TE Vwgh Erkenntnis 2000/2/24 98/06/0211

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Veröffentlicht am 24.02.2000
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Index

L37158 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Vorarlberg;
L81708 Baulärm Vorarlberg;
L82000 Bauordnung;
L82008 Bauordnung Vorarlberg;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §66 Abs4;
BauG Vlbg 1972 §32 Abs1 impl;
BauRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Brandtner, über die Beschwerde der U in H, vertreten durch Dr. S und Mag. J, Rechtsanwälte in D, gegen den Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom 28. September 1998, Zl. VIIa-410.493, betreffend Nachbareinwendungen im Bauverfahren (mitbeteiligte Partei: B AG in W, vertreten durch Dr. C und Dr. W, Rechtsanwälte in W), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Vorarlberg Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn vom 18. Juni 1998 wurde der mitbeteiligten Partei die baurechtliche Bewilligung für die Errichtung eines Lebensmittelmarktes auf dem näher angeführten Grundstück unter Vorschreibung von Auflagen erteilt (Spruchpunkt I.). Nach den erstinstanzlich bewilligten Plänen hat der Verkaufsraum eine Größe von 499,43 m2. Die Einwendungen u.a. der Beschwerdeführerin (deren Grundstück nördlich unmittelbar an das Baugrundstück angrenzt) wegen befürchteter unzumutbarer und gesundheitsgefährdender Lärm-, Staub- und Geruchsbelästigung durch den PKW- und Kundenverkehr wurden als unzulässig zurückgewiesen, die Einwendungen wegen befürchteter unzumutbarer und gesundheitsgefährdender Lärm-, Staub- und Geruchsbelästigung durch die Kühl- und Lüftungsaggregate auf dem Betriebsgebäude sowie die Zuluftöffnungen als unbegründet abgewiesen (Spruchpunkt II).

In der dagegen erhobenen Berufung machte die Beschwerdeführerin geltend, dass die sich aus § 15 Abs. 4 und 6a Vbg. Raumplanungsgesetz ergebenden Anforderungen eines Einkaufszentrums (danach sei lediglich eine Verkaufsfläche von 400 m2 zulässig) nicht eingehalten würden, und wendete sich weiters gegen die direkt an der Grundgrenze zum Grundstück der Beschwerdeführerin hin geplante Schallschutzmauer.

Im Berufungsverfahren forderte die belangte Behörde die mitbeteiligte Partei im Hinblick auf die seit Inkrafttreten der Raumplanungsgesetznovelle LGBl. Nr. 48/1998 für Einkaufszentren geltende Regelung, nach der Einkaufszentren mit Verkaufsflächen für Waren des täglichen Bedarfs von mehr als 400 m2 in den Talsolen des Rheintales, des Walgaus und des Laiblachtales ohne besondere Widmung grundsätzlich unzulässig seien, zu einer entsprechenden Projektsmodifikation auf. Die Mitbeteiligte legte in der Folge einen entsprechend geänderten Plan vor, gemäß dem die Verkaufsfläche des Lebensmittelmarktes durch eine entsprechend geänderte Anordnung der Verkaufsflächen (ohne irgend eine bauliche Änderung vorzunehmen) auf 398,53 2 reduziert wurde und die Schallschutzmauer entlang der nördlichen Grundstücksgrenze des Baugrundstückes nunmehr in einem durchgehenden Abstand von 3 m errichtet werden sollte.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung u.a. der Beschwerdeführerin mit der Maßgabe abgewiesen, dass der erstinstanzlich festgestellte Sachverhalt

"a) hinsichtlich der Verkaufsfläche des Lebensmittelmarktes dahingehend geändert ist, dass die Verkaufsfläche gemäß der am 22. September 1998 eingereichten planlichen Darstellung auf

398.53 m2 reduziert wurde;

b) hinsichtlich der geplanten Schallschutzmauer entlang des nördlichen Teiles der Betriebsliegenschaft dahingehend geändert ist, dass diese in einem durchgehenden Abstand von 3 m zu den Grundstücken ..."(u.a. das Grundstück der Beschwerdeführerin angeführt) errichtet wird."

Diese Entscheidung wurde im Wesentlichen damit begründet, dass die Berufungsbehörde im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes verpflichtet sei, den Bauwerber zu einer Änderung des Bauvorhabens aufzufordern, wenn ein Versagungsgrund durch eine Modifikation des Bauansuchens beseitigt werden könne, sofern es sich bei der Projektänderung noch um dieselbe "Sache" handle. In diesem Sinne habe die belangte Behörde die Mitbeteiligte um Stellungnahme ersucht. Diese habe in der Folge mitgeteilt, dass sie die Verkaufsfläche des Lebensmittelmarktes auf 398,53 m2 reduziere und weiters die projektgegenständliche Schallschutzmauer entgegen den in der Einreichung dargestellten Abständen von 2,02 m bis 2,45 m zur näher angeführten Grundstücksgrenze nunmehr in einem durchgehenden Abstand von 3,0 m errichten werde. Die Projektänderung sei bezüglich der Verkaufsfläche einer Prüfung durch den Amtssachverständigen für Raumplanung und Baugestaltung unterzogen worden, der bei Einhaltung der planlichen Darstellung vom 22. September 1998 keine Einwendungen hinsichtlich der Anordnung der Verkaufsräume bzw. des Ausmaßes der Verkaufsfläche erhoben habe. Auf Grund der eingereichten Projektänderung sei zunächst zu prüfen gewesen, ob es sich beim vorliegenden Projekt noch um die selbe "Sache" handle, das Bauvorhaben sohin mit jenem der ersten Instanz "in seinem Wesen" und hinsichtlich des Bauwillens ident sei. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei der Begriff "Sache" im Zusammenhang mit Projektmodifikationen nicht zu eng auszulegen. Insbesondere werde eine solche Änderung als zulässig zu werten sein, wenn sie in einer "Einschränkung" bestehe und damit keine zusätzlichen Beeinträchtigungen von Nachbarn verbunden seien (es wird auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. Februar 1992, Zl. 92/06/0096, verwiesen). Unter Zugrundelegung dieser Ausführungen werde die Auffassung vertreten, dass durch die von der Mitbeteiligten eingereichte Projektmodifikation der ursprüngliche Bauantrag nicht derart in seinem Wesen verändert worden sei, dass dies eine Unzuständigkeit der belangten Behörde bewirken würde. Unter die in § 30 Abs. 1 Vbg. BauG angeführten Bestimmungen, aus denen Nachbarrechte abgeleitet werden könnten, falle grundsätzlich weder eine Einwendung auf Einhaltung des Flächenwidmungsplanes noch auf Anwendung einer bestimmten (der neuen) Rechtslage. Da die Berufung als zulässig gewertet worden sei, seien im Berufungsverfahren allerdings von Amts wegen Rechtsverletzungen objektiv-rechtlichen Charakters aufgegriffen worden, da andernfalls ein Projekt bewilligt werden hätte müsse, das sich im Widerspruch zur neuen Rechtslage befunden hätte. Dies hätte aber wiederum zur Folge, dass die Übereinstimmung des Projektes mit der bestehenden Widmung nach der neuen Rechtslage zu prüfen gewesen sei, was zur Einschränkung der Verkaufsfläche durch die Mitbeteiligte geführt habe. Damit bestünden aber aus der Sicht des Flächenwidmungsplanes keine Bedenken mehr. Auch das Berufungsvorbringen hinsichtlich der Schallschutzmauer sei nicht vom Katalog der in § 30 Vbg. BauG taxativ angeführten subjektiv-öffentlichen Rechte erfasst. Die geplante Schallschutzmauer entlang des nördlichen Teiles der Betriebsliegenschaft in einer projektierten Höhe von 4,5 m sei als Teil der gewerbebehördlichen Betriebsanlage zu sehen und demgemäß nach § 3 lit. e Vbg. BauG - wie von der Erstbehörde zutreffend festgestellt - von der baurechtlichen Bewilligungspflicht ausgenommen. Im Übrigen habe die Mitbeteiligte im Rahmen des Berufungsverfahrens ihr Projekt auch diesbezüglich eingeschränkt, sodass die in Frage stehende Schallschutzmauer in einem durchgehenden Abstand von 3 m zu dieser Grenze errichtet werde.

In der dagegen erhobenen Beschwerde wird die Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht. Die Beschwerdeführerin erachtet sich im Recht auf Parteiengehör in Bezug auf das geänderte Projekt verletzt.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und - wie die mitbeteiligte Partei - eine Gegenschrift samt Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin macht geltend, dass es sich im Hinblick auf die Änderung des Projektes (nämlich die Einschränkung der Verkaufsfläche um ca. 25 %) nicht mehr um dieselbe Sache handle. Eine Änderung der Verkaufsfläche in diesem Ausmaß sei gezwungenermaßen mit baulichen Veränderungen verbunden. Die Beschwerdeführerin könne diesbezüglich jedoch keine weiteren Angaben machen, weil ihr die beabsichtigten Modifikationen weder von der Mitbeteiligten noch von der belangten Behörde zur Kenntnis gebracht worden seien. Wenn es sich aber nicht um die selbe Sache, die Gegenstand der behördlichen Entscheidung in erster Instanz gewesen sei, gehandelt habe, sei die Berufungsbehörde nicht zur Entscheidung zuständig gewesen. Der Beschwerdeführerin sei durch den angefochtenen Bescheid "die erste Instanz" genommen worden. Die Beschwerdeführerin sei auch im Recht auf Gehör gemäß § 37 AVG verletzt worden. Ihr sei keine Gelegenheit gegeben worden, in die neuen Planunterlagen Einsicht zu nehmen, um überprüfen zu können, ob irgendwelche nachbarlichen Interessen durch die Projektänderung verletzt würden. Dies gelte auch dann, wenn die Projektänderung "im Interesse der Nachbarn" erfolgt sei. Es bestehe für die Beschwerdeführerin der begründete Verdacht, dass auf Grund der Projektänderung, welche die Änderung der Verkaufsfläche zum Gegenstand gehabt habe, die Höhe des Bauwerkes geändert worden sei, Außenmauern versetzt worden seien, usw.

Die Möglichkeit der Änderung von Bauvorhaben im Berufungsverfahren ist gemäß der hg. Judikatur (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 10. September 1981, Zl. 2041/79, nach dem Änderungen, die die baurechtliche Zulässigkeit des Bauvorhabens gewährleisteten bzw. die die Betriebszeiten und den zulässigen Verwendungszweck der Räume im Sinne eines stärkeren Immissionsschutzes einschränkten, als zulässig erachtet wurden) nur insoweit durch § 66 Abs. 4 AVG beschränkt, als es sich noch um die selbe "Sache" handeln muss. Die Modifikation darf nicht das Wesen (den Charakter) des Vorhabens treffen, sondern es muss der Bauwille ident sein. So hat der Verwaltungsgerichtshof auch ausgesprochen (siehe das hg. Erkenntnis vom 22. Oktober 1992, Zl. 92/06/0096), es handle sich bei einer Reduzierung des Projekts um zwei Stockwerke, wobei das Projekt im Übrigen im Wesentlichen unverändert geblieben sei, um eine unbedenkliche Änderung des Bauvorhabens, wenn sie deshalb vorgenommen worden sei, um dem Einwand des Nachbarn, die Gebäudehöhe verstoße gegen den Bebauungsplan, Rechnung zu tragen und die Bewilligungsfähigkeit des Projektes zu bewirken. Durch diese Verkleinerung des Projektes könnten Rechte des Nachbarn nicht verletzt werden. In dem hg. Erkenntnis vom 10. Oktober 1995, Zl. 94/05/0247, brachte der Verwaltungsgerichtshof zum Ausdruck, dass, wenn das ursprüngliche Bauobjekt lediglich verringert werde, im Allgemeinen im Vergleich zum ursprünglichen - der Kundmachung (Ladung) zugrundeliegenden - Projekt keine andere Angelegenheit vorliege, sodass Rechte der Nachbarn durch eine solche Einschränkung nicht verletzt werden könnten (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 19. September 1991, Zl. 89/06/0156).

Im vorliegenden Fall betrifft die Projektänderung die innerhalb des ursprünglich geplanten und unveränderten Gebäudes vorgesehene Verkaufsfläche, die um nahezu 100 m2 reduziert wurde. Wie sich aus dem geänderten Plan ergibt, waren dafür keine baulichen Änderungen erforderlich. Die vorliegende Projektänderung hat somit nicht das Wesen des Vorhabens geändert. Es handelte sich nach wie vor um dieselbe Sache, die Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens war.

Indem diese Projektänderung der Beschwerdeführerin nicht zur Kenntnis gebracht wurde, wurde sie zwar im Recht auf Parteiengehör verletzt. Es handelt sich dabei aber jedenfalls nicht um einen wesentlichen Verfahrensmangel, weil durch die bloße Reduzierung der vorgesehenen Verkaufsfläche innerhalb des unverändert gebliebenen Gebäudes keine Rechte des Nachbarn im Sinne des § 30 Abs. 1 Vbg. BauG verletzt worden sein konnten.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 24. Februar 2000

Schlagworte

Bauverfahren (siehe auch Behörden Vorstellung Nachbarrecht Diverses) Berufungsverfahren BauRallg11/2 Planung Widmung BauRallg3

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1998060211.X00

Im RIS seit

03.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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