Entscheidungsdatum
24.05.2018Norm
Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1Spruch
W115 2112878-2/8E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Christian DÖLLINGER als Vorsitzenden und die Richterin Mag. Ursula GREBENICEK sowie die fachkundige Laienrichterin Dr. Regina BAUMGARTL als Beisitzerinnen über die Beschwerde von
XXXX, geb. XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle XXXX, vom XXXX, Pass Nr. XXXX, betreffend die Abweisung des Antrages auf Vornahme einer Zusatzeintragung in den Behindertenpass gemäß § 42 und § 45 Bundesbehindertengesetz (BBG), zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.
Die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung "Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar" in den Behindertenpass liegen vor.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Kurzbezeichnung:
Sozialministeriumservice; in der Folge belangte Behörde genannt) hat dem Beschwerdeführer am XXXX einen bis XXXX befristeten Behindertenpass mit einem Grad der Behinderung von 70 vH sowie den Zusatzeintragungen "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel", "Gehbehinderung", "Metallimplantat" und "Fahrpreisermäßigung" ausgestellt.
2. Am XXXX hat der Beschwerdeführer unter Vorlage eines Befundkonvolutes einen Antrag auf Verlängerung des befristeten Behindertenpasses bei der belangten Behörde gestellt.
2.1. Zur Überprüfung des Antrages wurden von der belangten Behörde ärztliche Sachverständigengutachten von Dr. XXXX, Facharzt für HNO-Heilkunde, und Dr. XXXX, Arzt für Allgemeinmedizin, jeweils basierend auf der Aktenlage, mit dem Ergebnis eingeholt, dass der Grad der Behinderung zwar weiterhin in Höhe von 70 vH bewertet wurde und die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung "schwer hörbehindert" in den Behindertenpass gegeben seien, die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass jedoch nicht vorliegen würden.
2.2. Mit Schreiben vom XXXX wurde der Beschwerdeführer von der belangten Behörde darüber informiert, dass lt. Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen vom 01.01.2014 die Zusatzeintragung "Gehbehinderung" nicht mehr vorgesehen sei.
2.3. Am XXXX hat die belangte Behörde dem Beschwerdeführer einen unbefristeten Behindertenpass mit einem Grad der Behinderung von 70 vH und den Zusatzeintragungen "schwer hörbehindert", "Fahrpreisermäßigung" und "Prothese" ausgestellt.
3. Am XXXX hat der Beschwerdeführer unter Vorlage eines medizinischen Beweismittels einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass gestellt.
3.1. Zur Überprüfung des Antrages wurde von der belangten Behörde ein ärztliches Sachverständigengutachten vom bereits befassten Sachverständigen Dr. XXXX, basierend auf der Aktenlage, mit dem Ergebnis eingeholt, dass die Voraussetzungen für die beantragte Zusatzeintragung nicht vorliegen würden.
3.2. Im Rahmen des von der belangten Behörde gemäß § 45 Abs. 3 AVG erteilten Parteiengehörs wurden vom Beschwerdeführer ohne Vorlage medizinischer Beweismittel Einwendungen erhoben.
3.3. Mit Bescheid vomXXXX hat die belangte Behörde den Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass gemäß § 42 und § 45 BBG abgewiesen.
3.4. Gegen diesen Bescheid wurde vom Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde erhoben, mit der der Bescheid vollinhaltlich angefochten wurde.
4. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom XXXX, GZ: XXXX, wurde in Erledigung der Beschwerde der Bescheid vom XXXX betreffend die Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3
2. Satz VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückverwiesen.
Begründend wurde zusammengefasst ausgeführt, dass die belangte Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhaltes unterlassen habe und sich der vorliegende Sachverhalt zur Beurteilung des Vorliegens der Voraussetzungen für die beantragte Zusatzeintragung als so mangelhaft erweise, dass weitere Ermittlungen bzw. konkretere Sachverhaltsfeststellungen erforderlich erscheinen würden. So sei das von der belangten Behörde im gegenständlichen Verfahren eingeholte Sachverständigengutachten lediglich basierend auf der Aktenlage - ohne persönliche Untersuchung des Beschwerdeführers - erstellt worden, die Auswirkungen der festgestellten Funktionseinschränkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel seien nicht in nachvollziehbarer Weise dargestellt worden und es habe auch keine ausreichende Auseinandersetzung mit den vorliegenden medizinischen Beweismitteln stattgefunden. Der eingeholte medizinische Sachverständigenbeweis habe daher die verwaltungsbehördliche Entscheidung nicht zu tragen vermocht.
Der belangten Behörde wurde vom Bundesverwaltungsgericht aufgetragen, im fortgesetzten Verfahren ein medizinisches Sachverständigengutachten - nunmehr basierend auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers - zu den dargelegten Fragestellungen einzuholen und die Ergebnisse bei der Entscheidungsfindung zu berücksichtigen.
5. Im fortgesetzten Verfahren wurden vom Beschwerdeführer weitere medizinische Beweismittel in Vorlage gebracht und wurde von der belangten Behörde ein ärztliches Sachverständigengutachten von Dr. XXXX, Fachärztin für Unfallchirurgie und Ärztin für Allgemeinmedizin, basierend auf der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am XXXX, mit dem Ergebnis eingeholt, dass die Voraussetzungen für die beantragte Zusatzeintragung nicht vorliegen würden.
5.1. Ohne dem Beschwerdeführer das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens gemäß
§ 45 Abs. 3 AVG zur Kenntnis zu bringen, hat die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid den Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass gemäß § 42 und § 45 BBG abgewiesen.
Begründend wurde im Wesentlichen zusammengefasst ausgeführt, dass das medizinische Beweisverfahren ergeben habe, dass die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar sei. Die Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens seien der Beilage, welche einen Bestandteil der Begründung bilde, zu entnehmen. In der rechtlichen Beurteilung zitierte die belangte Behörde die maßgeblichen Bestimmungen des BBG und Auszüge aus der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen (Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen).
Als Beilage zum Bescheid wurde von der belangten Behörde das eingeholte ärztliche Sachverständigengutachten übermittelt.
5.2. Gegen diesen Bescheid wurde vom Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde erhoben.
Ohne Vorlage von medizinischen Beweismitteln wurde vom Beschwerdeführer im Wesentlichen zusammengefasst vorgebracht, dass im Zuge eines Reha-Aufenthaltes Propulsion und Sturzneigung festgestellt worden seien. Die Physiotherapeutin habe eine geringe Ausdauer, steigende Unsicherheit sowie Schwindelanfälle beim Aufstehen befundet und habe für längere Gehstrecken eine Begleitung empfohlen. Seit dem Reha-Aufenthalt sei er auch mehrmals in der Wohnung gestürzt, meist unmittelbar nach dem Aufstehen aus dem Sitzen wegen des Schwindels. Für das sichere Erreichen von öffentlichen Verkehrsmitteln sei er auf den Rollstuhl und auf die Begleitung seiner Frau angewiesen. Aus diesen Gründen sei er der Ansicht, dass der von ihm angefochtene Bescheid nicht gerechtfertigt sei.
6. Die gegenständliche Beschwerde samt Verwaltungsakt langte der Aktenlage nach am XXXX beim Bundesverwaltungsgericht ein.
6.1. Das Bundesverwaltungsgericht hat dem Beschwerdeführer mit Schreiben vomXXXX darauf hingewiesen, dass im Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gemäß § 46 BBG neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden dürfen.
6.2. Zur Überprüfung des Beschwerdegegenstandes wurden vom Bundesverwaltungsgericht ärztliche Sachverständigengutachten von Dr. XXXX, Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, und Dr. XXXX, Arzt für Allgemeinmedizin, basierend auf den persönlichen Untersuchungen des Beschwerdeführers am XXXX bzw. XXXX, mit dem Ergebnis eingeholt, dass aufgrund der befunddokumentierten Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Beschwerdeführers die Voraussetzungen für die beantragte Zusatzeintragung nunmehr vorliegen würden.
Der Beschwerdeführer hat im Rahmen der Untersuchungen weitere medizinische Beweismittel in Vorlage gebracht.
6.3. Mit Schreiben vom XXXX wurde dem Beschwerdeführer und der belangten Behörde vom Bundesverwaltungsgericht das Ergebnis der Beweisaufnahme im Rahmen des Parteiengehörs gemäß § 17 VwGVG iVm § 45 Abs. 3 AVG unter neuerlichem Hinweis auf die Neuerungsbeschränkung gemäß § 46 BBG zur Kenntnis gebracht und die Möglichkeit eingeräumt, sich dazu zu äußern. Weder der Beschwerdeführer noch die belangte Behörde haben Einwendungen vorgebracht.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Da sich der Beschwerdeführer mit der Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung "Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar" in den Behindertenpass nicht einverstanden erklärt hat, war dies zu überprüfen.
1. Feststellungen:
Das Bundesverwaltungsgericht geht aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens von folgendem für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalt aus:
1.1. Der Beschwerdeführer erfüllt die allgemeinen Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses. Der Beschwerdeführer hat seinen Wohnsitz im Inland und ist Inhaber eines unbefristet ausgestellten Behindertenpasses.
1.2. Dem Beschwerdeführer ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht zumutbar.
1.2.1. Ausmaß der Funktionseinschränkungen:
Allgemeinzustand: insgesamt etwas reduziert. Ernährungszustand:
schlanker Habitus. Caput: keine Lippenzyanose, keine
Halsvenenstauung. Cor: reine Herztöne, rhythmische Herzaktion, Blutdruck 140/75. Pulmo: V.A., sonorer Klopfschall, Basen atemverschieblich, keine Sprechdyspnoe, keine Kurzatmigkeit bei Bewegungsprüfung im Untersuchungszimmer.
Abdomen: weich, keine Druckpunkte, keine pathologischen Resistenzen palpabel, Leber am Rippenbogen palpabel, Milz n.p., Darmgeräusche normal und unauffällig, Nierenlager beidseits frei.
Wirbelsäule und Extremitäten: HWS: Kopfdrehung und -seitneigung:
nach rechts und links endlagig eingeschränkt. Inkl. und Rekl. endlagig eingeschränkt. BWS: gerade. LWS: Rumpfdrehung und -seitneigung endlagig eingeschränkt.
Obere Extremitäten: Rechtshändigkeit. Schultergelenk rechts:
Abduktion und Anteversion frei. Schultergelenk links: Abduktion und Anteversion 90°. Nacken- und Schürzengriff beidseits durchführbar.
Ellenbogengelenke: frei. Handgelenke: frei beweglich. Finger- und Daumengelenke: beidseits frei. Faustschluss beidseits komplett durchführbar, Zangengriff beidseits durchführbar.
Untere Extremitäten: Hüftgelenk rechts: Flexion 130°. Abd. und Add. altersentsprechend frei. Hüftgelenk links: Flexion 130°. Abd. endlagig eingeschränkt und Add. altersentsprechend frei. Kniegelenk rechts: Beugung und Streckung frei, bandstabil. Kniegelenk links:
Beugung und Streckung frei, bandstabil. Sprunggelenke beidseits:
frei. Sonstige Gelenke altersentsprechend frei. Zehenbeweglichkeit:
frei. Fußheben und -senken beidseits durchführbar. Beide untere Extremitäten können von der Unterlage abgehoben werden. Bein- und Fußpulse links schwach tastbar, rechts tastbar. Temperatur beider unterer Extremitäten seitengleich unauffällig. Venen: verstärkte Venenzeichnung beidseits an den unteren Extremitäten, keine Ödeme.
Neurologisch: Die Hirnnerven sind unauffällig, die Optomotorik ist intakt, deutliche Dysarthrie. An den oberen Extremitäten bestehen rechts keine Paresen, links Absinken und Pronieren. Die Muskeleigenreflexe sind linksbetont übermittellebhaft auslösbar, die Koordination ist links > rechts mäßig beeinträchtigt, an den unteren Extremitäten links > rechts spastische Paresen mäßiggradig. Fersen/Zehenspitzen/Einbeinstand beidseits nicht möglich. Die Muskeleigenreflexe links betont übermittellebhaft auslösbar. Die Koordination ist deutlich ataktisch gestört. Die Sensibilität wird allseits als intakt angegeben.
Psychiatrisch: Örtlich, zeitlich, zur Person und situativ ausreichend orientiert. Antriebsstörung, Auffassung reduziert. Affekt ausgeglichen, Stimmungslage euthym, keine Ein- und Durchschlafstörung, keine produktive Symptomatik, keine Suizidalität.
Gangbild: Das Gangbild ist unter Verwendung eines Rollators breitbasig ataktisch und unsicher. Nur einige Schritte frei sonst mit Rollator. Freies Stehen wackelig und nur kurz möglich, die Kniegelenke werden beim Stehen nicht vollständig durchgestreckt, der Beschwerdeführer wirkt zittrig. Aufstehen aus sitzender Körperhaltung mit Anhalten etwas verlangsamt möglich.
1.2.2. Art der Funktionseinschränkungen:
? Zustand nach Polytrauma mit Resthemisymptomatik links
? Degenerative Gelenksveränderungen und posttraumatische Gelenksveränderungen, Zustand nach Hüftgelenksersatz links nach Schenkelhalsfraktur am XXXX
? Mäßige funktionelle Einschränkungen des linken Schultergelenks
? Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule
? Arterielle Hypertonie bei intermittierendem Vorhofflimmern
? Zustand nach Herzkreislaufstillstand mit kardiopulmonaler Reanimation XXXX
? Taubheit rechts, hochgradige Schwerhörigkeit links
? Zustand nach Begleitpankreatitis XXXX
? Zustand nach Dependenzsyndrom
1.2.3. Auswirkungen der Funktionseinschränkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel:
Der Beschwerdeführer kann sich zwar im öffentlichen Raum selbstständig fortbewegen, jedoch ist der sichere und gefährdungsfreie Transport im öffentlichen Verkehrsmittel erheblich eingeschränkt und kann eine kurze Wegstrecke (ca. 300 m - 400 m) nicht aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe, gegebenenfalls unter Verwendung zweckmäßiger Behelfe, ohne Unterbrechung zurückgelegt werden.
Durch die Resthemisymptomatik links bei Zustand nach Polytrauma verbunden mit einer deutlichen ataktischen Gangstörung mit Sturzneigung liegen Funktionseinschränkungen vor, die die selbstständige Fortbewegung im öffentlichen Raum sowie den sicheren, gefährdungsfreien Transport im öffentlichen Verkehrsmittel erheblich einschränken. Der Beschwerdeführer ist aufgrund der Sturzneigung auf die Benützung eines Rollators angewiesen. Selbst unter Verwendung eines Rollators ist das Gangbild breitbasig ataktisch und unsicher. Freies Stehen ist dem Beschwerdeführer nur kurz möglich und die Kniegelenke werden beim Stehen nicht vollständig durchgestreckt. Die Geh-, Steh- und Steigfähigkeit des Beschwerdeführers ist selbst unter Verwendung eines Gehbehelfes in Form eines Rollators nicht ausreichend.
1.3. Der Antrag auf Vornahme der verfahrensgegenständlichen Zusatzeintragung in den Behindertenpass ist am XXXX bei der belangten Behörde eingelangt.
1.4. Der Verwaltungsakt ist unter Anschluss der Beschwerdeschrift am XXXX im Bundesverwaltungsgericht eingelangt.
1.5. Die nachgereichten Beweismittel sind nach dem XXXX vorgelegt worden.
2. Beweiswürdigung:
Zu 1.1.) Die Feststellungen zu den allgemeinen Voraussetzungen ergeben sich aus dem diesbezüglich unbedenklichen, widerspruchsfreien und unbestrittenen Akteninhalt.
Zu 1.2.) Die Feststellungen zu Art und Ausmaß der Funktionseinschränkungen sowie deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel gründen sich - in freier Beweiswürdigung - auf die im Beschwerdeverfahren eingeholten ärztlichen Sachverständigengutachten sowie auf die bis XXXX vorgelegten medizinischen Beweismittel.
Die eingeholten ärztlichen Sachverständigengutachten Dris. XXXX und Dris. XXXX sind schlüssig, nachvollziehbar und weisen keine Widersprüche auf. Es wurde auf die Art der Leiden und deren Ausmaß ausführlich eingegangen. Auch wurde zu den Auswirkungen der festgestellten Funktionseinschränkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ausführlich Stellung genommen. Die getroffenen Einschätzungen, basierend auf dem im Rahmen persönlicher Untersuchung des Beschwerdeführers erhobenen klinischen Befund, entsprechen unter Berücksichtigung der bis XXXX vorgelegten Beweismittel den festgestellten Funktionseinschränkungen.
Die bis XXXX vorgelegten Beweismittel sind in die Beurteilung eingeflossen, die befassten Sachverständigen haben sich eingehend damit auseinandergesetzt. Diese Beweismittel stehen nicht im Widerspruch zum Ergebnis des eingeholten Sachverständigenbeweises, es wird kein aktuell höheres Funktionsdefizit beschrieben als gutachterlich festgestellt wurde und sie enthalten auch keine neuen fachärztlichen Aspekte, welche unberücksichtigt geblieben sind.
Zur Erörterung der Rechtsfrage, dass die nach dem XXXX vorgelegten Beweismittel unberücksichtigt geblieben sind, siehe die rechtlichen Erwägungen unter Punkt II.3.1.
Im Einklang mit dem Untersuchungsbefund führen sowohl Dr. XXXX als auch Dr. XXXX schlüssig und überzeugend aus, dass durch die Resthemisymptomatik links bei Zustand nach Polytrauma verbunden mit einer deutlichen ataktischen Gangstörung mit Sturzneigung erhebliche Funktionseinschränkungen der unteren Extremitäten und erhebliche Einschränkungen neurologischer Funktionen vorliegen, welche die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf erhebliche Weise erschweren. Überzeugend sind in diesem Zusammenhang auch die Ausführungen der Sachverständigen, dass der Beschwerdeführer aufgrund der Sturzneigung auf die Benützung eines Rollators angewiesen ist und sich trotz Verwendung dieses Gehbehelfes im Rahmen der klinischen Untersuchung ein breitbasig ataktisches und unsicher wirkendes Gangbild gezeigt hat. Aufgrund dieser Umstände ist das Zurücklegen einer Wegstrecke von ca. 300 bis 400 Meter sowie die Geh-, Steh- und Steigfähigkeit des Beschwerdeführers erheblich eingeschränkt.
Die Abweichung zur sachverständigen Beurteilung, welche dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegt worden ist, resultiert aus der befunddokumentierten Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Beschwerdeführers. So führen Dr. XXXX und Dr. XXXX anschaulich und überzeugend aus, dass sich im Vergleich zu jenem Gutachten, welches dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegt worden ist und in dem ein unter Benützung eines Gehstockes kleinschrittiges, verlangsamtes, etwas unsicheres Gangbild objektiviert worden ist, nunmehr beim Beschwerdeführer eine deutliche ataktische Gangstörung bei breitbasigem, unsicherem Gangbild mit Rollatorbedarf bei dokumentierter Sturzneigung sowie Zustand nach Sturzgeschehen besteht. Damit ist eine erhebliche Verschlechterung der Mobilität objektivierbar.
Das Beschwerdevorbringen und die bis XXXXvorgelegten Beweismittel waren sohin geeignet, die der angefochtenen Entscheidung zugrunde gelegte sachverständige Beurteilung zu entkräften und eine geänderte Beurteilung herbeizuführen.
Die Sachverständigengutachten Dris. XXXX und Dris. XXXX stehen mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch. Auch war dem Vorbringen sowie den bisXXXX vorgelegten Beweismitteln kein Anhaltspunkt zu entnehmen, die Tauglichkeit der befassten Sachverständigen oder deren Beurteilung beziehungsweise Feststellungen in Zweifel zu ziehen. Vielmehr haben die Verfahrensparteien den Inhalt der eingeholten Sachverständigengutachten im Rahmen des vom Bundesverwaltungsgericht erteilten Parteiengehörs unbeeinsprucht zur Kenntnis genommen.
Die im Beschwerdeverfahren eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten werden daher in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zugrunde gelegt.
Zur Erörterung der Rechtsfrage, ob dem Beschwerdeführer die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar ist, siehe die rechtlichen Erwägungen unter Punkt II.3.1.
Zu 1.3.) Der Antrag auf Vornahme der verfahrensgegenständlichen Zusatzeintragung in den Behindertenpass weist am Eingangsvermerk der belangten Behörde das Datum XXXX auf.
Zu 1.4.) Das Schreiben, mit welchem die Beschwerdevorlage durch die belangte Behörde erfolgt ist, weist am Eingangsvermerk des Bundesverwaltungsgerichtes das DatumXXXX auf.
Zu 1.5.) Die Feststellungen zum Zeitpunkt der vom Beschwerdeführer nachgereichten medizinischen Beweismittel ergeben sich aus dem diesbezüglich unbedenklichen, widerspruchsfreien und unbestrittenen Akteninhalt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 45 Abs. 3 des Bundesgesetzes vom 17. Mai 1990 über die Beratung, Betreuung und besondere Hilfe für behinderte Menschen (Bundesbehindertengesetz - BBG), BGBl. Nr. 283/1990 idgF, hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF, geregelt
(§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Zu A)
1. Zur Entscheidung in der Sache:
Gemäß § 1 Abs. 2 BBG ist unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.
Gemäß § 42 Abs. 1 BBG hat der Behindertenpass den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.
Gemäß § 42 Abs. 2 BBG ist der Behindertenpass unbefristet auszustellen, wenn keine Änderung in den Voraussetzungen zu erwarten ist.
Treten Änderungen ein, durch die behördliche Eintragungen im Behindertenpaß berührt werden, hat das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen diese gemäß § 43 Abs. 1 BBG zu berichtigen oder erforderlichenfalls einen neuen Behindertenpaß auszustellen. Bei Wegfall der Voraussetzungen ist der Behindertenpaß einzuziehen.
Gemäß § 45 Abs. 1 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
Gemäß § 45 Abs. 2 BBG ist ein Bescheid nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.
Gemäß § 47 BBG ist der Bundesminister für Arbeit und Soziales ermächtigt, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 auszustellenden Behindertenpaß und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen.
Gemäß § 1 Abs. 4 Z 3 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen (Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen), BGBl. II Nr. 495/2013 idgF, ist auf Antrag des Menschen mit Behinderung jedenfalls die Feststellung einzutragen, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und
? erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder
? erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder
? erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder
? eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder
? eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach § 1 Abs. 4 Z 1 lit. b oder d
vorliegen.
Gemäß § 1 Abs. 5 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen bildet die Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, ein Gutachten eines/einer ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.
In den Erläuterungen zur Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, idF BGBl. II Nr. 495/2013, wird auszugsweise Folgendes ausgeführt:
Zu § 1 Abs. 2 (auszugsweise):
Abs. 2 unterscheidet zwei Arten von Eintragungen; solche, die die Art der Behinderung des Passinhabers/der Passinhaberin betreffen und jene, die Feststellungen über Erfordernisse des Menschen mit Behinderung im täglichen Leben treffen, etwa die behinderungsbedingte Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel.
Zu § 1 Abs. 2 Z 3 (auszugsweise):
Mit der vorliegenden Verordnung sollen präzisere Kriterien für die Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel festgelegt werden. Die durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bisher entwickelten Grundsätze werden dabei berücksichtigt.
Grundsätzlich ist eine Beurteilung nur im Zuge einer Untersuchung des Antragstellers/der Antragstellerin möglich. Im Rahmen der Mitwirkungspflicht des Menschen mit Behinderung sind therapeutische Möglichkeiten zu berücksichtigen. Therapierefraktion - das heißt keine therapeutische Option ist mehr offen - ist in geeigneter Form nachzuweisen. Eine Bestätigung des Hausarztes/der Hausärztin ist nicht ausreichend.
Durch die Verwendung des Begriffes "dauerhafte Mobilitätseinschränkung" hat schon der Gesetzgeber (StVO-Novelle) zum Ausdruck gebracht, dass es sich um eine Funktionsbeeinträchtigung handeln muss, die zumindest 6 Monate andauert. Dieser Zeitraum entspricht auch den grundsätzlichen Voraussetzungen für die Erlangung eines Behindertenpasses.
Nachfolgende Beispiele und medizinische Erläuterungen sollen besonders häufige, typische Fälle veranschaulichen und richtungsgebend für die ärztlichen Sachverständigen bei der einheitlichen Beurteilung seltener, untypischer ähnlich gelagerter Sachverhalte sein. Davon abweichende Einzelfälle sind denkbar und werden von den Sachverständigen bei der Beurteilung entsprechend zu begründen sein.
Die Begriffe "erheblich" und "schwer" werden bereits jetzt in der Einschätzungsverordnung je nach Funktionseinschränkung oder Erkrankungsbild verwendet und sind inhaltlich gleich bedeutend.
Unter erheblicher Einschränkung der Funktionen der unteren Extremitäten sind ungeachtet der Ursache eingeschränkte Gelenksfunktionen, Funktionseinschränkungen durch Erkrankungen von Knochen, Knorpeln, Sehnen, Bändern, Muskeln, Nerven, Gefäßen, durch Narbenzüge, Missbildungen und Traumen zu verstehen. Zusätzlich vorliegende Beeinträchtigungen der oberen Extremitäten und eingeschränkte Kompensationsmöglichkeiten sind zu berücksichtigen. Eine erhebliche Funktionseinschränkung wird in der Regel ab einer Beinverkürzung von 8 cm vorliegen.
Erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen umfassen im Hinblick auf eine Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel folgende Krankheitsbilder:
-
Klaustrophobie, Soziophobie und phobische Angststörungen als Hauptdiagnose nach ICD 10 und nach Ausschöpfung des therapeutischen Angebotes und einer nachgewiesenen Behandlung von mindestens 1 Jahr
-
hochgradige Entwicklungsstörungen mit gravierenden Verhaltensauffälligkeiten
-
schwere kognitive Einschränkungen, die mit einer eingeschränkten Gefahreneinschätzung des öffentlichen Raumes einhergehen
-
nachweislich therapierefraktäres, schweres, cerebrales Anfallsleiden - Begleitperson ist erforderlich.
Um die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilen zu können, hat die Behörde zu ermitteln, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt. Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Nur dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung unzumutbar ist (vgl. VwGH vom 23.05.2012, 2008/11/0128 und die dort angeführte Vorjudikatur sowie VwGH vom 22.10.2002, 2001/11/0242 und 27.01.2015, 2012/11/0186).
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu dieser Zusatzeintragung ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel dann unzumutbar, wenn eine kurze Wegstrecke nicht aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe, allenfalls unter Verwendung zweckmäßiger Behelfe ohne Unterbrechung zurückgelegt werden kann oder wenn die Verwendung der erforderlichen Behelfe die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in hohem Maße erschwert. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist auch dann nicht zumutbar, wenn sich die dauernde Gesundheitsschädigung auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens und die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter Berücksichtigung der beim üblichen Betrieb dieser Verkehrsmittel gegebenen Bedingungen auswirkt (VwGH vom 22.10.2002, 2001/11/0242).
Zu prüfen ist die konkrete Fähigkeit öffentliche Verkehrsmittel zu benützen. Zu berücksichtigen sind insbesondere zu überwindende Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt (VwGH vom 14.05.2009, 2007/11/0080).
Betreffend das Kalkül "kurze Wegstrecke" wird angemerkt, dass der Verwaltungsgerichtshof von einer unter Zugrundelegung städtischer Verhältnisse durchschnittlich gegebenen Entfernung zum nächsten öffentlichen Verkehrsmittel von 300 - 400 m ausgeht (vgl. u.a. VwGH vom 27.05.2014, Ro 2014/11/0013).
Durch die beim Beschwerdeführer festgestellte Resthemisymptomatik links bei Zustand nach Polytrauma bei deutlich ataktischer Gangstörung mit Sturzneigung liegen erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten sowie erhebliche Einschränkungen neurologischer Funktionen vor und ist - auch unter Verweis auf die zuvor wiedergegebene Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes - die Erreichbarkeit sowie der sichere, gefährdungsfreie Transport in öffentlichen Verkehrsmitteln erheblich eingeschränkt und somit deren Benützung nicht zumutbar.
Da festgestellt worden ist, dass beim Beschwerdeführer die dauernden Gesundheitsschädigungen ein Ausmaß erreichen, welches die Zusatzeintragung "Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar" rechtfertigt, war spruchgemäß zu entscheiden.
Gemäß § 46 BBG idF des BGBl. I Nr. 57/2015 dürfen in Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden.
Gemäß § 54 Abs. 18 BBG tritt § 46 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 57/2015 mit 1. Juli 2015 in Kraft.
Mit der Novelle BGBl. I Nr. 57/2015 wurde für Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht eine Neuerungsbeschränkung geschaffen. In den Erläuterungen zu dieser Novelle (GP XXV RV 527, Seite 4) wurde dazu ausgeführt, dass sich in der Praxis gezeigt hat, dass neu vorgelegte medizinische Befunde und die oftmals erforderliche Beiziehung von neuen Sachverständigen häufig einen zeitnahen Abschluss der Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht wesentlich erschweren. Es soll daher die für Beschwerdevorentscheidungen vorgesehene zweimonatige Entscheidungsfrist auf zwölf Wochen verlängert werden. Hierdurch bleibt es einerseits Menschen mit Behinderung unbenommen, im Verfahren vor dem Sozialministeriumservice bzw. in einer allfälligen Beschwerde gegen einen Bescheid alle Tatsachen und Beweismittel vorzubringen. Außerdem wird es dem Sozialministeriumservice ermöglicht in erster Instanz eine fundierte Entscheidung zu treffen, sodass die Menschen mit Behinderung durch eine gesamt zu erwartende kürzere Verfahrensdauer schneller zu ihrem Recht kommen. Im Gegenzug soll eine auf das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht begrenzte Neuerungsbeschränkung geschaffen werden.
Da die gegenständliche Beschwerde dem Bundesverwaltungsgericht von der belangten Behörde am XXXX vorgelegt worden ist, waren die vom Beschwerdeführer nach diesem Zeitpunkt vorgelegten Beweismittel nicht zu berücksichtigen.
2. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn
1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder
2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.
Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.
Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder
Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.
Weiters kann das Verwaltungsgericht gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.
In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren geben würde, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten würden oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 03.10.2013, 2012/06/0221).
Maßgebend für die gegenständliche Entscheidung über das Vorliegen der Voraussetzungen für die beantragte Zusatzeintragung sind die Art, das Ausmaß und die Auswirkungen der beim Beschwerdeführer festgestellten Funktionseinschränkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel. Zur Klärung des Sachverhaltes wurden daher im Beschwerdeverfahren ärztliche Sachverständigengutachten eingeholt. Wie unter Punkt II.2. bereits ausgeführt, wurden diese als nachvollziehbar, vollständig und schlüssig erachtet. Es wurden im Verfahren keine Beweismittel vorgelegt, welche mit der gutachterlichen Beurteilung der Funktionseinschränkungen nicht in Einklang stehen. Das Beschwerdevorbringen und die bis XXXX vorgelegten medizinischen Beweismittel waren - wie unter Punkt II.2. bereits ausgeführt - geeignet, relevante Bedenken an den Feststellungen der belangten Behörde hervorzurufen. Die vorgebrachten Argumente und die bis XXXX vorgelegten Beweismittel wurden in den im Beschwerdeverfahren eingeholten Sachverständigengutachten berücksichtigt und resultiert daraus die geänderte Beurteilung. Sohin ist der Sachverhalt geklärt und konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben. Der Anspruch einer Partei auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung ist auch kein absoluter (VfGH vom 09.06.2017, E 1162/2017-5).
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.
In den Erläuterungen zur Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013, wird ausgeführt, dass damit präzisere Kriterien für die Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel festgelegt werden sollen. Die durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bisher entwickelten Grundsätze werden dabei berücksichtigt. Es war sohin keine - von der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes abweichende - Neuregelung beabsichtigt. Vielmehr wird in den Erläuterungen ausdrücklich festgehalten, dass im Hinblick auf die ab 01.01.2014 eingerichtete zweistufige Verwaltungsgerichtsbarkeit, um Rechtssicherheit zu gewährleisten und die Einheitlichkeit der Vollziehung der im Behindertenpass möglichen Eintragungen sicherzustellen, die Voraussetzungen, die die Vornahme von Eintragungen im Behindertenpass rechtfertigen, in einer Verordnung geregelt werden sollen.
Es handelt sich um eine einzelfallbezogene Beurteilung, welche im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen worden ist.
Schlagworte
Behindertenpass, Sachverständigengutachten, ZusatzeintragungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:W115.2112878.2.00Zuletzt aktualisiert am
07.06.2018