TE Bvwg Erkenntnis 2018/5/29 W204 2196371-1

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Veröffentlicht am 29.05.2018
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Entscheidungsdatum

29.05.2018

Norm

AsylG 2005 §3
BFA-VG §18 Abs1 Z4
BFA-VG §18 Abs5
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs5

Spruch

W204 2196371-1/3Z

TEILERKENNTNIS

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Esther SCHNEIDER als Einzelrichterin über die Beschwerde der XXXX, geb. am XXXX, Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch die Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, gegen Spruchpunkt VII. des Bescheids des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 23.04.2018, Zl. XXXX, zu Recht:

A)

Der Beschwerde gegen Spruchpunkt VII. wird stattgegeben und dieser ersatzlos behoben. Gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG wird der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

I.1. Die Beschwerdeführerin (im Folgenden: BF), eine Staatsangehörige Afghanistans, reiste in das Bundesgebiet ein und stellte am 01.11.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz und begründete diesen damit, dass sie krank sei und im Iran niemanden habe, der für sie sorgen könne, weswegen sie mit ihrem Sohn nach Österreich mitgereist sei.

I.2. Nach Durchführung des Ermittlungsverfahrens wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) mit Bescheid vom 23.04.2018 den Antrag der BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten (Spruchpunkt I) und bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II) ab. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde der BF nicht erteilt (Spruchpunkt III), eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV) und festgestellt, dass die Abschiebung zulässig sei (Spruchpunkt V). Weiters bestehe keine Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt VI) und der Beschwerde wurde gemäß § 18 Abs. 1 Z 4 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VII).

Zum hier wesentlichen Spruchpunkt VII. führte das BFA begründend aus, dass die BF keine Verfolgungsgründe vorgebracht habe.

I.3. Am 22.05.2018 erhob die BF durch ihre Vertretung Beschwerde gegen diesen Bescheid, in der unter anderem beantragt wird, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Begründend wird dazu im Wesentlichen ausgeführt, der BF drohe bei einer Rückkehr nach Afghanistan aufgrund ihrer Krankheiten und der fehlenden Unterstützungs- beziehungsweise Behandlungsmöglichkeiten in Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine Verletzung der durch Art. 2, 3 EMRK gewährleisteten Rechte.

I.4. Am 25.05.2018 langte die gegenständliche Beschwerde samt dem Verwaltungsakt beim Bundesverwaltungsgericht ein, deren Einlangen mit Mitteilung gemäß § 16 Abs. 4 BFA-VG bestätigt worden ist.

Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch:

-

Einsicht in den dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Verwaltungsakt des BFA betreffend die BF, insbesondere in die ärztlichen Unterlagen und die Befragungsprotokolle;

-

Einsicht in das Zentrale Melderegister, das Strafregister und das Grundversorgungssystem.

II.1. Sachverhaltsfeststellungen:

Die BF führt die im Spruch genannte Verfahrensidentität, ihre Identität steht mangels geeigneter Identitätsdokumente nicht fest. Sie stellte am 01.11.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Die BF leidet an folgenden Erkrankungen, die dauerhaft medikamentös behandelt werden:

* Diabetes mellitus

* Arterielle Hypertonie

* Hyperlipämie

* Koronare Herzerkrankung

Letzteres führte am 02.03.2017 zu einem Herzinfarkt. Im Anschluss nahm sie zwei Mal an einem Reha-Programm teil.

II.2. Diese Feststellungen beruhen auf folgender Beweiswürdigung:

II.2.1. Der oben angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und dem Verfahrensakt des Bundesverwaltungsgerichts.

II.2.2. Die Feststellungen zur Identität und zu den Erkrankungen stellte bereits das BFA auf Basis der unzweifelhaften ärztlichen Befunde fest, weswegen jene auch vom Bundesverwaltungsgericht festgestellt werden konnten. Insbesondere wurden sie in der Beschwerde nicht bestritten.

II.3. Rechtliche Beurteilung:

II.3.1. Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz, BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist, was im gegenständlichen Verfahren nicht der Fall ist.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 idF BGBl. I Nr. 24/2017, geregelt (§ 1 leg.cit.).

§ 1 BFA-VG, BGBl. I Nr. 87/2012, bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem BFA, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.

Gemäß § 3 BFA-G, BGBl. I Nr. 87/2012 idF BGBl. I Nr. 70/2015, obliegt dem BFA die Vollziehung des BFA-VG (Z 1), die Vollziehung des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100 (Z 2), die Vollziehung des 7., 8. und 11. Hauptstückes des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100 (Z 3) und die Vollziehung des Grundversorgungsgesetzes - Bund 2005, BGBl. I Nr. 100 (Z 4).

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG, BGBl. I Nr. 87/2012 idF BGBl. I Nr. 68/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des BFA.

II.3.2. Zu Spruchpunkt A)

Gemäß § 13 Abs. 1 VwGVG hat eine rechtzeitig eingebrachte und zulässige Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG aufschiebende Wirkung. Das BFA kann einer Beschwerde nach § 18 Abs. 1 Z 4 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkennen, wenn der Asylwerber Verfolgungsgründe nicht vorgebracht hat.

Nach § 18 Abs. 5 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung vom Bundesamt aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit gemäß Satz 1 stützt, genau zu bezeichnen. § 38 VwGG gilt. Nicht anwendbar sind nach § 18 Abs. 7 BFA VG die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG.

Bereits nach dem Wortlaut des § 18 BFA-VG besteht daher - etwa entgegen § 13 Abs. 3 und 4 VwGVG - kein Antragsrecht der Partei auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung. Das Bundesverwaltungsgericht hat vielmehr amtswegig, ohne dass ein solcher Antrag gestellt werden müsste, über eine mögliche Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung zu entscheiden, wenngleich sich ein Beschwerdeführer in der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht gegen den Ausspruch des BFA über die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 18 Abs. 1 BFA-VG wenden kann. Dem steht auch Art. 13 EMRK und Art. 47 GRC nicht entgegen (vgl. VwGH 20.09.2017, Ra 2017/19/0284; VwGH 13.09.2016, Fr 2016/01/0014). Der Antrag der BF auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung war daher als Beschwerde gegen Spruchpunkt VII. und die vorgeschriebene genaue Bezeichnung der Gründe für das Vorliegen einer realen Gefahr zu werten und über diesen nicht gesondert (mit Beschluss) abzusprechen.

Die Entscheidung über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ist nicht als Entscheidung in der Sache selbst zu werten, vielmehr handelt es sich dabei um eine der Sachentscheidung vorgelagerte (einstweilige) Verfügung, die nicht geeignet ist, den Ausgang des Verfahrens vorwegzunehmen. Es ist in diesem Zusammenhang daher lediglich darauf abzustellen, ob es - im Sinne einer Grobprüfung - von vornherein ausgeschlossen erscheint, dass die Angaben der beschwerdeführenden Partei als "vertretbare Behauptungen" zu qualifizieren sind, die in den Schutzbereich der hier relevanten Bestimmungen der EMRK reichen.

Ein Fremder hat im Allgemeinen kein Recht darauf, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, allerdings muss der Fremde auch tatsächlich Zugang zur notwendigen Behandlung haben, wobei die Kosten der Behandlung und Medikamente, das Bestehen eines sozialen und familiären Netzwerks und die für den Zugang zur Versorgung zurückzulegende Entfernung zu berücksichtigen sind (VwGH 21.02.2017, Ra 2017/18/0008 und EGMR 13.12.2016, Nr. 41738/10, Paposhvili gegen Belgien, Rz 189 ff).

Aus der dem Bundesverwaltungsgericht zum derzeitigen Entscheidungszeitpunkt zur Verfügung stehenden Aktenlage kann nach Durchführung einer Grobprüfung eine Verletzung der genannten, durch die EMRK garantierten Rechte bei einer Rückführung der BF in ihren Herkunftsstaat Afghanistan angesichts der kurzen Entscheidungsfrist nicht mit der in diesem Zusammenhang erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden, zumal sie in der Beschwerde geltend macht, über keine familiäre Unterstützung in Afghanistan zu verfügen und aufgrund ihres Alters und ihrer Krankheiten keinen Zugang zu den notwendigen Behandlungen zu haben. Während einer Beschwerde der BF durch das BFA die aufschiebende Wirkung aberkannt worden ist, ist dies jedoch für den mit ihr gereisten volljährigen Sohn und dessen Familie, die sich ebenfalls im Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht befinden, gerade nicht erfolgt. Das BFA verweist jedoch im angefochtenen Bescheid insbesondere darauf, dass die BF gemeinsam mit diesem Sohn ins Heimatland zurückkehren kann, weshalb kein unzulässiger Eingriff in deren durch die EMRK und GRC garantierten Rechte vorliege.

Der die aufschiebende Wirkung der Beschwerde aberkennende Spruchpunkt VII. des Bescheids war aus diesem Grund mittels vorliegendem Erkenntnis (VwGH 19.10.2017, Ra 2017/18/0278) ersatzlos aufzuheben und der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG durch das Bundesverwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Über die Beschwerde gegen die übrigen Spruchpunkte des angefochtenen Bescheides wird gesondert entschieden werden.

Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte zur Beurteilung der Frage der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG entfallen.

II.3.4. Zu Spruchpunkt B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben.

Schlagworte

aufschiebende Wirkung, aufschiebende Wirkung - Entfall, Behebung der
Entscheidung, ersatzlose Behebung, Spruchpunktbehebung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W204.2196371.1.00

Zuletzt aktualisiert am

11.06.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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