Entscheidungsdatum
18.05.2018Norm
AsylG 2005 §2 Abs1 Z13Spruch
W123 2160817-1/6E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Michael ETLINGER über die Beschwerde des minderjährigen XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch die Mutter XXXX , geb. XXXX , gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 05.05.2017, 1105147608-170405024/BMI-BFA_NOE_RD, zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der minderjährige Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehörige, stellte am 03.04.2017, vertreten durch seine Mutter, den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.
2. Für die Einvernahme vor der belangten Behörde wird auf den Verfahrensgang der Mutter des Beschwerdeführers verwiesen. Im Akt des Beschwerdeführers befinden sich keine ihn betreffenden Einvernahmeprotokolle.
3. Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) abgewiesen. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 wurde dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihm gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 05.05.2018 erteilt (Spruchpunkt III.).
4. Gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheides wendet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher im Wesentlichen ausgeführt wurde, dass der Mutter des Beschwerdeführers Verfolgung aufgrund ihres Aufenthaltes in Pakistan und ihrer westlichen bzw. liberalen Einstellung drohe. Die belangte Behörde habe es unterlassen, die Mutter des Beschwerdeführers zu ihrer westlichen Gesinnung bzw. ihrem westlichen Lebensstil zu befragen. Der Vater des Beschwerdeführers sei in einer Fleischerei tätig gewesen, in welcher auch mit Schweinefleisch gearbeitet worden sei. Dies habe für den Vater des Beschwerdeführers kein Problem dargestellt, obwohl dies nach konservativer Auslegung des Islams nicht erlaubt sei. Die afghanische Kleidung habe die Mutter des Beschwerdeführers deshalb getragen, da sie noch an diese gewöhnt sei. Die Mutter des Beschwerdeführers vertrete ua die Auffassung, dass sich Frauen frei bewegen, allein aus dem Haus gehen und Freunde treffen dürfen.
5. In der hg. am 14.05.2018 eingelangten Stellungnahme des Beschwerdeführers wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Mutter des Beschwerdeführers sowohl in ihrer Einvernahme vor der belangten Behörde als auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht eine ihrem Alter entsprechende westliche Orientierung unter Beweis gestellt habe.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen (Sachverhalt):
Der minderjährige Beschwerdeführer, vertreten durch seine Mutter XXXX (W123 2160831-1), nennt sich XXXX , ist Staatsangehöriger von Afghanistan und gehört der Volksgruppe der Paschtunen an. Der Beschwerdeführer hält sich derzeit gemeinsam mit seiner Mutter, seinem Vater XXXX (W110 1428920-1), seinen Schwestern XXXX (W123 2160827-1), XXXX (W123 2160821-1), XXXX (W123 2160833-1) und XXXX (W123 2160824-1) sowie seinem Bruder XXXX (W123 2160837-1) in Österreich auf.
Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 21.05.2014, W110 1428920-1/10E, wurde die Beschwerde des Vaters des Beschwerdeführers gegen die Abweisung seines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) abgewiesen. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 wurde dem Vater des Beschwerdeführers der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihm gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 21.05.2015 erteilt (Spruchpunkt III.).
Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 18.05.2018, W123 2160831-1/7E, wurde die Beschwerde der Mutter des Beschwerdeführers gegen die Abweisung deren Antrages auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten durch die belangte Behörde abgewiesen.
Der Beschwerdeführer wuchs in Pakistan auf und war dort im Haus seinen väterlichen Großeltern wohnhaft.
Der Beschwerdeführer ist gesund und stellte am 03.04.2017 in Österreich den vorliegenden Antrag auf internationalen Schutz. Er besucht in Österreich den Kindergarten.
Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in Afghanistan aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit verfolgt werden würde.
2. Beweiswürdigung:
Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben mittels Durchführung einer öffentlich mündlichen Verhandlung mit der Mutter des Beschwerdeführers vor dem Bundesverwaltungsgericht, durch Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben der Mutter des Beschwerdeführers vor dieser und dem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes, des bekämpften Bescheides und des Beschwerdeschriftsatzes.
Die Feststellungen zu Identität, Herkunft, Nationalität und Familienverhältnissen des Beschwerdeführers gründen sich auf die diesbezüglich gleichbleibenden und daher glaubhaften Angaben seiner Mutter vor dem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes, der belangten Behörde, in dem Beschwerdeschriftsatz und in der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht. Es ist im Verfahren nichts hervorgekommen, das Zweifel an der Richtigkeit dieser Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers aufkommen lässt.
Für den Beschwerdeführer wurden keine eigenen Fluchtgründe bzw. Rückkehrbefürchtungen geltend gemacht. Die Mutter des Beschwerdeführers verwies in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht in Bezug auf die Fluchtgründe des Beschwerdeführers auf ihre eigenen (vgl. Seite 14 des Verhandlungsprotokolls im Verfahren zu W123 2160831-1).
Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 18.05.2018, W123 2160831-1/7E, wurde die Beschwerde der Mutter des Beschwerdeführers gegen die Abweisung deren Antrages auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten durch die belangte Behörde abgewiesen.
Es lässt sich auch unter Berücksichtigung der Minderjährigkeit des Beschwerdeführers keine individuelle konkrete Bedrohung und Verfolgung ableiten.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Das Verfahren der Verwaltungsgerichte (mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes) ist durch das VwGVG geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991 idF BGBl. I Nr. 161/2013, mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte (vgl. insbesondere § 1 BFA-VG).
§ 28 VwGVG ("Erkenntnisse") regelt die Kognitionsbefugnis der Verwaltungsgerichte und lautet auszugsweise wie folgt:
"§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn
1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder
2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
[...]"
Zu Spruchpunkt A)
1. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides:
3.2. Gemäß § 3 Abs. 1 Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl (Asylgesetz 2005 - AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005, ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 leg.cit. zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl 55/1955 (Genfer Flüchtlingskonvention, in der Folge: GFK) droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der RL 2004/83/EG des Rates verweist).
Im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist als Flüchtling anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder in Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. VwGH 22.12.1999, 99/01/0334; 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.01.2001, 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde (vgl. VwGH 19.12.2007, 2006/20/0771). Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.01.2001, 2001/20/0011). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (vgl. VwGH 09.09.1993, 93/01/0284; 15.03.2001, 99/20/0128; 23.11.2006, 2005/20/0551); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet.
Auch wenn in einem Staat allgemein schlechte Verhältnisse bzw. sogar bürgerkriegsähnliche Zustände herrschen sollten, so liegt in diesem Umstand für sich alleine noch keine Verfolgungsgefahr im Sinne der GFK. Um asylrelevante Verfolgung erfolgreich geltend zu machen, bedarf es daher einer zusätzlichen, auf asylrelevante Gründe gestützten Gefährdung des Asylwerbers, die über die gleichermaßen die anderen Staatsbürger des Heimatstaates treffenden Unbilligkeiten hinausgeht (vgl. VwGH 19.10.2000, 98/20/0233).
3.3. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 18.05.2018, W123 2160831-1/7E, wurde die Beschwerde der Mutter des Beschwerdeführers gegen die Abweisung deren Antrages auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten durch die belangte Behörde abgewiesen, weshalb dem Beschwerdeführer auch nicht aufgrund des Vorliegens eines Familienverfahrens der Status des Asylberechtigten gemäß § 34 Abs. 2 AsylG 2005 zuzuerkennen ist.
Mangels eigener glaubhaft gemachter Fluchtgründe bzw. Rückkehrbefürchtungen des Beschwerdeführers selbst, ist die vorliegende Beschwerde daher als unbegründet abzuweisen.
Zu Spruchpunkt B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen (siehe dazu insbesondere die unter A) zitierte Judikatur). Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Familienverfahren, Glaubhaftmachung, individuelle Verfolgungsgefahr,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:W123.2160817.1.00Zuletzt aktualisiert am
07.06.2018