TE Bvwg Erkenntnis 2018/5/22 W186 1427185-1

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Veröffentlicht am 22.05.2018
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Entscheidungsdatum

22.05.2018

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §75 Abs20
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9 Abs2
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §31 Abs1

Spruch

W186 1427185-1/15E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Judith PUTZER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Bangladesch, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 22.05.2012, Zl. 12 05.715 - BAT, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung jeweils am 10.12.2014 und 04.04.2018,

A)

I. beschlossen:

Das Beschwerdeverfahren gegen Spruchpunkt I. und II. des angefochtenen Bescheides wird gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG eingestellt.

II. zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG stattgegeben und gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG iVm. § 75 Abs. 20 AsylG 2005 festgestellt, dass eine Rückkehrentscheidung gegen XXXX auf Dauer unzulässig ist.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), ein 27-jähriger Staatsangehöriger von Bangladesch und sunnitisch-muslimischen Glaubens, stellte am 10.05.2012 einen Antrag auf internationalen Schutz im Bundesgebiet.

Zu seinem Antrag wurde der BF am 10.05.2012 vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt. Hierbei gab er an, ledig zu sein, den Namen XXXX zu führen und am XXXX geboren zu sein. Als Fluchtgrund gab er an, Mitglied der JAMATE ISLAM Partei zu sein und dass die derzeitige Regierung diese Partei vernichten wolle. Es sei eine Anzeige bei der Polizei gegen den BF eingebracht worden. Auch seien Anhänger der Partei nachts zum BF nach Hause gekommen und hätten ihm mit dem Umbringen bedroht.

Gelegentlich seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 21.05.2012 führte der BF aus, in Dohar geboren zu sein und dort die Schule besucht zu haben. Er habe einen Hauptschulabschluss gemacht und in Bangladesch sonst nirgendwo anders gelebt. Im Heimatland lebten die Mutter sowie zwei Brüder des BF, seine Großeltern, der Onkel väterlicherseits und zwei Tanten väterlicherseits mit ihren Familien. Die Familie habe in einem Haus gelebt und den Lebensunterhalt durch das Geld des Vaters, welcher in einer Fabrik in Saudi Arabien arbeite, gesichert. Zu seinem Fluchtvorbringen führte er aus, Mitglied einer fundamentalistischen muslimischen Partei gewesen zu sein. Es habe im Zuge einer Protestkundgebung Angriffe seitens der Regierungspartei gegeben. Diese habe die Partei des BF auch bei der Polizei angezeigt. Der BF habe sich ein paar Mal mit Mitgliedern der Regierungspartei geschlagen, diese hätten den BF auch umbringen wollen. Er habe manchmal bei seiner Oma, manchmal zu Hause gewohnt. Eines Tages seien ein paar Leute der Regierungspartei zu seiner Oma nach Hause gekommen. Daraufhin sei der BF geflüchtet. Im Falle einer Rückkehr befürchte der BF von den Mitgliedern der Regierungspartei umgebracht oder von der Polizei verhaftet zu werden.

2. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 22.05.2012, dem BF zugestellt durch persönliche Übernahme am selben Tag, wurde der Antrag auf internationalen Schutz des BF vom 10.05.2012 sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.), als auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt II.) und der BF gemäß § 10 Abs. 1 AsylG 2005 aus dem Bundesgebiet nach Bangladesch ausgewiesen (Spruchpunkt III.).

Begründend wurde ausgeführt, dass eine Verfolgung der Mitglieder der JAMAAT-E-ISLAMI durch Angehörige der regierenden Partei nicht festgestellt werden habe können. Ebenso habe keine Fahndung des BF durch die Polizei in Bangladesch festgestellt werden können. Weder aus dem Vorbringen des BF noch aus dem Amtswissen lasse sich ableiten, dass der BF in Bangladesch der Gefahr asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt sei. Zudem sei die Verfolgung durch Drittpersonen im Hinblick auf die GFK nur insofern relevant, als der Staat aus einem GFK-Grund nicht willig bzw. fähig sei, dem BF Schutz zu gewähren. Dies könne im konkreten Fall nicht angenommen werden. Zudem werde auf die Möglichkeit verwiesen, sich in anderen Landesteilen Bangladeschs niederzulassen. Ebenso weise nichts darauf hin, dass eine Rückverbringung des BF nach Bangladesch als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts mit sich bringen würde. Bezüglich der Ausweisung führte die Behörde aus, dass der BF im Bundesgebiet über kein schützenswertes Familienleben verfüge. Auch habe er in Österreich nie über ein Aufenthaltsrecht außerhalb des Asylverfahrens verfügt. Im Fall des BF sei eine Reintegration in Bangladesch und das Führen eines Privatlebens in seinem Herkunftsland möglich, da der BF über familiäre Anknüpfungspunkte in Bangladesch verfüge, und die dortige Sprache spreche.

Mit Verfahrensanordnung des Bundesasylamtes vom 21.05.2012 wurde dem BF gemäß § 66 Abs. 1 AsylG 2005 für das Beschwerdeverfahren vor dem Asylgerichtshof die ARGE-Rechtsberatung Diakonie und Volkshilfe als Rechtsberater amtswegig zur Seite gestellt.

3. Gegen den im Spruch genannten Bescheid wurde seitens BF mit Schriftsatz vom 31.05.2012, beim Bundesasylamt am 04.06.2012 eingelangt, fristgerecht Beschwerde an den Asylgerichthof erhoben.

Neben dem Antrag, eine mündliche Verhandlung unter Einvernahme des BF durchzuführen, wurde beantragt, der Asylgerichtshof möge dem BF den Status des Asylberechtigten zuerkennen, in eventu dem BF den Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkennen, sowie in eventu die Ausweisung des BF für auf Dauer unzulässig zu erklären.

4. Das Bundesasylamt legte die Beschwerde am 05.06.2012 dem Asylgerichtshof vor.

5. Mit 01.01.2014 wurde der Asylgerichtshof zum Bundesverwaltungsgericht.

6. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 10.12.2014 unter Anwesenheit des BF sowie eines Dolmetschers für die Sprache Bengali eine mündliche Verhandlung durch, wobei die belangte Behörde an der Verhandlung nicht teilnahm.

Die Verhandlung gestaltete sich unter anderem wie folgt:

"VR: Stimmt das, was Sie vor dem BAA angegeben haben?

BF: Es stimmt. Es wurde irgendwo behauptet, dass ich gesagt hätte, dass meine Partei fundamentalistisch sei. So etwas habe ich nie gesagt. Meiner Meinung nach ist meine Partei nicht fundamentalistisch eingestellt.

VR: Haben Sie jetzt noch Kontakte zu Ihrer Partei?

BF: Nein. Meine Parteistruktur wurde völlig zerstört. Meine Parteileute sind schon selbst auf der Flucht. Sie kümmern sich um ihre eigenen Angelegenheiten.

VR: Sie haben im Rahmen Ihrer Beschwerde gesagt, dass Sie von der Polizei in Bangladesch gesucht werden?

BF: Ja, das habe ich gesagt.

VR: Sucht die Polizei Sie jetzt noch?

BF: Nachdem heuer die neue Regierung an die Macht gekommen ist, hat die Suchaktion der Polizei wieder angefangen. Das war heuer im Juni. Das waren die AL-Mitglieder. Sie sehen die Mitglieder der Jamaat-e Islami als Kriegsverbrecher und Kollaborateure. Das kann nicht sein. Ich wurde viele Jahre später nach dem Krieg geboren. Trotzdem stufen sie uns so ein.

VR: Woher genau kommen Sie?

BF: Dorf: XXXX, Gemeindeverband: XXXX, Polizeiverwaltungsbezirk:

XXXX und Distrikt: XXXX.

VR: Wer von Ihrer Familie lebt noch dort?

BF: Meine Geschwister (2 jüngere Brüder), meine Mutter und meine Großeltern väterlicherseits. Mein Vater lebt im Ausland seit ca. 5 Jahren und zwar in Saudi-Arabien. Er ist nach wie vor dort. Er ist nie zurückgekehrt.

VR: Welche Schulbildung haben Sie?

BF: SSC-Abschluss (10 Jahre).

VR: Was haben Sie nach dem Abschluss gemacht?

BF: Ich hing herum. Mit der Zeit hatte ich mit den Leuten der Jamaat-e Islami Kontakt. Dann war ich mit denen unterwegs.

VR: Was haben Sie dabei gemacht?

BF: Ich nahm an verschiedenen Kundgebungen teil. Es gab kleine Gruppen-Treffen. Dort habe ich auch teilgenommen. Innerhalb der Partei hatte ich aber keine Funktion. Ich war ein einfaches Mitglied. Im Rahmen eines Katastrophenschutzprogrammes habe ich bei verschiedenen Veranstaltungen teilgenommen (ich habe zum Beispiel an die Opfer der Überschwemmung Essen verteilt).

VR: Was wirft Ihnen eigentlich die Polizei vor?

BF: Was die Polizei mir genau vorwirft, weiß ich nicht. Sie sagen es nicht. Sie gehen willkürlich gegen uns vor. Nachdem die neuen hochrangigen Parteifunktionäre festgenommen wurden und einige zur Todesstrafe verurteilt wurden, gab es landesweit Protestkundgebungen, ich nahm an einer solchen friedlichen Kundgebung teil. Wir waren ca. einhundert Mitglieder. Wir haben die damalige bzw. jetzige gleiche Regierung aufgefordert, unsere Parteikollegen frei zu lassen und auch dieses Gerichtsurteil durch ein unabhängiges Gericht wieder zu überprüfen. Das Gericht, welches sie verurteilte, war nicht unabhängig.

VR: Aus welchem Grund sucht Sie jetzt die Polizei?

BF: Diese Versammlung fand am Joypara-Basar statt. Diese Versammlung war am 27. Februar 2012. Wir umkreisten diesen Basar mit einem Menschenzug und wir riefen Parolen. Als wir zwischen den 2 Schulen (eine Mädchenschule, eine Knabenschule) waren, wurden wir von bewaffneten AL-Mitgliedern und auch von der Polizei angegriffen. Sie waren etwa 150 Personen. Die Polizisten haben sie von hinten unterstützt.

BF: Ich habe gestern mit meiner Mutter telefoniert. Sie sagte, dass vor 1 Woche die Polizei da war. Diese sagte, dass gegen mich eine Anzeige vorliegt. Meine Mutter kann nicht als alleinstehende Frau zur Polizeistation gehen. Sie waren sehr grob zu meiner Mutter und sie sagen gar nichts. Sie sagten, bei einem Jamaat-e Mitglied bräuchten sie gar keine Anzeige. Sie könnten mich einfach so hinter Gitter bringen. Ich möchte anmerken, dass meine Partei vom Obersten Gerichtshof in Bangladesch am 01. August 2013 als jene Partei, die nicht an den Wahlen teilnehmen darf, erklärt.

VR: Wurde sie verboten?

BF: Ja. Vor allem sie dürfen an keinen Wahlen teilnehmen, bis die Sache geklärt ist.

VR: Was würde mit Ihnen passieren, wenn Sie nach Bangladesch zurückkehren?

BF: Oft wurden unsere Parteigenossen von der Sicherheitsbehörde verschleppt. Sie verschwinden einfach und es fühlt sich niemand verantwortlich. So etwas könnte auch mit mir passieren. Ich würde festgenommen werden. Diese Regierung ist bis mindestens 2018 an der Macht. Solange habe ich keine Chance, aus dem Gefängnis herauszukommen. Die AL hat zuerst die Freedom-Party zerschlagen und sie zunichte gemacht. Dann sind sie gegen meine Partei vorgegangen. Meine Parteistruktur wurde völlig zerstört. Sie reden dort von Demokratie. Dort gibt es keine Demokratie. Mehr als die Hälfte des Parteipräsidiums, auch unzählige einfache Mitglieder unserer Partei sind verschleppt, oder verhaftet worden. Sie haben durch die Medien sicher von den Todesurteilen gegen unsere Parteifunktionäre erfahren. Unser Parteivorsitzender namens XXXX wurde zur Todesstrafe verurteilt. Er wartet auf die Vollstreckung des Urteils. Einer unserer Parteifunktionäre, der für den Großraum Dhaka zuständig war, namens XXXX wurde als gesunder Mensch von der Sicherheitsbehörde verhaftet. Nun ist er im Rollstuhl, weil er so misshandelt wurde. Diese ganze Inhaftierung und auch seine Überstellung im Spital wurden in den Medien festgehalten. Das kann man auch im Youtube sehen.

VR: Wo haben Sie am Schluss gelebt in Bangladesch?

BF: Nach diesem Vorfall am 27. Februar bin ich von diesem Tumult weggelaufen. Ich bin kurz nach Hause und ich habe schnell Sachen gepackt. Dann bin ich zu meinen Großeltern mütterlicherseits gefahren. Bei meinen Großeltern übernachtete ich nur. Tagsüber war ich die ganze Zeit draußen. Ich hatte Angst, dass die Polizisten auch dorthin kommen. Damals wurde ich täglich von der Polizei und von der AL gesucht. Die AL-Leute waren mit Motorrädern unterwegs und haben dort aufgepasst, ob ich wieder zurückkomme.

VR: Warum sind Sie so wichtig?

BF: An dieser Kundgebung war ich in der 1. Reihe. Ich habe das Transparent gehalten, genau so wie einige Kollegen von mir, welche auch in der 1. Reihe waren. Sie sind auch auf der Flucht.

VR: Könnten Sie in Bangladesch woanders leben, als in Ihrem Heimatort?

BF: Nein. Sie brauchen nicht einmal eine Anzeige. Sie haben auch neue Gefängnisse errichtet, um uns dort einzusperren. Als ein Jamaat-Mitglied braucht man nicht einmal eine Anzeige, um festgenommen zu werden. Wenn man ohne Anzeige festgenommen wird, dann werden einem irgendwelche Delikte in die Schuhe geschoben.

VR: In Ihrem Beschwerdeschriftsatz geben Sie an, dass Sie innerhalb von 4 Wochen ein Dokument vorlegen könnten, das Sie als Jamaat-e Islami-Mitglied ausweise.

BF: Es gibt keine Parteiniederlassung mehr. Dort ist niemand mehr. Auch der Obmann ist nicht mehr zu Hause. Wer soll so etwas ausstellen? Jeder läuft um sein eigenes Leben.

VR: Wovon leben Sie in Österreich?

BF: Ich vertrete auch Zeitungsverkäufer und ich lebe davon.

VR: Beziehen Sie Geld vom Staat oder von der CARITAS?

BF: Nein.

VR: Seit wann leben Sie von Ihrer Tätigkeit als Zeitungsverkäufer?

BF: Ich hatte hier einen Bekannten. Er hat mich anfangs einige Monate unterstützt. Nach einigen Monaten habe ich damit angefangen. Ich habe versucht, über das AMS eine Arbeitsgenehmigung zu erlangen. Das hat nicht funktioniert.

VR: Haben Sie Sprachkurse besucht?

BF: A1-Kurs habe ich absolviert. Der A2-Kurs ist noch im Laufen.

VR: Wie viel etwa verdienen Sie im Monat?

BF: 300 Euro ca.

VR: Haben Sie sonstige Bindungen an Österreich?

BF: Nein. Ich habe niemanden aus meinem eigenen Familienkreis hier. Mehrere Menschen aus unserem Distrikt sind hier.

VR: Sind Sie in irgendeinem Verein, gehen Sie sonstigen Tätigkeiten nach?

BF: Ich bin Mitglied der österreichisch-bangladeschischen Gesellschaft. Ich habe mit meiner Mutter auch telefoniert. Ich habe um Unterlagen ersucht. Sie sagte, dass sie sie schicken wird, wenn sie ein paar Wochen Zeit hätte. Meine Mutter sagt, dass sie davon ausgehe, dass eine Anzeige da ist.

VR: Das Erkenntnis wird sich auch auf Feststellungen zur allgemeinen Situation in Bangladesch stützen. Wollen Sie dazu Stellung nehmen?

BF: Ja.

Mit dem BF wird vereinbart, dass ihm die Feststellungen übermittelt werden und er innerhalb einer Frist von 3 Wochen dazu Stellung nehmen kann und im Rahmen dieser Stellungnahme auch allfällige Unterlagen betreffend seine Situation in Bangladesch vorlegen kann.

VR: Haben Sie alles gesagt, was Ihnen wichtig ist?

BF: Ja."

7. Mit Eingabe vom 15.07.2015 legte der BF ein ÖSD-Zertifikat der Niveaustufe A2 vom 11.06.2015 vor.

8. Am 12.10.2015 langten ein Auszug des Sozialversicherungsträgers - wonach der BF als Küchenhilfe und Reinigungskraft tätig war -, zwei Bestätigung der Stadt WIEN, wonach der BF für die Tätigkeit als Schnee- und Streuarbeiter bei der MA 48 in den Jahren 2012 und 2013 registriert war, sowie die hierfür erteilten Beschäftigungsbewilligungen des AMS, hg. ein.

9. Am 07.10.2015, hg. eingelangt am 16.11.2015, legte der BF einen Werkvertrag mit der Mediaprint GesmbH & Co KG vor.

10. Mit Eingabe vom 22.12.2016 legte der BF eine Hauptwohnsitzbestätigung vor.

11. Mit Schreiben vom 25.10.2017 wies der BF darauf hin, dass er seit knapp sechs Jahren im Bundesgebiet sei und sich weitgehend integriert habe. In diesem Sinne verfüge er über eine geregelte Arbeit und könne sich selbst versorgen. Er verdiene monatlich €

1000,-- netto als Zeitungszusteller. Auch habe er Deutschkenntnisse auf der Niveaustufe A2 erlangt. Aktuell besuche er einen Kurs der Niveaustufe B1. Zudem verfüge er über einen großen Freundeskreis, der auch überwiegend aus Österreichern bestehe. Seine Eltern und der jüngere Bruder würden mittlerweile in Saudi Arabien leben, weshalb er keinen Bezug mehr zu Bangladesch habe. Er habe die letzten fünfeinhalb Jahre im Bundesgebiet versucht selbst, ohne staatliche Hilfe, auszukommen. Zudem bitte er erneut um Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

Unter einem legte der BF eine Beschäftigungsbestätigung des Restaurants CALLA, sowie den Werkvertrag der Mediaprint GesmbH & Co KG vor.

12. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 04.04.2018 erneut eine mündliche Verhandlung unter Anwesenheit des BF und eines Dolmetschers der Sprach Bengali durch, zu welcher die belangte Behörde nicht erschien.

Im Zuge der Verhandlung zog der BF seine Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides zurück.

Die Verhandlung gestaltete sich wie folgt:

"RI: Was hat sich bei Ihnen bezüglich Ihrer Situation in Österreich in den letzten dreieinhalb Jahren verändert?

BF (auf Deutsch): Ich bin nach Österreich gekommen und habe bis jetzt nie etwas vom österreichischen Staat "genommen", immer selber gearbeitet.

RI: Wo arbeiten Sie im Moment?

BF: Ich arbeite als Zeitungszusteller. Ich habe ein eigenes Zeitungszustellungsgebiet auf meinen Namen.

RI: Wo ist dieses Gebiet?

BF: In Floridsdorf.

RI: Wie viel verdienen Sie mit dieser Tätigkeit?

BF: Früher hatte ich im Monat über 1000 Euro verdient, so bis 1200 Euro. Im heurigen Jahr sind es bis jetzt 700 - 800 Euro, aber im Sommer wird es mehr. Dazu habe ich auch Belege.

BF legt Unterlagen in Kopie vor. BF erklärt, dass er Unterlagen über die letzten drei Jahre mitgebracht habe, darunter befindet sich auch eine Jahresaufstellung über die einzelnen Monate. (bis betrifft die Jahre 2016 und 2017, teilweise 2015)

RI: Wo und wie wohnen Sie?

BF: Ich wohne in der Schwendergasse. Ich wohne dort mit meinem Onkel gemeinsam. Er ist der Bruder meiner Mutter.

RI: Sie haben von Anfang an bei Ihrem Onkel gewohnt, stimmt das?

BF: Ja, am Anfang war ich bei ihm. Dann kurzfristig anderswo und jetzt bin ich wieder bei ihm. Diese Wohnmöglichkeit habe ich unbefristet.

RI: Haben Sie Dokumente über Ihre Deutschkenntnisse?

BF legt Unterlagen vor. Demzufolge hat der BF das A2 Niveau erreicht und belegt jetzt weitere Kurse.

RI: Gehen Sie derzeit in einen Sprachkurs?

BF (auf Deutsch): Das ist sehr schwer. (weiter in Bengali) Ich habe kurzfristig die Kurse für B1 besucht und auch fertig gemacht. Zur Prüfung bin ich nicht angetreten, weil ich der Meinung war, dass ich nicht gut vorbereitet war. Ich möchte den Kurs noch einmal besuchen. Ich kann aber so sprechen, dass ich den Alltag gut bewältigen kann.

RI. Sagen Sie mir einmal auf Deutsch, wie ein typischer Tag bei Ihnen aussieht?

BF schildert seinen Tagesablauf in verständlicher Weise.

RI: Haben Sie einen Tag auch frei in der Woche?

BF (auf Deutsch): Nur wenn ein Feiertag ist.

RI: Wie viele Stunden schlafen Sie am Tag?

BF antwortet auf Deutsch in verständlicher Weise.

RI: Haben Sie Kontakt zu Ihrer Familie in Bangladesch?

BF (auf Deutsch): Zu wenig. Vielleicht einmal in zwei Monaten, aber nur mit meiner Mutter. (weiter in Bengali): Es ist so, mein Vater lebt in Saudi Arabien. Er ist Geschäftsmann und betreibt dort ein Geschäft. Er hat einen Bruder von mir dorthin geholt. Bald werden meine Mutter und mein kleiner Bruder auch dorthin gehen, somit habe ich niemanden mehr in Bangladesch. Ich kann nicht dorthin, weil ich volljährig bin, nur die minderjährigen Geschwister wurden genehmigt. Ich habe damit keinen Bezug zu Bangladesch.

RI: Haben Sie sonst einen Bezug zu Österreich neben Ihrer Arbeit?

BF: Ich habe hier wie gesagt meinen Onkel und ich habe auch Freunde in Österreich, die bereits eingebürgert und hier aufgewachsen sind. Ich kenne auch "Landsleute" hier. Durch die Zeitungszustellung habe ich auch Kontakt zu Indern, Pakistani, weil diese Arbeit macht ja kein Österreicher.

RI: Angenommen Sie könnten in Österreich bleiben, was haben Sie vor?

BF: Ich habe mit meinem Vater telefoniert. Er hat mir gesagt, dass in Europa Schweißer sehr gefragt sind, vor allem auf Baustellen. Deshalb möchte ich in diese Richtung gehen. Ich habe mich auch beim WIFI Wien darüber erkundigt. Also zirka 2500 Euro kostet dieser Kurs. Ich war dort um mich zu erkundigen, habe mich aber noch nicht einschreiben lassen. Dort würde aber die Zukunft gut aussehen, ich habe Freunde die auf Baustellen arbeiten und diese verdienen bis 2500 Euro.

RI: Haben Sie eine Freundin oder Lebensgefährtin in Österreich?

BF (auf Deutsch): Momentan nicht.

RI: Sind Sie bei Vereinen tätig?

BF: Ich bin Mitglied beim Roten Kreuz. Ich unterstütze das Rote Kreuz freiwillig mit diesem Beitrag. Dort habe ich mich auch als freiwilliger Mitarbeiter gemeldet, aber sie haben sich noch nicht bei mir gemeldet. Ich bin auch Mitglied der bangladeschisch-österreichischen Gemeinschaft. Ich bin Mitglied bei der städtischen Bücherei.

BF legt Mitgliedskarten aus 2017 und 2018 vor.

Weiteres habe ich einen Arbeitsvorvertrag (Einstellungszusage). Man würde mich für 40 Stunden pro Woche anstellen.

BF legt Kopie dieser "Beschäftigungsbestätigung" vor.

BF: Ich habe vor, den B1 Kurs zu absolvieren, denn für den Schweißerkurs braucht man dieses Niveau, sonst versteht man die Theorie nicht. Man muss mit Gas und Feuer arbeiten, dabei muss man sehr aufpassen und ein Grundwissen haben. Ich brauche für den Schweißerkurs auch einen Erste-Hilfe-Kurs. Das Rote Kreuz wird mir das kostenlos anbieten, weil ich Mitglied bin.

RI: Ich habe mir Ihre Fluchtgeschichte angesehen und ich sehe daraus keine große Gefährdung für Sie persönlich.

BF: Ich bin hier weitgehend integriert. Ich lebe nicht auf "Staatskosten". Das waren nur ein paar Tage am Anfang im Flüchtlingslager. Ich bin unbescholten. Ich bin ein junger Mann, habe zwei gesunde Hände und möchte, dass Österreich durch meine Arbeit profitiert. Ich habe viel Energie. Ich bin seit sechs Jahren hier. Mein Lebensmittelpunkt ist hier und meine Familie ist mittlerweile im Ausland. In Saudi Arabien wollte ich nicht leben, weil es ein fundamentalistisches Land ist, das die Menschenrechte nicht achtet. Ich bin das Leben hier gewohnt. Ich war relativ jung, als ich nach Österreich gekommen bin. Ich habe meine "beste Zeit" hier verbracht. Die Menschen sind auch freundlich und ich wurde gut aufgenommen. Ich habe keinen Konflikt mit der österreichischen Kultur und den Gesetzen hier. Ich denke nicht, dass ich in Bangladesch leben kann. Ich bin auch dankbar, dass ich hier bleiben durfte. Ich habe die Arbeit hier auch, auch wenn sie "Drecksarbeit" genannt wird, gerne gemacht. Meine letzte Freundin hat mir das nämlich vorgeworfen, deshalb ist die Beziehung zerbrochen, weil ich "Drecksarbeit" mache. Aber für mich ist Arbeit - egal welche - wertvoll, weil ich selbst mein Geld verdiene und darauf bin ich stolz. Ich muss kein Geld irgendwohin schicken um meine Familie zu unterstützen. Ich finanziere mich vollständig selbst. Ich spare auch, wenn ich mehr verdiene. Pro Monat spare ich aber auf jeden Fall 70 Euro und das durchgehend seit sechs Jahren. Ich muss meinem Onkel keine Miete zahlen, aber ich komme ihm entgegen, indem ich Essen einkaufe, aber er will nichts von mir nehmen. Seine Unterstützung habe ich gebraucht, weil am Anfang hatte ich schlechte Zeiten als ich gekommen bin. Jetzt aber nicht mehr.

RI: Wie alt ist Ihr Onkel und welchen Beruf hat er?

BF (auf Deutsch): Mein Onkel ist ungefähr 37 oder 40 Jahre. Er arbeitet auf der Donauinsel, Gastronomie. Er ist Küchenchef. (weiter auf Bengali): Das Geld das ich verdiene, gebe ich hier aus und trage somit zum österreichischen Wirtschaftskreis bei. Ich bin gut gekleidet und möchte gut gestylt sein. Ich kaufe sehr gerne Gewand ein und gehe zum Frisör. Das mache ich echt gerne, ich gehe fast jede zweite Woche zum Frisör.

Ich bin einverstanden, wenn Sie nur den Teil über die Integration beurteilen und meine Ausweisung aus dem Land als unzulässig erklären. Ich ersuche darum, diesem Teil der Beschwerde stattzugeben und ziehe meine Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt 1 und 2 zurück."

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

Der BF ist Staatsangehöriger von Bangladesch und gehört der Volksgruppe der Bengalen an.

Er reiste zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt in das Bundesgebiet ein und stellte am 10.05.2012 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Der unbescholtene BF lebt seit nunmehr 6 Jahren im Bundesgebiet.

Dieser wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 22.05.2012 sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt II.) und der BF gemäß § 10 Abs. 1 AsylG, aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Bangladesch ausgewiesen.

Der BF bezog lediglich 20 Tage nach seiner Asylantragsstellung Leistungen aus der Grundversorgung und kam seitdem seit fast sechs Jahren selbständig für seine Lebenserhaltungskosten im Bundesgebiet auf.

Er trat durchgehend melderechtlich in Erscheinung und lebt nunmehr mit seinem Onkel in einem gemeinsamen Haushalt.

Der BF lernte seit Beginn seines Aufenthaltes im Bundesgebiet die Deutsche Sprache und absolvierte ein ÖSD Sprachzertifikat der Niveaustufe A2. Er ist bestrebt, auch bald einen Kurs der Niveaustufe B1 und ein entsprechendes Prüfungszertifikat zu erwerben.

Der BF weist gute Sprachkenntnisse auf, und es ist ihm möglich, Fragen zu seinem Tagesablauf, seiner Familie und seinem Leben im Bundesgebiet auf Deutsch in verständlicher Weise zu beantworten.

Der BF hat sich während seines Aufenthaltes sehr um seine Integration im Bundesgebiet und um seine Selbsterhaltungsfähigkeit bemüht: er arbeitete bereits sowohl als Reinigungskraft als auch als Küchenhilfe und ist auf Werkvertragsbasis bei der Mediaprint GesmbH & Co KG als Zeitungszusteller tätig. Zudem arbeitete er zwei Mal unter Ausstellung einer Beschäftigungsbewilligung durch das AMS für die Stadt WIEN als Schneeräumungskraft.

Der BF hat sich ausführliche Gedanken über seine Zukunft im Falle eines Verbleibens im Bundesgebiet und einer damit einhergehenden weiterführenden Integration gemacht und möchte künftig eine Ausbildung als Schweißer absolvieren.

Zudem ist der BF Mitglied beim Roten Kreuz, - wo er als freiwilliger Mitarbeiter gemeldet ist -, der Stadtbücherei und der bangladeschisch-österreichischen Gemeinschaft.

Er verfügt über eine Beschäftigungsbestätigung eines Restaurants im Ausmaß von 40 Wochenstunden. Im Falle eines rechtmäßigen Aufenthaltes kann der BF weiterhin ohne Probleme seiner Arbeit nachgehen und verfügt auch bereits über eine weitere Einstellungszusage.

2. Beweiswürdigung:

Das erkennende Gericht hat durch den vorliegenden Verwaltungsakt und im Rahmen seiner mündlichen Verhandlungen Beweis erhoben. Der festgestellte Sachverhalt in Bezug auf den bisherigen Verfahrenshergang steht aufgrund der außer Zweifel stehenden Aktenlage fest und das erkennende Gericht ist in der Lage, sich vom entscheidungsrelevanten Sachverhalt ein ausreichendes und abgerundetes Bild zu machen, das sich im Rahmen der abgehaltenen öffentlichen mündlichen Verhandlungen bestätigt hat.

Die Bemühungen des BF zur Erlernung der Deutschen Sprache und das gute Sprachniveaus des BF ergeben sich aus seinem im Verfahren vorgelegten Sprachzertifikat, sowie aus dem persönlichen Eindruck der erkennenden Richterin in der hg. mündlichen Verhandlung, wonach es problemlos möglich war sich mit dem BF auf Deutsch über seinen Alltag im Bundesgebiet zu unterhalten.

Die Feststellungen zur beruflichen Integration des BF im Bundesgebiet ergeben sich aus den Umständen, dass dieser über Arbeitserfahrung im Bundesgebiet verfügt, indem er als Zeitungsverkäufer, Küchenhilfe und Reinigungskraft arbeitet und bei der Stadt WIEN bei den Schneeräumungsarbeiten mithalf.

Die Annahme, wonach der BF im Bundesgebiet im Falle der Erteilung eines Aufenthaltstitels ohne Probleme einer Arbeit nachgehen kann, ergibt sich aus dem Umstand, dass der BF bereits als Zeitungszusteller tätig ist, sowie aus der vorliegenden Einstellungszusagen eines Restaurants, das den BF im Ausmaß von 40 Wochenstunden beschäftigen möchte.

Dass sich der BF Gedanken über seine Zukunft im Bundesgebiet gemacht hat resultiert aus dem Umstand, dass er in der hg. Verhandlung am 04.04.2018 sehr detaillierte Angaben zu seinem Wunsch, im Bundesgebiet künftig als Schweißer arbeiten zu wollen, tätigen konnte. Er holte diesbezüglich bereits Informationen beim WIFI Wien ein, war über die voraussichtlichen Ausbildungskosten im Bilde und hat bereits vorab eine Zusage des ROTEN KREUZES, den für die Schweißer Ausbildung notwendigen Erste-Hilfe Kurs aufgrund seiner Mitgliedschaft beim Roten Kreuz dort gratis absolvieren zu dürfen, eingeholt. Der BF hat sich auch in seinem Umfeld bezüglich der Berufsmöglichkeiten eines Schweißer erkundigt, und weiß, dass Schweißer auf Baustellen sehr gefragt sind.

Dass der BF im Bundesgebiet am Vereinsleben teilnimmt, ergibt sich aus seiner Mitgliedschaft beim Roten Kreuz als freiwilliger Mitarbeiter, sowie dem bangladeschisch-österreichischen Verein. Ebenso ist der BF Mitglied bei der städtischen Bücherei.

Die Feststellung zur Unbescholtenheit des BF ergibt sich aus einem aktuellen Strafregisterauszug. Dass der BF im Bundesgebiet stets seinen melderechtlichen Verpflichtungen nachkam, ergibt sich aus dem aktuellen ZMR Auszug. Der Nichtbezug von Leistungen aus der Grundversorgung ergibt sich aus der Einsicht in das GVS. Dass der BF bei seinem Onkel wohnt, ergibt sich aus seiner diesbezüglichen Aussage in der hg. Verhandlung vom 04.04.2018.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß Art. 151 Abs. 51 Z 7 B-VG wird der Asylgerichtshof mit 01.01.2014 zum Verwaltungsgericht des Bundes. Dieses hat gemäß § 75 Abs. 19 AsylG 2005 alle mit Ablauf des 31.12.2013 beim Asylgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren (nach Maßgabe des § 75 Abs. 20 AsylG 2005) zu Ende zu führen. Das gegenständliche Verfahren war mit Ablauf des 31.12.2013 beim Asylgerichtshof anhängig und daher hat das Bundesverwaltungsgericht das vorliegende Beschwerdeverfahren zu Ende zu führen.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt Einzelrichterzuständigkeit vor.

Gemäß § 1 VwGVG regelt dieses Bundesgesetz das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der BAO, des AgrVG und des DVG und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte. Entgegenstehende Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht sind, bleiben unberührt (§ 58 Abs. 2 VwGVG).

§ 1 BFA-VG bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG 2005 und FPG bleiben unberührt. Gemäß §§ 16 Abs. 6 und 18 Abs. 7 BFA-VG sind die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anwendbar.

Zu A I.) Einstellung des Verfahrens gegen Spruchpunkt I. und II. des angefochtenen Bescheides

Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen. Soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist, erfolgen gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG die Entscheidungen und Anordnungen des Bundesverwaltungsgerichtes durch Beschluss.

In welchen Fällen das Verfahren einzustellen ist, regelt das VwGVG nicht. Insoweit ist auf die diese Frage regelnden Vorschriften (unter Bedachtnahme auf die dazu ergangene Rechtsprechung) abzustellen (vgl. zu ausdrücklich im VwGVG angeordneten Konstellationen, in denen eine Verfahrenseinstellung vorzunehmen ist, § 16 Abs. 1 und § 43 Abs. 1 VwGVG). Bezogen auf nach dem AVG geführte Berufungsverfahren ist davon auszugehen, dass - auch ohne diesbezügliche ausdrückliche gesetzliche Anordnung - eine Verfahrenseinstellung (u.a.) dann vorzunehmen ist, wenn die Berufung rechtswirksam zurückgezogen wurde (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG § 66 Rz 56 mwNw). Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 29.04.2015, Fr 2014/20/0047) hat diese Auffassung auch für das von Verwaltungsgerichten geführte Beschwerdeverfahren Platz zu greifen (vgl. Fuchs in Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren, § 28 VwGVG Anm 5; die Einstellung in Beschlussform im Fall der Zurückziehung der Beschwerde bejahend auch Götzl/Gruber/Reisner/Winkler, Das neue Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte, § 28 VwGVG Rz 7; Schmied/Schweiger, Das Verfahren vor den Verwaltungsgerichten erster Instanz, 112; Grabenwarter/Fister, Verwaltungsverfahrensrecht und Verwaltungsgerichtsbarkeit4 232; Hengstschläger/Leeb, AVG², § 13 Rz 42; Hauer, Gerichtsbarkeit des öffentlichen Rechts³ Rz 191).

Aufgrund der rechtswirksamen Zurückziehung der Beschwerde hinsichtlich der Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 04.04.2018 ist das Verfahren über die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. und II. des (im Spruch genannten) Bescheides vom 22.05.2012 mit Beschluss einzustellen.

Zu A.II) Beschwerde gegen Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides:

1. Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 75 Abs. 19 AsylG 2005 sind alle mit Ablauf des 31.12.2013 beim Asylgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren ab 1. Jänner 2014 vom Bundesverwaltungsgericht nach Maßgabe des Abs. 20 zu Ende zu führen.

Da gegenständliche Beschwerde gegen einen Bescheid des Bundesasylamtes vom 22.05.2012 bereits beim Asylgerichtshof anhängig war, ist das Bundesverwaltungsgericht für die Entscheidung zuständig.

Gemäß § 75 Abs. 20 Z 1 AsylG 2005 hat das Bundesverwaltungsgericht, so es den abweisenden Bescheid des Bundesasylamtes bestätigt, in jedem Verfahren zu entscheiden, ob in diesem Verfahren die Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist oder das Verfahren zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt zurückverwiesen wird. Wird das Verfahren zurückverwiesen, so sind die Abwägungen des Bundesverwaltungsgerichtes hinsichtlich des Nichtvorliegens der dauerhaften Unzulässigkeit der Rückkehrentscheidung für das Bundesamt nicht bindend. In den Fällen der Z 5 und 6 darf kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegen.

Mit der Zurückziehung der Beschwerde sind die Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides - wie zu I.A. ausgeführt - in Rechtskraft erwachsen. Es ist demnach lediglich über die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme (vormals Ausweisungsentscheidung) zu entscheiden. Dadurch, dass durch die Zurückziehung der Beschwerden im angeführten Umfang die negativen Entscheidungen des Bundesasylamtes betreffend die Anträge auf internationalen Schutz sowohl im Hinblick auf die Zuerkennung des Status von Asylberechtigten als auch des Status von subsidiär Schutzberechtigten in Rechtskraft erwachsen sind, liegt im Ergebnis eine § 75 Abs. 20 Z 1 AsylG 2005 entsprechende Situation vor.

2. Ob eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist, ergibt sich aus § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG:

Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist nach § 9 Abs. 1 BFA-VG die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

Gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG ist über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff NAG) verfügen, unzulässig wäre.

3. Nach Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff in die Ausübung des Rechts auf Privat- und Familienleben nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutze der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens iSd Art. 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofes jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffes; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinn wird eine Ausweisung nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.

Die Verhältnismäßigkeit einer Rückkehrentscheidung ist dann gegeben, wenn der Konventionsstaat bei seiner aufenthaltsbeendenden Maßnahme einen gerechten Ausgleich zwischen dem Interesse des Fremden auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens einerseits und dem staatlichen Interesse auf Verteidigung der öffentlichen Ordnung andererseits, also dem Interesse des Einzelnen und jenem der Gemeinschaft als Ganzes gefunden hat. Dabei variiert der Ermessensspielraum des Staates je nach den Umständen des Einzelfalles und muss in einer nachvollziehbaren Verhältnismäßigkeitsprüfung in Form einer Interessenabwägung erfolgen.

Bei dieser Interessenabwägung sind - wie in § 9 Abs. 2 BFA-VG unter Berücksichtigung der Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ausdrücklich normiert wird - insbesondere die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration des Fremden, die Bindungen zum Heimatstaat, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren sowie die Frage zu berücksichtigen, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist (vgl. VfSlg. 18.224/2007, 18.135/2007; VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479; 26.01.2006, 2002/20/0423).

4. Vom Begriff des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK ist nicht nur die Kernfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern umfasst, sondern z. B. auch Beziehungen zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, Appl. 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Eltern und erwachsenen Kindern (etwa EKMR 06.10.1981, Appl. 9202/80, EuGRZ 1983, 215). Dies allerdings nur unter der Voraussetzung, dass eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt. Es kann nämlich nicht von vornherein davon ausgegangen werden, dass zwischen Personen, welche miteinander verwandt sind, immer auch ein ausreichend intensives Familienleben iSd Art. 8 EMRK besteht, vielmehr ist dies von den jeweils gegebenen Umständen, von der konkreten Lebenssituation abhängig. Der Begriff des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK setzt daher neben der Verwandtschaft auch andere, engere Bindungen voraus; die Beziehungen müssen eine gewisse Intensität aufweisen. So ist etwa darauf abzustellen, ob die betreffenden Personen zusammengelebt haben, ein gemeinsamer Haushalt vorliegt oder ob sie (finanziell) voneinander abhängig sind (vgl. etwa VwGH 26.01.2006, 2002/20/0423; 08.06.2006, 2003/01/0600; 26.01.2006, 2002/20/0235, worin der Verwaltungsgerichtshof feststellte, dass das Familienleben zwischen Eltern und minderjährigen Kindern nicht automatisch mit Erreichen der Volljährigkeit beendet wird, wenn das Kind weiter bei den Eltern lebt).

Der Begriff des Familienlebens ist sohin nicht auf Familien beschränkt, die sich auf eine Heirat gründen, sondern schließt auch andere de facto Beziehungen ein; maßgebend ist beispielsweise das Zusammenleben eines Paares, die Dauer der Beziehung, die Demonstration der Verbundenheit durch gemeinsame Kinder oder auf andere Weise (EGMR 13.06.1979, Fall Marckx). Ehen, die nicht nationalem Recht entsprechen, sind kein Hindernis für ein Familienleben (EGMR 28.05.1985, 15/1983/71/107-109, Abdulaziz, Cabales und Balkandali). Ebensowenig reicht das Eheband allein nicht aus, um die Anwendbarkeit des Art. 8 EMRK auszulösen. Reine Scheinehen sind deshalb nicht geschützt (VwGH 29.06.2010, 2006/18/0484).

5. Unter dem "Privatleben" sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. EGMR 16.06.2005, Fall Sisojeva ua., Appl. 60.654/00, EuGRZ 2006, 554). In diesem Zusammenhang komme dem Grad der sozialen Integration des Betroffenen eine wichtige Bedeutung zu.

6. Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung würde nicht in das Recht des BF auf Familienleben eingreifen. Zwar verfügt der BF über einen Onkel im Bundesgebiet, mit welchem er in einer Wohngemeinschaft zusammen lebt, doch kann dem BF zugemutet werden, den familiären Kontakt auch über moderne Telekommunikationsmittel von seinem Herkunftsstaat aus aufrecht zu erhalten. Auch führt er im Bundesgebiet keine Lebensgemeinschaft. Sonstige familiäre Bindungen des BF im Bundesgebiet konnten nicht festgestellt werden.

7. Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung würde jedoch in das Recht des BF auf Privatleben eingreifen:

Bei der Beurteilung der Frage, ob der BF in Österreich über ein schützenswertes Privatleben verfügt, spielt die zeitliche Komponente eine zentrale Rolle, da - abseits familiärer Umstände - eine von Art. 8 EMRK geschützte Integration erst nach einigen Jahren im Aufenthaltsstaat anzunehmen ist (vgl. Thym, EuGRZ 2006, 541). Während der Verwaltungsgerichtshof bei einem dreieinhalbjährigen Aufenthalt im Allgemeinen von einer eher kürzeren Aufenthaltsdauer ausgeht (vgl. Chvosta, ÖJZ 2007/74 unter Hinweis auf die VwGH 8.3.2005, 2004/18/0354; 27.3.2007, 2005/21/0378), und im Erkenntnis vom 26.6.2007, 2007/10/0479, feststellt, "dass der Aufenthalt im Bundesgebiet in der Dauer von drei Jahren [...] jedenfalls nicht so lange ist, dass daraus eine rechtlich relevante Bindung zum Aufenthaltsstaat abgeleitet werden könnte", lebt der BF seit Mai 2012 - sohin seit genau sechs Jahren - im Bundesgebiet. Der BF verfügt somit über schützenswertes Privatleben in Österreich.

Der Eingriff in das Privatleben des BF wäre unverhältnismäßig:

Der BF reiste vor sechs Jahren nach Österreich ein und verfügte nie über ein Aufenthaltsrecht außerhalb des Asylverfahrens. Der BF stellte im Bundesgebiet lediglich einen einzigen Antrag auf internationalen Schutz. Das erste und gleichzeitig einzige Asylverfahren des BF im Bundesgebiet dauert sohin beinahe sechs Jahre, ohne dass dies auf eine schuldhafte Verzögerung durch den BF zurückzuführen war (vgl. VfSlg. 19.612/2011). Im Gegenteil, hat der BF immer von sich aus dem Asylverfahren dienliche und seine Integration bezeugende Dokumente vorgelegt und sich auch immer wieder über den Stand seines Verfahrens erkundigt. Ebenso trat der BF während der gesamten Aufenthaltsdauer melderechtlich erfasst und sohin für die Behörden jederzeit greifbar. Er sorgte - bis auf 20 Tage in denen er unmittelbar nach seiner Asylantragsstellung Leistungen aus der Grundversorgung bezog - seit Jahren selbständig für seinen Lebensunterhalt. Dem unsicheren Aufenthalt des BF steht überdies die Verpflichtung des Staates gegenüber, Verfahren effizient zu führen (vgl. VfGH 07.10.2010, B 950/10 u.a.).

Dass der Fremde strafrechtlich unbescholten ist, vermag weder sein persönliches Interesse an einem Verbleib in Österreich zu verstärken noch das öffentliche Interesse an der aufenthaltsbeendenden Maßnahme entscheidend abzuschwächen (zB VwGH 25.2.2010, 2009/21/0070; 13.10.2011, 2009/22/0273; 19.4.2012, 2011/18/0253).

Der BF ist in sehr hohem Maß in die österreichische Gesellschaft integriert: Er absolvierte das ÖSD Sprachzertifikat auf der Niveaustufe A2 und spricht mittlerweile sehr gut Deutsch. Er nimmt am österreichischen Vereinsleben teil, indem er als freiwilligen Helfer Mitglied beim Roten Kreuz und bei der österreichisch-bangladeschischen Gesellschaft ist. Aufgrund seiner beruflichen Erfahrungen im Bundesgebiet als Zeitungsverkäufer, Reinigungskraft und als Küchenhilfe, seiner Mitarbeit bei der Stadt Wien im Zuge von Schneeräumungsarbeiten, seiner Einstellungszusage als Küchenhilfe, sowie seines bereits konkreten Planes künftig als Schweißer im Bundesgebiet arbeiten zu wollen, ist davon auszugehen, dass der BF auch weiterhin selbsterhaltungsfähig sein wird. Ebenso ist er sehr an seinem beruflichen Weiterkommen im Bundesgebiet interessiert und hat sich bereits, um seinem Berufsziel als Schweißer näherzukommen, über einen diesbezüglichen WIFI-Kurs informiert.

Angesichts seines in den hg. Verhandlungen vermittelten stetigen Dranges sich noch mehr im Bundesgebiet zu integrieren und seiner bisherigen aufgezeigten Mühewaltungen (eigenständige Unterkunftnahme, berufliche Tätigkeiten im Bundesgebiet, Einstellungszusage, Vereinsmitgliedschaften), kann davon ausgegangen werden, dass sich der BF auch in Zukunft mühelos in die österreichische Gesellschaft integrieren wird und selbsterhaltungsfähig sein wird.

Der BF vermittelt insgesamt in der mündlichen Verhandlung den Eindruck einer - vor dem Hintergrund der Aufenthaltsdauer - erheblich überdurchschnittlichen Integration in Österreich und redlichem Streben sowohl nach weiterer gelungener Integration in die österreichische Gesellschaft als auch nach der weiteren Verbesserung seiner Sprachkenntnisse.

Unzweifelhaft hat sich der Lebensmittelpunkt des BF ins Bundesgebiet verlagert, sodass diesbezüglich von einer deutlichen Abschwächung der Bindungen zum Herkunftsstaat gesprochen werden kann. Auch ist dem BF die lange Dauer seines Verfahrens nicht zurechenbar (vgl. VfGH vom 21.02.2014, U 2552/2013).

In Gesamtschau mit der Aufenthaltsdauer und der privaten, wirtschaftlichen und sozialen Integration ergibt sich bei einer abwägenden Gesamtbetrachtung, dass der mit seiner Außerlandesbringung verbundene Eingriff in sein Privatleben unzulässig ist.

8. Das Bundesverwaltungsgericht kommt daher aufgrund der vorgenommenen Interessenabwägung zum Ergebnis, dass eine Rückkehrentscheidung gegen den BF unzulässig ist. Des Weiteren ist davon auszugehen, dass die drohende Verletzung des Privatlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend, sondern auf Dauer sind und es ist daher gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG festzustellen, dass die Rückkehrentscheidung gegen den BF auf Dauer unzulässig ist.

9. Diese Erwägungen dienen in der Folge als Entscheidungsgrundlage für das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl für die von Amts wegen zu erteilenden Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG 2005.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Aufenthaltsdauer, Aufenthaltsrecht, Deutschkenntnisse,
Familienleben, Integration, Interessenabwägung, Privat- und
Familienleben, Privatleben, Rückkehrentscheidung auf Dauer
unzulässig, Verfahrensdauer

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W186.1427185.1.00

Zuletzt aktualisiert am

07.06.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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