TE Bvwg Erkenntnis 2018/5/30 W137 2196569-1

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Veröffentlicht am 30.05.2018
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Entscheidungsdatum

30.05.2018

Norm

BFA-VG §22a Abs1
BFA-VG §22a Abs3
B-VG Art.133 Abs4
FPG §76
FPG §76 Abs2 Z1
VwGVG §35

Spruch

W137 2196569-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Peter HAMMER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, StA. Algerien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.05.2018, Zl. 541714607, sowie die fortdauernde Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft seit 08.05.2018 zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde gegen den Bescheid vom 08.05.2018 wird gemäß § 76 Abs. 2 Z 1 FPG iVm § 22a Abs. 1 BFA-VG als unbegründet abgewiesen und die Anhaltung in Schubhaft ab 08.05.2018 für rechtmäßig erklärt.

II. Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG iVm § 76 FPG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

III. Der Antrag des Beschwerdeführers auf Kostenersatz wird gemäß § 35 VwGVG abgewiesen.

IV. Der Beschwerdeführer hat gemäß § 35 VwGVG dem Bund (Bundesminister für Inneres) den Verfahrensaufwand in Höhe von 426,20 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

B)

Die Revision ist gem. Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt

1. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger Algeriens. Am 08.05.2018 wurde über ihn mit Mandatsbescheid die Schubhaft angeordnet. Noch am selben Tag wurde der Beschwerdeführer in Schubhaft genommen. Begründet wurde die der Entscheidung zugrunde gelegte Fluchtgefahr mit dem Bestehen einer durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme von 2012 bei Stellung des Folgeantrags am 29.11.2017 und dem geringen Grad der sozialen Verankerung in Österreich. Seit 18.03.2018 besteht aus diesem Folgeverfahren ebenfalls eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung bezogen auf den Herkunftsstaat Algerien.

2. Am 25.05.2018 langte beim Bundesverwaltungsgericht die nunmehr verfahrensgegenständliche Beschwerde ein. Darin wird im Wesentlichen vorgebracht, dass der Beschwerdeführer seit Dezember 2010 durchgehend in Österreich lebe, über ein großes soziales Netzwerk verfüge und sehr gut Deutsch spreche. Eine Vorstrafe von 2011 sei bereits getilgt und dürfe ihm nicht zum Nachteil gereichen. Auch habe das Bundesamt falsche Feststellungen getroffen und sich nicht hinreichend mit dem Sachverhalt auseinander gesetzt. Jedenfalls hätte aber mit der Anordnung des gelinderen Mittels das Auslangen gefunden werden müssen. Zudem habe der Beschwerdeführer am 23.05.2018 einen Asylfolgeantrag gestellt, dem der faktische Abschiebeschutz bisher nicht aberkannt worden sei.

Beantragt werde daher a) die Durchführung einer mündlichen Verhandlung; b) die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Bescheides und der Anhaltung in Schubhaft; c) die Feststellung der Rechtswidrigkeit der weiteren Anhaltung in Schubhaft; d) die Behörde zum Ersatz der Verfahrenskosten (inklusive Eingabegebühr) zu verpflichten.

3. Am 28.05.2018 langte der Verwaltungsakt beim Bundesverwaltungsgericht ein. In einer Stellungnahme vom selben Tag verwies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt/BFA) auf das bisherige Verfahren, die für 13.06.2018 angesetzte eskortierte Abschiebung. Beantragt wurde die Abweisung der Beschwerde und die Verpflichtung des Beschwerdeführers zum Ersatz der Kosten.

Aufgrund der Aktenlage wird folgender Sachverhalt der gegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegt:

Der Beschwerdeführer ist Staatsbürger Algeriens. Seine Identität steht fest - er wurde auch seitens der algerischen Behörden als algerischer Staatsbürger identifiziert. Eine begleitete Abschiebung in den Herkunftsstaat Algerien ist für 13.06.2018 anberaumt.

Der erste Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz (vom 17.12.2010) wurde bereits mit Bescheid vom 05.06.2012 (letztlich rechtskräftig) abgewiesen und mit einer Ausweisung nach Algerien verbunden. Seit damals besteht eine durchsetzbare (rechtskräftige) aufenthaltsbeendende Maßnahme. Ein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Familienangehöriger" blieb 2015 ebenfalls erfolglos. Auch der Asylfolgeantrag vom 29.11.2017 wurde vom Bundesamt mit Bescheid vom 22.02.2018 zurückgewiesen; die dagegen eingebrachte Beschwerde vom Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 18.03.2018, I416 2188771-1/5E, abgewiesen. Diese Entscheidung enthält auch die Feststellung: "Es konnten keine maßgeblichen Anhaltspunkte für die Annahme einer hinreichenden Integration des Beschwerdeführers in Österreich in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht festgestellt werden.". Seit diesem Zeitpunkt liegt eine weitere durchsetzbare und rechtskräftige aufenthaltsbeendende Maßnahme in Bezug auf den Beschwerdeführer vor. Eine Frist für die freiwillige Ausreise wurde dem Beschwerdeführer nicht gesetzt; die erstinstanzliche Entscheidung verpflichtete ihn zur unmittelbaren Rückkehr in den Herkunftsstaat.

Am 08.05.2018 wurde ein Festnahmeauftrag gegen den unverändert im Bundesgebiet aufhältigen Beschwerdeführer erlassen und der Beschwerdeführer am selben Tag festgenommen. Ebenfalls am 08.05.2018 wurde über ihn - nach mündlicher Einvernahme - mit dem verfahrensgegenständlichen Bescheid die Schubhaft angeordnet. Aus dem Stande der Strafhaft stellte der Beschwerdeführer am 23.05.2018 einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz. Am 28.05.2018 wurde der Beschwerdeführer einvernommen und es wurde dem Antrag mittels mündlich verkündeten Bescheids der faktische Abschiebeschutz aberkannt. Ebenfalls am 28.05.2018 wurde die Aufrechterhaltung der Schubhaft gemäß § 76 Abs. 6 FPG mittels Aktenvermerk festgehalten. Dies wurde ihm nachweislich noch am selben Tag zur Kenntnis gebracht.

Es bestehen rechtskräftige und durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahmen betreffend den Beschwerdeführer vom Juni 2012 und März 2018, jeweils bezogen auf seinen Herkunftsstaat Algerien. Der Beschwerdeführer ist seiner Verpflichtung zur Rückkehr in den Herkunftsstaat bisher nicht nachgekommen.

Der Beschwerdeführer verfügt über keine familiären und keine substanziellen sozialen Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet. Er ging in Österreich nur kurzfristig einer legalen Beschäftigung (Verteilen von Werbematerial für Konzertveranstalter) nach und verfügt weder über nennenswerte Barmittel noch eine gesicherte Unterkunft. Er hielt sich in den letzten Jahren mehrere Monate ohne amtliche Meldung im Bundesgebiet auf.

Der Beschwerdeführer ist (und war zum Zeitpunkt der Schubhaftverhängung) grundsätzlich gesund und jedenfalls haftfähig. Es gibt keinen stichhaltigen Hinweis für sonstige substanzielle gesundheitliche Probleme körperlicher oder psychischer Natur.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Beweiswürdigung:

1.1. Der Verfahrensgang und der Sachverhalt ergeben sich aus dem Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des Bundesamtes zu 541714607 sowie insbesondere den vorliegenden Gerichtsakten des Bundesverwaltungsgerichtes (inklusive jenem zum Verfahren zu I416 2188771-1). Insbesondere gilt das für die unstrittige algerische Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers, den ebenfalls unstrittigen Verfahrensgang (inklusive zweier erfolgloser asylrechtlicher sowie eines fremdenrechtlichen Verfahren) und die für 13.06.2018 anberaumte eskortierte Abschiebung. Zweifel an deren grundsätzlicher Durchführbarkeit wurden in der gegenständlichen Beschwerde nicht geäußert.

1.2. Die Feststellungen zum jüngsten (dritten) Asylverfahren des Beschwerdeführers - einschließlich der Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes und der Aufrechterhaltung der Schubhaft gemäß § 76 Abs. 6 FPG ergeben sich aus der Aktenlage und sind dem Beschwerdeführer nachweislich bekannt. Dies ergibt sich aus den im Akt einliegenden Protokollen und Übernahmebestätigungen.

1.3. Das Bestehen zweier einer rechtskräftiger und durchsetzbarer aufenthaltsbeendender Maßnahmen ergibt sich ebenfalls aus der (schon oben dargelegten) Aktenlage. Dass der Beschwerdeführer seiner Rückkehrverpflichtung nicht nachgekommen ist, wird in der Beschwerde sogar ausdrücklich ausgeführt.

1.4. In der Beschwerde wurden keine substanziellen familiären, sozialen oder beruflichen Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet aufgezeigt. Der Beschwerdeführer verfügt auch unstrittig über keine Familienangehörigen im Bundesgebiet (seine Ehe wurde schon vor längerer Zeit geschieden). Seine Behauptung eines "großen sozialen Netzwerks" blieb gänzlich unbelegt. Legal beschäftigt war der Beschwerdeführer nach eigenen Angaben lediglich sporadisch als Verteiler von Konzertwerbung in der Wiener Innenstadt. Hinweise für eine bestehende gesicherte Unterkunft abseits seiner behördlichen Unterbringung in der EAST-Ost sind im Verfahren nicht hervorgekommen. Auch für nennenswerte Barmittel gibt es keinen Hinweis.

Die Feststellung zu den Zeiträumen des Aufenthalts ohne amtliche Meldung im Bundesgebiet ergibt sich aus einer Abfrage im Zentralen Melderegister vom 28.05.2018, der insbesondere eine fehlende Meldung zwischen 01.06.2017 und 31.01.2018 zu entnehmen ist.

1.5. Für substanzielle gesundheitliche Probleme des Beschwerdeführers gibt es keinen Hinweis und sind solche auch in der Beschwerde nicht behauptet worden. Haftunfähigkeit wird in der gegenständlichen Beschwerde jedenfalls nicht behauptet.

2. Rechtliche Beurteilung

2.1. Soweit das Verwaltungsgericht nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, hat es gemäß § 27 VwGVG den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs.1 Z 3 und 4 VwGVG) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3 VwGVG) zu überprüfen. Gemäß § 9 Abs. 1 VwGVG hat die Beschwerde u.a. (Z 3) die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt, sowie (Z 4) das Begehren zu enthalten. In den erläuternden Bemerkungen der Regierungsvorlage zur Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I Nr. 51/2012, wurde zu § 27 VwGVG ausgeführt: "Der vorgeschlagene § 27 legt den Prüfungsumfang des Verwaltungsgerichtes fest. Anders als die Kognitionsbefugnis einer Berufungsbehörde (vgl. § 66 Abs. 4 AVG) soll die Kognitionsbefugnis des Verwaltungsgerichtes durch den Inhalt der Beschwerde beschränkt sein."

2.2. Der mit "Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft" betitelte § 22a des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, lautet:

"§ 22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.

(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

(5) Gegen die Anordnung der Schubhaft ist eine Vorstellung nicht zulässig."

Das Bundesverwaltungsgericht ist somit gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG für die Entscheidung der gegenständlichen Beschwerde zuständig.

Zu Spruchteil A)

2.3. Der mit "Schubhaft" betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:

"§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur dann angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder der Abschiebung notwendig ist und sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

2. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebiets-beschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.

2.4. Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).

Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der - aktuelle - Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).

3. Zur Frage der Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides und der Anhaltung in Schubhaft seit 08.05.2018:

3.1. Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung kann immer nur dann verhältnismäßig sein, wenn mit dem der Möglichkeit einer Abschiebung auch tatsächlich zu rechnen ist. Ergibt sich, dass diese fremdenpolizeiliche Maßnahme innerhalb der Schubhafthöchstdauer nicht durchführbar ist, so darf die Schubhaft nicht verhängt werden bzw. ist - wenn sich das erst später herausstellt - umgehend zu beenden (VwGH 28.08.2012, 2010/21/0517; vgl. VwGH 19.04.2012, 2009/21/0047).

Die "Fluchtgefahr" ist in Österreich im § 76 Abs. 3 FPG (oben unter Punkt II.2. wiedergegeben) gesetzlich definiert. Aktuell liegen zwei rechtskräftige und durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bezogen auf Algerien vor; im dritten Asylverfahren wurde der faktische Abschiebeschutz aberkannt. Mit der Ausstellung eines Heimreisezertifikats und Überstellung war bereits zum Zeitpunkt der Anordnung der Schubhaft realistisch zu rechnen. Zum nunmehrigen Entscheidungszeitpunkt ist die eskortierte Abschiebung bereits für 13.06.2018 angesetzt. Einschlägige Überstellungen werden regelmäßig erfolgreich durchgeführt.

3.2. Die belangte Behörde begründete die festgestellte Fluchtgefahr im Wesentlichen mit der bereits zum Zeitpunkt der (damals) letzten Asylantragstellung bestehenden durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme und die lediglich geringgradige soziale Verankerung des Beschwerdeführers im Bundesgebiet. Das Bundesamt stützte sich dabei erkennbar auf die Ziffer 5 des § 76 Abs. 3 FPG und prüfte zudem den Grad sozialer Verankerung in Österreich gemäß § 76 Abs. 3 Z 9 FPG.

Dem Vorliegen der Voraussetzung der Ziffer 5 (Rumpfbestimmung) wurde auch in der Beschwerde nicht substanziell entgegen getreten, zumal sich diese unter Einbeziehung des Inhalts der Beschwerde vielmehr als unstrittig erweisen.

3.3. Die belangte Behörde stützt den angefochtenen Bescheid auch auf § 76 Abs. 3 Z 9 FPG, wonach der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes zu berücksichtigen sind und kommt zutreffend zum Ergebnis, dass dieser nur gering ausgeprägt ist. Für familiäre oder substanzielle soziale Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet gibt es keinerlei stichhaltigen Hinweis und wurden solche auch im Verfahren weder konkret behauptet noch belegt. Die pauschale Behauptung eines "großen sozialen Netzwerks" ist in diesem Zusammenhang nicht ausreichend, zumal dieses "Netzwerk" nachweislich nicht einmal in der Lage war, dem Beschwerdeführer vor oder nach seiner Scheidung eine Unterkunft zur Verfügung zu stellen oder zu organisieren.

Die belangte Behörde kam daher zutreffend zu der Auffassung, dass der Beschwerdeführer über keine Bindungen in Österreich verfügt, auf Grund welcher anzunehmen sein könnte, dass er sich bis zur (realistisch möglichen) Überstellung den Behörden nicht entziehen werde.

Auf Grund dieser Erwägungen ging das Bundesamt zutreffend davon aus, dass im Falle des Beschwerdeführers insgesamt Fluchtgefahr in einem die Anordnung der Schubhaft rechtfertigenden Ausmaß besteht.

3.4. Auf Grund der festgestellten Fluchtgefahr konnte auch nicht mit der Anwendung gelinderer Mittel das Auslangen gefunden werden:

Dem Bundesamt ist darin beizupflichten, dass sich im Falle des Beschwerdeführers weniger einschneidende Maßnahmen nicht wirksam anwenden lassen: der Beschwerdeführer hat nachdrücklich klar gemacht, dass er sich seiner Abschiebung widersetzen wolle (siehe Einvernahme vom 08.05.2018). Zudem gibt es keine Hinweise auf Bindungen, die ihn von einem Untertauchen zur Vereitelung einer Abschiebung und einem Aufenthalt im Verborgenen abhalten würden. Dies umso mehr, als seine Meldehistorie im Bundesgebiet einige signifikante längere Lücken aufweist.

3.5. Das Bundesamt konnte aus den oben dargelegten Gründen davon ausgehen, dass die Überstellung des Beschwerdeführers nach Algerien in zumutbarer Frist möglich ist. Auch die absehbare Dauer der Schubhaft war nicht unverhältnismäßig: Mit der Durchführung der Überstellung war nicht nur tatsächlich und innerhalb der gesetzlichen Fristen sondern vielmehr auch binnen kurzer Zeit zu rechnen. Überdies gab es bei Anordnung der Schubhaft keine erkennbaren Hinweise auf eine Haftunfähigkeit des Beschwerdeführers und wurde sie auch im Beschwerdeverfahren nicht behauptet.

3.6. Soweit er in der Beschwerde dem Bundesamt aktenwidrige Ausführungen im angefochtenen Bescheid vorwirft, ist der Beschwerdeführer damit - soweit es den Abschnitt "E) Rechtliche Beurteilung" betrifft - grundsätzlich im Recht. Tatsächlich finden sich in der Begründung des angefochtenen Bescheides vereinzelt Elemente, die offensichtlich nicht mit dem gegenständlichen Fall in Zusammenhang stehen. Dies betrifft insbesondere die Anführung eines Herkunftsstaates "Marokko" oder das angebliche Fehlen einer behördlichen Meldung.

In einer Gesamtbetrachtung des Bescheides ist jedoch zweifelsfrei ersichtlich, dass es sich dabei um offenkundig irrtümlich im Bescheid verbliebene Überreste einer überschriebenen Vorlage handelt:

Der Beschwerdeführer wird als Adressat des Bescheides korrekt angeführt. Auch die Feststellungen (Abschnitt "C" des Bescheides) weisen keinerlei Aktenwidrigkeit auf - was auch in der Beschwerde nicht behauptet worden ist. Zudem stützt das Bundesamt die Fluchtgefahr ausschließlich auf Ziffer 5 des § 76 Abs. 3 FPG - das Vorliegen der entsprechenden Kriterien wurde nie bestritten. Die Einbeziehung von § 76 Abs. 3 Z 9 FPG in eine solche Entscheidung ist im Übrigen obligatorisch.

Die im Zusammenhang mit Ziffer 9 thematisierten aktenwidrigen Ausführungen betreffen zudem nur Elemente von untergeordneter Bedeutung. Insbesondere ist irrelevant, ob angesichts der unstrittigen Tatsache einer Ausreiseunwilligkeit des Beschwerdeführers teilweise ein falscher Herkunftsstaat bezeichnet wird, weil an dieser Stelle - anders als bei den entscheidungsrelevanten Feststellungen - ein neutrales "in den Herkunftsstaat" (ohne dessen konkrete Bezeichnung) bereits ausreichen würde. Zudem definiert Ziffer 9 ein bewegliches System mehrerer die soziale Verankerung im Bundesgebiet betreffende Kriterien, von denen der Beschwerdeführer jedenfalls drei der explizit im Gesetz hervorgehobenen - Familie, legale Erwerbstätigkeit, hinreichende Existenzmittel - nicht erfüllt.

Die feststellbaren Fehler im angefochtenen Bescheid sind damit insgesamt nur von geringer Relevanz und nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit des gesamten Bescheides zu begründen.

3.7. Aus diesen Gründen ist die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid und die Anhaltung in Schubhaft ab 24.04.2018 abzuweisen.

4. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ist festzustellen, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen:

4.1. Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht, sofern die Anhaltung noch andauert, jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

Der VwGH hat zum Fortsetzungsausspruch gemäß § 83 Abs. 4 erster Satz FPG in der bis 31.12.2013 geltenden Fassung ausgesprochen, dass der Unabhängige Verwaltungssenat (UVS) im Rahmen seines Ausspruchs gemäß § 83 Abs. 4 FPG aF nicht an die im Schubhaftbescheid herangezogenen Rechtsgrundlagen gebunden ist, sondern die Zulässigkeit der Fortsetzung der Schubhaft nach allen Richtungen zu prüfen hat; er ist auch nicht nur "ermächtigt", einen "weiteren bzw. neuen Anhaltegrund für die Fortsetzung der Schubhaft zu schaffen", sondern bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen im Rahmen des ihm eingeräumten Ermessens zu einem positiven und (nur) bei deren Fehlen zu einem negativen Fortsetzungsausspruch verpflichtet. Verneint der UVS daher das Vorliegen der Voraussetzungen für die weitere Anhaltung in Schubhaft, so bedeutet dieser Ausspruch von Gesetzes wegen die Unzulässigkeit der (Fortsetzung der) Schubhaft auf Grund jeglichen zum Bescheiderlassungszeitpunkt geltenden Schubhafttatbestandes, unabhängig davon, ob der UVS dessen Voraussetzungen (erkennbar) geprüft und dies seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat (VwGH 15.12.2011, Zl. 2010/21/0292; 28.08.2012, Zl. 2010/21/0388 mwN). Diese Rechtsprechung des VwGH ist unverändert auf den Fortsetzungsausspruch des Bundesverwaltungsgerichtes nach der inhaltlich gleichlautenden Bestimmung des § 22a Abs. 3 BFA-VG übertragbar.

4.2. Für die Durchsetzung einer Rückkehrentscheidung (Abschiebung) ist die Anwesenheit des Beschwerdeführers erforderlich. Es ist angesichts seines bisherigen Verhaltens jedoch davon auszugehen, dass er sich dem behördlichen Zugriff nunmehr durch Untertauchen entziehen würde, sollte sich eine Gelegenheit dazu bieten. Da er zudem über keine feststellbaren familiären, beruflichen und substanziellen sozialen Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet verfügt, ist nicht ersichtlich, was den Beschwerdeführer im Falle einer Entlassung aus der Schubhaft von einem Untertauchen abhalten sollte. Dies insbesondere weil der Beschwerdeführer während seines mehrjährigen Aufenthalts im Bundesgebiet auch schon für längere Zeit nicht amtlich gemeldet war.

Im gegenständlichen Fall sind die Kriterien der Ziffer 5 (Rumpfbestimmung) des § 76 Abs. 3 FPG hinsichtlich des zweiten Asylantrags des Beschwerdeführers unstrittig erfüllt. Überdies ist Ziffer 5 - hinsichtlich des letzten, dritten, Antrags auf internationalen Schutz - zum Entscheidungszeitpunkt ein weiteres Mal erfüllt. Diesmal sogar in der qualifizierten Form, weil der jüngste Antrag auf internationalen Schutz aus dem Stande der Schubhaft gestellt worden ist.

Hinweise für einen substanziellen Grad der sozialen Verankerung im Sinne der Z 9 leg. cit. sind wie dargelegt im Verfahren nicht hervorgekommen. Hinsichtlich der Z 9 ist überdies festzuhalten, dass schon nach dem Wortlaut der Bestimmung (einzelne) "soziale Anknüpfungspunkte" für sich alleine nicht ausreichen würden, der Verhängung einer Schubhaft entgegenzustehen. Vielmehr geht es um den "Grad der sozialen Verankerung in Österreich", wobei familiäre Beziehungen, soziale Anknüpfungspunkte, eine legale Erwerbstätigkeit, Existenzmittel und gesicherter Wohnraum exemplarisch genannt werden. Im gegenständlichen Fall wurde aber das Bestehen derartiger Anknüpfungspunkte abseits gesicherten Wohnraums nicht einmal behauptet. Dieser allerdings nur in Form staatlicher Unterbringung, womit der Beschwerdeführer implizit einräumt, dass sein angebliches "großes soziales Netzwerk" offensichtlich entweder nicht willens oder nicht in der Lage ist, im zumindest eine Unterkunft zu ermöglichen.

Es ist auch nicht erkennbar, dass dieses nur pauschal behauptete soziale Netzwerk in der Lage wäre, den Beschwerdeführer davon abzuhalten sich dem Zugriff der Behörden zu entziehen.

In Zusammenschau mit den obigen Ausführungen besteht damit aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts kein Zweifel, dass im gegenständlichen Fall (weiterhin) eine klare Fluchtgefahr seitens des Beschwerdeführers sowie ein durch seinen mehrjährigen illegalen Aufenthalt im Bundesgebiet bedingtes hohes staatliches Interesse an der Sicherstellung einer Abschiebung zu bejahen ist. Überdies steht ein Überstellungstermin in den Herkunftsstaat am 13.06.2018 bereits fest.

Aus diesen Erwägungen ergibt sich auch, dass im gegenständlichen Fall die Anwendung des gelinderen Mittels nicht ausreichend ist, um den Sicherungsbedarf zu erfüllen. Dies insbesondere aufgrund des bisherigen Verhaltens des Beschwerdeführers (das auch längerfristige Aufenthalte im Bundesgebiet ohne Meldeadresse einschließt), und der - jedenfalls unter Bedachtnahme auf das Erfordernis einer Eskortierung - äußerst geringen Zeitspanne bis zur (anberaumten) Abschiebung. Damit liegt auch die geforderte "ultima-ratio-Situation" für die Verhängung der Schubhaft vor und erweist sich diese zum gegenwärtigen Zeitpunkt auch als verhältnismäßig. Gesundheitliche Probleme wurden in der Beschwerde im Übrigen nicht behauptet und in den jüngsten Einvernahmen des Beschwerdeführers auch explizit verneint.

4.3. Es war daher gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG festzustellen, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

5. Entfall einer mündlichen Verhandlung

5.1. Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn (Z 1) der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder (Z 2) die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist. Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. Das Verwaltungsgericht kann gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.

5.2. Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben, da der Sachverhalt auf Grund der Aktenlage und des Inhaltes der Beschwerde geklärt war und Widersprüchlichkeiten in Bezug auf die für die gegenständliche Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltselemente nicht vorlagen. Das Vorliegen der Voraussetzungen für die Anordnung des gelinderen Mittels ist zudem eine rechtliche Abwägungsentscheidung und keine (reine) Sachverhaltsfrage. Feststellungsmängel des diesbezüglich entscheidungsrelevanten Sachverhalts wurden aber in der Beschwerde nicht aufgezeigt.

In der Beschwerde finden sich auch keine substanziellen Hinweise auf einen sonstigen möglicherweise unvollständig ermittelten entscheidungsrelevanten Sachverhalt. Aus der Aktenlage haben sich zudem keine Zweifel an der Haftfähigkeit ergeben, wobei diesbezügliche Probleme auch in der Beschwerde nicht thematisiert worden sind. Die Erläuterung von Rechtsfrage in einer mündlichen Verhandlung ist nicht erforderlich.

6. Kostenersatz

6.1. Gemäß § 22a Abs. 1a BFA-VG gelten für Beschwerden nach dieser Bestimmung die für Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist (für die Zeit vor Inkrafttreten des § 22a Abs. 1a BFA-VG s. VwGH 23.04.2015, Ro 2014/21/0077).

6.2. Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG hat die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt obsiegende Partei hat Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist gemäß Abs. 2 der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei. Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist gemäß Abs. 3 die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei. Die §§ 52 bis 54 VwGG sind gemäß Abs. 6 auf den Anspruch auf Aufwandersatz gemäß Abs. 1 sinngemäß anzuwenden.

Dem Beschwerdeführer gebührt als unterlegener Partei daher kein Kostenersatz, die belangte Behörde hat als (vollständig) obsiegende Partei Anspruch auf Kostenersatz im beantragten Umfang.

Zu B)

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Dies liegt im gegenständlichen Fall nicht vor.

Die Revision war daher nicht zuzulassen.

Schlagworte

Fluchtgefahr, Folgeantrag, Fortsetzung der Schubhaft, Kostenersatz,
mangelnder Anknüpfungspunkt, Meldeverstoß, Mittellosigkeit,
öffentliches Interesse, Schubhaftbeschwerde, Sicherungsbedarf,
Strafhaft, Verhältnismäßigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W137.2196569.1.00

Zuletzt aktualisiert am

11.06.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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