Entscheidungsdatum
22.03.2018Norm
B-VG Art130 Abs1 Z2Text
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat durch Mag.Dr. Wessely, LL.M. als Einzelrichter über die Maßnahmenbeschwerde des Herrn A und der Frau B, beide vertreten durch C Rechtsanwalt GmbH in ***, betreffend Durchsuchung von Orten (Wohnung) bzw. Festnahme am 13. Dezember 2017 in ***, ***, den
BESCHLUSS
gefasst:
1. Die Beschwerde, Herr A (Erstbeschwerdeführer) sei durch die Modalitäten der Durchführung der Durchsuchung von Orten (Eindringen in die Wohnung ohne vorangehendes Anläuten; Aufbrechen der Eingangstüre, ohne sich zuvor als Polizeibeamte deklariert zu haben; Verweigerung der Auskunft über den Anlass und Zweck des Einschreitens; schroffes und exzessives Vorgehen bei der Durchsuchung) in seinen Rechten verletzt worden, wird gemäß § 28 Abs. 6 VwGVG zurückgewiesen.
2. Die Beschwerde, Herr A (Erstbeschwerdeführer) sei durch die Modalitäten der Festnahme (Verweigerung der Auskunft über den Anlass und Zweck des Einschreitens; schroffes und exzessives Vorgehen bei der Durchsuchung) in seinen Rechten verletzt worden, wird gemäß § 28 Abs. 6 VwGVG zurückgewiesen.
3. Die Beschwerde, Frau B (Zweitbeschwerdeführerin) sei durch die Modalitäten der Durchsuchung von Orten (Eindringen ohne vorangehendes Anläuten; Aufbrechen der Eingangstüre, ohne sich zuvor als Polizeibeamte deklariert zu haben; Verweigerung der Auskunft über den Anlass und Zweck des Einschreitens; schroffes und exzessives Vorgehen bei der Durchsuchung) in
ihren Rechten verletzt worden, wird gemäß § 28 Abs. 6 VwGVG zurückgewiesen.
4. Dem Bund (Bundesminister für Inneres) haben gemäß § 35 VwGVG i.V.m. der VwG-Aufwandsersatzverordnung, BGBl. II 2013/517,
a. hinsichtlich der Spruchpunkte 1. und 3. der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin zu ungeteilten Handen € 829,80 (Schriftsatz- und Verhandlungsaufwand) binnen zwei Monaten ab Zustellung bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
b. hinsichtlich des Spruchpunktes 2. der Erstbeschwerdeführer € 829,80 (Schriftsatz- und Verhandlungsaufwand) binnen zwei Monaten ab Zustellung bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
5. Gegen die Beschlüsse ist eine ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig (§ 25a VwGG).
Begründung:
I. Mit Schriftsatz vom 24. Jänner 2018 erhoben die Beschwerdeführer folgende Beschwerde:
„I. Sachverhalt
1. Am 13.12.2017 gegen 20:17 Uhr haben Beamte der belangten Behörde [Anm.: laut Beschwerde des Landeskriminalamtes Wien] unsere Wohnung ***, ***, mit einem Einsatzgeschehen „belegt“:
? Man hat – ohne zuvor geläutet zu haben oder sich sonst irgendwie erkenntlich zu geben – die Wohnungstüre eingetreten/aufgebrochen.
? Mit Nebelgranaten sind Spezialeinsatzkräfte in die Wohnung eingedrungen.
? Man hat sich auch nicht als Polizeieinsatzkräfte zu erkennen gegeben; für uns war lediglich aus der Kleidung ersichtlich, dass es sich um die Spezialeinheit „Cobra“ gehandelt hat.
? Wir beide waren friedlich in der Wohnung gewesen; beide wurden wir lautstark angeherrscht, wir mögen uns identifizieren.
? Ich, Ersteinschreiter, wurde von den Beamten von der Couch gerissen und auf den Boden geworfen und dort – bäuchlings – mit einem Fuß auf dem Rücken gewaltsam fixiert. Dies hat zunächst verhindert, dass ich meinen Ausweis vorzeigen konnte. Anschließend wurden mir Handfesseln am Rücken fixiert.
? Ich, Zweiteinschreiterin, war im 7. Monat schwanger und habe mehrfach auf diesen Hintergrund hingewiesen! Dies hat jedoch offenkundig niemanden gekümmert.
? Man hat die gesamte Wohnung durchsucht, ohne uns bekannt gegeben zu haben, worum es denn überhaupt ginge und was der Grund dieses Einsatzes sei.
2. Erst in der Folge haben wir erfahren, dass ein – offenkundig reichlich nebulöser – Verdacht bestanden haben könnte, ich, Ersteinschreiter, sei nach dem SMG
verdächtig.
II. Da uns die beschriebene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch die der belangten Behörde zurechenbaren, oben bezeichneten Organe in unseren subjektiven Rechten verletzen, erheben wir durch unsere Vertreter gemäß Art. 132 Abs. 2 B-VG in Verbindung mit §§ 7 ff VwGVG in offener Frist Beschwerde und stellen die
A n t r ä g e ,
das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich möge
a. gemäß § 28 Abs. 6 VwGVG den angefochtenen Akt mittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklären,
b. gemäß § 35 VwGVG erkennen, der Bund (Bundesministerium für Inneres), hilfsweise die Stadt Wien, sind schuldig, die uns durch das verwaltungsgerichtliche Verfahren entstandenen Kosten im gesetzlichen Ausmaß zu Handen unserer Vertreter binnen 2 Wochen bei sonstiger Zwangsfolge zu ersetzen und
c. gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG eine mündliche Verhandlung durchführen.
III. Unsere Anträge begründen wir nachstehend:
1. Fristwahrung: […]
2. Zuständigkeit:
Die Zuständigkeit des angerufenen Landesverwaltungsgerichts ergibt sich unmittelbar aus den bundesverfassungsrechtlichen Bestimmungen; da sich die Amtshandlung im örtlichen Zuständigkeitsbereich des angerufenen Landesverwaltungsgerichts ereignet hat, ist auf diesen Umstand zu verweisen.
3. Rechtswidrigkeit der Maßnahme:
a. Konkret verletzt durch diese Maßnahme wurden wir in unseren verfassungsgesetzlich gewährleisteten Grundrechten auf persönliche Freiheit (Art.
1 Abs. 1 des BVG vom 29.11.1988 über den Schutz der persönlichen Freiheit), auf Unverletzlichkeit des Hausrechts (Art. 9 Staatsgrundgesetz, Art. 8 EMRK), auf Unverletzlichkeit des Eigentums (Art. 5 Staatsgrundgesetz) und in unseren einfach-gesetzlichen Rechten, nicht entgegen den Bestimmungen des Sicherheitspolizeigesetzes mit behördlicher Willkür in Form (noch dazu schadensverursachenden) Amtshandlungen konfrontiert zu werden: insoweit ist eine Verletzung der §§ 28, 29 ff SPG zu konstatieren.
b. Im Einzelnen zu den Sachverhaltselementen:
? Zunächst bezweifeln wir, ob angesichts der höchst unklaren, ja diffusen Verdachtslage – hat überhaupt ein hinreichender Tatverdacht gegen einen von uns vorgelegen, dies noch dazu versehen mit der erforderlichen Qualität, um ein derartiges Einschreiten von Anfang an angemessen erscheinen zu lassen? Wir gehen davon nicht aus – schon per se zulässig war und gewesen sein konnte, dieses Stürmen der Wohnung unsere harsche Behandlung zu rechtfertigen.
? Im Zweifel ist davon auszugehen und wäre davon auszugehen gewesen, dass irgendeine Anschuldigung irgend eines potentiellen Straftäters nach SMG nicht ausreichen kann, einen hinreichenden Verdacht gegen eine unserer Personen herzustellen; es entspricht doch der beruflichen Erfahrung von Personen, die regelmäßig mit derartigen Sachverhalten zu tun haben, dass festgesetzte Konsumenten und Händler im Zusammenhang mit Suchtmitteln permanent irgendwelche andere Personen belasten, um von sich selbst abzulenken, ohne dass dem jedoch tatsächlich irgendein relevantes Tatsachensubstrat gegenüberstehen muss! Es hätte daher der besonderen Prüfung bedurft, die offenkundig unterblieben ist.
? Man hätte anläuten können und müssen. Wenn die Klingel nicht funktioniert haben sollte (was verwunderlich gewesen wäre), hätte man anklopfen müssen. Es hat nicht die geringste Gefahr bestanden, dass wir uns gegen die Konfrontation gewehrt hätten: weder hat ex ante die Gefahr bestanden, wir würden uns erst recht gewaltsam zur Wehr setzen (aus keiner Information aus dem Vorfeld konnte einen derartigen Verdacht geschlossen werden), noch stellt sich die Situation ex post in eine derartige Richtung dar.
? Hätten sich die Beamten vor dem Aufbrechen der Türe als solche zu erkennen gegeben, hätten wir problemlos geöffnet und diesen den Zutritt zur Wohnung ermöglicht. Das Aufbrechen der Türe war nicht nur nicht nötig, sondern unzulässig exzessiv.
? Eine Auskunft, worum es ginge, wurde uns über Nachfrage nicht erteilt.
? Die „Behandlung“ unsererseits war unzulässig schroff, ja exzessiv gewalttätig:
o einerseits war schon aufgrund der massiven Übermacht der Polizeibeamten in keiner Weise erforderlich, mich, den männlichen Part, auf den Boden zu werfen und dort bäuchlings gewaltsam zu fixieren, hätte ich mich doch weder gegen eine Arretierung mit Handfesseln gewehrt noch wehren können,
o wie auch andererseits meine, hochschwanger, Traktierung lautstarker Natur völlig exzessiv war. Glücklicherweise sind Nachteile in der Schwangerschaft (Schädigung meines Kindes oder meiner selbst) vorläufig ausgeblieben!
c. Rechtlich:
? Verletzungen verfassungsgesetzlicher Rechte sind bekanntlich grundsätzlich zulässig, soferne sie durch die Gesetzesvorbehalte gedeckt sind. Diese wiederum verweisen auf die einfach-gesetzliche Rechtslage. Im vorliegenden Fall ist daher das Sicherheitspolizeigesetz zurate zu ziehen. Dieses normiert ausdrücklich im § 29 das Gebot der Verhältnismäßigkeit, das leitend allen Maßnahmen von Polizeiorganen zugrunde liegt; nach § 28 ist der Schutz von Gesundheit und Wohlergehen der Menschen höchste Norm!
? Wie dargelegt kann nicht davon gesprochen werden, man habe eine Mittelabstufung wie gesetzlich vorgesehen eingehalten:
o man hat gleich die Tür aufgebrochen, ohne schonendere gebotene Mittel einzusetzen.
o Man hat körperliche Gewalt bei Arretierung der Verdächtigen eingesetzt, die nicht notwendig war (hatte man uns doch zuvor nicht mal aufgefordert, irgendein Verhalten an den Tag zu legen!).
o Ich, Zweiteinschreiterin, unbeteiligt und hochschwanger, wurde nicht sofort aus der Gefahrenzone gebracht, obwohl bekannt war, dass ich mit einem allfälligen Verdacht nicht das Geringste zu tun hatte und noch dazu mehrfach auf meine schlechte Verfassung aufgrund fortgeschrittener Schwangerschaft hingewiesen hatte!
o Schließlich hätte man nach § 29 Abs. 2 Z 5 die Maßnahme sofort abzubrechen gehabt, als man sehen musste, dass wir ohnedies kooperiert hätten (dies war schon spätestens unmittelbar nach dem Aufbrechen der Türe und unsere Konfrontation mit den Organen der Fall). Keinesfalls war die weitere Maßnahme – körperliche Gewalt und Einschüchterung sowie die gewaltsame Durchsuchung – erforderlich.
? Keine Information über Grund der Amtshandlung trotz Nachfrage (§ 30 Abs. 1 Z 1 SPG).“
II. Mit dem Beschwerdevorbringen befasst, teilte die Landeskriminalabteilung Wien mit E-Mail vom 30. Jänner 2018 mit, dass die Durchsuchung der Wohnung wie auch die Festnahme des Erstbeschwerdeführers über Anordnung der Staatsanwaltschaft *** (***) erfolgt seien. Dementsprechend verwies das Landesverwaltungsgericht die Beschwerdeführer unter Hinweis auf die einschlägige ständige höchstgerichtliche Rechtsprechung und auf die Möglichkeit, gegen die Amtshandlungen Einspruch nach § 106 StPO zu erheben, mit Schreiben vom 30. Jänner 2018 gemäß § 13 VwGVG i.V.m. § 6 AVG an diese.
III. Mit Schriftsatz vom 19. Feber 2018 beharrten die Beschwerdeführer auf einer Zuständigkeit des Landesverwaltungsgerichtes, schränkten die Beschwerden aber – hinsichtlich der Behauptung der Rechtswidrigkeit – dahingehend ein, dass sie die Frage, ob überhaupt ein hinreichender Tatverdacht bestanden habe, vom Beschwerdevorbringen ausnahmen. Im Übrigen hielten sie die Beschwerden aber aufrecht, indem sie wiederholten, man sei zu Unrecht
? in die Wohnung eingedrungen, ohne davor anzuläuten,
? habe sich vor dem Aufbrechen der Türe nicht als Polizeibeamte zu erkennen gegeben,
? habe keine Auskunft über Anlass und Zweck der Maßnahme erteilt und
? habe die Beschwerdeführer unzulässig schroff und exzessiv gewalttätig behandelt.
IV. In ihrer Gegenschrift verwies die belangte Behörde (nach Darstellung des Verfahrensganges) darauf, dass angesichts der Anordnungen der Staatsanwaltschaft *** eine Zuständigkeit des Landesverwaltungsgerichtes NÖ zur Behandlung der Beschwerden des Erstbeschwerdeführers nicht bestehe. Hinsichtlich der Zweitbeschwerdeführerin sei nicht ersichtlich, dass ihr gegenüber ein Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gesetzt worden wäre.
V. In der öffentlichen mündlichen Verhandlung präzisierten die Beschwerdeführer, dass sich die Beschwerde des Erstbeschwerdeführers gegen die Durchsuchung der Wohnung auf der einen und die Festnahme auf der anderen Seite wende. Die Zweitbeschwerdeführerin erachte sich durch die Durchführung der Durchsuchung der Wohnung in ihren Rechten verletzt. Im Übrigen wäre auf die Amtshandlung jedenfalls hinsichtlich des Auskunftsrechts nach § 30 Abs. 1 Z 1 SPG das Sicherheitspolizeigesetz anzuwenden gewesen.
VI. Aus den seitens des Landesgerichtes *** zur Verfügung gestellten Akten des gegen den Erstbeschwerdeführer geführten gerichtlichen Strafverfahrens ergibt sich, dass die Durchsuchung der verfahrensgegenständlichen Wohnung über Anordnung der Staatsanwaltschaft *** vom 13. Dezember 2017, genehmigt mit Beschluss des Landesgerichts *** vom selben Tag, durchgeführt wurde. Gleiches ergibt sich für die Festnahme des Erstbeschwerdeführers, die aus dem Grund der Verdunkelungs- bzw. Tatbegehungs-/Tatausführungsgefahr angeordnet wurde. Ausweislich des Berichts des Landeskriminalamts Wien vom 14. Dezember 2017, ***, sei zwecks Verhinderung der Vernichtung von Beweismittel eine gewaltsame Wohnungsöffnung veranlasst und bei dieser das Türblatt beschädigt worden. Der Erstbeschwerdeführer sei zwecks Verhinderung der Vereitelung einer rechtmäßigen Amtshandlung am Rücken geschlossen worden, zumal er als Gewalttäter einschlägig vorbestraft sei (im Strafregister scheint diesbezüglich eine Verurteilung nach §§ 15, 87 Abs. 1 StGB und § 50 Abs. 1 Z 2 WaffenG auf). Der Erstbeschwerdeführer sei – wie im Übrigen auch durch die im Akt inneliegenden Urkunden durch eigenhändige Unterschrift des Erstbeschwerdeführers bestätigt – über die Umstände der Festnahme in Kenntnis gesetzt und über seine Rechte gemäß § 49 StPO belehrt worden. In der Wohnung sei auch die Zweitbeschwerdeführerin anwesend gewesen, wobei zwecks Erstversorgung das Rote Kreuz *** beigezogen worden sei.
VII. Von diesem Beweisergebnis ausgehend sieht es das Landesverwaltungsgericht als erwiesen an, dass in den Amtsstunden des 13. Dezember 2017 in der vormaligen Wohnung der Beschwerdeführer in ***, ***, eine Durchsuchung von Orten stattfand, wobei der Zutritt zur Wohnung gewaltsam erfolgte. In weiterer Folge wurde der Erstbeschwerdeführer festgenommen und am Rücken geschlossen. Die Zweitbeschwerdeführerin verblieb während der Amtshandlung in der Wohnung und wurde im Hinblick auf ihren gesundheitlichen Zustand seitens der Einsatzkräfte das Rote Kreuz *** beigezogen. Sowohl für die Durchsuchung der Wohnung als auch für die Festnahme liegt eine gerichtlich bewilligte Anordnung der Staatsanwaltschaft *** vor.
VIII. In rechtlicher Hinsicht ergibt sich aus dem Gesagten:
a) Gegenstand der Beschwerde nach Art 130 Abs. 1 Z 2 B-VG sind einzelne Amtshandlungen, mithin Lebenssachverhalte. Im gegenständlichen Fall lassen sich dem Beschwerdevorbringen zwei Amtshandlungen, nämlich eine Durchsuchung von Orten (hier: der verfahrensgegenständlichen Wohnung) auf der einen und eine Festnahme auf der anderen Seite ausmachen. Keiner gesonderten Beschwerde zugänglich sind hingegen bloße Modalitäten einer Amtshandlung, näherhin die konkrete Durchführung, etwa eine (wenn auch unverhältnismäßige) Gewaltanwendung zur Durchsetzung von Befugnissen, die Fesselung (VwGH 19.9.2012, 2012/01/0017) oder Visitierung (VwGH 24.1.2013, 2011/21/0125) im Zuge einer Festnahme, aber auch die Unterlassung der Information nach § 30 Abs. 1 Z 1 SPG über Anlass und Zweck einer Maßnahme (VwSlg 16.962 A/2006). Sie sind prozessual vielmehr unselbständiger Bestandteil der jeweiligen Amtshandlung, können (ausschließlich) mit dieser bekämpft werden und führen – für den Fall einer Verletzung – zur Rechtswidrigkeit der Amtshandlung selbst. Im konkreten Fall lassen sich dabei die in der Beschwerdepräzisierung aufgezählten Momente den bereits genannten Amtshandlungen zuordnen und liegen folglich zwei bekämpfte Akte vor.
b) Gegenstand der Beschwerden nach Art 130 Abs. 1 Z 2 B-VG können bloß solche Amtshandlungen sein, die einer Verwaltungsbehörde zuzurechnen sind. Nicht der Verwaltung zuzurechnen sind Amtshandlungen von Sicherheitsorganen im Dienste der Strafjustiz, wenn diese über Anordnung der Staatsanwaltschaft bzw. des Gerichts erfolgen und durch diese Anordnungen gedeckt sind. Folglich steht in derartigen Fällen ein Rechtszug an die Verwaltungsgerichte nur bei Vorliegen eines sog. Exzesses offen (VwGH 22.4.2015, Ra 2014/04/0046). Findet die Amtshandlung an sich hingegen in einem solchen Auftrag Deckung, sind auch die Modalitäten, unter denen sie gesetzt wird, einer gesonderten Bekämpfung nicht zugänglich (VwGH 12.9.2013, 2013/04/0005; 21.1.2015, Ro 2014/04/0063).
c) Im konkreten Fall vermag ein die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte begründender Exzess nicht erkannt zu werden. Weder wurden andere, nicht vom Auftrag der Staatsanwaltschaft erfasste Räumlichkeiten durchsucht noch von ihrem Auftrag nicht erfasste Personen festgenommen. Vielmehr vermeinen die Beschwerdeführer im Ergebnis, dass die Amtshandlungen unverhältnismäßig gewesen seien. Zumal es sich aber – wie oben dargelegt – bei der Frage der Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen um bloße Modalitäten der Amtshandlungen handelt (wobei sich die entsprechende Rechtsgrundlage im Übrigen nicht im SPG, sondern in § 5 Abs. 3 StPO wiederfindet), wäre es (worauf das Verwaltungsgericht die Beschwerdeführer unverzüglich nach Beschwerdeerhebung hingewiesen hat) Sache der Beschwerdeführer gewesen, dies im Wege des Einspruchs nach § 106 StPO zu bekämpfen (vgl. zur Bekämpfbarkeit der Unverhältnismäßigkeit von Zwangs- und Sicherungsmaßnahmen im gerichtlichen Strafverfahren vgl. RIS-Justiz RS0098696). Zumal der Rechtsbehelf des Einspruchs nicht nur dem Beschuldigten, sondern jeder von einer Maßnahme betroffenen Person zukommt (Pilnacek/Stricker in Fuchs/Ratz [Hrsg], WK StPO [Stand 13.11.2017, rdb.at] § 106 Rz 10 m.w.N.), hätten die Beschwerdeführer in diesem Verfahren vollen Rechtsschutz erlangen können. Eine allfällige Rechtsschutzlücke vermag nicht erkannt zu werden.
d) Keiner gesonderten Bekämpfung zugänglich ist aber auch die (ebenso eine Modalität der Amtshandlung darstellende) behauptete Unterlassung der Information über Anlass und Zweck der Amtshandlung. Nicht nur, dass dem Erstbeschwerdeführer gegenüber eine solche Information (wie sich aus den Strafakten ergibt) nachweislich erfolgte, findet die von den Beschwerdeführern ins Treffen geführte Bestimmung des § 30 Abs. 1 Z 1 SPG auf die vorliegenden Amtshandlungen keine Anwendung. Denn einerseits findet sie – wie gesagt – ihre Deckung in einem Auftrag der Staatsanwaltschaft und damit der Justiz, und kommt diese Bestimmung andererseits ausschließlich in Vollziehung von Angelegenheiten der Sicherheitsverwaltung i.S.d. § 2 Abs. 2 SPG zur Anwendung. Zumal aber ein Behördenhandeln im Dienste der Strafjustiz („Kriminalpolizei“) nicht zur Sicherheitspolizei bzw. Sicherheitsverwaltung zählt (VwGH 28.3.2017, Ra 2017/01/0059), scheidet auch aus diesem Grund die behauptete Rechtsverletzung aus.
e) Die Beschwerden erweisen sich daher im Ergebnis mangels Vorliegens von Akten unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt als unzulässig und waren folglich zurückzuweisen.
IX. Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG hat die im Verfahren nach Art. 130 Abs. 1 Z 2
B-VG obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wenn der angefochtene Verwaltungsakt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist der Beschwerdeführer die obsiegende und die belangte Behörde die unterlegene Partei (Abs.2). Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist die belangte Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei (Abs.3).
Gemäß § 35 Abs. 6 VwGVG gelten die §§ 52 bis 54 VwGG auch für den Aufwandersatz nach Abs. 1.
Im vorliegenden Fall ergibt sich, dass die Beschwerdeführer als unterlegene Parteien zu betrachten und zur Kostentragung zu verpflichten sind. Neben dem Schriftsatzaufwand (368,80) war der Verhandlungsaufwand (€ 461,--) zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung für jeden der bekämpften Akte zu erfolgen hat (VwGH 16.3.2016, Ra 2015/05/0090). Zumal gegen die Durchsuchung der Wohnung sowohl der Erstbeschwerdeführer als auch die Zweitbeschwerdeführerin Beschwerde erhoben haben, waren sie nach dem auch im vorliegenden Verfahren sinngemäß anzuwendenden § 53 Abs. 1 letzter Satz VwGG zu ungeteilten Handen zur Kostentragung zu verpflichten.
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, weil die durchgeführte rechtliche Beurteilung aufgrund der obzitierten höchstgerichtlichen Rechtsprechung erfolgte.
Schlagworte
Maßnahmenbeschwerde; Amtshandlung; Modalitäten; Exzess; Strafjustiz;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGNI:2018:LVwG.M.1.002.2018Zuletzt aktualisiert am
06.06.2018