TE Bvwg Beschluss 2018/5/29 W139 2174032-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 29.05.2018
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Entscheidungsdatum

29.05.2018

Norm

AsylG 2005 §12a Abs2
AsylG 2005 §22 Abs10
BFA-VG §22
B-VG Art.133 Abs4
B-VG Art.133 Abs9

Spruch

W139 2174032-2/4E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Mag. Kristina HOFER als Einzelrichterin in dem von Amts wegen eingeleiteten Verfahren über die durch den mündlich verkündeten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 23.05.2018, Zl. XXXX, erfolgte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes betreffend XXXX, geb. XXXX, StA. Afghanistan, vertreten durch ZEIGE, Dr. Günter Klodner, Ottakringer Straße 54/4/2, 1170 Wien:

A)

Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist gemäß § 12a Abs 2 iVm § 22 Abs 10 AsylG 2005 und § 22 BFA-VG rechtmäßig.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 9 iVm Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte am 02.04.2016 einen - ersten - Antrag auf internationalen Schutz. Dazu wurde er am selben Tag einer Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes unterzogen.

Hierbei gab der Beschwerdeführer betreffend den Fluchtgrund zu Protokoll, dass er aus Angst vor den Taliban geflüchtet sei, weil die Taliban Menschen entführen würden und diese nicht mehr zurückgekommen seien. Eines Tages sei sein Englischlehrer von den Taliban mitgenommen und nach zwei Tagen sei dessen Leiche gefunden worden. Persönlich sei er nie bedroht worden, jedoch sei er aus Angst, dass es ihn auch treffen könnte, geflüchtet.

2. Am 29.09.2017 wurde der Beschwerdeführer vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: BFA oder Bundesamt) niederschriftlich einvernommen. Dabei gab er an, er habe zuerst in Paktia gelebt und die Familie sei dann nach Kabul gezogen. Seine Eltern, Geschwister und weitere Verwandte (Onkel) würden in Kabul leben. Zu seinen Familienangehörigen stehe er in regelmäßigem Kontakt. Er sei ledig. Zum Fluchtgrund befragt brachte der Beschwerdeführer zusammengefasst vor, zum einen habe sein Englischlehrer in Paktia einmal mit Amerikanern gesprochen und sei zwei Tage danach im Dorf tot aufgefunden worden. Die Taliban und Daish hätten die Schule zugesperrt und einen Mitarbeiter der Schule getötet. Dann habe seine Familie Angst bekommen und sie seien nach Kabul gezogen. In der Nähe des Hauses der Familie habe es dann eine Selbstmordattacke gegeben und das habe ihm große Angst gemacht. Zum anderen habe ein fremder Mann am geparkten Auto der Familie eine "Kleberbombe" befestigt. Seine Schwester habe dies beobachtet und die Familie habe sich in Sicherheit gebracht. Das Auto sei in die Luft gesprengt worden und der Beschwerdeführer habe gedacht, dass er so nicht leben wolle. Weiters sei er in Kabul in einem Fechtclub gewesen, was die Taliban ablehnen würden. Gegen ihn persönlich habe es jedoch keine Bedrohungen gegeben.

3. Mit Bescheid des BFA vom 02.10.2017 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 2 Z 2 FPG erlassen und es wurde gemäß § 52 Abs 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).

Begründend führte das BFA aus, der Beschwerdeführer habe keine asylrelevante Verfolgung glaubhaft machen können. Der von ihm geschilderte Vorfall betreffend seinen Englischlehrer stehe in keinem Zusammenhang mit ihm selbst und es könne somit keine individuelle Verfolgung festgestellt werden. Auch den geschilderten Vorfällen in Kabul - Bombenanschläge und schlechte Sicherheitslage - könne keine gegen den Beschwerdeführer persönlich gerichtete Verfolgung entnommen werden. Zum Vorbringen betreffend die Kleberbombe sei auszuführen, dass die gesamte Familie des Beschwerdeführers nach wie vor in Kabul wohnhaft sei und der Vater immer noch als Polizist tätig sei. Die Angabe des Beschwerdeführers, dass das olympische Komitee, wo er als Fechter im Sportklub mitgewirkt habe, bereits von den Taliban bedroht worden wäre, stehe ebenfalls in keinerlei Asylrelevanz zu seiner Person, im Gegenteil habe er sogar eine persönliche Bedrohung verneint. Im Fall einer Rückkehr würde der Beschwerdeführer in keine ausweglose Lage geraten. Kabul sei ausreichend sicher und dort würden auch seine Angehörigen (Eltern, Geschwister) leben. Er verfüge über eine siebenjährige Schulbildung und habe sich als Sportler (Fechten) Geld verdient. Zusätzlich sei er durch die Familie unterstützt worden und somit wirtschaftlich genügend abgesichert. Eine Rückkehr in das Heimatland sei dem Beschwerdeführer als gesunder, arbeitsfähiger, alleinstehender Mann mit langjähriger Schulausbildung und familiärer Anbindung daher zumutbar. Die Rückkehrentscheidung wurde mit einer zu Lasten des Beschwerdeführers ausgehenden Interessenabwägung nach Art 8 Abs 2 EMRK begründet.

4. Gegen diesen Bescheid brachte der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde ein, worin u.a. ausgeführt wurde, dass sich die belangte Behörde nicht sachgerecht mit dem individuellen Vorbringen des Beschwerdeführers auseinandergesetzt habe und ihr seien wesentliche Verfahrens- und Ermittlungsmängel vorzuwerfen. So sei in der Platzierung der Autobombe im Zusammenhang mit der Tätigkeit seines Vaters als Polizist eine asylrelevante Verfolgung von Mitarbeitern der Sicherheitsbehörden und deren Angehörigen durch die Taliban zu sehen.

5. Am 04.01.2018 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, in welcher der Beschwerdeführer befragt zu seinen Fluchtgründen sein Vorbringen betreffend die Explosion einer Autobombe am Auto der Familie wiederholte.

6. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 14.03.2018, W105 2174032-1/13E, wurde die Beschwerde gemäß §§ 3 Abs 1, 8 Abs 1, 10 Abs 1 Z 3 und 57 AsylG 2005, § 9 BFA-VG und §§ 46, 52 und 55 FPG als unbegründet abgewiesen. Dieses Erkenntnis wurde am 21.03.2018 zugestellt. In diesem Erkenntnis wurde unter anderem festgehalten, der nunmehr volljährige Beschwerdeführer sei Staatsangehöriger von Afghanistan. Er gehöre zur Volksgruppe der Paschtunen und bekenne sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Er stamme ursprünglich aus der Provinz Paktia, sei aber dann mit seiner Familie nach Kabul verzogen. Der Beschwerdeführer habe mit seinem Vorbringen keine Verfolgung im Sinne der GFK glaubhaft gemacht. Im Vorbringen des Beschwerdeführers hätten sich zahlreiche Widersprüche ergeben, die er nicht nachvollziehbar aufklären habe können, insbesondere betreffend den Vorfall mit der Autobombe, welcher deshalb als nicht glaubhaft zu betrachten sei. Im sonstigen Vorbringen des Beschwerdeführers sei keine persönliche Betroffenheit erkennbar bzw habe er eine persönliche Bedrohung mehrfach verneint. Im Fall einer Rückkehr nach Kabul würde der Beschwerdeführer nicht in eine existenzgefährdende Notlage geraten. Kabul sei ausreichend sicher. Der Beschwerdeführer sei jung, gesund und arbeitsfähig. Seine Familie befinde sich nach wie vor in Kabul und er habe zu dieser regelmäßigen Kontakt. Es sei ihm möglich und zumutbar, sich in Kabul niederzulassen und seinen Lebensunterhalt zu verdienen, zumal auch familiäre Unterstützung zu erwarten sei. Es liege keine ausgeprägte und verfestigte Integration des Beschwerdeführers in Österreich vor. Er lebe in der Grundversorgung und sei nicht selbsterhaltungsfähig. In Österreich habe er keine Familienangehörigen. Er verfüge zwar über Deutschkenntnisse und habe gemeinnützige Arbeiten geleistet, weiters habe er einen Freundeskreis in Österreich. Dies sei jedoch im Hinblick auf die kurze Aufenthaltsdauer nicht ausreichend. Die Bindungen zu Afghanistan seien stark ausgeprägt und insgesamt überwiege das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthalts des Beschwerdeführers in Österreich.

7. Am 07.05.2018 stellte der Beschwerdeführer aus dem Stande der Schubhaft, in der er sich seit 05.04.2018 befindet, den gegenständlichen Folgeantrag auf internationalen Schutz und gab im Rahmen der Erstbefragung am 08.05.2018 an, als er die negative Entscheidung bekommen habe, habe er freiwillig nach Afghanistan zurückkehren wollen. Er habe dann aber von seiner Familie aus Afghanistan erfahren, dass sein Vater mit seinem Onkel über die Grundstücke, die sie gehabt hätten, gestritten hätte. Dadurch sei sein Cousin getötet worden. Die Dorfälteren hätten das Problem lösen wollen und der Familie dazu sieben Monate Zeit gegeben. Als der Beschwerdeführer dann den zweiten negativen Bescheid erhalten habe, habe er seine Familie informiert, dass er zurückkehren werde. Davon habe sein Onkel auch erfahren. Der Onkel habe den Dorfältesten mitgeteilt, dass sie den Beschwerdeführer töten würden als Vergeltung für den Tod des Cousins. Der Beschwerdeführer befürchte, von der Familie seines Onkels zur Vergeltung getötet zu werden.

8. Bei seiner Einvernahme vor dem BFA am 17.05.2018 führte der Beschwerdeführer in Anwesenheit seines Vertreters aus, seine Fluchtgründe seien dieselben wie bisher, zusätzlich komme noch das Problem betreffend die Streitigkeit um das Grundstück hinzu. Von diesem Problem habe er etwa einen Monat oder drei Wochen vor der negativen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes erfahren. Sein Großvater mütterlicherseits habe ein Grundstück in Kabul gehabt, auf dem sein Onkel mütterlicherseits ein Haus bauen habe wollen. Es sei zu einem Streit des Vaters des Beschwerdeführers mit diesem Onkel gekommen, dabei sei der Sohn dieses Onkels (der Cousin des Beschwerdeführers) ums Leben gekommen. Die Dorfältesten hätten beschlossen, dass dieser Streit geschlichtet werde, aber als der Onkel mitbekommen habe, dass der Beschwerdeführer aus Österreich zurückgeschickt werde, habe er der Entscheidung der Dorfältesten nicht zugestimmt und gesagt, er würde den Beschwerdeführer aus Rache töten. Im Zuge der Einvernahme legte der Beschwerdeführer ein an die Botschaft von Afghanistan in Österreich gerichtetes Schreiben vor, aus welchem hervorgeht, dass der Cousin des Beschwerdeführers am XXXXums Leben gekommen sei. Dieses Schreiben habe der Beschwerdeführer vor etwa zwei Wochen erhalten.

9. Am 23.05.2018 wurde der Beschwerdeführer nach erfolgter Rechtsberatung erneut vor dem BFA in Anwesenheit eines Rechtsberaters einvernommen. Der Beschwerdeführer gab nochmals an, im Februar 2018 von dem Vorfall mit der Tötung des Cousins erfahren zu haben. Auf den Vorhalt, dass der Anwalt des Beschwerdeführers angegeben habe, der Beschwerdeführer habe sich bei dieser Zeitangabe geirrt, antwortete der Beschwerdeführer, er habe definitiv bereits im Februar davon erfahren. Sodann wurde mit mündlich verkündetem Bescheid vom 23.05.2018 gemäß § 12a Abs 2 AsylG 2005 der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12 AsylG 2005 den Beschwerdeführer betreffend aufgehoben. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Beschwerdeführer habe von dem Vorfall mit der Tötung bereits vor der Rechtskraft der Entscheidung im ersten Asylverfahren gewusst. Ein entscheidungsrelevanter neuer Sachverhalt liege nicht vor und es werde voraussichtlich eine Zurückweisung des Folgeantrags erfolgen.

10. Die Aktenvorlage des Bundesamts langte am 25.05.2018 beim Bundesverwaltungsgericht ein und am selben Tag erging die Mitteilung gemäß § 22 Abs 2 BFA-VG.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

Der Beschwerdeführer führt den im Spruch ersichtlichen Namen, ist Staatsangehöriger von Afghanistan und gehört der Volksgruppe der Paschtunen an.

Das vom Beschwerdeführer initiierte Asylverfahren wurde mit Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 14.03.2018, zugestellt am 21.03.2018, rechtskräftig negativ abgeschlossen. Der Antrag auf internationalen Schutz wurde gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 abgewiesen, subsidiärer Schutz wurde in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs 1 AsylG 2005 nicht eingeräumt und wurde dem Beschwerdeführer letztlich kein Aufenthaltstitel gewährt und eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung erlassen.

Der Beschwerdeführer ist seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen und befindet sich aktuell in Schubhaft.

Der Beschwerdeführer stellte in der Folge am 07.05.2018 einen neuerlichen (den gegenständlichen) Antrag auf internationalen Schutz und begründete diesen - erstmals - damit, dass aufgrund einer Streitigkeit seines Vaters mit seinem Onkel mütterlicherseits sein Cousin, der Sohn dieses Onkels, getötet worden sei. Der Beschwerdeführer befürchte, von diesem Onkel umgebracht zu werden.

Die Familienstreitigkeiten sowie der Vorfall, bei dem nach den Angaben des Beschwerdeführers sein Cousin getötet wurde, ereigneten sich bereits im Februar 2018 und sohin zu einem Zeitpunkt vor der genannten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 14.03.2018. Von diesen Ereignissen erlangte der Beschwerdeführer vor der betreffenden Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 14.03.2018 Kenntnis.

In Bezug auf den Beschwerdeführer besteht weiterhin kein schützenswertes Privat- und/oder Familienleben im Bundesgebiet.

Es ist nicht ersichtlich, dass eine Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten oder für ihn als Zivilpersonen eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Es liegen keine Umstände vor, welche einer Außerlandesbringung aus dem Bundesgebiet entgegenstünden.

Eine entscheidungswesentliche Änderung der Ländersituation ist nicht eingetreten.

Der Folgeantrag wird voraussichtlich wegen entschiedener Sache zurückzuweisen sein.

2. Beweiswürdigung:

Die Sachverhaltsfeststellungen zur Person des Beschwerdeführers und zur Situation in Afghanistan ergeben sich aus der Aktenlage. Die den Beschwerdeführer betreffende Sicherheitslage im Herkunftsstaat wurde eingehend im rechtskräftig entschiedenen Verfahren erörtert und abgewogen. Auch eine für den Beschwerdeführer gegenständliche relevante Änderung an der Situation in seiner Heimat kann anhand der vorliegenden Informationen ebenso nicht festgestellt werden, wie Änderungen, die in der Person des Beschwerdeführers liegen, wie sein Gesundheitszustand.

In seinem vorangegangenen Verfahren gab der Beschwerdeführer als Fluchtgrund an, sein Englischlehrer in Paktia sei getötet worden und die Taliban und Daish hätten die Schule zugesperrt und einen Mitarbeiter der Schule getötet. Weiters habe ein fremder Mann am geparkten Auto der Familie eine "Kleberbombe" befestigt und das Auto sei explodiert. Zudem sei er in Kabul in einem Fechtclub gewesen und die Taliban seien gegen so etwas eingestellt. Der Vorfall betreffend die Autobombe wurde im ersten Verfahren vom Bundesverwaltungsgericht aufgrund von Widersprüchen als unglaubhaft beurteilt. Aus den Vorfällen im weiteren Vorbringen des Beschwerdeführers sei keine persönliche und konkrete Verfolgung abzuleiten.

Im gegenständlichen Verfahren brachte der Beschwerdeführer in einem Folgeantrag vor, er fühle sich nunmehr aufgrund einer stattgefundenen Streitigkeit zwischen seinem Vater und seinem Onkel mütterlicherseits, bei dem sein Cousin ums Leben gekommen sei, bedroht und habe Angst, von seinem Onkel getötet zu werden.

Die Feststellung, dass sich die Familienstreitigkeiten sowie der Vorfall, bei dem nach den Angaben des Beschwerdeführers sein Cousin getötet wurde, bereits vor der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 14.03.2018 ereigneten, ergibt sich aus den diesbezüglich eindeutigen und gleichbleibenden Angaben des Beschwerdeführers im gegenständlichen Verfahren. Bereits in der Erstbefragung zum Folgeantrag am 08.05.2018 führte der Beschwerdeführer aus, nach der negativen Entscheidung (gemeint offenbar: des Bundesamtes) habe er von seiner Familie von dem Grundstücksstreit und der Tötung des Cousins erfahren (AS 23 des zweiten Aktes des BFA). In der Folge blieb der Beschwerdeführer bei seiner Aussage. So gab er in der Einvernahme vor dem Bundesamt am 17.05.2018 an, etwa einen Monat oder drei Wochen vor der negativen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes davon erfahren zu haben (AS 52). Auch in der weiteren Einvernahme vor dem Bundesamt am 23.05.2018 gab der Beschwerdeführer über ausdrücklichen Hinweis darauf, dass sein Vertreter angegeben habe, der Beschwerdeführer habe irrtümlich angeführt, von den Vorfällen bereits vor der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes erfahren zu haben, neuerlich an: "Ich habe definitiv bereits im Februar davon erfahren." (AS 112). Wenn der Beschwerdeführer bereits im Februar von diesen Geschehnissen erfahren hat, ergibt sich als logische Folge, dass sich die fraglichen Ereignisse auch schon vor der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes zugetragen haben. Die stets gleichbleibenden Angaben des Beschwerdeführers werden zusätzlich durch das von ihm im gegenständlichen Verfahren vorgelegte Beweismittel (Schreiben an die afghanische Botschaft, AS 101-103) gestützt. Darin wird ausgeführt, dass aufgrund des Konflikts zwischen den Familien des Beschwerdeführers und dessen Onkels am XXXX der Sohn des Onkels getötet worden sei. Wie in der rechtlichen Beurteilung zu zeigen sein wird, ist lediglich maßgeblich, ob die behaupteten Tatsachen bereits vor Abschluss des ersten Asylverfahrens bestanden haben.

Wenngleich insoweit letztlich auch nicht relevant ist, wann der Beschwerdeführer von den Ereignissen erfahren hat (siehe hierzu unten Punkt 3.1), so geht das Bundesverwaltungsgericht trotz der diesbezüglich divergierenden Angaben des Beschwerdeführers und seines Vertreters dennoch davon aus, dass der Beschwerdeführer von den maßgeblichen Ereignissen bereits im Februar 2018 Kenntnis erlangt hat. Zum einen gab der Beschwerdeführer - wie erwähnt - mehrfach und auch über Vorhalt der abweichenden Angaben seines Vertreters ausdrücklich an, definitiv bereits im Februar über die Streitigkeiten und die Tötung des Cousins informiert gewesen zu sein. Insofern ist auch den Ausführungen des BFA im gegenständlichen Bescheid zu folgen, wonach der Beschwerdeführer angegeben habe, regelmäßig - zumindest einmal monatlich - mit seinen Eltern in Afghanistan Kontakt zu haben, und es damit unglaubwürdig wäre, dass ein so massiver Vorfall innerhalb der Familie wie die Tötung des Cousins unerwähnt geblieben wäre. Es stehe sohin unstrittig fest, dass der Beschwerdeführer diesen Umstand bereits vor Rechtskraft der Entscheidung im ersten Asylverfahren gekannt habe. Damit wäre, so das Bundesamt weiter, der Beschwerdeführer auch in der Lage und verpflichtet gewesen, dies entsprechend im ersten Verfahren vorzubringen (AS 207 bzw S 93 des Bescheides vom 23.05.2018). Angesichts dieses Ergebnisses erübrigt sich auch die im Schreiben des Vertreters vom 23.05.2018 beantragte Einvernahme eines Freundes des Beschwerdeführers als Zeuge für die Feststellung, dass dem Beschwerdeführer der neue Sachverhalt erst nach der negativen Entscheidung im Erstverfahren bekannt wurde. Im vorliegenden Fall ist somit davon auszugehen, dass sich die Streitigkeiten um das Grundstück sowie die Tötung des Cousins des Beschwerdeführers noch vor dem Abschluss des ersten Asylverfahrens ereigneten und der Beschwerdeführer hiervon auch bereits im Februar 2018 Kenntnis hatte.

Der Entscheidung über den Folgeantrag wird insofern der neu geltend gemachte Fluchtgrund aufgrund von entschiedener Sache voraussichtlich nicht zugrunde gelegt werden können.

Es wurden keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen vorgebracht, welche nach Berücksichtigung der höchstgerichtlichen Judikatur zur Gefahr einer unmenschlichen Behandlung im Falle einer Rückkehr führen könnte.

Das Vorliegen eines schützenswerten Privat- oder Familienlebens wurde im Verfahren nicht konkret behauptet. Im Übrigen wurden sämtliche diesbezügliche Fakten bereits im Verfahren, welches mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes entschieden wurde, als nicht ausreichend für eine anderslautende Entscheidung gewertet. Auch sonstige beachtenswerte Integrationsmerkmale ergeben sich aus der Aktenlage nicht.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zu A)

Die maßgeblichen Bestimmungen (in der Sache) lauten:

§12a Abs 2 AsylG 2005 idgF:

"Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) gestellt und liegt kein Fall des Abs. 1 vor, kann das Bundesamt den faktischen Abschiebeschutz des Fremden aufheben, wenn

1. gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht,

2. der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist, und

3. die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde."

§ 22 Abs 10 AsylG 2005 idgF:

"Entscheidungen des Bundesamtes über die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 ergehen mündlich in Bescheidform. Die Beurkundung gemäß § 62 Abs. 2 AVG gilt auch als schriftliche Ausfertigung gemäß § 62 Abs. 3 AVG. Die Verwaltungsakten sind dem Bundesverwaltungsgericht unverzüglich zur Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG zu übermitteln. Diese gilt als Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht; dies ist in der Rechtsmittelbelehrung anzugeben. Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes hat das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG mit Beschluss zu entscheiden."

§ 22 BFA-VG:

"(1) Eine Entscheidung des Bundesamtes, mit der der faktische Abschiebeschutz eines Fremden aufgehoben wurde (§ 12a Abs. 2 AsylG 2005), ist vom Bundesverwaltungsgericht unverzüglich einer Überprüfung zu unterziehen. Das Verfahren ist ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden. § 20 gilt sinngemäß. § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG ist nicht anzuwenden.

(2) Die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 und eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG sind mit der Erlassung der Entscheidung gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 durchsetzbar. Mit der Durchführung der die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung umsetzenden Abschiebung gemäß § 46 FPG ist bis zum Ablauf des dritten Arbeitstages ab Einlangen der gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 zu übermittelnden Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuzuwarten. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Bundesamt unverzüglich vom Einlangen der Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung und von der im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 getroffenen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes zu verständigen.

(3) Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 hat das Bundesverwaltungsgericht binnen acht Wochen zu entscheiden."

Zu den Voraussetzungen des § 12a AsylG 2005, auf den gegenständlichen Fall bezogen, im Detail:

Gegen den Beschwerdeführer besteht nach der - rechtskräftigen - Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 14.03.2018 eine aufrechte Rückkehrentscheidung.

Der Beschwerdeführer hat in seinem Folgeantrag ein neues Fluchtvorbringen erstattet.

Gemäß § 32 Abs 1 Z 2 VwGVG 2014 rechtfertigen neu hervorgekommene Tatsachen und Beweismittel (also solche, die bereits zur Zeit des früheren Verfahrens bestanden haben, aber erst später bekannt wurden) - bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen - eine Wiederaufnahme des Verfahrens, wenn sie die Richtigkeit des angenommenen Sachverhalts in einem wesentlichen Punkt als zweifelhaft erscheinen lassen; gleiches gilt nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes für neu entstandene Beweismittel, sofern sie sich auf "alte" - d.h. nicht ebenfalls erst nach Abschluss des wiederaufzunehmenden Verfahrens entstandene -- Tatsachen beziehen (Hinweis E vom 19. April 2007, 2004/09/0159). Hingegen ist bei Sachverhaltsänderungen, die nach der Entscheidung eingetreten sind, kein Antrag auf Wiederaufnahme, sondern ein neuer Antrag zu stellen, weil in diesem Fall einem auf der Basis des geänderten Sachverhaltes gestellten Antrag die Rechtskraft bereits erlassener Bescheide nicht entgegensteht (vgl zu dieser Abgrenzung zwischen Wiederaufnahme und neuem Antrag das E vom 24. August 2004, 2003/01/0431, mwH; die zu § 69 Abs 1 Z 2 AVG ergangene Judikatur zur Wiederaufnahme ist auf den nahezu wortgleichen § 32 Abs 1 Z 2 VwGVG 2014 übertragbar) (VwGH 08.08.2017, Ra 2017/19/0120 mwN).

Im Folgeantragsverfahren können - bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen - nur neu entstandene Tatsachen, die einen im Vergleich zum rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren geänderten Sachverhalt begründen, zu einer neuen Sachentscheidung führen, nicht aber solche, die bereits vor Abschluss des vorangegangenen Asylverfahrens bestanden haben (vgl VwGH 08.09.2015, Ra 2014/18/0089).

Im vorliegenden Fall ist, wie oben unter 2. ausgeführt, davon auszugehen, dass sich die im Folgeantrag vorgebrachten Ereignisse schon vor der bereits ergangenen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes zugetragen haben. Daher handelt es sich bei diesen Ereignissen nicht um neu (nach der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes) entstandene Tatsachen, sondern um solche, die bereits zuvor bestanden haben. Wann der Beschwerdeführer von diesen Ereignissen erfahren hat, ist im Lichte dieser Rechtsprechung nicht relevant, wobei vorliegend davon auszugehen ist, dass der Beschwerdeführer ohnehin bereits vor der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 14.03.2018 in Kenntnis der betreffenden Geschehnisse war. Im Sinne der zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes vermag das mittels Folgeantrag erstattete Vorbringen des Beschwerdeführers daher nicht zu einer neuen Sachentscheidung zu führen. Da es sich nicht um eine Sachverhaltsänderung handelt, die nach der ersten Entscheidung eingetreten ist, wird der am 07.05.2018 gestellte Folgeantrag voraussichtlich wegen entschiedener Sache zurückzuweisen sein.

Ein auf das AsylG 2005 gestützter Antrag auf internationalen Schutz ist nicht bloß auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, sondern hilfsweise - für den Fall der Nichtzuerkennung dieses Status - auch auf die Gewährung von subsidiärem Schutz gerichtet. Dies wirkt sich ebenso bei der Prüfung eines Folgeantrags nach dem AsylG 2005 aus: Asylbehörden sind verpflichtet, Sachverhaltsänderungen nicht nur in Bezug auf den Asylstatus, sondern auch auf den subsidiären Schutzstatus zu prüfen (vgl. VfGH 29.06.2011, U1533/10; VwGH 19.02.2009, 2008/01/0344 mwN).

Die Situation in Afghanistan hat sich inzwischen nicht maßgeblich geändert. Bereits in den vorangegangenen Verfahren hat das Bundesamt und auch das Bundesverwaltungsgericht ausgesprochen, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat keiner realen Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention ausgesetzt wäre oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit in Folge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes bestehen würde.

Auch im nunmehrigen Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ist nichts hervorgekommen, was gegen die Abschiebung des Beschwerdeführers in den Heimatstaat im Sinne dieser Bestimmungen spricht.

Nach wie vor ist kein schützenswertes Familien- oder Privatleben des Beschwerdeführers in Österreich feststellbar und auch der Gesundheitszustand des Beschwerdeführers gibt nicht dazu Anlass, zu einem anderen Ergebnis zu kommen. Auch diesbezüglich ist auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 14.03.2018 zu verweisen.

Somit ist auch in diesen Punkten keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten.

Da insgesamt die Voraussetzungen des § 12a Abs 2 iVm § 22 Abs 10 AsylG 2005 und § 22 BFA-VG idgF für die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes vorliegen, ist der mündlich verkündete Bescheid des Bundesamtes vom 23.05.2018 rechtmäßig.

Gemäß § 22 Abs 1 zweiter Satz BFA-VG war ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden.

3.2. Zu B)

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Da in der gegenständlichen Entscheidung die maßgeblichen Rechtsfragen klar waren und keiner Auslegung bedurften, ging das Bundesverwaltungsgericht nicht vom Vorliegen einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung gemäß Art 133 Abs 4 B-VG aus.

In vorliegendem Fall liegen daher die Voraussetzungen für die Zulassung der ordentlichen Revision nicht vor, es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

aufrechte Rückkehrentscheidung, entschiedene Sache, faktischer
Abschiebeschutz - Aufhebung rechtmäßig, Folgeantrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W139.2174032.2.00

Zuletzt aktualisiert am

11.06.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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