TE Bvwg Beschluss 2018/5/22 W217 2194705-1

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Veröffentlicht am 22.05.2018
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Entscheidungsdatum

22.05.2018

Norm

B-VG Art.133 Abs4
PG 1965 §17
VwGVG §28 Abs3 Satz2

Spruch

W217 2194705-1/2E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Julia Stiefelmeyer als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX, geb.XXXX, vertreten durch Mag. Christoff BECK, Rechtsanwalt, vom 17.04.2018 gegen den Bescheid der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, Pensionsservice, vom 20.03.2018, Zl.XXXX, betreffend die Abweisung des Antrages auf Auszahlung eines Waisenversorgungsgenusses beschlossen:

I.

In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, Pensionsservice, zurückverwiesen.

II.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs.4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Beschluss des Bezirksgerichtes Favoriten, GZ XXXX, vom XXXX, wurde Rechtsanwalt Mag. Christoff Beck zum einstweiligen Sachwalter von Herrn XXXX(in der Folge: Beschwerdeführer) bestellt.

Mit Eingabe vom 03.07.2017 hat der Beschwerdeführer, vertreten durch seinen einstweiligen Sachwalter, die Zuerkennung des Waisenversorgungsgenusses nach seinem am 24.04.2002 verstorbenen Vater XXXX, Gruppeninspektor i.R., beantragt.

Im psychiatrisch-neurologischen Gutachten von Univ. Doz. Dr. XXXX vom 24.07.2017 wird ausgeführt, dass beim Beschwerdeführer eine neuropsychiatrische Symptomatik im Sinne einer Intelligenzminderung leichter Ausprägung und des Residualzustandes einer schizophrenen Psychose findet. Aufgrund der krankheitswertigen Ausprägung der Symptomatik bedarf es aus Sicht des Gutachters der Beistellung eines Sachwalters. In der Befundung wird Folgendes festgehalten:

"Anamnestisch findet sich beim Untersuchten eine Intelligenzminderung leichter Ausprägung mit Sonderbeschulung. Im weiteren Verlauf kam es zur Entwicklung einer schizophrenen Psychose. Herr XXXX befand sich bis zum Jahr 2017 nie in fachärztlicher Behandlung. Die Aufnahme im XXXX Spital wurde amtsärztlich angeordnet, nachdem der Untersuchte lange Zeit neben der verstorbenen Mutter gelebt hat. Im XXXX wurde die Diagnose einer Schizophrenie und zwar eines ausgeprägten Residualzustandes gestellt."

Daraufhin erstellte der Sachverständige folgendes Gutachten:

"1. Bei Herrn XXXX findet sich eine neuropsychiatrische Symptomatik im Sinne einer Intelligenzminderung leichter Ausprägung und des Residualzustandes einer schizophrenen Psychose.

2. Aufgrund der krankheitswertigen Ausprägung des Symptomatik bedarf der Untersuchte der Beistellung eines Sachwalters in Vertretung vor Ämters, Behörden, Gerichten, Sozialversicherungsträgern, privaten Vertragspartnern, in der Handhabung seiner finanziellen Angelegenheiten und Verwaltung seines Vermögens, bei medizinischen Fragestellungen und Fragen die Wohnortbestimmung betreffend.

3. Eine Besserung des Zustandsbildes ist in Teilbereichen unter Fortsetzung der psychiatrisch-psychopharmakologischen und psychosozialen Betreuung zu erwarten.

4. (...)"

Mit Beschluss des Bezirksgerichtes Favoriten, GZ XXXX, vom 29.08.2017 wurde Mag. Christoff Beck zum Sachwalter des Beschwerdeführers bestellt und unter anderem mit der Vertretung vor Gerichten, Behörden und Sozialversicherungsträgern beauftragt.

Im Sachverständigengutachten des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen vom 09.10.2017 stellte Dr. XXXX, Arzt für Allgemeinmedizin, in einem Verfahren nach dem Familienlastenausgleichsverfahren nach durchgeführter persönlicher Untersuchung des Beschwerdeführers fest, dass beim Beschwerdeführer eine schizophrene Psychose, Residualzustand mit leichter Intelligenzminderung vorliegt. Der Grad der Behinderung wurde mit 50 v. H. seit 02/2017 festgestellt. Die Frage, ob der Beschwerdeführer dauernd außerstande sei, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, wurde mit "Ja" beantwortet. Weiters wurde festgestellt, dass beim Beschwerdeführer derzeit keine Selbsterhaltungsfähigkeit besteht. Als Eintritt der Erwerbsunfähigkeit wurde der Beginn des stationären Aufenthalts laut beigebrachten Befunden 2/2017 festgestellt.

2. Mit Bescheid der Versicherungsanstalt öffentlicher Bediensteter, Pensionsservice (in der Folge: belangte Behörde), vom 20.03.2018, Zl. XXXX, wurde der Antrag vom 03.07.2017 auf Auszahlung eines Waisenversorgungsgenusses abgewiesen.

Begründend führte die belangte Behörde aus, dass eine Erwerbsunfähigkeit zu dem im § 17 Abs 3 PG 1965 festgelegten Zeitpunkt derzeit nicht nachvollzogen werden könne, da beim Beschwerdeführer die Erwerbsunfähigkeit erst im Jahr 2017 eingetreten sei. Es wird dabei sowohl auf das im Sachwalterschaftsverfahren zu XXXX eingeholte psychiatrisch-neurologische Gutachten von Univ. Doz. Dr. XXXX vom 24.07.2017, als auch auf das Sachverständigengutachten des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen vom 09.10.2017 verwiesen.

Nach § 17 Abs. 3 PG 1965 gebühre dem Kind eines verstorbenen Beamten, das das 18. Lebensjahr vollendet hat, auf Antrag ein monatlicher Waisenversorgungsgenuss, wenn es seit der Vollendung des 18. Lebensjahres oder dem Ablauf des in Abs. 2 genannten Zeitraumes infolge Krankheit oder Behinderung erwerbsunfähig ist.

Die Klärung der Frage der Erwerbsunfähigkeit/fähigkeit sei aufgrund des Gesundheitszustandes des Beschwerdeführers im prüfungsrelevanten Zeitraum zu beurteilen; der Beginn und der Verlauf der Erkrankung sollten anhand von medizinischen Unterlagen vom Zeitpunkt der Vollendung des 18. Lebensjahres schlüssig und nachvollziehbar sein.

Aus den medizinischen Sachverständigengutachten gehe hervor, dass sich im Laufe der Jahre eine schizophrene Psychose entwickelt hat, die im XXXX, XXXX Spital im Februar 2017 diagnostiziert und vorher nie behandelt wurde. Nähere Feststellungen könnten mangels Vorliegens weiterer Befunde über Therapie- oder Behandlungsmaßnahmen daher nicht getroffen werden. Die Erwerbsunfähigkeit sei demnach im Jahr 2017, ab dem Beginn des stationären Aufenthaltes imXXXX, XXXX Spital, eingetreten.

Da eine Erwerbsunfähigkeit zu dem im § 17 Abs. 3 PG 1965 festgelegten Zeitpunkt derzeit nicht nachvollzogen werden könne, habe dem Antrag auf Waisenversorgungsgenuss nicht stattgegeben werden können.

3. Gegen diesen Bescheid wurde vom Beschwerdeführer, vertreten durch den bestellten Sachwalter, fristgerecht Beschwerde erhoben und vorgebracht, im Gutachten von Univ. Doz. Dr. XXXX werde nur der Zustand des Beschwerdeführers im Zeitraum Februar 2017 in Hinblick auf seine Geschäftsfähigkeit beurteilt. Nicht eingegangen werde auf die Erwerbsunfähigkeit bei Vollendung des 18. Lebensjahres. Auch der von der belangten Behörde beigezogene Sachverständige Dr.XXXX wäre verpflichtet gewesen, den Gesundheitszustand des Beschwerdeführers vor Februar 2017 eingehend zu begutachten und den Krankheitsverlauf zu beurteilen. Dies sei jedoch verabsäumt und stattdessen der Eintritt der Erwerbsunfähigkeit unkritisch mit Beginn des stationären Aufenthalts im Februar 2017 festgestellt worden.

Schon aufgrund der Aktenlage sei jedoch eine Erwerbsunfähigkeit erst ab Februar 2017 nicht mit der festgestellten Krankheit des Beschwerdeführers in Einklang zu bringen und werde die Richtigkeit des Sachverständigengutachtens bestritten. Die belangte Behörde wäre daher verpflichtet gewesen, aufgrund der offenkundigen Unrichtigkeit neuerlich ein Sachverständigengutachten einzuholen.

Tatsächlich sei aufgrund der festgestellten Erkrankung davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer bereits seit Vollendung des 18. Lebensjahres erwerbsunfähig ist:

Der Beschwerdeführer habe die Volksschule und anschließend eine Sonderschule besucht. Er habe eine Bäckerlehre begonnen, welche er jedoch nie abschloss. Der Beschwerdeführer habe nie allein gelebt, sondern gemeinsam mit seiner Mutter XXXX in ihrer Wohnung gewohnt, bis diese im Jänner 2017 verstarb. Er sei nie einer Beschäftigung nachgegangen, weil er dazu psychisch nicht in der Lage gewesen sei. Dass der Beschwerdeführer vor 2017 nicht psychiatrisch behandelt wurde, sei allein darauf zurückzuführen, dass sich seine Mutter XXXX bis zu ihrem Tod um ihn gekümmert habe.

Der Beschwerdeführer habe von Anfang Jänner 2017 bis zum 20.2.2017 (somit fast zwei Monate) neben der Leiche seiner verstorbenen Mutter in der Wohnung gelebt, ohne jemanden von ihrem Tod zu verständigen. Schon aus diesem Umstand sei klar zu erkennen, dass sein Gesundheitszustand dauerhaft sehr schlecht gewesen und er jedenfalls schon erhebliche Zeit vor Februar 2017 erwerbsunfähig gewesen sei.

Offenbar war auch die Mutter des Beschwerdeführers nicht in der Lage, für ihren Sohn den Waisenversorgungsgenuss nach dem verstorbenen Vater zu stellen. Der Beschwerdeführer selbst ohnehin nicht.

Neben dem gegenständlichen Antrag auf Auszahlung eines Waisenversorgungsgenusses nach dem verstorbenen Vater XXXX habe der ausgewiesene Sachwalter für den Beschwerdeführer am 09.05.2017 einen Antrag auf Waisenpension nach seiner verstorbenen Mutter XXXX bei der Pensionsversicherungsanstalt gestellt. Mit Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt vom 14.12.2017, AZ: XXXX, sei der Anspruch auf Waisenpension nach der Verstorbenen XXXX ab 2. Jänner 2017 anerkannt worden und zwar mit der Begründung, dass die Waisenpension über das 18. Lebensjahr hinausgeht, solange infolge Krankheit oder Gebrechens Erwerbsunfähigkeit vorliegt.

Auch nach § 252 Abs. 2 Z 3 ASVG bestehe die Kindeseigenschaft nach der Vollendung des 18. Lebensjahres dann weiter, wenn und solange das Kind seit der Vollendung des 18. Lebensjahres infolge Krankheit oder Gebrechens erwerbsunfähig ist. Die Voraussetzung decke sich somit mit der Bestimmung des § 17 Abs. 3 PG 1965 und sei als gegeben anerkannt worden.

4. Die Beschwerde wurde dem Bundesverwaltungsgericht am 08.05.2018 zur Entscheidung vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Gesetzliche Bestimmungen:

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz - VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

2. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchpunkt I:

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden,

wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

Das Modell der Aufhebung des Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde folgt konzeptionell jenem des § 66 Abs. 2 AVG, allerdings mit dem Unterschied, dass die Notwendigkeit der Durchführung einer mündlichen Verhandlung nach § 28 Abs. 3 VwGVG nicht erforderlich ist (Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren (2013), § 28 VwGVG, Anm. 11.).

§ 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG bildet damit die Rechtsgrundlage für eine kassatorische Entscheidung des Verwaltungsgerichtes, wenn die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen hat.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063, zur Auslegung des § 28 Abs. 3 2. Satz ausgeführt hat, wird eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (etwa im Sinn einer "Delegierung" der Entscheidung an das Verwaltungsgericht, vgl Holoubek, Kognitionsbefugnis, Beschwerdelegitimation und Beschwerdegegenstand, in: Holoubek/Lang (Hrsg), Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, erster Instanz, 2013, Seite 127, Seite 137; siehe schon Merli, Die Kognitionsbefugnis der Verwaltungsgerichte erster Instanz, in: Holoubek/Lang (Hrsg), Die Schaffung einer Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz, 2008, Seite 65, Seite 73 f).

§ 17 PG 1965, BGBl. Nr. 340/1965 idgF, lautet auszugsweise:

"UNTERABSCHNITT B

VERSORGUNGSBEZUG DER WAISE

Anspruch auf Waisenversorgungsgenuß

§ 17. ....

(3) Dem Kind eines verstorbenen Beamten, das das 18. Lebensjahr vollendet hat, gebührt auf Antrag ein monatlicher Waisenversorgungsgenuß, wenn es seit der Vollendung des 18. Lebensjahres oder seit dem Ablauf des im Abs. 2 genannten Zeitraumes infolge Krankheit oder Behinderung erwerbsunfähig ist.

Im Beschwerdefall ist die Gebührlichkeit des Waisenversorgungsgenusses nach § 17 Abs. 3 des Pensionsgesetzes 1965 strittig. Die Beurteilung des im Gesetz verwendeten Rechtsbegriff "erwerbsunfähig" setzt die Beantwortung von Fragen voraus, die in das Gebiet ärztlichen Fachwissens fallen. Die Heranziehung ärztlicher Sachverständiger zur Lösung medizinischer Vorfragen wird sohin zwingend angeordnet.

Der Anspruch auf Waisenversorgungsgenuss gebührt unmittelbar auf Grund des Gesetzes und hatte somit die belangte Behörde von Amts wegen festzustellen, ob die Voraussetzungen hierfür vorliegen. Das von der belangten Behörde herangezogene, im Rahmen des Sachwalterschaftsverfahrens eingeholte Gutachten von Univ. Doz. Dr. XXXX, lässt keine Schlussfolgerung auf die Tatsachenfrage der Erwerbsunfähigkeit des Beschwerdeführers seit Vollendung seines 18. Lebensjahres zu (vgl. VwGH vom 07.09.2004, Zl. 2004/12/0056). Darin wird lediglich der Zustand des Beschwerdeführers im Zeitraum 2017 im Hinblick auf seine Geschäftsfähigkeit beurteilt. Nicht eingegangen wird auf die Erwerbsunfähigkeit bei Vollendung des 18. Lebensjahres.

Auch der Sachverständige Dr. XXXX wäre verpflichtet gewesen, den Gesundheitszustand des Beschwerdeführers vor Februar 2017 eingehend zu begutachten und den Krankheitsverlauf zu beurteilen. Vor allem im Hinblick auf den vom Sachwalter mit Schreiben vom 25.10.2017 vorgelegten Lebenslauf des Beschwerdeführers, wonach dieser die Volksschule und anschließend eine Sonderschule besuchte. Unberücksichtigt blieb von der belangten Behörde auch die Tatsache, dass der Beschwerdeführer, laut Entscheidungsantrag an die Landesstellendirektion von 14.09.2017, fast zwei Monate neben dem Leichnam seiner verstorbenen Mutter verbracht hat, ohne jemanden zu verständigen.

Nicht unerwähnt bleiben darf auch die Tatsache, dass der bestellte Sachwalter für den Beschwerdeführer auch einen Antrag auf Waisenpension nach der verstorbenen Mutter XXXX gestellt hat und dieser mit Bescheid vom 14.12.2017 ab 02.01.2017 anerkannt wurde. Die Voraussetzung des § 252 Abs. 2 Z 3 ASVG deckt sich mit der Bestimmung des § 17 Abs. 3 PG 1965 und wurde sohin als gegeben anerkannt.

Die belangte Behörde ist daher gehalten, diese Lücken durch eigenständige Ermittlungen zu schließen. Sie hat sohin ein Gutachten aus dem Fachbereich der Psychiatrie und Neurologie zur Beantwortung der Frage, ab wann die Erwerbsunfähigkeit des Beschwerdeführers seit Vollendung seines 18. Lebensjahres vorlag, einzuholen.

Trotz des im Sachwalterverfahren eingeholten Gutachtens, wonach sich beim Beschwerdeführer eine neuropsychiatrische Symptomatik im Sinne einer Intelligenzminderung leichter Ausprägung und des Residualzustandes einer schizophrenen Psychose findet, wurde lediglich ein medizinisches Gutachten durch einen Arzt für Allgemeinmedizin eingeholt.

Es liegen jedoch konkrete Anhaltspunkte vor, dass die Einholung jedenfalls eines Sachverständigengutachtens der Fachrichtung Psychiatrie und Neurologie erforderlich ist, um eine vollständige und ausreichend qualifizierte Prüfung zu gewährleisten.

Das eingeholte allgemeinmedizinische Sachverständigengutachten ist mangels Fachkenntnis nicht ausreichend zur qualifizierten Beurteilung der Frage, seit wann der Beschwerdeführer erwerbsunfähig ist.

Es ist nicht nachvollziehbar, warum die belangte Behörde darauf verzichtet hat, das Ermittlungsverfahren dahingehend zu erweitern, ein Gutachten der Fachrichtung Psychiatrie und Neurologie einzuholen.

Aus den dargelegten Gründen ist davon auszugehen, dass die belangte Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhaltes unterlassen hat und sich der vorliegende Sachverhalt zur Beurteilung des Grades der Behinderung als so mangelhaft erweist, dass weitere Ermittlungen bzw. konkretere Sachverhaltsfeststellungen erforderlich erscheinen.

Das Verwaltungsgericht hat im Falle einer Zurückverweisung darzulegen, welche notwendigen Ermittlungen die Verwaltungsbehörde unterlassen hat (Ra 2014/20/0146 vom 20.05.2015).

Im fortgesetzten Verfahren wird die belangte Behörde ein medizinisches Sachverständigengutachten der Fachrichtung Psychiatrie und Neurologie - auf Basis einer fachärztlichen Untersuchung - einzuholen und die Ergebnisse unter Einbeziehung des Beschwerdevorbringens bei der Entscheidungsfindung zu berücksichtigen haben.

Von den Ergebnissen des weiteren Ermittlungsverfahrens wird der Beschwerdeführer mit der Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme in Wahrung des Parteiengehörs in Kenntnis zu setzen sein.

Eine Nachholung des durchzuführenden Ermittlungsverfahrens durch das Bundesverwaltungsgericht kann - im Lichte der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 28 VwGVG - nicht im Sinne des Gesetzes liegen.

Die unmittelbare weitere Beweisaufnahme durch das Bundesverwaltungsgericht läge angesichts des gegenständlichen gravierend mangelhaft geführten verwaltungsbehördlichen Ermittlungsverfahrens nicht im Interesse der Raschheit und wäre auch nicht mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden. Zu berücksichtigen ist auch der mit dem verwaltungsgerichtlichen Mehrparteienverfahren verbundene erhöhte Aufwand. Auch stehen dem Bundesverwaltungsgericht keine Amtssachverständigen zur Verfügung.

Die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 VwGVG sind somit im gegenständlichen Beschwerdefall nicht gegeben.

Da der maßgebliche Sachverhalt im Fall des Beschwerdeführers noch nicht feststeht und vom Bundesverwaltungsgericht auch nicht rascher und kostengünstiger festgestellt werden kann, war in Gesamtbeurteilung der dargestellten Erwägungen der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG zu beheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückzuverweisen.

Zu Spruchpunkt II:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

In den rechtlichen Ausführungen zu Punkt I.) wurde ausführlich unter Bezugnahme auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ausgeführt, dass im Verfahren vor der belangten Behörde gravierende Ermittlungslücken bestehen sowie die Judikatur zu den Anforderungen an ein Sachverständigengutachten für die behördliche Beurteilung der Frage der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel im Lichte von § 42 Abs. 1 BBG dargestellt. Zur Anwendung des § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG wurde auf die aktuelle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 26.06.2014, Ro 2014/03/0063) Bezug genommen.

Schlagworte

Ermittlungspflicht, Erwerbsfähigkeit, Kassation, mangelnde
Sachverhaltsfeststellung, Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W217.2194705.1.00

Zuletzt aktualisiert am

07.06.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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