Entscheidungsdatum
25.05.2018Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z4Spruch
W182 1248893-3/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. PFEILER über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Russische Föderation, vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13.04.2018, Zl. 731755007/171282877, zu Recht erkannt:
A) I. Die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. - VI. des
angefochtenen Bescheides wird gemäß §§ 8 Abs. 1 Z 2, 10 Abs. 1 Z 4, 57 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, §§ 9, 18 Abs. 2 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, und §§ 52 Abs. 2 Z 3, 52 Abs. 9, 46, 55 Abs. 4 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, als unbegründet abgewiesen.
II. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt VII. des angefochtenen Bescheides wird gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG insoweit stattgegeben, als die Dauer des Einreiseverbots auf 7 Jahre herabgesetzt wird. Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz
(B-VG), BGBl. Nr. 1/1930 idgF, nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) ist Staatsangehöriger der Russischen Föderation, gehört der tschetschenischen Volksgruppe an, reiste im Juni 2003 im Alter von 12 Jahren in Begleitung u.a. seines Vaters illegal ins Bundesgebiet ein und wurde für ihm am 12.06.2003 ein Antrag auf Erstreckung des seinem Vater auf Grund eines Asylantrages gewährten Asyls gestellt. Hinsichtlich seiner Wohnadresse im Herkunftsland wurde eine Straße im Dorf " XXXX " genannt (vgl. As 37).
Der Vater des BF begründete seinen Asylantrag vom 12.06.2003 in einer Einvernahme am 16.06.2003 beim Bundesasylamt im Wesentlichen damit, dass er am ersten Tschetschenien-Krieg in einer Reserve-Gruppe in Grozny teilgenommen habe und bis Kriegsbeginn XXXX gewesen sei. Am zweiten Tschetschenienkrieg habe er nicht mehr teilgenommen. Im April 2001 sei er von XXXX nach XXXX gebracht und festgehalten worden, weil er im ersten Krieg XXXX gewesen sei. Nach 4 Tagen sei er freigekauft worden. 3 oder 4 Tage später, am 15.04.2001 seien teils maskierte russische Soldaten zu ihm nach Hause gekommen, hätten ihn mitgenommen und so geschlagen, dass er verschiedene Brüche erlitten und im Krankenhaus behandelt werden habe müssen. Danach sei er in Inguschetien gewesen. Im Juni 2003 habe er mit seiner Familie das Herkunftsland verlassen. Bei einer Rückkehr würde er auf jeden Fall verhaftet und vielleicht sogar getötet werden, weil er im ersten Tschetschenien-Krieg im Einsatz gewesen sei und später auch XXXX gearbeitet habe. Seine Familie sei auch in Gefahr.
Mit Bescheid vom 25.02.2004, Zl. 03 17.553-BAG, wies das Bundesasylamt den Asylantrag des Vaters des BF gemäß § 7 Asylgesetz 1997 (AsylG), BGBl I Nr. 76/1997 idF BGBl. I Nr. 126/2002, ab (Spruchpunkt I.), erklärte aber seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Russland gemäß § 8 AsylG für nicht zulässig (Spruchpunkt II.) und erteilte dem Berufungswerber gemäß § 15 Abs. 1 iVm § 15 Abs. 3 AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 24.02.2005 (Spruchpunkt III.). Das Bundesamt ging im Wesentlichen von der Unglaubwürdigkeit des individuellen Vorbringens aus, stellte aber fest, dass sich Tschetschenien in einer schwierigen Phase befinde und wirtschaftlich darniederliege, weshalb im Fall des Vaters des BF dort die Kriterien für eine auswegslose Lage derzeit (noch) vorlägen, ihm somit objektiv gesehen die Lebensgrundlage in seinem Herkunft- und Heimatstaat entzogen sei.
Der Berufung des Vaters des BF wurde mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 13.04.2004, Zl. 247.868/0-XI/38/04, ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung stattgegeben, und ihm gemäß § 7 Asylgesetz 1997 (AsylG), BGBl I Nr. 76/1997 idF BGBl. I Nr. 126/2002, Asyl gewährt und gemäß § 12 leg.cit. festgestellt, dass ihm damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukomme. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass den im bekämpften Bescheid des Bundesasylamtes getroffenen Feststellungen zu entnehmen sei, dass der Vater des BF von den Behörden der Russischen Föderation aufgrund des Umstandes, dass er Bewohner Tschetscheniens tschetschenischer Ethnie ohne familiäre oder melderechtliche Anknüpfungspunkte zu anderen Teilen Russlands sei, nicht die Möglichkeit erhalte, sich in anderen Teilen Russlands anzusiedeln und sich dadurch jenen in Tschetschenien herrschenden Verhältnissen zu entziehen. Darin sei jedoch eine dem Herkunftsstaat zuzurechnende, auf asylrechtlich relevanten Motiven basierende Verweigerung von Schutz gegen eine Verfolgungssituation von im gegebenen Zusammenhang ausreichender Intensität zu sehen.
1.2. Mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 13.04.2004, Zl. 248.893/0-XI/38/04, wurde dem BF gemäß § 11 Abs. 1 AsylG durch Erstreckung Asyl gewährt und gemäß § 12 leg.cit. festgestellt, dass ihm damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukomme.
1.3. Der BF wurde mit Urteil eines Landesgerichtes vom April 2010 nach §§ 83 Abs. 1 und 84 Abs. 1 StGB rechtskräftig wegen schwerer Körperverletzung zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von 3 Monaten verurteilt.
Mit Urteil eines Bezirksgerichtes vom April 2011 wurde der BF nach §§ 127 und 229 Abs. 1 StGB wegen Diebstahl und Urkundenunterdrückung zu einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu je €5 rechtskräftig verurteilt.
Mit Urteil eines Bezirksgerichtes vom September 2011, wurde der BF nach § 83 Abs. 1 StGB wegen Körperverletzung zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von 3 Wochen rechtskräftig verurteilt.
Mit Urteil eines Landesgerichtes vom Oktober 2017 wurde der BF nach §§ 28a (1) 5. u 6. Fall, 28a (4) Z 3 SMG sowie §§ 28a (1) 2. Fall, 28a (4) Z 3 SMG, § 12 2. Fall StGB wegen der grenzübertretenden Einfuhr und dem Handel von Suchtgift im Mindestzeitraum von September 2016 bis April 2017 zu einer unbedingten Haftstrafe von 3 Jahren rechtskräftig verurteilt.
Der Verurteilung lag zugrunde, dass der BF seit September 2016 im Drogenmilieu tätig gewesen ist, an nicht bekannten Grenzübergängen vorschriftswidrig Suchtgift in einer die Grenzmenge (§ 28b) das 25-fache übersteigenden Menge von XXXX nach Österreich eingeführt hat, indem er einen Mittäter bzw. eine nicht identifizierte dritte Person durch Bestellung zur Einfuhr zu einem nicht exakt bekannten Zeitpunkt vor dem XXXX bzw. XXXX veranlasst hat und im Zeitraum vom XXXX vorschriftswidrig Suchtgift (Kokain) in einer die Grenzmenge (§ 28b) um das 25-fache übersteigenden Menge anderen überlassen bzw. verschafft hat. Als mildernd wurde das umfassende und reumütige Geständnis und als erschwerend die einschlägigen Vorstrafen und das Zusammentreffen mehrerer Verbrechen gewertet. Aus dem Urteil geht weiters hervor, dass der BF ledig und für niemanden sorgepflichtig sei, zuletzt monatlich € 700 vom AMS bezogen und aus seiner Unternehmertätigkeit Schulden in der Höhe von € 20.000 gehabt habe.
Der BF befindet sich seit April 2017 in Justizhaft.
2.1. Am 15.11.2017 wurde seitens des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: Bundesamt) aufgrund der rechtskräftigen Verurteilung des BF gemäß § 7 Abs. 1. Z 1 iVm § 6 Abs 1 Z 4 (Ausschlussgrund wegen Verübung eines besonders schweren Verbrechens) ein Verfahren zur Aberkennung des Asylstatus eingeleitet.
Am 29.11.2017 wurden der BF seitens des Bundesamtes in einer Justizanstalt niederschriftlich einvernommen. Dazu befragt, warum seine Familie damals geflohen sei, gab der BF im Wesentlichen an, dass er dazu nichts sagen könne und man seinen Vater fragen solle, der es wisse. Auf die Frage, ob es einmal Thema gewesen sei, warum sie geflohen seien, gab der BF an: "Was soll das heißen? Krieg war das Thema. Sie kennen das nicht. Sie kennen Krieg nur aus dem Fernsehen. Sie hätten uns auch umgebracht. Mit sie meine ich die russische Armee. Das waren Frauen und Kinder die auch sterben mussten. Die russische Armee machte alles was diese wollten. Sie wetteten um Wodka Flaschen, wer jemanden auf weite Sicht erschießen kann. Wir hatten Glück und konnten davon kommen." Dazu befragt, ob ihm bei einer Rückkehr in die Russische Föderation irgendeine Gefahr drohe, gab der BF an: "Ich würde aufgrund dessen getötet. Zuerst noch gefoltert. Kadyrow sagt, dass alles Tschetschenen welche weg gingen auch Verräter sind. Wir wissen das. Wir wissen was mit Leuten geschah welche zurück wollten. Die meisten kamen nicht einmal zurück, sondern sind nur in Moskau gelandet." Auf die Frage, welchen Flughafen er als Zielhafen wählen würde, wenn er ins Herkunftsland zurückkehren würde und die Wahl habe, gab er an: "Ich glaube ich gehe zurück in die Zelle gleich. Was ist das für eine Frage. Ich will hier nicht weg. Egal wo ich hingehe. Wenn diese meinen Namen sehen: XXXX , dann bin ich weg. Sie könnten mich gleich fragen wohin ich gehen will damit man mich umbringen kann."
Zu seinen Familienverhältnissen im Bundesgebiet brachte der BF im Wesentlichen vor, dass er zuletzt bei seiner Mutter und seinen 8 Geschwistern gewohnt habe. Sein Vater habe sich vor 3 oder 4 Jahren von seiner Mutter getrennt, lebe aber noch im selben Bundesland. Der BF sei ledig und kinderlos. Der BF habe eine Handelsakademie besucht und nach 1 oder 2 Jahren abgebrochen. Er habe dann eine Lehre gemacht und sich mit einem XXXX selbstständig gemacht. Er habe eine Freundin, mit der er jedoch nicht zusammengewohnt habe. Er werde in der Justizanstalt von seinen Eltern, Geschwistern und seiner Freundin besucht. In Tschetschenien würden Verwandte leben. Dazu befragt, wie er sich seine Zukunft in Österreich vorstelle, gab der BF an: "Ich gehe zur Familie. Dann Schritt für Schritt rein ins Leben. Ich würde mir eine Wohnung suchen. Ich möchte eine Firma aufmachen. Wenn dies nicht geht würde ich mir einen Job suchen. Wenn es gleich geht will ich gleich die Firma aufmachen. Man muss schauen wie es sich entwickelt." Der BF spreche Deutsch, Russisch und Tschetschenisch. Mit seiner Familie unterhalte er sich auf Deutsch und Tschetschenisch.
2.2. Mit Bescheid vom 30.11.2017, Zl. 731755007/171282877, erkannte das Bundesamt dem BF den mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates, Zl. 248.893/0-XI/38/04, zuerkannten Status der Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 ab und stellte gemäß § 7 Abs. 4 AsylG 2005 fest, dass dem BF die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukomme (Spruchpunkt I.). Weiters erkannte das Bundesamt dem BF gemäß § 8 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 den Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zu (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem BF gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 3 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), BGBl. I Nr 100/2005 idgF, erlassen (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG in die Russische Föderation zulässig sei (Spruchpunkt V.). Mit Spruchpunkt VI. und VII. wurde einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt und gemäß § 55 Abs. 4 FPG von der Festlegung einer Frist für die freiwillige Ausreise abgesehen. Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG idgF wurde gegen den BF ein auf die Dauer von 10 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VIII.).
Dazu wurde im Wesentlichen festgestellt, dass die letzte Verurteilung des BF ein besonders schweres Verbrechen darstelle, aufgrund dessen der Status des Asylberechtigten abzuerkennen sei. Weiters habe keine positive Zukunftsprognose erstellt werden können. Der BF sei jung, gesund und erwerbsfähig, spreche sowohl Russisch als auch Tschetschenisch und sei somit in der Lage, sich mit der Bevölkerung seines Herkunftsstaates zu verständigen. Es würden nach wie vor Verwandte in seinem Herkunftsstaat leben. Durch die Arbeit in der Justizanstalt werde ein Teil des Einkommens (Hälfte) für die Zeit der Entlassung angespart. Er werde daher nicht mittellos in den Herkunftsstaat zurückkehren. Weiters stelle eine Rückkehr in die Russische Föderation keine Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention dar.
In Österreich würden die Eltern des BF (getrennt voneinander) und seine Geschwister als anerkannte Flüchtlinge leben. Der BF habe vom 28.10.2011 bis 04.11.2014 sowie vom 10.04.2015 bis 16.03.2016 nicht im gemeinsamen Haushalt mit seiner Familie gelebt. Am 16.03.2016 sei er wieder zu seiner Mutter gezogen und befinde sich seit dem 26.04.2017 in der Justizanstalt XXXX . Seit der Inhaftierung habe der BF Besuch von seinen Eltern und von seinen Geschwistern. Zwei Brüder des BF würden sich ebenfalls in der Justizanstalt XXXX befinden. So auch seine Komplizin, der ein Besuchsrecht genehmigt worden sei. Darüber hinaus habe der BF mit niemandem Kontakt seit der Untersuchungshaft/Haftstrafe. Der BF habe weder einen Schulnoch Berufsabschluss. Er sei seit 2009 bei einer Gebietskrankenkasse gemeldet und habe die meiste Zeit Arbeitslosenbezug oder Notstandshilfe/Überbrückungshilfe über das AMS bezogen. Im Zeitraum vom XXXX bis zum XXXX sei er Angestelltenlehrling, ebenso im Zeitraum vom XXXX bis zum XXXX gewesen. Danach sei er bis zum XXXX geringfügig beschäftigter Angestellter/Arbeiter gewesen. Im Zeitraum XXXX habe er bei der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft ein freies Gewerbe angemeldet, jedoch im Zeitraum XXXX die Beiträge BSVG, GSVG, FSVG nicht bezahlt. Darüber hinaus habe er € 20.000 Schulden aus diesem Gewerbe, dem kein zu veräußerndes Vermögen gegenüberstehe. Es habe keine ausreichend ausgeprägte und verfestigte entscheidungserhebliche individuelle Integration in Österreich festgestellt werden können. Eine Rückkehr in die Russische Föderation stelle keine Verletzung von Art 8 EMRK dar. Weiters wurden Feststellungen zur Lage in der Russischen Föderation bzw. Tschetschenien getroffen.
Zu den Feststellungen zur Situation des BF im Fall seiner Rückkehr wurde beweiswürdigend ausgeführt, dass die Feststellungen zum Vorliegen einer Existenzgrundlage in der Russischen Föderation sich daraus ergeben würden, dass es sich beim BF um einen jungen, gesunden und erwerbsfähigen Mann handle, der zudem Tschetschenisch und Russisch spreche. Dass in der Russischen Föderation die Grundversorgung der Bevölkerung gegeben sei und sohin auch für den BF eine Existenzgrundlage vorliege, ergebe sich aus den Länderfeststellungen und aus dem Amtswissen. Ferner ergebe sich aus den Länderfeststellungen, denen der BF im Übrigen nicht substantiiert entgegengetreten sei, dass die Verhältnisse in der Russischen Föderation nicht das Ausmaß erreichen, um von einer Gefährdung ausgehen zu können, die in den Nahebereich des Art. 3 EMRK gelangen könnte. Zur Situation im Heimatland und dass dem BF im Heimatland keine Gefährdung bzw. Bedrohung zukomme, werde auf die betreffenden Feststellungen über Tschetschenien verwiesen. Da der BF Tschetschenien im Jahr 2003 verlassen habe und seither geraume Zeit vergangen sei, hätten sich die allgemeinen Verhältnisse im Land erheblich geändert. Der BF sei nie persönlich einer Bedrohung oder Verfolgung ausgesetzt gewesen und habe seinen Asylstatus lediglich durch Erstreckung auf seinen Vater erlangt. Insbesondere die Sicherheitslage habe sich im Gegensatz zu den Nachbarrepubliken dauerhaft und nachhaltig verbessert. Der BF spreche außerdem die Sprache des Herkunftslandes und habe im Verfahren seine Rückkehrbefürchtungen auch nicht konkret begründen können.
2.3. Dagegen wurde mit Schreiben des rechtsfreundlichen Vertreters des BF vom 18.12.2017 Beschwerde erhoben, wobei der Bescheid des Bundesamtes seinem gesamten Inhalt und Umfang nach angefochten wurde. Als Beschwerdegründe wurden sowohl Mangelhaftigkeit des Verfahrens als auch unrichtige rechtliche Beurteilung geltend gemacht. Darin wurde u.a. ausgeführt, dass im gegenständlichen Fall der BF zwar wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach §§ 28a Abs. 1 5. und 6. Fall SMG sowie gemäß den §§ 28a Abs. 1 Z 2 2. Fall SMG als Bestimmungstäter gemäß § 12 2. Fall StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von drei Jahren rechtskräftig verurteilt worden sei, doch bedeute dies noch nicht, dass damit automatisch ein besonders schweres Verbrechen im Sinne des § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 vorliegen würde. Die belangte Behörde hätte nämlich noch eine Einzelfallprüfung vornehmen müssen, mit der sie die konkreten Tatumstände und das vom Strafgericht verhängte Strafausmaß berücksichtigen hätte müssen, wobei insbesondere auch auf Milderungsgründe Bedacht zu nehmen gewesen wäre. Der BF habe sein Fehlverhalten zutiefst bereut und sich dementsprechend noch anlässlich seiner strafgerichtlichen Verhandlung geständig gezeigt. Dementsprechend habe auch das Landesgericht den Grad seines Verschuldens nicht so schwer erachtet, denn sonst hätte es bei einem in § 28a Abs. 4 Z 3 SMG vorgesehenen Strafrahmen von bis zu 10 Jahren Freiheitsstrafe nicht mit der Verhängung einer Haftstrafe von 3 Jahren das Auslangen gefunden. Bei der von der Behörde vorzunehmenden Prognose des zukünftigen Verhaltens des BF habe die belangte Behörde nicht berücksichtigt, dass dieser glaubhaft versichert habe, nach Verbüßung seiner Haftstrafe sein Leben vollkommen neu zu gestalten und sich in der Modebranche bzw. im Automobilhandel eine neue Existenz aufzubauen. Schon unter diesem Gesichtspunkt sei nicht zu befürchten, dass er bei einem Verbleib in Österreich weitere Straftaten begehen werde, zumal es ihm nunmehr bewusst sei, dass er bei der Begehung eines nochmaligen strafrechtlichen Fehlverhaltens mit seiner Abschiebung aus Österreich rechnen werde müssen. Seinen sonstigen von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid genannten strafgerichtlichen Verurteilungen würden Vergehen des Diebstahles, der Urkundenunterdrückung und der Körperverletzung zu Grunde liegen, welche jedoch nicht unter die besonders schweren Verbrechen im Sinne des § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 zu subsumieren seien. Zudem habe er die diesen strafgerichtlichen Verurteilungen zu Grunde liegenden Handlungen in den Jahren 2010 und 2011, somit im Alter von 18 bzw. 19 Jahren begangen, als er noch jugendlicher bzw. junger Erwachsener gewesen sei. Zwar sei dem BF lediglich durch Erstreckung Asyl gewährt worden, weil er zum Zeitpunkt der Stellung seines Asylantrages erst zwölf Jahre und somit minderjährig gewesen sei, tatsächlich würden aber auch in Bezug auf den BF eigenständige Fluchtgründe vorliegen. Ursächlich für die Flucht der Familie des BF Ende Mai/Anfang Juni 2003 sei der Umstand gewesen, dass sein Vater als persönliche Wache für den damaligen XXXX der um seine Unabhängigkeit von der Russischen Föderation kämpfenden tschetschenischen Republik Itschkerien XXXX tätig gewesen sei und auch als Leibwächter für den XXXX fungiert habe. Sein Vater habe auf Seiten der Aufständischen an den Kämpfen gegen die russischen Truppen in beiden Tschetschenienkriegen teilgenommen. Im Frühjahr 2001 seien russische Spezialeinheiten zum Haus der Familie des BF gekommen, hätten es niedergebrannt, den Vater des BF vor den Augen seiner Gattin und seiner Kinder, darunter auch dem BF gefoltert, wobei sie ihn während der Folter die rechte Hand gebrochen und ihm weitere schwerer Verletzungen zugefügt hätten. Durch diese schrecklichen Erlebnisse seien die Kinder, darunter auch der BF, traumatisiert. Die belangte Behörde führe in ihren Länderfeststellungen selbst an, dass tschetschenische Ermittlungsbehörden Anfragen an die Archivbehörde des russischen Verteidigungsministeriums in Moskau gerichtet hätten, um Daten zu erlangen, die ein militärisches Geheimnis darstellen, wobei die Anfragen sich auf Kampfhandlungen während des ersten und zweiten Tschetschenienkrieges beziehen würden. Der tschetschenische Präsident Kadyrow benötige diese Informationen unter anderem deshalb, um neben der Bestrafung von Aufständischen auch Kollektivstrafen gegen Familienangehörige von tatsächlichen oder angeblichen Aufständischen bzw. mutmaßlichen Unterstützern von Aufständischen verhängen zu können. Auch lange Zeit zurückliegende Verbindungen zu Aufständischen könnten zu einer Gefährdung führen. Der BF weise in diesem Zusammenhang ausdrücklich darauf hin, dass ein namentlich genannter Cousin seines Vaters aufgrund der Teilnahme auf Seiten der Aufständischen im zweiten Tschetschenienkrieg zu zehn Jahren Haft verurteilt worden sei, wobei, als er vor zwei Jahren seine Strafe fast abgesessen habe, er kurz vor seiner Entlassung erhängt in seiner Zelle aufgefunden worden sei, wobei sein Körper Folterspuren aufgewiesen habe. Für den BF würde auch keine innerstaatliche Fluchtalternative bestehen, da Personen aus Tschetschenien, welche aus dem Ausland zurückkehren, in der Regel von Vertretern des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB verhört und unter Kontrolle gestellt werden würden, wobei über den FSB auch die tschetschenischen Behörden über die Rückkehr informiert werden würden. Zudem verfüge der BF über keinen russischen Inlandspass mehr, und könne er sich in einer russischen Gemeinde außerhalb Tschetscheniens erst dann registrieren lassen, weil er zuvor persönlich bei der für ihn zuständigen Meldebehörde in Tschetschenien einen neuen Inlandspass beantragt habe. Selbst wenn der BF einen neuen Inlandspass erhalten sollte, wäre es für ihn als Angehöriger der tschetschenischen Volksgruppe sehr schwierig, sich registrieren zu lassen, da die Registrierungsbestimmungen für Tschetschenien in den russischen Regionen außerhalb Tschetscheniens sehr restriktiv und willkürlich gehandhabt werden würden. Zu Untermauerung der Ausführungen wurden der Beschwerde ein Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe zu aktuellen Menschenrechtslage in Tschetschenien vom 13.05.2016, eine Anfragebeantwortung von ACCORD vom 07.10.2016, betreffend die Behandlung von tatsächlichen oder mutmaßlichen Gegnern des Kadyrow-Regimes, ein Bestätigungsschreiben vom 01.03.2004 eines namentlich genannten Assistenten des amtsführenden Parlamentsvorsitzenden der tschetschenischen Republik Itschkerien, wonach der Vater des BF bei XXXX in der Zeit von 1993 bis 1994 als persönliche Wache des XXXX und auch als Begleitung des XXXX eingesetzt worden sei, sowie eine Bestätigung eines tschetschenischen Krankenhauses aus dem Jahr 2001 über Körperverletzungen des Vaters des BF. Hinsichtlich der von der belangten Behörde getroffenen Gefährdungsprognose sei zu rügen, dass sie sich dabei auch auf ein angeblich vom BF anlässlich seiner Einvernahme am 29.11.2017 an den Tag gelegtes präpotentes Verhalten bezogen habe. Hierzu sei klarzustellen, dass der BF sämtliche von Seiten des Leiters der Amtshandlung an ihn gerichteten Fragen wahrheitsgemäß beantwortet habe und seiner Pflicht zur Feststellung des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes entsprochen habe. Lediglich in Bezug auf weiterführende Fragen, die mit den Verfahren zur Aberkennung des Asylstatus nichts zu tun haben, habe er auf seinen rechtsfreundlichen Vertreter verwiesen. Im Rahmen der Interessensabwägung hinsichtlich der Rückkehrentscheidung hätte die Behörde angemessen berücksichtigen müssen, dass der BF schon im Alter von 12 Jahren nach Österreich gekommen sei und sich bereits seit 14,5 Jahren durchgängig und rechtmäßig als Asylberechtigter aufgehalten habe. Er habe in Österreich die Schule besucht, eine Lehre als Handelsangestellter absolviert. Er sei in Österreich sozialisiert worden und beherrsche die deutsche Sprache perfekt in Wort und Schrift. In Österreich würden neben seinen Bekannten und Freunden auch seine Familienangehörigen leben, mit denen er im Jahr 2003 aus Tschetschenien geflüchtet sei. Entgegen der von der belangten Behörde vertretenen Rechtsansicht stelle die Erlassung einer Rückkehrentscheidung nicht ein Eingriff in sein Privat-, sondern auch in sein Familienleben dar. Im gegenständlichen Fall habe der BF nicht nur in Tschetschenien, sondern auch in Österreich bis Oktober 2011 in gemeinsamen Haushalt mit seinen Eltern und Geschwistern gelebt und vom März 2016 bis zu seiner Verhaftung im Jahr 2017 den gemeinsamen Haushalt mit seiner Mutter und seinen Geschwistern wieder begründet. Außerdem stehe er in einer Lebensbeziehung zu XXXX ,einer österreichischen Staatsbürgerin. Auch wenn er mit dieser noch keinen gemeinsamen Haushalt begründet habe, sei diese Beziehung jedenfalls unter das durch Art. 8 EMRK geschützte Privatleben zu subsumieren. Durch das von der belangten Behörde in Verbindung mit der Rückkehrentscheidung erlassene Einreiseverbot werde der BF für zumindest 10 Jahre von seinen in Österreich niedergelassenen Eltern und Geschwistern, zu denen er eine sehr herzliche und innige Beziehung habe und für die er als der älteste Bruder eine wichtige Bezugsperson darstelle, sowie seiner Lebensgefährtin getrennt werden, ohne dass die Möglichkeit auf - wenn auch nur kurzfristige - wechselseitige Besuche bestünde. Schließlich gelte dieses Einreiseverbot nicht nur für Österreich, sondern den gesamten Schengenraum. Ein Besuch des BF durch seine Eltern und Geschwister sei wegen der ihnen dort drohenden Verfolgung, die zur Zuerkennung des Status des Asylberechtigten geführt habe, gleichfalls nicht möglich. Mit der erlassenen Rückkehrentscheidung werde in gravierender und unverhältnismäßiger Weise rechtswidrig in das dem BF durch Art. 8 EMRK garantierte Grundrecht auf Achtung des Privat- und Familienlebens eingegriffen. Der BF müsse als Sohn eines anerkannten Flüchtlings, welcher in beiden Tschetschenienkriegen auf der Seite der Rebellen für ein von der russischen Föderation unabhängiges Tschetschenien gekämpft habe, im Falle seiner Außerlandesbringung Racheaktionen von Seiten des in Tschetschenien herrschenden Kadyrow-Regimes befürchten und würde auf den gesamten Staatsgebiet der Russische Föderation aus den bereits genannten Gründen in eine existenzielle Notlage geraten.
2.4. Mit Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 04.01.2018, Zl. W182 1248893-2/2E, wurde in Erledigung der Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes vom 30.11.2017, Zl. 731755007/171282877, zu Recht erkannt, dass die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. gem. §§ 7 Abs. 1 Z 1 und Abs. 4 AsylG 2005, BGBl. I. Nr. 100/2005 idgF, als unbegründet abgewiesen wird (Spruchpunkt I.). Weiters wurde die Aufhebung der Spruchpunkte II. - VII. des bekämpften Bescheides beschlossen und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückverwiesen (Spruchpunkt II.). Zu Spruchpunkt II. wurde begründend im Wesentlichen ausgeführt, dass ohne nachvollziehbare Auseinandersetzung mit dem im Asylverfahren geltend gemachten individuellen Fluchtgründen der Familie des BF, zu deren Ermittlung gerade dem Vater des BF als Auskunftsquelle die zentrale Rolle zukommt, sohin auch nicht in einer dem konkreten Fall angemessenen Weise die (Un)Zulässigkeit einer Abschiebung des BF in die Russische Föderation beurteilt werden könne. Das Bundesamt wurde angewiesen, sich im Hinblick auf die diesbezüglich behauptete Rückkehrgefährdung mit den (damaligen) individuellen Fluchtgründen des Vaters des BF erstmals auseinanderzusetzen und diesen auf Grundlage seiner Angaben im Asylverfahren dazu zu befragen sowie die Argumente und Beweismittel in der Beschwerdeschrift zu berücksichtigen.
3.1. Am 05.02.2018 wurde der Vater des BF beim Bundesamt als Zeuge zu den individuellen Fluchtgründen der Familie des BF einvernommen.
Hinsichtlich des Zeugen wurden Dokumente in Kopie, wie Ausbildungsurkunden, Befunde, ein Lebenslauf, ein Konventionspass, in dem als Geburtsort XXXX eingetragen ist, sowie ein Artikel des Magazins Spiegel aus dem Jahr 2000, zum Akt genommen. Laut Artikel sei laut Zeugenaussagen das früher XXXX Einwohner zählenden Dorf XXXX einen XXXX Bombardement durch die russische Luftwaffe ausgesetzt worden, wobei danach - im Dorf hätten sich nach den Bombardement nur noch XXXX Leute aufgehalten, alle anderen wären umgekommen oder geflüchtet - russische Soldaten und Söldner vom XXXX mindestens XXXX Morde, fortlaufende Vergewaltigungen, Plünderungen und Brandstiftungen begangen hätten.
Der Vater des BF brachte als Zeuge vor, dass er als Wache des damaligen XXXX gearbeitet habe. Sein Onkel sei damals XXXX gewesen und habe auch eine Security gehabt. Er habe ihn als Wache eingestellt. Er habe immer den Chef begleiten müssen. Er habe immer in Konvoi zur und von der Arbeit begleitet werden müssen. Der Zeuge habe dies von 1992 oder 1993 bis im Dezember 1994 gemacht. Er gab ausdrücklich und wiederholt an, kein Soldat gewesen zu sein. Er sei ab 1994 immer in anderen Regionen gewesen. Während alle anderen gedacht haben, dass man das Land verteidigen müsse, habe der Zeuge an seine Kinder gedacht und sei nach Inguschetien gegangen. Der Grund sei der Krieg aber auch sein Onkel und seine Arbeit gewesen. Sein Onkel sei "fixiert" worden und habe man geschaut, wer in seiner Nähe arbeite. Sein Onkel sei verschollen und niemand wisse, wo er sei. Auf Nachfragen hin erklärte der Zeuge, dass er im Dezember 1994 nach Inguschetien gegangen sei. Auf die Frage, wie lange er dann dort gewesen sei, gab er an: "Es war Kriegspause zwischen 1996 und 1999. In der Pause ging ich nach Nordrussland. Ich ging dorthin ca. 1999 oder 2000 und war dort ein Jahr. Dann ging ich wieder nach Inguschetien und blieb dort bis 2003." Den expliziten Vorhalt, dass dies bedeuten würde, dass er dann, außer zu kurzen Besuchen, nicht mehr in Tschetschenien gewesen sei, bestätigte der Zeuge. Seine Familie sei immer bei ihm gewesen. Seine Eltern seien in Tschetschenien gewesen und die Soldaten seien immer von Dorf zu Dorf gekommen und hätten allen gesagt, dass sie weggehen müssten. Er und seine Familie hätten die Infos schon vorher gehabt. Er sei nach Inguschetien und seine Eltern nach XXXX gegangen. Die russischen Soldaten hätten alles im Dorf kaputtgemacht. In Tschetschenien würde sich eine Schwester und Bruder des Zeugen aufhalten. Sie würden ab und zu, aber selten telefonieren. Das Haus, wo der Zeuge gelebt habe, sei zerstört und mit dem Grundstück habe sein Bruder nach Absprache "irgendetwas" gemacht, aber dies sei privat und wolle er nicht darüber sprechen. Zu dem von ihm im Asylverfahren vorgelegten Inlandspass und Führerschein gab der Zeuge auf Nachfragen, wo ihm dieser ausgestellt und übergeben worden sei, vorerst an, dass der Inlandspass glaublich 2001 in Inguschetien neu ausgestellt worden sei. Unter Vorhalt der Kopie des Inlandspasses erklärte er dann, dass dieser im September 2001 in XXXX in Tschetschenien erneuert worden sei. Auf einem weiteren Vorhalt gab er an, dass der Pass über andere Leute gemacht worden sei, man mit Geld alles machen und binnen weniger Stunden seine Identität ändern könne. Zu dem Familiennamen des BF befragt, gab der Zeuge an, dass dieser kein seltener Name sei und es auch nicht möglich sei, ihn aufgrund des Familiennamens der tschetschenischen Volksgruppe zuzuordnen. Die Frage, ob auch seine Familie oder nur er selbst Probleme wegen seines Onkels gehabt habe, konnte der Zeuge nicht beantworten. Er wisse es nicht. Seine Eltern seien nach seiner Ausreise in Tschetschenien geblieben und einmal von Soldaten nach dem Aufenthaltsort des Zeugen befragt worden. Die russische Armee würde den Zeugen suchen. Wenn der Zeuge abgeschoben werden würde, wäre er zu 1000 % tot. Zum BF gab er an: "Wenn Sie zB XXXX abschieben würden, er hat so Angst. Wohin sollte er gehen? Was sollte er machen in Moskau oder Tschetschenien? Er war ja nie bei meinen Geschwister. Die haben eigene Probleme. Er fragte was soll ich machen wenn ich abgeschoben werde? Ich sagte ihm er würde sofort am Flughafen auffallen und weggesperrt werden." Nachgefragt, warum er so auffallen sollte, gab der Vater des BF an: "Die haben dies im PC. Ich hätte viele Informationen und die Behörden würden Infos von meinem Sohn haben wollen." An anderer Stelle gab der Zeuge an, dass wenn man den BF nach Russland schicken würde, es so wäre, wie wenn man den Zeugen in den Dschungel schicken würde. Auf die Frage, wieso sein Bruder und seine Schwester dort leben könnten, gab er an, dass seine Schwester bei Ihrem Mann lebe und zu einer anderen Familie gehören würde. Sein Bruder sei alt und lebe allein. Auf die Frage, was der BF konkret bei einer Rückkehr zu erwarten hätte, gab dessen Vater an, dass egal ob er in Moskau oder Grosny wäre, seine Familie und auch die Familie seines Onkels im Computer stehe. Zum Ende der Einvernahme bat der Zeuge darum, den BF nicht abzuschieben, da eine Abschiebung dessen Tod bedeuten würde. Er habe damals politisches Asyl bekommen. Bei anderen sei dies anders, wenn sie "nur ökonomisches Asyl" bekommen würden. Diese Leute würden noch zurück können.
Dem rechtsfreundlichen Vertreter des BF wurde eine Frist von 4 Wochen für eine schriftliche Stellungnahme zur Einvernahme des Vaters des BF als Zeugen eingeräumt.
Am 17.02.2018 wurde dem rechtsfreundlichen Vertreter des BF auf Ersuchen vom Bundesamt eine Kopie des den Vater des BF betreffenden Bescheides des Bundesasylamtes vom 25.02.2004 zur Zl. 03 17.553-BAG, ausgefolgt.
Am 21.02.2018 wurde durch den rechtsfreundlichen Vertreter eine Stellungnahme eingebracht, wobei eingangs darauf hingewiesen wurde, dass die Vorfälle, auf die sich der Zeuge bezogen habe, in der Zeit von 1993 bis 2003 stattgefunden hätten und es angesichts des inzwischen vergangenen Zeitraums von bis zu 20 Jahren nachvollziehbar sei, dass er diese Geschehnisse nicht exakt so wiedergeben habe wie in seinem beim Bundesasylamt bzw. Unabhängigen Bundesasylsenat protokolierten Asylverfahren. Im Übrigen wurden die Angaben des Zeugen - offensichtlich auf Grundlage seiner Angaben in seinem Asylverfahren beim Bundesasylamt -zusammengefasst wiedergegeben, wobei diese Zusammenfassung sowie auch die weiteren Ausführungen sich ihrem wesentlichen Inhalt auch in der gegenständlichen Beschwerdeschrift wiederfinden und in den nachfolgenden Zusammenfassung unter Punkt I.3.3. enthalten sind.
3.2. Mit dem im Spruch genannten Bescheid des Bundesamtes erkannte das Bundesamt dem BF gemäß § 8 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 den Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zu (Spruchpunkt I.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem BF gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt II.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 3 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), BGBl. I Nr 100/2005 idgF, erlassen (Spruchpunkt III.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG in die Russische Föderation zulässig sei (Spruchpunkt IV.). Mit Spruchpunkt V. und VI. wurde einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt und gemäß § 55 Abs. 4 FPG von der Festlegung einer Frist für die freiwillige Ausreise abgesehen. Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG idgF wurde gegen den BF ein auf die Dauer von 10 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII.).
Dazu wurde im Wesentlichen festgestellt, dass mittels Bescheid des Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vom 30.11.2017 dem BF der Status des Asylberechtigten aberkannt worden sei, wobei diese Entscheidung mit Erkenntnis des BVwG, GZ W182 1248893-2/2E rechtskräftig bestätigt worden sei. Der BF sei jung, gesund und erwerbsfähig, spreche sowohl Russisch als auch Tschetschenisch und sei somit in der Lage, sich mit der Bevölkerung seines Herkunftsstaates zu verständigen. Durch die Arbeit in der Justizanstalt werde ein Teil des Einkommens (Hälfte) für die Zeit der Entlassung angespart. Er werde daher nicht mittellos in den Herkunftsstaat zurückkehren. Er habe damals den Flüchtlingsstatus aufgrund der Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Tschetschenen zugesprochen bekommen. Eine individuell für ihn geltende Bedrohung oder Verfolgung habe er zu keinem Zeitpunkt glaubhaft machen können. Weder der BF noch sein Vater haben eine Rückkehrgefährdung für den BF glaubhaften machen können. Weiters stelle eine Rückkehr in die Russische Föderation keine Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention dar. Ein Onkel und eine Tante des BF würden sich in Grosny befinden. Aufgrund seiner vorgelegten Geburtsurkunde, könnte ein Rückübernahmeersuchen an die Behörden von Russland gestellt werden. Der BF hätten damit die Möglichkeit, sich in Russland registrieren zu lassen. In Österreich würden die Eltern des BF (getrennt voneinander) und seine Geschwister als anerkannte Flüchtlinge leben. Der BF habe vom 28.10.2011 bis 04.11.2014 sowie vom 10.04.2015 bis 16.03.2016 nicht im gemeinsamen Haushalt mit seiner Familie gelebt. Am 16.03.2016 sei er wieder zu seiner Mutter gezogen und befinde sich seit dem XXXX in der Justizanstalt XXXX . Seit der Inhaftierung habe der BF Besuch von seinen Eltern und von seinen Geschwistern. Zwei Brüder des BF würden sich ebenfalls in der Justizanstalt XXXX befinden. Weiters sei auch XXXX , seine Komplizin, ein Besuchsrecht genehmigt worden. Der BF habe mit ihr zu keinem Zeitpunkt in einem gemeinsamen Haushalt gelebt. Weiters sei er kinderlos. Darüber hinaus habe der BF mit niemandem Kontakt seit der Untersuchungshaft/Haftstrafe. Der BF habe weder einen Schulnoch Berufsabschluss. Er sei seit 2009 bei einer Gebietskrankenkasse gemeldet und habe die meiste Zeit Arbeitslosenbezug oder Notstandshilfe/Überbrückungshilfe über das AMS bezogen. Im Zeitraum vom XXXX bis zum XXXX sei er Angestelltenlehrling, ebenso im Zeitraum vom XXXX bis zum XXXX gewesen. Danach sei er bis zum XXXX geringfügig beschäftigter Angestellter/Arbeiter gewesen. Im Zeitraum XXXX habe er bei der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft ein freies Gewerbe angemeldet, jedoch im Zeitraum XXXX die Beiträge BSVG, GSVG, FSVG nicht bezahlt. Darüber hinaus habe er € 20.000 Schulden aus diesem Gewerbe, dem kein zu veräußerndes Vermögen gegenüberstehe. Es habe keine ausreichend ausgeprägte und verfestigte entscheidungserhebliche individuelle Integration in Österreich festgestellt werden können. Eine Rückkehr in die Russische Föderation stelle keine Verletzung von Art 8 EMRK dar. Weiters wurden Feststellungen zur Lage in der Russischen Föderation bzw. Tschetschenien getroffen.
Betreffend der Feststellungen zur Situation des BF im Fall seiner Rückkehr wurde beweiswürdigend wie folgt ausgeführt:
"Die Feststellungen zum Vorliegen einer Existenzgrundlage in der Russischen Föderation ergeben sich daraus, dass es sich bei Ihnen um einen jungen, gesunden und erwerbsfähigen Mann handelt, der zudem Tschetschenisch und Russisch spricht. Dass in der Russischen Föderation die Grundversorgung der Bevölkerung gegeben ist und sohin auch für Sie eine Existenzgrundlage vorliegt, ergibt sich aus den Länderfeststellungen und aus dem Amtswissen. Ferner ergibt sich aus den Länderfeststellungen, denen Sie im Übrigen nicht substantiiert entgegengetreten sind, dass die Verhältnisse in der Russischen Föderation nicht das Ausmaß erreichen, um von einer Gefährdung ausgehen zu können, die in den Nahebereich des Art. 3 EMRK gelangen könnte. Über Ihre Anträge auf Asyl, sprach das BAA aus, dass Sie keine individuellen Fluchtgründe glaubhaft machen konnten. Ihnen (und Ihrer gesamten Familie) wurde die Flüchtlingseigenschaft aufgrund der Familienzugehörigkeit zu Ihrem Vater zuerkannt. Sie stellten einen Asylstreckungsantrag und wurde über diesem am 13.04.2004 stattgegeben. (GZ 247.867/0-XI/38/04):
Ihrem Vater wurde die Flüchtlingseigenschaft mittels Bescheid des UBAS vom 13.04.2004 (GZ 247.867/0-XI/38/04)) zuerkannt. Die Flüchtlingseigenschaft wurde Ihnen allen wegen der Zugehörigkeit zur Tschetschenischen Volksgruppe bzw. durch Erstreckung auf Ihren Vater zuerkannt. Schon zum Zeitpunkt des Asylantrages vor über 14 Jahren konnten Sie, bzw. Ihre damalige gesetzliche Vertretung, keine Rückkehrgefährdung aufgrund von individuellen Fluchtgründen glaubhaft machen. Sie bekamen die Flüchtlingseigenschaft alleine deshalb zugesprochen, weil Sie zur Ethnie der Tschetschenen gehören. Zur Situation in Ihrem Heimatland und dass Ihnen im Heimatland keine Gefährdung bzw. Bedrohung zukomme, wird auf die betreffenden Feststellungen über Tschetschenien verwiesen. Da Sie die Russische Föderation, genauer Inguschetien, im Jahr 2003 verlassen haben und seither geraume Zeit vergangen ist, haben sich die allgemeinen Verhältnisse im Land erheblich geändert. Sie waren nie persönlich einer Bedrohung oder Verfolgung ausgesetzt und erlangte Ihren Asylstatus lediglich durch Erstreckung auf Ihren Vater.
Zu der von Ihnen im Aberkennungsverfahren vorgebrachten individuellen Rückkehrgefährdung und den (damaligen) individuellen Fluchtgründen Ihres Vaters ist Folgendes zu sagen:
Sie verfügen über eine Geburtsurkunde der Russischen Föderation. Insofern Sie also angeben, dass Sie über kein Identitätsdokument verfügen und Ihnen daher die Registrierung in Russland nicht bzw. nur in der zuständigen Meldebehörde XXXX möglich wäre, ist Ihnen der relevante Auszug aus dem Länderinformationsblatt zu Ihrem
Herkunftsstaat entgegen zu halten:
Seite 89f: Alle Staatsbürger der Russischen Föderation, auch Rückkehrer, werden am Aufenthaltsort registriert. Laut einer westlichen Botschaft ist eine Registrierung für alle Personen in Moskau und St. Petersburg im Vergleich zu anderen russischen Städten am schwierigsten zu erlangen. Auch die Korruptionszahlungen sind in Moskau höher. Ebenso ist es in Moskau schwieriger, eine Wohnung zu mieten, die Mieten sind zudem hoch. Auch UNHCR geht davon aus, dass die Registrierung in Moskau für jeden schwierig ist, nicht nur für Tschetschenen. In Mietanzeigen werden Zimmer oft nur für Slawen angeboten. Gemäß einer Vertreterin des House of Peace and Non-Violence ist es für Tschetschenen leichter, in kleineren Orten als Moskau und St. Petersburg zu leben, jedoch ist es in großen Städten leichter, unterzutauchen.(...) Öffentlich Bedienstete haben kein Recht, einem Tschetschenen die Registrierung zu verweigern, weshalb im Endeffekt jeder registriert wird.
Insgesamt sind Ihre Vorbringen bezüglich der Unmöglichkeit der Registrierung in Russland haltlos und nicht den Tatsachen entsprechend.
Auch steht aufgrund der Einvernahme durch Ihren Vater XXXX fest, dass Sie nahe Angehörige in Russland haben. Ihr Onkel und Ihre Tante befinden sich in XXXX und wäre es Ihnen zumutbar sich mit diesen in Kontakt zu setzten. Auch wär es für Ihre Eltern möglich, Sie auch aus Österreich finanziell zu unterstützen. (zum Beweis für die Zumutbarkeit siehe auch Erkenntnis BVwG GZ W196 2168864-1):
Hinsichtlich der in Ihrer Einvernahme am 29.11.2017 geäußerten Rückkehrbefürchtung: Wenn diese meinen Namen sehen: XXXX , dann bin ich weg. Sie könnten mich gleich fragen wohin ich gehen will damit man mich umbringen kann. Ist Ihnen Folgendes entgegen zu halten:
Laut glaubhafter Angaben Ihres Vaters bei dessen Zeugenbefragung am 05.02.2018 wohnen Ihre Tante und Ihr Onkel in XXXX . Beide führen denselben Familiennamen XXXX und sind in gleicherweise mit dem angeblichen Onkel Ihres Vaters XXXX verwandt. Auch gab Ihr Vater auf Befragung hin an, dass XXXX kein seltener Name in Russland bzw. Tschetschenien ist. Es würde viele andere Leute geben welche auch so heißen. Auch würde man Sie, nur aufgrund Ihres Namens, nicht automatisch zur Ethnie der Tschetschenen zuordnen können. [...] Weiters ist anzugeben, dass die Befürchtungen aufgrund einer Verwandtschaft zum Onkel XXXX in Russland oder Tschetschenien Probleme zu bekommen oder verfolgt zu werden, schon deshalb nicht der Wahrheit entsprechen können, da Ihre Großeltern in Tschetschenien lebten und Ihr Onkel und Ihre Tante mit deren Familien nach wie vor unbeschadet dort leben. Ihr Vater ist in Kontakt mit diesen und kam nichts zu Tage, dass diese aufgrund einer Verwandtschaft zu XXXX Probleme hätten. In der Stellungnahme durch Ihren gewählten Vertreter gaben Sie an, dass ursächlich für die Flucht aus Tschetschenien wäre, dass Ihr Vater als persönliche Wache für XXXX in den Jahren 1993 und 1994 tätig war. Dies kann schon alleine deshalb nicht als fluchtauslösendes Ereignis gewertet werden, da zur Ausreise im Jahr 2003 weder ein zeitlicher noch ein kausaler Zusammenhang gegeben sein kann. Auch die Teilnahme am ersten Tschetschenien Krieg in den Jahren 1994 bis 1996 steht in keinerlei zeitlichen Zusammenhang zur Ausreise Ihrer Familie im Jahr 2003 und ist daher auch nicht als kausal zu werten. Zu sagen ist außerdem, dass Ihr Vater in seinem, dem Bundesamt ohne Aufforderung, vorgelegten Lebenslauf in der Zeit zwischen 1987- 1994 angibt, als Chauffeur gearbeitet zu haben. Von Personenschutz oder ähnlichem in dieser Zeit (oder überhaupt irgendwann) erwähnt er dort nichts. (weder für XXXX noch für XXXX XXXX <anonym>XXXX</anonym></person> ) Insofern Sie in Ihrer Beschwerde angaben, dass laut LIB das Verteidigungsministerium in Moskau Daten erlangen wollen, da der tschetschenische Präsident Kadyrow diese benötigen würde, um Kollektivstrafen gegen die Familienangehörigen von ehemaligen Aufständischen oder angeblichen Aufständischen bzw. mutmaßlichen Unterstützern von Aufständischen verhängen zu können, ist auf das oben Erwähnte hinzuweisen. Ihr Onkel und Ihre Tante leben unbehelligt in XXXX . Die beiden stehen im gleichen Verwandtschaftsverhältnis zu XXXX wie Ihr Vater, sind demnach noch enger verwandt mit diesem als Sie und selbst diesen geschah nicht das Geringste. Unglaubwürdig daher, dass Ihnen so etwas Ähnliches drohen sollte, insbesondere das Sie bei Ausreise noch ein Kind waren. Sie selbst waren niemals politisch engagiert. Sie engagierten sich weder in Österreich noch in Russland. Sie waren damals ein Kind. Schon alleine aus diesem Grund ist eine politische Verfolgung nicht gegeben.
Hinsichtlich der (damaligen) individuellen Fluchtgründen Ihres Vaters ist eingangs auf das Asylverfahren Ihres Vaters zu verweisen. Diese Verfahren wurde durch den Unabhängigen Bundesasylsenat am 13.04.2004, GZ 247.867/0-XI/38/04 positiv abgeschlossen und wurde Ihrem Vater (in weiterer Folge auch Ihnen, aufgrund der Familienzugehörigkeit) der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Im erstinstanzlichen Verfahren vor dem BAA wurde aufgrund der Non-Refoulement-Prüfung festgestellt, dass die Zurückweisung nach Russland, aufgrund des dort herrschenden Bürgerkrieges nicht zulässig war. Verfolgungsgründe oder wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung konnte Ihr Vater nicht glaubhaft machen. Die nicht glaubhaften Angaben wurden damals wie folgt begründet: (Vgl. Bescheid XXXX 03 17.553-BAG vom 25.02.2004)
Nicht glaubhaft ist, dass nach Ihnen auf Grund Ihrer Teilnahme am ersten Tschetschenienkrieg im Februar 1995 noch 6 Jahre danach zielgerichtet gesucht worden sei, zumal Sie keine herausragende Funktion hatten und auch selbst laut Ihren Angaben nicht an Kampfhandlungen beteiligt gewesen sind.
Auch die Tatsache, dass Sie sich am XXXX von den Behörden in XXXX einen Inlandspass und am XXXX , dem Tag, an dem Sie laut Ihren Angaben von den Russen zum 2.Mal mitgenommen wurden, einen Führerschein ausstellen haben lassen und diesen auch ohne Probleme bekommen und laut Ihren Angaben in Ihrer ergänzenden Einvernahme am 13.02.2004 auch selbst abgeholt haben, ist ein starkes Indiz dafür, das Sie keiner individuellen Verfolgung ausgesetzt waren. Ein derartiges Vorgehen wäre für einen tatsächlich Verfolgten in keinster Weise nachvollziehbar. Wäre eine derartige Bedrohungssituation tatsächlich bestanden, dann ist davon auszugehen, dass Sie nicht von sich aus an eine staatliche Einrichtung herangetreten wären. Darüber hinaus waren Sie nicht in der Lage, die von Ihnen in Ihrer ergänzenden Einvernahme am 13.02.2004 gemachten widersprüchlichen Angaben bezüglich des Datums Ihrer Verhaftung bzw. des Abholens Ihres Führerscheines zu entkräften. Sie meinten lediglich, Sie hätten Gedächtnisprobleme und können sich nicht genau erinnern.
Die Ausführungen des BAA waren und sind nachvollziehbar und stichhaltig. Schon damals konnte Ihr Vater keine individuellen Fluchtgründe glaubhaften machen und konnten weder Sie noch Ihr Vater in diesem (Aberkennungs-) Verfahren solche Gründe oder eine daraus resultierende Rückkehrbefürchtung glaubhaft machen.
Die Zuerkennung des Flüchtlingsstatus in zweiter Instanz vor dem UBAS (mittels Bescheid vom 13.04.2004, GZ 247.867/0-XI/38/04) wurde allein darauf abgestellt, dass sowohl Sie als auch Ihr Vater der Ethnie der Tschetschenen angehören. Eine innerstaatliche Fluchtalternative hätte zu diesem Zeitpunkt nicht bestanden, da die russische Regierung es ethnischen Tschetschenen nicht ermöglichte sich innerhalb der Russischen Föderation anzusiedeln und sich dadurch jenen in Tschetschenien herrschenden Verhältnissen zu entziehen. Darin wäre eine Verweigerung von Schutz gegen eine Verfolgungssituation zu sehen welche ausreichende Intensität erreichte, womit Ihrem Vater der Flüchtlingsstatus zu zuerkennen war. Demnach ist es ganz klar, dass Sie von seitens der damaligen Behörden als Kriegsflüchtling anzusehen waren bzw. zum damaligen Zeitpunkt eine Gruppenverfolgung von ethnischen Tschetschenen in Ihrem Herkunftsstaat gegeben war. Wie bereits angeführt, hat sich die Situation in Ihrem Herkunftsstaat seit der Zuerkennung Ihres Flüchtlingsstatus im Jahr 2004 erheblich verbessert. Es besteht weder Krieg noch Bürgerkriegsähnliche Zustände. Auch ist kein kennzeichnender Grad willkürlicher Gewalt aufgrund eines bewaffneten Konflikts gegeben, der ein so hohes Niveau erreicht, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass Sie bei einer Rückkehr allein durch Ihre Anwesenheit tatsächlich Gefahr laufen würden, einer individuellen Bedrohung des Lebens ausgesetzt zu sein.
Auch im jetzigen Verfahren vor dem BFA, wo über die Aberkennung Ihres Status in Österreich und der Zulässigkeit der Rückweisung, Rückschiebung oder Abschiebung in den Herkunftsstaat abgesprochen wird, konnten weder Sie noch Ihr Vater eine Rückkehrgefährdung glaubhaft machen.
Im Verfahren waren erhebliche Widersprüche zwischen den Angaben in Ihrem Asylverfahren und den Angaben im Aberkennungsverfahren ersichtlich. In der Beschwerde über die Aberkennung Ihres Asylverfahrens, machten Sie geltend, dass im Frühjahr 2001 eine russische Spezialeinheit zum Hause Ihrer Familie gekommen wäre und diese das Haus niedergebrannt hätten (Beschwerde S. 11). In der Stellungnahme vom 21.02.2018 brachten Sie vor, dass Ihnen im Jahr 2003 eine Rückkehr ins Haus der Familie nicht mehr möglich gewesen wäre, da das Haus bei Kampfhandlungen bombardiert und dadurch zerstört worden wäre (Stellungnahme S. 3). Die stellt einen eklatanten Widerspruch dar.
In der Ihrer eingebrachten Beschwerde (S. 11) geben Sie an, dass Ihr Vater in beiden Tschetschenienkriegen beteiligt war. In Ihrer Stellungnahme (S. 2) wiederum geben Sie an, dass Ihr Vater nur im ersten Krieg, im zweiten jedoch gerade nicht mehr aktiv teilnahm. Auch dies ist ein eindeutiger Widerspruch.
Bei seiner Zeugenbefragung am 05.02.2018 gab Ihr Vater an, dass sich Ihre ganze Familie seit 2000 oder 2001 in Inguschetien in einem Flüchtlingsquartier aufgehalten hat. Von dort weg gingen Sie gemeinsam nach Österreich. Ihre Großeltern befanden sich in dieser Zeit in XXXX kamen aber manchmal zu Ihnen auf Besuch. (Vgl. ZEV XXXX F: Wie lange waren Sie dort? A: Es war Kriegspause zwischen 1996 und 1999. In der Pause ging ich nach Nordrussland. Ich ging dorthin ca. 1999 oder 2000 und war dort ein Jahr. Dann ging ich wieder nach Inguschetien und blieb dort bis 2003. (...) F: Das würde bedeutet, dass Sie dann, außer zu kurzen Besuchen nicht mehr in Tschetschenien? A: Ja das stimmt. (...) F: Wo wohnte Ihre Familie als Sie in Inguschetien waren? A:Meine Eltern waren in Tschetschenien. Die Soldaten kamen immer von Dorf zu Dorf. Sie sagten zB alle Leute müssen weg gehen. Wir hatten die Infos wohl schon vorher. Ich ging nach Inguschetien. Meine Eltern gingen nach XXXX . Die Soldaten schickten alle fort und machten einfach alles kaputt im Dorf. Ich ging ca. 2 oder 3 Jahre bevor ich nach Österreich kam nach Inguschetien. Meine Frau und Kinder waren auch in Inguschetien mit mir. Von dort weg gingen wir nach Österreich. Meine Eltern gingen von XXXX nach XXXX . Meine Eltern kamen manchmal auf Besuch. Wir waren in XXXX mit meiner Familie. (...)
Daraus ergibt sich, dass Sie in der Zeit des Zweiten Tschetschenien Krieges ohnehin den größten Teil der Zeit nicht in Tschetschenien sondern in einem Flüchtlingslager in Inguschetien aufhältig waren. Daher kann ganz klar davon ausgegangen werden, dass der Vorfall, bei dem Ihr Vater angeblich vor Ihren Augen gefoltert wurde, sich nicht derart zugetragen haben kann, da Sie in dieser Zeit nicht in XXXX in Tschetschenien lebten, sondern bereits in Inguschetien aufhältig waren. Einen derartigen Vorfall hat es demnach auch nicht gegeben. In Ihrer Stellungnahme brachten Sie zu den Angaben Ihres Vaters Folgendes vor: (S. 2) Angesichts des inzwischen vergangenen Zeitraumes von bis zu 20 Jahren ist nachvollziehbar, dass XXXX diese Geschehnisse nicht exakt so wiedergegeben hat wie in seinem (...) beim Unabhängigen Bundesasylsenat protokollierten Asylverfahren. Diesem Vorbringen ist insofern zuzustimmen, dass es durchaus plausibel erscheint, dass eine Person die etwas wirklich erlebt hat, dies auch nach Jahren, und seien es auch 20 oder mehr, wiedergeben kann, jedoch eine Person die vor 20 Jahren ein unbegründetes und unsubstantiiertes Vorbringen gemacht hat, sich nach vielen Jahren wohl wirklich nicht an den genauen Wortlaut und den genauen Inhalt des Vorbringens erinnern kann. Wären die Geschehnisse wirklich derart gestaltet wie 2004 vorgebracht, würde es sich um ein einschneidendes Erlebnis handeln und hätte Ihr Vater dieses Vorbringen auch 2018 exakt wiedergegeben. Im Gegenteil erwähnte er keinen Vorfall mit Soldaten oder einer Misshandlung vor Ihren Augen. Darüber hinaus machte Ihr Vater in der EV am 20.02.2018 glaubhaft, dass für Ihn bereits im Jahr 1994 das Wohl und die Sicherheit, und daran hat sich laut seinen glaubhaften Angaben auch nicht geändert, seiner Familie das Wichtigste war und ist, weshalb er im Dezember 1994, unmittelbar nach Ausbruch der ersten Kämpfe, Tschetschenien mit seiner Frau und den Kindern verlassen und sich nach Inguschetien begeben hat, wodurch eine Teilnahme an den Kämpfen im ersten Krieg ebenfalls nicht den Tatsachen entsprechen kann.(Vgl. EV XXXX vom 20.02.2018 (...) Ich machte dies von 1992 oder 1993 bis 1994 im Dezember. Ich war kein Soldat und ich hatte Kinder. Normalerweise mussten alle Tschetschenen kämpfen. Alle dachten so. Man muss das Land verteidigen. Ich jedoch nicht ich dachte an meine Kinder. Wir gingen nach Inguschetien einmal. Ab 1994 war ich mal da und mal dort. Immer in anderer Region. Mein Grund war der Krieg.(...) Es sei an dieser Stelle erwähnt, dass die Teilnahme als Soldat an einem Krieg mit Sicherheit nicht nach 20 Jahren vergessen ist bzw keiner Bedeutung mehr zukommen würde, sondern stellt dies ein einschneidendes Erlebnis dar. Ihr Vater begründete seine Ausreise und Nichtteilnahme an der kriegerischen Auseinandersetzung mit der möglichen Tötung und dem dadurch nicht zu rechtfertigenden Verlust des Ehemannes und Vater für Ihre Familie. Ein für die erkennende Behörde mehr als glaubhaftes Argument.
Weil das BAA Ihrem Vater bereits 2004 die Glaubwürdigkeit zum Fluchtgrund zu Recht abgesprochen hatte, die Angaben in der EV am 20.02.2018, wie bereits erörtert, zum größten Teil plausibel und nachvollziehbar waren, geht das Bundesamt daher davon aus, dass den Angaben Ihres Vaters bei der Einvernahme am 20.02.2018 größere Glaubwürdigkeit beizumessen ist.
Hinzukommt der Zeitungsbericht des Spiegel zu Blutwochen in XXXX aus dem Jahr 2000. Aus diesem Bericht geht hervor, dass im Jahr 1999, laut der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch, russische Truppen im XXXX wüteten. Das Dorf wurde dem Erdboden gleichgemacht. Bis auf XXXX Personen waren alle anderen entweder geflohen oder getötet. Auch dies unterstreicht die Annahme, dass Sie nach 1999 nicht mehr nach XXXX zurückgingen.
Letztendlich ist zu sagen, dass der Grund Ihrer damaligen Reise nach Europa derjenige war, dass man Sie aus dem Flüchtlingslager in Inguschetien wieder nach Tschetschenien schicken wollte. Zum damaligen Zeitpunkt, hatten Sie in Tschetschenien kein Haus mehr, lediglich das Grundstück blieb erhalten. (welches, laut Aussagen Ihres Vaters, wohl heute noch besteht) Viele kehrten zurück. Einige gingen jedoch nicht zurück und traten daraufhin eine Reise nach Europa an. Ihre Eltern entschlossen sich ebenfalls nach Europa zur reisen. Dies jedoch nicht aus Furcht vor Verfolgung, sondern in der Hoffnung auf ein besseres Leben und in einem Land mit stabiler Politischer- und Wirtschaftslage.
Ihr Vater konnte auch nicht substantiiert erklären, warum Sie bei einer Rückkehr nach Russland auffallen sollten. Auf die Frage wie Sie auffallen würden, da Sie damals noch ein Kind waren und demnach auch keine Informationen bezüglich irgendetwas hatten, gab er lediglich an, dass Sie nicht nach Tschetschenien kommen würden und vorher verschwinden. Die Behörden hätten alle Informationen in deren PC und würden Sie daher sofort weggesperrt. Konkret zu Rückkehrbefürchtungen für Sie seinerseits befragt antwortete er, dass Sie einfach nicht fahren wollen. (Vgl. ZEV XXXX 20.02.2018) Da diese Angaben derart oberflächlich, unsubstantiiert und unbegründet waren, sind diese auch nicht glaubwürdig.
Insgesamt geht das Bundesamt daher davon aus, dass Sie keinerlei substantiierten Rückkehrbefürchtungen geltend machten. Eine Rückkehr nach Russland/Tschetschenien ist daher zumutbar und zulässig."
Mit Verfahrensanordnung vom 13.04.2018 wurde dem BF ein Rechtsberater gemäß § 52 BFA-VG