Entscheidungsdatum
25.05.2018Norm
BVergG 2006 §291Spruch
W131 2196151-1/2E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag Reinhard GRASBÖCK als Einzelrichter über den Antrag der anwaltlich vertretenen Antragstellerin, der Bietergemeinschaft bestehend aus XXXX , XXXX und XXXX (= ASt), auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung im Zusammenhang mit der beabsichtigten Zuschlagserteilung im Vergabeverfahren der Auftraggeberin Autobahnen- und Schnellstraßen-Finanzierungs-Aktiengesellschaft (= AG) "S7 Fürstenfelder Schnellstraße, Abschnitt West, Baulos 01 - Erdbau und Kunstbauten Knoten A2/S7" beschlossen:
A)
Dem Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, bis zur Entscheidung über den gegenständlichen Nachprüfungsantrag zu untersagen, dem Angebot der XXXX (Nettoangebotssumme 22.749.311,35) den Zuschlag zu erteilen, wird insoweit stattgegeben, als es
der Autobahnen- und Schnellstraßen-Finanzierungs-Aktiengesellschaft hiermit zeitlich befristet für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens gegen die Zuschlagsentscheidung zu Gunsten der XXXX untersagt ist, den Zuschlag im Vergabeverfahren "S7 Fürstenfelder Schnellstraße, Abschnitt West, Baulos 01 - Erdbau und Kunstbauten Knoten A2/S7" zu erteilen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang:
1. Die Antragstellerin (= ASt), eine dreigliedrige Bietergemeinschaft, brachte am 23.05.2018 einen Nachprüfungsantrag gegen die Zuschlagsentscheidung zu Gunsten einer Konkurrentin in dem im Spruch ersichtlichen Vergabeverfahren ein. Zur Absicherung des Nachprüfungsantrags wurde eine erlassene einstweilige Verfügung (eV) beantragt.
Der verfahrenseinleitende Schriftsatz der ASt enthält alle gesetzlich geforderten Form- und Inhaltserfordernisse gemäß BVergG und wurde iSd § 318 BVergG jedenfalls hinsichtlich des hier zu erledigenden Sicherungsantrags entsprechend vergebührt.
2. Die AG und die für den Zuschlag Bieterin (= MB) brachten verfahrensökonomisch keine Tatsachen wider die begehrte eV vor; und sind solche auch sonst nicht bekannt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Über den Verfahrensgang hinaus ist vorerst festzustellen, dass eine Zuschlagserteilung bislang nicht erfolgt ist.
1.2. Der Antragstellerin droht schließlich insoweit plausibel ein Schaden und damit eine Interessensbeeinträchtigung, als bei einem Zuschlag an die MB für die ASt deren Marktzugangschance im ausgeschriebenen Umfang endgültig vernichtet wäre, auch wenn sie allenfalls mit den Nachprüfungsbehauptungen obsiegen sollte. Der ASt drohen damit notorisch finanzielle Nachteile und ein Referenzauftragsentgang.
1.3. Gegen die eV sprechende Interessen sind nicht vorgebracht worden und sind auch sonst nicht notorisch. Es ist dz nicht erkennbar, dass das gegenständliche Nachprüfungsverfahren wesentlich länger als die in § 326 BVergG vorgesehenen sechs Wochen dauern würde.
2. Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang bzw die sonstigen Feststellungen ergeben sich aus dem Akteninhalt. Die erwartbare Verfahrensdauer ergibt sicht aus gerichtnotorischen Tatsachen.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Gemäß § 291 BVergG ist das BVwG zur Vergabekontrolle im Bundesvollzugskompetenzbereich gemäß Art 14b Abs 2 Z 1 B-VG zuständig. Die Zuständigkeit des BVwG zur Vergabekontrolle ist gegenständlich unstrittig.
Gemäß § 6 BVwGG iVm § 292 BVergG idF BGBl I 2016/7 entscheidet das BVwG gegenständlich in Einzelrichterbesetzung und wendet dabei abseits von Sonderverfahrensvorschriften des BVergG gemäß § 311 BVergG das Verfahrensrecht des VwGVG und subsidiär des AVG an.
A) Zur erlassenen einstweiligen Verfügung
3.2. Zur Zulässigkeit und Begründetheit einer derzeit befristeten einstweiligen Verfügung.
3.2.1. Zu den Formalvoraussetzungen und gesetzlichen Eckdaten der eV ist auszuführen wie folgt:
Gemäß § 312 Abs 2 Z 1 BVergG idgF ist die Erlassung einer einstweiligen Verfügung (= eV) nach den §§ 328ff BVergG bis zur Zuschlagserteilung zulässig.
Der Zuschlag wurde nach den bisherigen Verfahrensergebnissen noch nicht erteilt.
Die §§ 328 bis 330 BVergG lauten idgF in den hier interessierenden Teilen:
Einstweilige Verfügungen
Antragstellung
§ 328. (1) Das Bundesverwaltungsgericht hat auf Antrag eines Unternehmers, dem die Antragsvoraussetzungen nach § 320 Abs. 1 nicht offensichtlich fehlen, durch einstweilige Verfügung unverzüglich vorläufige Maßnahmen anzuordnen, die nötig und geeignet erscheinen, um eine durch die behauptete Rechtswidrigkeit einer gesondert anfechtbaren Entscheidung entstandene oder unmittelbar drohende Schädigung von Interessen des Antragstellers zu beseitigen oder zu verhindern.
(2) Der Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung hat zu enthalten:
1. die genaue Bezeichnung des betreffenden Vergabeverfahrens, der gesondert anfechtbaren Entscheidung sowie des Auftraggebers und des Antragstellers einschließlich deren Faxnummer oder elektronischer Adresse,
2. eine Darstellung des maßgeblichen Sachverhaltes sowie des Vorliegens der in § 320 Abs. 1 genannten Voraussetzungen,
3. die genaue Bezeichnung der behaupteten Rechtswidrigkeit,
4. die genaue Darlegung der unmittelbar drohenden Schädigung der Interessen des Antragstellers und eine Glaubhaftmachung der maßgeblichen Tatsachen,
5. die genaue Bezeichnung der begehrten vorläufigen Maßnahme und
6. die Angaben, die erforderlich sind, um zu beurteilen, ob der Antrag rechtzeitig eingebracht wurde.
(3) Wenn noch kein Nachprüfungsantrag [...]
(4) Wird ein Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung zwar rechtzeitig gestellt, [...]. Eine allenfalls erlassene einstweilige Verfügung tritt in diesem Fall mit Ablauf der in § 321 bezeichneten Frist bzw. mit dem Zeitpunkt der Zurückziehung des Nachprüfungsantrages außer Kraft. Der Antragsteller und der Auftraggeber sind vom Außerkrafttreten der einstweiligen Verfügung zu verständigen.
(5) Das Bundesverwaltungsgericht hat den betroffenen Auftraggeber vom Einlangen eines Antrages auf einstweilige Verfügung, mit dem die Untersagung der Erteilung des Zuschlages, die Untersagung des Abschlusses einer Rahmenvereinbarung, die Untersagung der Erklärung des Widerrufs oder die Unterlassung der Angebotsöffnung begehrt wird, unverzüglich zu verständigen. Anträgen auf einstweilige Verfügung, die die Untersagung der Erteilung des Zuschlages, die Untersagung des Abschlusses einer Rahmenvereinbarung, die Untersagung der Erklärung des Widerrufs oder die Unterlassung der Angebotsöffnung begehren, kommt ab Zugang der Verständigung vom Einlangen des Antrages bis zur Entscheidung über den Antrag aufschiebende Wirkung zu. Der Auftraggeber darf bis zur Entscheidung über den Antrag
1. bei sonstiger Nichtigkeit den Zuschlag nicht erteilen oder die Rahmenvereinbarung nicht abschließen, bzw.
2. bei sonstiger Unwirksamkeit das Vergabeverfahren nicht widerrufen, bzw.
3. die Angebote nicht öffnen.
(6) Das Bundesverwaltungsgericht hat in der Verständigung an den Auftraggeber [...]
(7) Ein Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung ist unzulässig, wenn trotz Aufforderung zur Verbesserung der Antrag nicht ordnungsgemäß vergebührt wurde.
Erlassung der einstweiligen Verfügung
§ 329. (1) Vor der Erlassung einer einstweiligen Verfügung hat das Bundesverwaltungsgericht die voraussehbaren Folgen der zu treffenden Maßnahme für alle möglicherweise geschädigten Interessen des Antragstellers, der sonstigen Bewerber oder Bieter und des Auftraggebers sowie ein allfälliges besonderes öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens gegeneinander abzuwägen. Ergibt diese Abwägung ein Überwiegen der nachteiligen Folgen einer einstweiligen Verfügung, ist der Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung abzuweisen.
(2) Ein entgegen einer Anordnung in einer einstweiligen Verfügung erteilter Zuschlag, erfolgter Abschluss einer Rahmenvereinbarung bzw. erklärter Widerruf des Vergabeverfahrens ist absolut nichtig bzw. unwirksam.
(3) Mit einer einstweiligen Verfügung können das gesamte Vergabeverfahren oder einzelne Entscheidungen des Auftraggebers bis zur Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über eine allfällige Nichtigerklärung vorübergehend ausgesetzt oder sonstige geeignete Maßnahmen angeordnet werden. Dabei ist die jeweils gelindeste noch zum Ziel führende vorläufige Maßnahme zu verfügen.
(4) In einer einstweiligen Verfügung ist die Zeit, für welche diese Verfügung getroffen wird, zu bestimmen. Die einstweilige Verfügung tritt nach Ablauf der bestimmten Zeit, spätestens jedoch mit der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über den Antrag auf Nichtigerklärung außer Kraft, in dem die betreffende Rechtswidrigkeit geltend gemacht wird. Das Bundesverwaltungsgericht hat die einstweilige Verfügung unverzüglich auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, sobald die Voraussetzungen, die zu ihrer Erlassung geführt haben, weggefallen sind. Das Bundesverwaltungsgericht hat die einstweilige Verfügung unverzüglich auf Antrag oder von Amts wegen zu erstrecken, wenn die Voraussetzungen, die zu ihrer Erlassung geführt haben, nach Ablauf der bestimmten Zeit fortbestehen.
(5) Einstweilige Verfügungen sind sofort vollstreckbar.
Verfahrensrechtliche Bestimmungen
§ 330. (1) Im Verfahren zur Erlassung einer einstweiligen Verfügung muss keine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt werden.
(2) Parteien des Verfahrens zur Erlassung einer einstweiligen Verfügung sind der Antragsteller und der Auftraggeber.
(3) Über Anträge auf Erlassung einstweiliger Verfügungen ist unverzüglich, längstens jedoch binnen sieben Werktagen nach Einlangen des Antrages zu entscheiden. Musste der Antrag zur Verbesserung zurückgestellt werden, ist über ihn längstens binnen zehn Werktagen zu entscheiden. Die Frist ist gewahrt, wenn die Erledigung an alle Parteien nachweislich vor ihrem Ablauf abgesendet wurde.
(4) In Verfahren betreffend die Erlassung einer einstweiligen Verfügung gilt § 35 AVG mit der Maßgabe, dass [...].
Da die Antragstellerin einen fristgerechten Nachprüfungsantrag gegen die Zuschlagsentscheidung eingebracht hat, vor dem Hintergrund der Verordnung BGBl II 2013/491 Pauschalgebühren in nicht unplausibel erscheinender Höhe jedenfalls im eV - Punkt entrichtet hat und die gemäß § 328 Abs 2 BVergG notwendigen Antragsinhalte formuliert hat, liegen mangels bisherigen Zuschlags die Voraussetzungen für eine meritorische Entscheidung über den gegenständlichen Sicherungsantrag vor.
3.2.2. § 329 Abs 1 BVergG verlangt iZm der Erlassung einer einstweiligen Verfügung eine Interessensabwägung.
3.2.2.1. Das BVA hat insoweit zB bereits am 05.02.2013 zu N/0006-BVA/08/2013-EV33 zur Zwecksetzung der eV gemäß §§ 328ff BVergG ausgeführt wie folgt:
... 328 Abs 2 Z 1 BVergG verlangt vom Antragsteller auch im Provisorialverfahren die Bezeichnung der gesondert anfechtbaren Entscheidung, die im Nachprüfungsantrag bekämpft wird.
Wenn nunmehr § 329 Abs 4 BVergG jedwede eV spätestens zum Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesvergabeamts über den Nichtigerklärungsantrag wider die gesondert anfechtbare Entscheidung außer Kraft treten lässt; bzw die eV nach § 328 Abs 4 BVergG 2006 bei Zurückziehung des Nachprüfungsantrags außer Kraft tritt, ist damit ersichtlich, dass die eV nach den §§ 328ff BvergG ausschließlich zur Absicherung des Rechtsgestaltungsbegehrens gemäß § 322 Abs 1 Z 7 BVergG dient.
Rechtserhebliche Sicherungsinteressen gemäß § 329 Abs 1 BVergG sind daher der Antragstellerin insoweit zuzubilligen, als mit der Provisorialentscheidung verhindert wird, dass das Nachprüfungsbegehren auf Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung (-en) gemäß § 312 Abs 2 BVergG während des Nachprüfungsverfahrens unzulässig bzw sonst sinnentleert würde. ...
3.2.2.2. Der Antragstellerin ist entsprechend ihrem Vorbringen jedenfalls dem Grunde nach ein gemäß §§ 328f BVergG rechtserhebliches Interesse an der Verhinderung des Zuschlags für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens zuzubilligen, womit das hier verfügte Zuschlagsverbot, das in § 328 Abs 5 Z 1 BVergG für den Fall des drohenden Leistungsvertragsabschlusses als Sicherungsmittel gesetzlich bereits vertypt und als das gelindeste noch zum Ziel führende Mittel zu bewerten ist. Denn nur durch die gemäß § 329 Abs 2 BVergG nichtigkeitsbewehrte Untersagung der Zuschlagserteilung wird das Vergabeverfahren in einem Stand gehalten, der die begehrte Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung gemäß § 312 BVergG weiterhin dahingehend sinngebend ermöglicht, dass dadurch der Auftrag zB auch an die ASt - für den Fall des Zutreffens der Nachprüfungsbehauptungen - möglich bleibt. Mangels Erlassung der eV würde das Nichtigerklärungsbegehren nach einem Zuschlag der AG an die MB unzulässig.
3.2.2.3. Die in der angefochtenen Entscheidung für den Zuschlag in Aussicht genommene Bieterin hat sich nicht gegen die Erlassung einer einstweiligen Verfügung ausgesprochen, womit deren Interessenslage nicht gegen die hier erlassene einstweilige Verfügung spricht.
3.2.2.4. Da bislang auch keine sonstigen rechtserheblichen Interessen, also insb Interessen der AG oder besondere öffentliche Interessen vorgebracht wurden, die gegen eine einstweilige Verfügung mit einem Verbot der Zuschlagserteilung für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens, das gemäß § 326 BVergG gesetzlich grundsätzlich für sechs Wochen ausgelegt ist, sprechen würden, war dem Sicherungsantrag insoweit mit dem begehrten Zuschlagsverbot für den Zeitraum der Dauer des Nachprüfungsverfahrens stattzugeben.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision
3.3. Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG gegenständlich mangels Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung unzulässig, weil auf Tatsachenebene keine Interessen wider die begehrte eV vorgebracht wurden und sich das hier verfügte Zuschlagsverbot sohin auf diese unstrittige Tatsachenlage gründet. Tatsachenfragen sind nicht revisibel.
Schlagworte
Antrag auf einstweilige Verfügung, Bietergemeinschaft, Dauer derEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:W131.2196151.1.00Zuletzt aktualisiert am
07.06.2018