TE OGH 2018/4/25 3Ob3/18i

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Veröffentlicht am 25.04.2018
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hoch als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Roch und Dr. Rassi und die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun-Mohr und Dr. Kodek als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei E*****, vertreten durch Wolf Theiss Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die verpflichtete Partei Dr. Michael Lentsch, Rechtsanwalt in Wiener Neustadt, als Insolvenzverwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen der S***** GmbH, *****, dieser vertreten durch Kosch & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wiener Neustadt, wegen 337.730,79 EUR sA, über den Revisionsrekurs der verpflichteten Partei (Interesse 130.193,97 EUR) gegen den Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt als Rekursgericht vom 14. November 2017, GZ 17 R 154/17v-50, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Neunkirchen vom 28. August 2017, GZ 6 E 1726/17k-44, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass der Beschluss des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Die verpflichtete Partei hat die Kosten ihres Revisionsrekurses selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Das Erstgericht bewilligte am 21. April 2017 dem Betreibenden die von ihm beantragte Forderungsexekution gegen die Verpflichtete. Eine der davon verständigten Drittschuldnerinnen (die M***** GmbH) erklärte daraufhin, sie habe aus einer Vereinbarung mit der Verpflichteten noch eine restliche Zahlung von 130.193,97 EUR an die Verpflichtete zu erbringen; kurz nach Erhalt der Exekutionsbewilligung sei sie jedoch aufgefordert worden, diesen Betrag aufgrund einer (angeblich) zeitlich früheren vertraglichen Verpfändung der Forderung an die R ***** GmbH (= Muttergesellschaft der Verpflichten) zu zahlen, und zuletzt habe der Rechtsanwalt der Verpflichteten die Überweisung des Geldes auf sein Anderkonto verlangt; sie beantrage daher, den Erlag der gepfändeten Forderung zugunsten der genannten Forderungsprätendenten als Erlagsgegner anzunehmen.

Das Erstgericht nahm den Erlag dieses Betrags gemäß § 307 EO mit Beschluss vom 4. Mai 2017 an (ON 16). Das dagegen von der Erlagsgegnerin R ***** GmbH angerufene Rekursgericht (vgl RIS-Justiz RS0110882) bestätigte diese Entscheidung mit Beschluss vom 27. Juli 2017 (ON 42).

Mit Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 29. Mai 2017 (10 S 43/17b) wurde über das Vermögen der Verpflichteten das Konkursverfahren eröffnet; das Verfahren ist noch anhängig.

Das Erstgericht verfügte mit Beschluss vom 28. August 2017 die Überweisung des gemäß § 307 EO erlegten Betrags an den Masseverwalter im Konkursverfahren über das Vermögen der Verpflichteten.

Begründend dazu führte es aus, das Pfandrecht, das durch Zustellung der Exekutionsbewilligung an die Drittschuldnerin bewirkt wurde, sei gemäß § 12 IO (bedingt) erloschen, weil es innerhalb von 60 Tagen vor der Eröffnung des Konkursverfahrens erworben worden sei. Der Erlös, der bei einer vor oder nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens durchgeführten Verwertung erzielt wurde, sei von Amts wegen in die Konkursmasse einzubeziehen. Der Masseverwalter habe in der Prüfungstagsatzung die Forderung der R ***** GmbH als Pfandgläubigerin bestritten.

Das Rekursgericht gab dem dagegen von der Erlagsgegnerin R ***** GmbH erhobenen Rekurs Folge, behob den angefochtenen Beschluss ersatzlos und trug dem Erstgericht „die Durchführung des Verteilungsverfahrens“ auf.

Der Pfandrechtserwerb des Betreibenden sei innerhalb der Frist des § 12 Abs 1 IO erfolgt; daher sei das Absonderungsrecht (bedingt) erloschen und ein Drittschuldner habe grundsätzlich (auch während dieses Schwebezustands) an die Masse zu leisten. Hier sei jedoch bereits eine Verwertung der gepfändeten Forderung (durch den Erlag) erfolgt. Gemäß § 307 EO idF der EO-Novelle 1991 sei die Verteilung des Erlagsbetrags jedenfalls nach den Bestimmungen der §§ 285 bis 287 EO durchzuführen, und zwar auch dann, wenn ein angeblicher Zessionar (oder ein sonstiger Dritter) die Forderung für sich in Anspruch nehme. Die Frage, wer Gläubiger der gepfändeten Forderung ist, sei Gegenstand des Verteilungsverfahrens; dabei sei zu beachten, dass § 286 EO auf § 213 EO (und damit auf die Verweisung auf den Rechtsweg im Fall eines Widerspruchs) verweise. Daran ändere das bedingte Erlöschen des Absonderungsrechts nichts; das Erstgericht habe die Verteilung des Erlagsbetrags durchzuführen und dabei an Stelle der Verpflichteten deren Masseverwalter beizuziehen.

Den Revisionsrekurs ließ das Rekursgericht zu, weil Rechtsprechung zur Frage fehle, ob § 12 Abs 3 IO als Sonderbestimmung dem § 307 EO vorgehe.

Gegen den Beschluss des Rekursgerichts wendet sich der Revisionsrekurs des Insolvenzverwalters (als verpflichtete Partei) mit dem Antrag, den Beschluss des Erstgerichts wiederherzustellen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig und berechtigt.

1.1 Gemäß § 294 EO wird durch die Zustellung des Zahlungsverbots an den Drittschuldner ein exekutives Pfandrecht an einer Geldforderung begründet; dieser Zeitpunkt ist für die Begründung des Pfandrechts maßgebend (§ 294 Abs 1 Satz 2 EO; Oberhammer in Angst/Oberhammer, EO3 § 294 Rz 21).

1.2 Gemäß § 12 Abs 1 IO erlöschen Absonderungsrechte (im Sinn des § 48 IO), die in den letzten 60 Tagen vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch Exekution (zur Befriedigung oder zur Sicherstellung) neu erworben worden sind (und leben nur dann wieder auf, wenn das Insolvenzverfahren gemäß § 123a IO mangels Vermögens aufgehoben wird). Diese Bestimmung ist auch bei Überweisung gepfändeter Geldforderungen anzuwenden, weil auch hier der Grundsatz gilt, dass jene Gläubiger, die ein richterliches Pfandrecht 60 Tage vor Eröffnung der Insolvenz erworben haben, rechtlich nicht anders als die übrigen Insolvenzgläubiger gestellt sein sollen; der Drittschuldner hat daher grundsätzlich an den Insolvenzverwalter zu zahlen (RIS-Justiz RS0004125; Deixler-Hübner in Konecny/Schubert, Insolvenzgesetze, § 12 Rz 23; Bartsch/Pollak/Buchegger, Österreichisches Insolvenzrecht I4, § 12 Rz 6 aE; Feil, IO8 § 12 Rz 6).

1.3 Allgemein ist ein Drittschuldner gemäß § 307 Abs 1 EO bei Vorliegen einer unklaren Sach- und Rechtslage befugt, den Betrag der gepfändeten Forderung, auf die neben dem betreibenden Gläubiger auch andere Personen (etwa unter Bezugnahme auf frühere vertragliche Pfandrechte) Anspruch erheben, beim Exekutionsgericht schuldbefreiend zu hinterlegen. In der Insolvenz des Verpflichteten werden die Vorschriften der EO durch die der IO verdrängt, insofern ist eine Erlagsleistung gemäß § 307 EO nicht mehr möglich (Markowetz/Resch in Burgstaller/Deixler-Hübner, EO § 307 Rz 38; vgl auch 8 Ob 55/98s).

Die Verteilung eines Erlags gemäß § 307 EO erfolgt jedoch grundsätzlich im Exekutionsverfahren; das Exekutionsgericht hat (wie sonst der Drittschuldner) zu klären, wer der Forderungsberechtigte ist (Markowetz/Resch in Burgstaller/Deixler-Hübner, EO § 307 Rz 48; Oberhammer in Angst/Oberhammer, EO3 § 307 Rz 9; 3 Ob 121/12h = RIS-Justiz RS0128306). Aus dem Verweis auf die §§ 285 bis 287 EO folgt auch die Geltung des dort verwiesenen § 213 EO (Widerspruch in der Verteilungstagsatzung), weshalb die Erledigung auf den Rechtsweg zu verweisen ist, wenn die Entscheidung über einen erhobenen Widerspruch von der Ermittlung und Feststellung streitiger Tatsachen abhängt (Markowetz/Resch in Burgstaller/Deixler-Hübner, EO § 307 Rz 54 mwN).

1.4 Findet die Verwertung einer mit einem Absonderungsrecht belasteten Sache (Forderung) bereits vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens statt, ohne dass der Betreibende befriedigt wird, so ist der Teil des Erlöses, der auf das erloschene Absonderungsrecht entfällt, nicht dem betreffenden Gläubiger auszufolgen, sondern von Amts wegen in die Masse einzubeziehen (Apathy in Bartsch/Pollak/Buchegger, Österreichisches Insolvenzrecht I4, § 12 Rz 17; Deixler-Hübner in Konecny/Schubert, Insolvenzgesetze, § 12 Rz 23; Feil, IO8 § 12 Rz 6; vgl auch RIS-Justiz RS0052040). Insofern ist § 12 Abs 3 IO als Sonderbestimmung gegenüber den allgemeinen Verteilungsgrundsätzen der EO anzusehen (Deixler-Hübner in Konecny/Schubert, Insolvenzgesetze, § 12 Rz 23 mwN).

2. Im vorliegenden Fall ist durch die Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der Verpflichteten das (innerhalb der Frist des § 12 Abs 1 IO erworbene) exekutive Pfandrecht des Betreibenden an der Geldforderung der Verpflichteten gegen die Drittschuldnerin erloschen. Die (rechtskräftige) Annahme des Betrags zum gerichtlichen Erlag gemäß § 307 Abs 1 EO durch das Exekutionsgericht entspricht zwar einer Verwertung der durch das Absonderungsrecht belasteten Sache; sie hat jedoch nicht zur Befriedigung des Betreibenden geführt (vgl 1 Ob 201/01t). Der von der Drittschuldnerin (schuldbefreiend) erlegte Betrag ist daher (wie der Erlös aus einer Verwertung) von Amts wegen in die Insolvenzmasse einzubeziehen und – entgegen der Rechtsansicht des Rekursgerichts – infolge der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Verpflichteten keine (gesonderte) Verteilung dieses Erlagsbetrags (entsprechend § 307 Abs 2 iVm §§ 285 bis 287 EO) vorzunehmen. Die vom Erstgericht angeordnete Überweisung des erlegten Betrags an den Insolvenzverwalter ist daher wiederherzustellen.

3. Mangels eines Zwischenstreits hat die Verpflichtete hier keinen Anspruch auf Kostenersatz (RIS-Justiz RS0002189; Jakusch in Angst/Oberhammer, EO3 § 74 Rz 77).

Textnummer

E121578

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2018:0030OB00003.18I.0425.000

Im RIS seit

07.06.2018

Zuletzt aktualisiert am

25.01.2019
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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