Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Schramm als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny sowie die Hofrätin Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Bundeskammer für Arbeiter und Angestellte, *****, vertreten durch Dr. Walter Reichholf, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei B***** Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Raits Bleiziffer Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, wegen Unterlassung (Streitwert 30.500 EUR) und Urteilsveröffentlichung (Streitwert 4.400 EUR, Revisionsinteresse 2.000 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 11. Jänner 2018, GZ 3 R 149/17b-15, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 14. September 2017, GZ 1 Cg 145/16i-11, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 418,78 EUR (darin 69,80 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1. Die Revision ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig. Das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage ist nach dem Zeitpunkt der Entscheidung über das Rechtsmittel durch den Obersten Gerichtshof zu beurteilen. Eine im Zeitpunkt der Einbringung des Rechtsmittels tatsächlich aufgeworfene erhebliche Rechtsfrage fällt somit weg, wenn die bedeutsame Rechtsfrage durch eine andere Entscheidung des Obersten Gerichtshofs bereits vorher geklärt wurde (RIS-Justiz RS0112769 [T9, T11, T12]).
2.1. Der Oberste Gerichtshof hat sich zwischenzeitig über Revision derselben klagenden Partei in der eingehend begründeten Entscheidung 9 Ob 82/17z mit der Vorjudikatur, der Lehre und den Argumenten der Klägerin auseinandergesetzt. Dabei gelangte er zum Ergebnis, dass die Frage der Zulässigkeit einer Leistungsfrist für das Sich-berufen auf unzulässige Klauseln nicht generell nach dem Alles-oder-nichts-Prinzip zu beantworten ist. Vielmehr kann es Klauselwerke geben, die ein sofortiges Abstandnehmen von einem Sich-darauf-berufen erlauben und zur Umsetzung dieses Unterlassungsgebots keine weiteren aktiven Vorkehrungen erfordern. Ebenso kann es aber Klauselwerke geben, die sehr wohl bestimmter betrieblicher und/oder organisatorischer Maßnahmen bedürfen, um zu verhindern, dass sie weiter der Gestion von Altverträgen zugrundegelegt werden. Im vom 9. Senat zu beurteilenden konkreten Fall seien Gründe, warum das Unterlassungsgebot bezüglich der dort beurteilten Klauseln keiner oder einer anderen Umsetzungsfrist bedürften, nicht ersichtlich, zumal die Klauseln auch abrechnungsrelevante Entgeltbemessungen beträfen, deren Außerachtlassung einer Systemanpassung bedürfen werde.
2.2. Diese Argumentation lässt sich auf den vorliegenden Fall übertragen. Die betroffenen Klauseln enthalten etwa auch Regelungen zur Änderung der Zinssätze. Insofern ist nachvollziehbar, dass auch die Abstandnahme vom Sich-berufen bei laufenden Verträgen einer organisatorischen Anpassung bedarf. Lediglich der Vollständigkeit halber ist freilich darauf zu verweisen, dass das Argument der beklagten Partei, die wegfallenden Klauseln würden das Synallagma stören, weshalb neue AGB zu erstellen und zu genehmigen seien, im Hinblick auf das angeordnete bloße Sich-nicht-berufen nicht stichhaltig ist.
3. Damit liegt aber keine Rechtsfrage der in § 502 Abs 1 ZPO geforderten Qualität vor, sodass die Revision spruchgemäß zurückzuweisen war.
4. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründen sich auf §§ 41, 50 ZPO. Konnte der Revisionsgegner bei Erstattung der Rechtsmittelbeantwortung die Unzulässigkeit der Revision noch nicht erkennen, weil zu diesem Zeitpunkt jene Entscheidung des Obersten Gerichtshofs noch nicht ergangen war, welche die auch im Anlassfall entscheidungswesentliche erhebliche Rechtsfrage beantwortete, so stehen ihm in analoger Anwendung des § 50 Abs 2 ZPO die Kosten der Revisionsbeantwortung auch dann zu, wenn er auf die Unzulässigkeit der Revision nicht hinwies (RIS-Justiz RS0123861).
Textnummer
E121621European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2018:0060OB00056.18F.0426.000Im RIS seit
12.06.2018Zuletzt aktualisiert am
12.06.2018