Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Schramm als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek, Dr. Nowotny sowie die Hofrätin Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S***** GmbH, *****, vertreten durch Mag. Robert Levovnik, Rechtsanwalt in Klagenfurt, gegen die beklagte Partei Ing. W***** T*****, vertreten durch Dr. Marwin Gschöpf, Rechtsanwalt in Velden am Wörthersee, wegen 17.868,72 EUR sA, über den Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Rekursgericht vom 21. Februar 2018, GZ 7 R 54/17s-29, womit der Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt vom 8. August 2017, GZ 29 Cg 8/16v-24, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.253,88 EUR (darin enthalten 208,98 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu bezahlen.
Text
Begründung:
Die in Österreich ansässige klagende Partei hat im in Österreich gelegenen Haus des Beklagten, der seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat, Werkleistungen erbracht und klagt nun beim Erstgericht den Werklohn ein.
Der Beklagte, dessen Verbrauchereigenschaft in dritter Instanz nicht mehr strittig ist, hat die fehlende internationale Zuständigkeit des Erstgerichts eingewendet.
Auf der auch in Deutschland abrufbaren Homepage der Klägerin wird auch auf Standorte bzw Niederlassungen in Deutschland verwiesen, so in Karlsruhe, Lüchow und Darmstadt. Aus dieser Homepage geht auch hervor, dass sich die klagende Partei um Kunden „in Österreich, Deutschland, Ungarn und Slowenien“ kümmert. Verwiesen wird auch auf einen „S***** [Firmeninitialen der klagenden Partei] Einsatz in Norddeutschland“.
Die Klägerin schickte drei Kostenvoranschläge an den Beklagten an dessen Anschrift in Deutschland.
Die Vorinstanzen haben ausgesprochen, das Erstgericht sei mangels internationaler Zuständigkeit unzuständig, und deswegen die Klage zurückgewiesen. Die klagende Partei habe nach ihrem Internetauftritt ihre berufliche oder gewerbliche Tätigkeit im Sinn von Art 17 Abs 1 lit c zweite Alternative EuGVVO 2012 (Brüssel Ia-VO; in der Folge „EuGVVO“) (auch) auf Deutschland ausgerichtet. Da die Verbraucherschutzbestimmungen der EuGVVO anzuwenden seien und der Beklagte seinen Wohnsitz in Deutschland habe, werde die Zuständigkeit deutscher Gerichte begründet.
Das Rekursgericht hat den Revisionsrekurs zugelassen, weil keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage vorliege, ob die Anführung von Niederlassungen in anderen Mitgliedstaaten auf einer Homepage ausreiche, um ein Ausrichten der Tätigkeit im Sinne des Art 17 Abs 1 lit c zweite Alternative EuGVVO zu begründen.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs der Klägerin ist mangels erheblicher Rechtsfrage unzulässig.
Die Zurückweisung eines ordentlichen Revisionsrekurses wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 528 Abs 1 ZPO kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 Satz 4 iVm § 528a ZPO).
Hängt die Entscheidung von der Lösung einer Frage des Unionsrechts ab, so ist nach mittlerweile ständiger Rechtsprechung die Anrufung des Obersten Gerichtshofs zur Nachprüfung dessen Anwendung auf der Grundlage der Rechtsprechung des EuGH nur zulässig, wenn der zweiten Instanz bei Lösung dieser Frage eine gravierende Fehlbeurteilung unterlief (RIS-Justiz RS0117100).
Eine solche gravierende Fehlbeurteilung liegt nicht vor, die bekämpfte Entscheidung hält sich vielmehr im Rahmen der einschlägigen Rechtsprechung des EuGH (vgl etwa nur EuGH C-585/08 Pammer/Schlüter und C-144/09 Alpenhof/Heller; RIS-Justiz RS0125001 [T2]; RS0128704; RS0128705; Staudinger in Rauscher, EuZPR/EuIPR4 Art 17 Brüssel Ia-VO Rz 13a).
Auch der Revisionsrekurs zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf:
Dass der festgestellte Internetauftritt für das von der Klägerin behauptete Zustandekommen des Geschäfts nicht ausschlaggebend (kausal) war, ist für die Anwendung des Art 17 Abs 1 lit c EuGVVO (vormals Art 15 Abs 1 lit c Brüssel I-VO) irrelevant (EuGH C-218/12 Emrek/Sabranovic; RIS-Justiz RS0124879 [T5]; 10 Ob 21/14g ErwGr 3).
Für die Geltung des Verbrauchergerichtsstands ist auch nicht erforderlich, dass die Initiative zum Vertragsabschluss vom Unternehmer ausgegangen ist (BGH VI ZR 154/10; Gottwald in Münchener Kommentar zur ZPO5 Art 17 EuGVVO Rz 10). In diesem Sinne wird von Art 17 Abs 1 lit c EuGVVO auch der „aktive Konsument“ geschützt (Staudinger in Rauscher, EuZPR/EuIPR4 Art 17 Brüssel Ia-VO Rz 11).
Die Rechtsmittelwerberin kann nicht nachvollziehbar erklären, weshalb sie auf ihre Niederlassungen in Deutschland verweisen sollte, wenn sie mit Verbrauchern in Deutschland keine Verträge abschließen möchte. Mit der (impliziten) Behauptung, die Ausrichtung der Tätigkeit (auf Deutschland) habe erst nach dem Vertragsabschluss begonnen, geht die Rechtsmittelwerberin nicht vom festgestellten Sachverhalt aus.
Die Revisionsrekurswerberin bezieht sich in ihren Rechtsausführungen zwar mehrfach auf Rechtsprechung des EuGH, ohne jedoch auch nur eine einzige, ihre Argumentation stützende Entscheidung zu zitieren.
Weder das Rekursgericht noch die Rechtsmittelwerberin hat eine erhebliche Rechtsfrage aufgezeigt; der Revisionsrekurs war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO. Der Beklagte hat auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen.
Textnummer
E121613European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2018:0060OB00069.18T.0426.000Im RIS seit
11.06.2018Zuletzt aktualisiert am
29.10.2018