TE OGH 2018/4/25 3Ob55/18m

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Veröffentlicht am 25.04.2018
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr.

 Hoch als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Roch und Dr. Rassi und die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun-Mohr und Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei C*****gesellschaft mbH, ***** als Insolvenzverwalterin, im Insolvenzverfahren über das Vermögen der E***** GesmbH, vertreten durch die muhri & werschitz Partnerschaft von Rechtsanwälten GmbH in Graz, gegen die beklagte Partei Steiermärkische Gebietskrankenkasse, Graz, Josef Pongratz-Platz 1, vertreten durch Dr. Helmut Destaller und Dr. Gerald Mader, Rechtsanwälte in Graz, wegen 20.102,60 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 25. Jänner 2018, GZ 2 R 3/18f-13, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 30. November 2017, GZ 12 Cg 182/17s-9, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.332,54 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin enthalten 222,09 EUR an USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

In dem vorliegenden Anfechtungsprozess wegen § 30 Abs 1 Z 1 IO ist allein die Rechtsfrage strittig, ob die angefochtene Zahlung der Beitragsschuld für August 2016 durch die Insolvenzschuldnerin vom 25. August 2016, am Konto der beklagten Sozialversicherungsanstalt eingelangt am 30. August 2016, eine inkongruente Deckung darstellt oder nicht. Während die Klägerin die Ansicht vertritt, durch § 59 Abs 1 ASVG werde die Fälligkeit der monatlichen Beitragsschuld auf den 15. des Folgemonats verschoben, sodass insolvenzrechtlich zu früh gezahlt worden sei, stehen die Vorinstanzen auf dem Standpunkt, die genannte Bestimmung ändere an der Fälligkeit am jeweiligen Monatsletzten des Beitragsmonats gemäß § 58 Abs 1 ASVG nichts; der Zahlung der Bringschuld einen Tag vor Fälligkeit (die am 31. August 2016 eingetreten sei) fehle es nach der Auffassung des Verkehrs an einer wirtschaftlich wahrnehmbaren Inkongruenz. Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zur Klarstellung der Rechtslage über die Fälligkeit von Beitragszahlungen im Sinn des § 58 iVm § 59 ASVG zu.

Rechtliche Beurteilung

Die ordentliche Revision der Klägerin ist zulässig aber nicht berechtigt.

1. Die hier unstrittig gegebene Konstellation ist aufgrund folgender Rechtslage nach dem ASVG zu beurteilen: § 58 Abs 1 ASVG (mit der Überschrift: „Fälligkeit […] der Beträge; […]“) sieht vor, dass die (der hier strittigen Zahlung zugrunde liegenden) allgemeinen Beträge am letzten Tag des Kalendermonats fällig sind, in den das Ende des Beitragsmonats fällt, also eine Fälligkeit der hier angefochtenen Zahlung am 31. August 2016.

§ 59 Abs 1 ASVG lautet: „Werden Beträge nicht innerhalb von 15 Tagen 1. nach der Fälligkeit, 2. […] eingezahlt, so sind von diesen rückständigen Beträgen, wenn nicht gemäß § 113 Abs 1 ein Beitragszuschlag vorgeschrieben wird, Verzugszinsen […] zu entrichten. Erfolgt die Einzahlung zwar verspätet, aber noch innerhalb von drei Tagen nach Ablauf der 15-Tage-Frist, so bleibt die Verspätung ohne Rechtsfolgen (§ 59 Abs 1 ASVG).

2.1. „Das ASVG unterscheidet somit zwischen dem Tag der Fälligkeit (§ 58 ASVG) der Beiträge für den Beitragszeitraum (im Normalfall der Beitragsmonat) und dem Tag, an dem die Beiträge spätestens eingezahlt werden müssen (§ 59 ASVG)“ (AB 286 BlgNR 20. GP 3), damit sie nicht rückständig werden. Begrifflich ist daher von der Fälligkeit der Beiträge deren Rückständigkeit zu differenzieren (Resch in Mosler/Müller/Pfeil SV-Komm § 59 ASVG Rz 2; Derntl in Sonntag ASVG7 § 58 Rz 14).

2.2. Verzugszinsen laufen demnach an, wenn die Beiträge bei Eintritt der Rückständigkeit nicht bezahlt sind. Rückständig werden Beiträge dann, wenn sie 15 Tage nach ihrer Fälligkeit noch offen sind. Das Gesetz gewährt Beitragsschuldnern also nach Eintritt der Fälligkeit noch eine Toleranzfrist von 15 Tagen, bis zu deren Ablauf Verzugszinsen nicht anfallen, obwohl die Zahlung des Kapitals bereits fällig und deshalb Verzug eingetreten ist. Darüber hinaus bleibt innerhalb einer weiteren Nachfrist von drei Tagen die Nichtbezahlung folgenlos, dh ohne die Verpflichtung zur Bezahlung von Verzugszinsen (vgl Derntl in Sonntag ASVG7 § 59 Rz 1).

2.3. Davon ausgehend verbleibt für ein Verständnis der angesprochenen Bestimmungen im Sinn einer vom Gesetz angeordneten (reinen) Stundung der Sozialversicherungsbeiträge durch ein Hinausschieben der Fälligkeit oder Durchsetzbarkeit bis zum 15. des Folgemonats kein Raum.

3. Der Verwaltungsgerichtshof judiziert dazu, dass die Bestimmung des § 59 Abs 1 ASVG (in der dort noch anzuwendenden Fassung vor Inkrafttreten des Abgabenänderungsgesetzes 1994, BGBl Nr 680), wonach Verzugszinsen zu entrichten sind, wenn Beiträge nicht innerhalb von 11 Tagen nach der Fälligkeit eingezahlt werden, die Fälligkeit dieser Beiträge nicht hinausschiebt. Der Umstand allein, dass § 59 Abs 1 ASVG im Ergebnis eine gewisse Toleranzfrist vorsieht, während derer eine Zahlungsverspätung sanktionslos bleibt, ändert nichts an der gesetzlichen Bestimmung der Fälligkeit (mit Ende des jeweiligen Beitragszeitraums) in § 58 Abs 1 ASVG (VwGH 95/08/0290; 94/08/0249; 98/08/0291; 99/08/0075).

4. Im Zusammenhang mit der Auslegung einer im Juli 1980 übernommenen Haftung als Bürge und Zahler durch einen Dritten für eine Schuld an rückständigen und neu auflaufenden Sozialversicherungsbeiträgen unterschied auch der Oberste Gerichtshof zwischen nach § 58 Abs 1 ASVG bereits fälligen Beiträgen und Beiträgen, die nicht innerhalb von 11 Tagen nach der Fälligkeit eingezahlt werden und daher im Sinn des § 59 Abs 1 ASVG rückständig sind (3 Ob 659/82).

5. Zusammenfassend ist daher festzuhalten: Die Rechtsansicht der Klägerin, § 59 Abs 1 ASVG verschiebe den Eintritt der Fälligkeit der monatlichen Beitragszahlungen auf den 15. des jeweiligen Folgemonats, ist verfehlt. Die genannte Bestimmung regelt nur den – nicht schon mit der Fälligkeit des Kapitals einsetzenden – Beginn des Laufs von Verzugszinsen, berührt aber den in § 58 Abs 1 ASVG normierten Eintritt der Fälligkeit des Kapitals nicht. § 59 Abs 1 ASVG ändert daher nichts daran, dass der beklagte Sozialversicherungsträger bereits ab dem 1. des dem jeweiligen Beitragsmonat folgenden Monat gemäß § 58 Abs 1 ASVG über einen fälligen Anspruch gegenüber dem Beitragsschuldner verfügt.

6. Der Rechtsansicht der Vorinstanzen, dass eine geringfügig vor Fälligkeit geleistete Zahlung (hier um 1 Tag) nicht schade, tritt die Revision – zutreffend (vgl 6 Ob 540/88 [5 Tage]; 7 Ob 231/01y [9 Tage]; König Anfechtung5 Rz 10/96) – nicht substantiiert entgegen. Die Klageabweisung wäre mit Rücksicht auf die zitierte Judikatur auch nicht korrekturbedürftig, wenn man auf die Überweisung am 26. August 2016 abstellen wollte RIS-Justiz RS0111989 [T2]).

7. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41 und 50 ZPO.

Textnummer

E121579

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2018:0030OB00055.18M.0425.000

Im RIS seit

07.06.2018

Zuletzt aktualisiert am

24.01.2019
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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