nachdrücklich zur Kenntnis gebracht habe, dass unerledigte Akten nicht vorzeitig in die neuen Kanzleiräumlichkeiten "übersiedelt" und erst am letzten Tag der Übersiedlungstätigkeit in die neue Kanzlei verbracht werden dürften, wo sie sofort vorgelegt werden müssten. Infolge des Nichtvormerkens der gegenständlichen Frist und der vorschnellen "Übersiedlung" des Aktes sei der Vertreter der Beschwerdeführerin dem gegenständlichen Mängelbehebungsauftrag nicht fristgerecht nachgekommen. Dieses Versäumnis sei ihm (und seiner Kanzleileiterin) erst am 23. August 1999 aufgefallen, als der gegenständliche Akt - wie zahlreiche andere Akten in den Tagen vorher - in den neuen Kanzleiräumlichkeiten wieder eingeordnet und gesichtet worden sei. Dass die Kanzleileiterin dem ihr erteilten Auftrag nicht nachkommen werde, sei für den Vertreter der Beschwerdeführerin auf Grund deren bisheriger Zuverlässigkeit unvorhersehbar und auch unabwendbar gewesen, da infolge der vorschnellen "Übersiedlung" des unerledigten Aktes in die neuen Kanzleiräumlichkeiten, in denen der Kanzleibetrieb am 16. August 1999 aufgenommen worden sei, eine nachträgliche Kontrolle nicht habe durchgeführt werden können.
Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
Die Beschwerdeführerin macht geltend, dass die Versäumung der Mängelbehebungsfrist auf einen Fehler der Kanzleileiterin ihres Rechtsvertreters zurückgehe.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellt ein Verschulden von Kanzleibediensteten eines Rechtsanwaltes für diesen und damit für die von ihm vertretene Partei nur dann ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis dar, wenn der Rechtsanwalt der ihm zumutbaren und nach der Sachlage gebotenen Überwachungspflicht gegenüber dem Kanzleiangestellten nachgekommen ist. Der Rechtsanwalt muss den Kanzleibetrieb so organisieren, dass die richtige Vormerkung von Terminen und damit die fristgerechte Setzung von Prozesshandlungen sichergestellt ist. Dabei ist durch entsprechende Kontrollen vorzusorgen, dass Unzulänglichkeiten durch menschliches Versagen aller Voraussicht nach auszuschließen sind. Die Überwachungspflicht in Bezug auf die richtige Vormerkung von Fristen ist auch dann gegeben, wenn die mit der Führung des Fristvormerks betraute Kanzleibedienstete überdurchschnittlich qualifiziert und verlässlich ist, und es auch nach langjähriger einschlägiger Tätigkeit bisher nicht zu Fehlleistungen bzw. Beanstandungen gekommen sein soll. Art und Intensität der vom Rechtsanwalt insoweit ausgeübten Kontrolle sind im Wiedereinsetzungsantrag darzutun (vgl. den hg. Beschluss vom 5. März 1998, Zl. 98/18/0060, m.w.N.).
Dieser Darlegungspflicht wurde im vorliegenden Fall nicht entsprochen. Vielmehr begnügt sich der Wiedereinsetzungsantrag mit der schlichten Behauptung, dass infolge der vorschnellen "Übersiedlung" des gegenständlichen Aktes eine nachträgliche Kontrolle verunmöglicht worden sei. Wie das Kontrollsystem des Vertreters der Beschwerdeführerin im Einzelnen beschaffen sei, damit im Regelfall eine richtige Vormerkung der Fristen erfolge, wird dagegen nicht ausgeführt. Jedenfalls im Hinblick darauf ist aber auch nicht nachvollziehbar, warum allein die vorzeitige Verbringung des gegenständlichen Aktes in die neuen Kanzleiräumlichkeiten die Überprüfung des Terminkalenders verhinderte. Davon abgesehen wurde auch nicht dargetan, welche Maßnahmen der Vertreter der Beschwerdeführerin ergriffen hat, um ein Versehen, wie es im vorliegenden Fall dargestellt wurde, in der besonders kritischen Übersiedlungsphase - bei aufrechtem Kanzleibetrieb - nach Möglichkeit hintanzuhalten.
Fehlt es nach dem Gesagten an einem ausreichend substantiierten Vorbringen zu Art und Intensität der vom Beschwerdeführervertreter ausgeübten Kontrolle in Ansehung des von seiner Kanzleileiterin geführten Fristenvormerkes, so muss dem vorliegenden Antrag gemäß § 46 VwGG der Erfolg versagt bleiben.
Dies hat zur Konsequenz, dass das Verfahren über die erhobene Beschwerde mangels fristgerechter Befolgung des erteilten Verbesserungsauftrages gemäß §§ 34 Abs. 2 und 33 Abs. 1 VwGG einzustellen war.
Wien, am 24. Februar 2000
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:1999210218.X00Im RIS seit
31.05.2001Zuletzt aktualisiert am
01.04.2010