TE Bvwg Beschluss 2018/5/29 I414 1421901-2

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Veröffentlicht am 29.05.2018
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Entscheidungsdatum

29.05.2018

Norm

AsylG 2005 §3
BFA-VG §18 Abs5
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

I414 1421901-2/4Z

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Christian EGGER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX (alias XXXX), geb. XXXX (alias XXXX), StA. NIGERIA, vertreten durch RA DAIGNEAULT, Lerchenfelder Gürtel 45/11 in 1160 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.04.2018, Zl. XXXX, beschlossen:

A)

Der Beschwerde wird gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer stellte nach illegaler Einreise am 04.06.2009 einen Antrag auf internationalen Schutz. Am 04.06.2009 erfolgte auch die Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Polizeiinspektion Traiskirchen, EASt, in Anwesenheit eines Dolmetschers der Sprache Englisch.

In der Erstbefragung sagte der Beschwerdeführer aus, er heiße XXXX, geboren XXXX. Er sei Staatsangehöriger von Nigeria, gehöre der Volksgruppe der Ibo an und sei Christ. Er sei unverheiratet und stamme aus XXXX. Er habe zuletzt an einer näher bezeichneten Adresse in Delta State gewohnt. Seine Eltern und seine drei Geschwister seien verstorben. Er habe weder im Heimatland noch in Österreich Verwandte. Er habe 12 Jahre lang (1994 - 2006) die Schule besucht und sechs Jahre lang (2003 - 2009) als Fußballspieler bei einem näher bezeichneten Verein gearbeitet. Zu seinem Reiseweg gab der Beschwerdeführer an, er habe sein Heimatland ungefähr zwei Monate zuvor verlassen und sei über Benin, Libyen und Italien auf dem Land- und Seeweg über eine ihm nicht bekannte Route nach Österreich gelangt. Zu den Gründen für das Verlassen seines Heimatlandes gab der Beschwerdeführer an, er habe Angst um sein Leben. Es sei bereits zweimal auf ihn geschossen worden, wobei er eine Narbe am rechten Oberschenkel demonstrierte.

Am 20.08.2009 wurde der Beschwerdeführer vom Bundesasylamt, Außenstelle Traiskirchen, unter Beteiligung eines Dolmetschers in der Sprache Ibo niederschriftlich einvernommen, wobei er angab, es gehe ihm gut. Der Beschwerdeführer ergänzte, er habe zuletzt im Internat seiner Schule gewohnt und im Heimatland würden noch zwei Onkel in Abuja und Enugu leben. Zu seinen Fluchtgründen sagte der Beschwerdeführer im Wesentlichen aus, sein Vater sei Mitglied der PDP-Partei gewesen und habe bei den Wahlen 2003 an Wahlbetrug zu Gunsten des Gouverneurs CHIMAROKE mitgewirkt. Bei den Wahlen 2008 sei es zu einem Kampf zwischen den rivalisierenden Parteien PDP und ANPP gekommen. Bereits im Vorfeld sei der Vater des Beschwerdeführers bedroht und sein Haus in XXXX angezündet worden. Nachdem der Kandidat der ANPP (OBIECHINA) die Wahl verloren habe, hätten seine Leute den Vater und den Bruder des Beschwerdeführers erschossen. Nachdem diese auch den Beschwerdeführer attackiert hätten, habe er das Land verlassen.

Am 13.10.2009 langte ein fachärztliches unfallchirurgisches Gutachten vom 07.10.2009 beim Bundesasylamt ein, welches zu dem Schluss kommt, dass die Narbe am Oberschenkel älter als vom Beschwerdeführer angegeben sein müsse und nicht von einer Schussverletzung herrühren könne.

Am 14.01.2010 wurde der Beschwerdeführer vom Bundesasylamt, Außenstelle Traiskirchen, unter Beteiligung eines Dolmetschers in der Sprache Englisch erneut niederschriftlich einvernommen, wobei er zu seinen Fluchtgründen ergänzte, OBIECHINA wolle sich rächen und die gesamte Familie des Beschwerdeführers ausrotten, da er wegen des Wahlbetrugs des Vaters des Beschwerdeführers die Wahl zum Gouverneur im Bundesstaat Enugu verloren habe.

Am 07.04.2011 erfolgte eine weitere Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesasylamt, Außenstelle Traiskirchen, unter Beteiligung eines Dolmetschers in der Sprache Ibo, wobei er aussagte, er habe Kontakt zu seinen beiden Cousins in Nigeria. Zu seinem Leben in Österreich sagte der Beschwerdeführer aus, er spiele manchmal Fußball und besuche die Kirche. Er habe eine slowakische Freundin, mit der er jedoch nicht zusammenlebe, und besuche einen Deutschkurs. Im Zuge der Einvernahme wurden dem Beschwerdeführer allgemeine Informationen zur Lage in Nigeria mitgeteilt.

Mit Schriftsatz vom 29.04.2011 übermittelte der Beschwerdeführer dem Bundesasylamt eine Stellungnahme, in der er erklärte, das Gutachten sei nicht schlüssig.

Mit (dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers am 22.09.2011 persönlich ausgefolgtem) Bescheid vom 16.09.2011, Zl. XXXX, wies das Bundesasylamt den Antrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005 (im Folgenden: AsylG 2005) "idgF" ab (Spruchpunkt I.). Weiters wies es den Antrag hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 leg. cit. ab (Spruchpunkt II.) und wies den Beschwerdeführer nach § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Nigeria aus (Spruchpunkt III.).

Gegen diesen Bescheid wurde rechtzeitig eine Beschwerde eingebracht, in der die Rechtswidrigkeit des Bescheidinhalts und die Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wurden. Der Beschwerdeführer brachte im Wesentlichen vor, das Bundesasylamt sei zu Unrecht von der Unglaubwürdigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers ausgegangen und das Gutachten sei unschlüssig.

Mit Urteil vom Landesgericht XXXX vom 04.12.2012, Zl. XXXX wurde der Beschwerdeführer wegen § 27 Abs. 1 Z 1 achter Fall und Abs. 3 SMG, § 15 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 9 Monaten, davon 3 Monate unbedingt rechtskräftig verurteilt.

Mit Bescheid vom 12.12.2012, Zl. XXXX, wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf Dauer von 10 Jahren befristetes Rückkehrverbot erlassen.

Am 09.01.2013 langten Kopien eines auf den Namen XXXX, geboren XXXX, von der nigerianischen Botschaft in Spanien ausgestellten Reisepasses und einer entsprechenden spanischen Aufenthaltsgenehmigung beim Bundesasylamt ein.

Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 26.05.2014, Zl. W161 1421901-1/9E wurde das Verfahren aufgrund unbekannten Aufenthalts eingestellt.

Am 14.08.2014 wurde das Verfahren fortgesetzt.

Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 28.11.2014, Zl. W158 1421901-1/14E wurde der Bescheid der belangten Behörde vom 16.09.2011 aufgehoben und die Angelegenheit wurde zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückgewiesen.

Mit 29.07.2016 wurde das Verfahren erneut aufgrund unbekannten Aufenthaltes eingestellt.

Am 19.04.2017 wurde das Verfahren fortgesetzt.

Mit Schreiben vom 17.01.2018 wurde die Landespolizeidirektion XXXX ersucht zu erheben, ob der Beschwerdeführer an der im Melderegister verzeichneten Adresse wohnhaft ist oder bereits verzogen ist. Mit Bericht vom 11.02.2018 teilte die Landespolizeidirektion mit, dass eine Person an der Meldeadresse angetroffen und befragt wurde. Diese Person gab an, dass der Beschwerdeführer sein Freund sei und er von ihm den Wohnungsschlüssel erhalten habe, da der Beschwerdeführer im Jänner nach Nigeria auf Heimaturlaub gefahren sei und Ende März wieder zurückkehren würde. Der Freund gab Weiters an, dass der Beschwerdeführer an dieser Adresse wohnhaft sei.

Mit Schreiben vom 16.03.2018 wurde die Landespolizeidirektion XXXX neuerlich ersucht eine Erhebung durchzuführen, hierbei wurde wiederum der Freund des Beschwerdeführers angetroffen und befragt, diesmal gab er an, dass der Beschwerdeführer aufgrund eines Besuches in Salzburg vorübergehend nicht anzutreffen sei.

Mit gegenständlich bekämpften Bescheid vom 18.04.2018, Zl. XXXX, wurde der Antrag auf internationalen Schutz vom 04.06.2009 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), der Antrag bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Nigeria gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt II.). Dem Beschwerdeführer wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gegen ihn wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt III.). Es wurde keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt (Spruchpunkt IV.). Einer Beschwerde wurde die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V.). Ferner wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf Dauer von 8 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VI.).

Mit Verfahrensanordnung vom 20.04.2018 wurde dem Beschwerdeführer der Verein Menschenrechte Österreich als Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zur Seite gestellt.

Mit fristgerecht eingebrachtem Schriftsatz erhob der Beschwerdeführer vertreten durch RA Edward W. DAIGNEAULT Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

Dabei wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass sich der Beschwerdeführer derzeit nicht in Österreich aufhalte, mangels seines Aufenthaltes in Österreich wäre das Verfahren einzustellen und hätte nicht fortgesetzt werden dürfen. Zudem sei der Beschwerdeführer von der belangten Behörde nicht persönlich einvernommen worden.

Die Rückkehrentscheidung sei rechtswidrig, da nur gegen illegal aufhältige Personen eine Rückkehrentscheidung erlassen werden dürfe, er sei jedoch nicht in Österreich aufhältig, zudem habe er ein Aufenthaltsrecht in Spanien. Seit 2012 bestehe gegen den Beschwerdeführer ein Rückkehrverbot, mit dem nunmehr achtjährigen Einreiseverbot würde er vierzehn Jahre nicht zum Aufenthalt in Österreich berechtigt sein.

Zum verhängten Einreiseverbot wurde zusammenfassend ausgeführt, dass der Beschwerdeführer wegen eines Drogendeliktes im Jahr 2012 verurteilt worden sei und er sei keinesfalls derart gefährlich, dass die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde rechtfertigen würde.

Er habe ein Interesse auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung, weil er vielleicht wieder nach Österreich einreisen möchte.

Der Beschwerdeführer sei in seinem Recht auf Nichtfortsetzung des Asylverfahrens und im Recht auf persönliche Anhörung nach Art 14 Abs. 1 RL 2013/32/EU, im Recht auf Nichterlassung einer Rückkehrentscheidung beziehungsweise des Einreiseverbotes und im Recht auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung verletzt worden.

Mit Schriftsatz vom 23.05.2018, beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt am 24.05.2018, legte die belangte Behörde die Beschwerde samt Verwaltungsakt vor.

Zu A) Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung:

Gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Aufgrund der Tatsache, dass vom Bundesverwaltungsgericht binnen einer Woche in einem Eilverfahren eine Annahme über die Gefahr einer Grundrechtsverletzung beziehungsweise Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit zu treffen ist, ist davon auszugehen, dass hier mit einer Gefahrenprognose aufgrund der Aktenlage vorzugehen ist. Schon im Hinblick darauf, dass Grundrechte oder sonstige massive Interessen des Beschwerdeführers beeinträchtigt werden könnten, dürfen die anzulegende Prüfdichte und der Wahrscheinlichkeitsgrad nicht allzu hoch sein. Gewissheit kann in diesem Stadium des Verfahrens nicht vorausgesetzt werden, weil damit das Schicksal der Beschwerde schon entschieden wäre.

Im vorliegenden Fall kann ohne nähere Prüfung des Sachverhaltes nicht ausgeschlossen werden, dass eine Abschiebung des Beschwerdeführers nach Nigeria eine reale Gefahr einer Verletzung von Bestimmungen der EMRK bedeuten würde.

Zur Klärung des Sachverhaltes ist die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht notwendig.

Die Entscheidung über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ist nicht als Entscheidung in der Sache selbst zu werten; vielmehr handelt es sich dabei um eine der Sachentscheidung vorgelagerte Verfügung, die nicht geeignet ist, den Ausgang des Verfahrens vorwegzunehmen.

Da eine Gefährdung des Beschwerdeführers im Sinne des § 18 Abs. 5 BFA-VG derzeit nicht mit der in diesem Zusammenhang erforderlichen Sicherheit von vornherein auszuschließen ist, war spruchgemäß zu entscheiden.

Eine öffentliche mündliche Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG entfallen.

Zu Spruchpunkt B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

aufschiebende Wirkung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:I414.1421901.2.00

Zuletzt aktualisiert am

08.06.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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