Index
90/02 Kraftfahrgesetz;Norm
KFG 1967 §102 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Riedinger und Dr. Beck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Breunlich, über die Beschwerde des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 17. Juli 1997, Zl. UVS-03/P/52/02612/97, betreffend Übertretung des KFG (mitbeteiligte Partei: H in W), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
Mit Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Döbling, vom 12. Juni 1997 wurde der Mitbeteiligte des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens für schuldig befunden, er habe am 14. Jänner 1997 um 08.05 Uhr an einem näher genannten Ort in Wien einen dem Kennzeichen nach näher bestimmten Kombinationskraftwagen gelenkt, obwohl das hintere Kennzeichen durch Verschmutzung unlesbar gewesen sei.
Der Mitbeteiligte habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 102 Abs. 2 KFG begangen, weshalb über ihn gemäß § 134 Abs. 1 KFG eine Geldstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt wurde.
Gegen diesen Bescheid erhob der Mitbeteiligte Berufung.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 17. Juli 1997 gab die belangte Behörde der Berufung Folge, hob das Straferkenntnis vom 12. Juni 1997 auf und stellte das Verwaltungsstrafverfahren gegen den Mitbeteiligten gemäß § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG ein. In der Begründung führte die belangte Behörde u.a. aus, es könne in Übereinstimmung mit dem Berufungsvorbringen der Begründung des Straferkenntnisses nicht gefolgt werden, dass sich der Mitbeteiligte in "angemessenen Zeitabständen" davon überzeugen müsse, ob die Kennzeichentafeln einer Reinigung bedürfen, zumal eine solche Verpflichtung weder aus dem Gesetz noch aus der dazu ergangenen Judikatur abzuleiten sei. Vielmehr genüge es, wenn sich der Lenker "vor" der Inbetriebnahme des Fahrzeuges davon überzeugt habe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art. 131 Abs. 2 B-VG in Verbindung mit § 123 Abs. 1 letzter Satz KFG gestützte Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Dieser hat erwogen:
Der beschwerdeführende Bundesminister wendet insbesondere ein, es stelle § 102 Abs. 2 KFG, anders als dessen Abs. 1, nicht auf ein bloßes "sich Überzeugen bei der Inbetriebnahme" ab. Aus der unterschiedlichen Formulierung im Gesetzestext ergebe sich, dass die in Abs. 2 normierte Sorgepflicht eine absolute sei. Das bedeute, dass der Lenker unter dem Gesichtspunkt der Rein- und Sichtbarerhaltung der Kennzeichentafeln sein Augenmerk ständig auf die Witterungsverhältnisse und die Fahrbahnbeschaffenheit zu lenken habe, um erforderlichenfalls rechtzeitig Abhilfe zu schaffen und den gesetzlich geforderten Zustand herzustellen.
Gemäß § 102 Abs. 2 zweiter Satz KFG hat der Lenker u.a. dafür zu sorgen, dass die Kennzeichen des von ihm gelenkten Kraftfahrzeuges und eines mit diesem gezogenen Anhängers vollständig sichtbar sind und nicht durch Verschmutzung, Schneebelag, Beschädigung oder Verformung der Kennzeichentafel unlesbar sind.
In dem von der beschwerdeführenden Partei angeführten hg. Erkenntnis vom 14. Mai 1997 , Zl. 97/03/0021, wird u.a. ausgeführt, dass es nicht zum objektiven Tatbestand der Übertretungen nach § 102 Abs. 2 KFG gehört, dass der Lenker den darin normierten Verpflichtungen "vor Fahrtantritt" nicht entsprochen hat, treffen ihn diese Verpflichtungen doch sowohl nach dem Wortlaut als auch nach dem Zweck dieser Bestimmung auch noch nach Antritt der Fahrt.
Entgegen der von der belangten Behörde - etwa auch noch in der erstatteten Gegenschrift - vertretenen Meinung, wurde mit dem vorzitierten Erkenntnis das Bestehen einer entsprechenden Rechtspflicht des Lenkers auch nach Antritt der Fahrt bejaht. Diese Verpflichtung besteht daher - entsprechend den Witterungs- und Straßenverhältnissen - im Rahmen der Zumutbarkeit auch im Zuge der Fahrt. Auf einen von der belangten Behörde in der Gegenschrift zitierten Durchführungserlass zum KFG war - weil dieser den Verwaltungsgerichtshof nicht zu binden vermag - nicht einzugehen.
Aus den dargelegten Gründen hat die belangte Behörde die Rechtslage verkannt, weshalb der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Wien, am 24. Februar 2000
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:1998020062.X00Im RIS seit
19.03.2001