Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr.
Hoch als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Roch und Dr. Rassi und die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun-Mohr und Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing. A*****, vertreten durch tusch.flatz.dejaco.rechtsanwälte gmbh in Feldkirch, gegen die beklagten Parteien 1. B***** GmbH & Co KG, und 2. B***** GmbH, beide *****, beide vertreten durch CHG Cernich Haidlen Guggenberger & Partner Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen Leistung und Feststellung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 9. November 2017, GZ 2 R142/17z-39, mit dem das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 3. August 2017, GZ 67 Cg 23/16s-31, abgeändert wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit 1.984,69 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin enthalten 330,78 EUR an USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Die Revision des Klägers zeigt keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO auf, weshalb sie als nicht zulässig zurückzuweisen ist. Das wie folgt zu begründen (§ 510 Abs 3 ZPO).
1.1. Der Pistenhalter hat grundsätzlich den von ihm organisierten Schiraum, das sind die ausdrücklich oder schlüssig gewidmeten Schipisten und die ausdrücklich gewidmeten Schirouten, dieser Qualifikation entsprechend, zu sichern, nicht aber das freie Schigelände außerhalb des Raumes, insbesondere auch nicht die sogenannten „wilden Abfahrten“ (RIS-Justiz RS0023865). Gefahren, die aus der Befahrung des freien Geländes drohen, hat grundsätzlich der Schifahrer und nicht der Pistenhalter zu tragen (RIS-Justiz RS0023299; RS0023540).
1.2. Die Grenze des Raums, in dem vom Pistenbenützer darauf vertraut werden kann, dass der Pistenhalter seiner Pistensicherungspflicht nachkommt, ist der Pistenrand. Dieser kann durch natürliche Gegebenheiten bestimmt sein oder künstlich durch Randmarkierung erkennbar gemacht werden. Das Pistenvertrauen ist bis zu einer solchen Randmarkierung (oder einem „natürlichen“ Pistenrand) gerechtfertigt, selbst wenn nicht bis dahin präpariert wurde (10 Ob 17/08k = RIS-Justiz RS0023865 [T6] = RS0023634 [T1] = RS0023630 [T5]).
1.3. Eine Pistensicherungspflicht für außerhalb der eigentlichen Piste gelegene Geländeabschnitte besteht (daher) nach einer Pistenverbreiterung durch häufiges Befahren nur dann, wenn die Grenze zwischen der dem Befahren gewidmeten Piste und dem freien Gelände unzureichend gekennzeichnet ist (RIS-Justiz RS0023630 [T4]). Das Abweichen einer Mehrzahl von Schifahrern von einer markierten oder durch Präparierung gewidmeten Piste allein löst eine Sicherungspflicht des Pistenhalters für die durch Abweichung entstandene, nicht markierte und nicht präparierte Abfahrt nicht aus. Eine Sicherungspflicht könnte nur bestehen, wenn die durch wiederholte Benutzung entstandene Ausfahrt die Gefahr mit sich bringt, dass Benützer der Piste ein Abweichen von dieser nicht erkennen können (8 Ob 555/90 = SZ 63/58; RIS-Justiz RS0023641). Der Pistenhalter hat demnach die Piste ihrem „Erscheinungsbild“ entsprechend zu sichern und Gefahrenstellen im Bereich einer Verbreiterung bzw Ausweitung des Pistenbereichs zu kennzeichnen und unfallverhütende Maßnahmen zu treffen, weil das Publikum, sofern der Pistenhalter die ursprüngliche Pistenbegrenzung nicht entsprechend kennzeichnete, der durch das Befahren entstandenen Verbreiterung bzw Ausweitung das gleiche Vertrauen wie der ursprünglich gewidmeten Piste entgegenbringt (7 Ob 29/05y = RIS-Justiz RS0118825 [T1]). Ist dem Pistenhalter bekannt, dass die Schifahrer die von ihm markierte Piste offenbar infolge nicht ausreichender Deutlichkeit der Markierung anders als von ihm ins Auge gefasst benützen, erfordert es seine Verkehrssicherungspflicht, auf diese Abweichung und allenfalls damit verbundenen Gefahren deutlich hinzuweisen (RIS-Justiz RS0023723).
1.4. Die Verpflichtung zur Pistensicherung erstreckt sich nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs auch auf den Pistenrand, weil mit dem Sturz eines Schifahrers über den Pistenrand hinaus jederzeit, also auch bei mäßiger Geschwindigkeit, gerechnet werden muss (2 Ob 186/15i mwN). Wenn der Pistenbetreiber außerhalb der Piste selbst ein (künstliches) Hindernis schafft, dann muss er dieses auch wieder entfernen, jedenfalls aber entsprechend absichern, damit es für vernünftige Durchschnittsfahrer keine ernstliche Gefahr darstellen kann, wenn er damit rechnen muss, dass Schifahrer von der Piste in dieses ungesicherte Gelände abkommen (1 Ob 75/00m; 6 Ob 30/17f). Atypische Gefahrenquellen sind daher auch dann zu sichern, wenn sie sich knapp neben der Piste befinden (RIS-Justiz RS0023499 [T9]).
1.5. Randsicherungen können ausnahmsweise dann geboten sein, wenn auch für einen verantwortungsbewussten Benützer einer Piste des angegebenen Schwierigkeitsgrades die Gefahr einer erheblichen Verletzung infolge Abstürzens oder Abrutschens entweder durch eine erhöhte Möglichkeit des Abkommens oder durch die Gestalt des anschließenden Geländes besonders hoch ist, zB in gefährlichen Kurven oder bei Steilabbrüchen (2 Ob 186/15i; RIS-Justiz RS0023884).
2. Die dargestellte Judikatur belegt die überragende Bedeutung der ordnungsgemäßen Markierung des Pistenrandes als maßgebliche Grenze zwischen dem organisierten Schiraum/einer Piste und dem freien Schigelände. Der Hinweis des Berufungsgerichts, der Unfall habe sich außerhalb des organisierten Schiraums und auch nicht im unmittelbaren Nahbereich zur eindeutig abgegrenzten Piste Nr 6 ereignet, hält sich im Rahmen der Leitlinien der zitierten Judikatur. Den Rechtsausführungen des Klägers ist noch Folgendes entgegenzuhalten:
2.1. Da der Pistenrand von der Erstbeklagten künstlich (mittels Stangen samt Tafeln) bestimmt wurde, kommt es auf die dort bestandenen natürlichen Gegebenheiten nicht an. Diese Markierung des Randes der Piste Nr 6 war für die Benützer der Schipiste eindeutig erkennbar; sie wurde vom Kläger auch nie als unzureichend kritisiert.
2.2. Damit fehlte einem Pistenvertrauen des Klägers für den von ihm nach dem Verlassen der Piste Nr 6 befahrenen Bereich die Grundlage, weil dessen zwar pistenähnlicher, ohnehin nicht gezielt präparierter, sondern nur Maschinenspuren aufweisender Zustand ein solches angesichts der deutlichen Kennzeichnung der Grenze zwischen der gewidmeten Piste und dem freien Schiraum nicht rechtfertigen konnte (vgl König ZVR 2004, 397 [Entscheidungsanmerkung]). Infolgedessen ist auch die Entscheidung 7 Ob 29/05y nicht einschlägig, in der dem Pistenhalter zum Vorwurf gemacht wurde, nicht für eine deutliche Markierung des Pistenrandes gesorgt zu haben.
2.3. Darauf, dass der Kläger (auch) wegen der gekreuzten Holzstangen auf die Widmung des von ihm befahrenen Bereichs vertraute, berief er sich in erster Instanz nicht, sodass auf diese in dritter Instanz unbeachtliche Neuerung nicht näher einzugehen ist.
2.4. Eine Randsicherung des Steilabbruchs im Sinn der zu Punkt 1.5. dargestellten Judikatur, den das Erstgericht als „eher ungewöhnliche dort vorliegende Wechtenbildung“ bezeichnete, kommt schon wegen der großen Entfernung vom ausreichend markierten Rand der Piste Nr 6 von 63 m nicht in Frage. Diese Markierung lässt nämlich
– wie schon das Berufungsgericht hervorhob – ein ungewolltes Abkommen eines verantwortungsvollen Schifahrers in diesen Bereich ausgeschlossen erscheinen. Ein Anlass für eine Ausnahme vom Grundsatz, dass für natürliche Hindernisse, wie etwa Geländeformationen, im freien Gelände keine Sicherungspflicht besteht (vgl Stabentheiner, Pistensicherung und verwandte Fragenkreise – 35 Jahre Seilbahnsymposium, ZVR 2016/104, 260), liegt daher nicht vor.
2.5. Die vom Kläger ins Treffen geführte Entscheidung 1 Ob 77/03k = ZVR 2004/112 (krit König) ist
– wie schon das Berufungsgericht zutreffend betonte – nicht einschlägig.
Dazu wurde der Rechtssatz formuliert: Hat der Betreiber einer Schipiste konkret Kenntnis davon, dass von ihm beförderte Schifahrer pistenähnliches freies Gelände üblicherweise (auch) benutzen, dann trifft ihn die vertragliche (Neben-)Pflicht, von ihm dort geschaffene Gefahrenquellen (hier: überirdisch verlegter Zuleitungsschlauch zu einer Schneekanone) entsprechend abzusichern.
Der Kläger behauptete in erster Instanz nicht, der Steilabfall sei von der Erstbeklagten künstlich geschaffen worden; vielmehr ließ er die gegenteilige Behauptung der Beklagten ohne substantiierte Bestreitung. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, es sei von einer (gemeint: natürlichen) Geländeformation auszugehen, erweist sich daher als nicht korrekturbedürftig. Damit fehlt es aber an einer durch die Erstbeklagte geschaffenen Gefahrenlage (vgl Stabentheiner ZVR 2016/104, 259 [„künstliche Hindernisse“]), die jedoch in der genannten Entscheidung einen Anknüpfungspunkt für die angenommene Haftung des Pistenhalters darstellte.
3. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41 und 50 ZPO. Die Beklagten wiesen in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hin.
Textnummer
E121580European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2018:0030OB00014.18G.0425.000Im RIS seit
07.06.2018Zuletzt aktualisiert am
19.12.2018