Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr.
Hoch als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Roch und Dr. Rassi und die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun-Mohr und Dr. Kodek als weitere Richter in den verbundenen Rechtssachen der klagenden und widerbeklagten Partei F*****, vertreten durch Dr. Michael Augustin und andere, Rechtsanwälte in Leoben, gegen die beklagte und widerklagende Partei E*****, vertreten durch Dr. Heimo Jilek & Dr. Martin Sommer, Rechtsanwälte in Leoben, wegen Ehescheidung, über die außerordentliche Revision der klagenden und widerbeklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Leoben als Berufungsgericht vom 8. Februar 2018, GZ 2 R 25/18b-52, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Der Kläger zeigt in seiner außerordentlichen Revision keine erhebliche Rechtsfrage auf, weshalb diese als nicht zulässig zurückzuweisen ist. Das ist wie folgt zu begründen (§ 510 Abs 3 ZPO):
1. Das Berufungsgericht interpretierte die erstgerichtliche, vom Kläger nicht bekämpfte Feststellung zum Einkommen des Klägers (erkennbar) dahin, dass er zwischen 2005 und 2015 jeweils monatlich durchschnittlich 2.550 EUR verdiente. Das ist angesichts der fehlenden Behauptung des Klägers, sein Einkommen habe sich vor 2015 wesentlich verändert, nicht unvertretbar. Ähnliches gilt für die Feststellung zum Einkommen der Beklagten, die vertretbar so verstanden werden durfte, dass sie schon ab 2005 im Wesentlichen gleichbleibend 650 EUR monatlich im Durchschnitt verdiente. Damit geht der Vorwurf der Revision, es fehle an ziffernmäßigen Feststellungen zum Einkommen zwischen 2005 und 2009 ebenso ins Leere wie jener, das Berufungsgericht sei von den erstgerichtlichen Feststellungen abgewichen.
2. Das wiederholt erstattete Vorbringen der Beklagten, sie habe den Kläger häufig darauf angesprochen, er möge Geld zur Verfügung stellen, worauf er argumentiert habe, er bezahle ohnehin die Kosten des gemeinsamen Hauses, dies sei genug, das restliche Einkommen verbrauche er für sich selbst, blieb vom Kläger ohne substantiierte Bestreitung, obwohl ihm eine solche als angeblicher Erklärungsempfänger leicht möglich gewesen wäre. Dieser behauptete Sachverhalt ist als unstrittig zugrunde zu legen (RIS-Justiz RS0039927).
Daher ist – auch nach der Ansicht der Revision – von der Geldunterhaltspflicht des Klägers auszugehen.
3. Der Rechtsansicht des Berufungsgerichts zur Unterhaltsverletzung gegenüber der Beklagten tritt der Kläger in der Revision inhaltlich nicht mit der Argumentation entgegen, auch bei den zugrundegelegten Einkommensverhältnissen ergebe sich kein Geldunterhaltsanspruch der Beklagten; er stellt also das Bestehen eines Unterhaltsanspruchs unter den vom Berufungsgericht angenommenen Prämissen nicht in Frage. Wenn nunmehr vertreten wird, es hätte seine Sorgepflicht für seinen Sohn berücksichtigt werden müssen, hätte es der nachvollziehbaren Darstellung im Rechtsmittel bedurft, wieso deshalb der Unterhaltsanspruch der Beklagten verloren gegangen sein sollte (§ 506 Abs 2 ZPO). Die außerordentliche Revision ist daher in diesem Punkt nicht gesetzmäßig ausgeführt, sodass auf dieses Argument nicht weiter einzugehen ist.
Nach der Rechtsprechung liegt eine Unterhaltsverletzung bereits dann vor, wenn derjenige, der Unterhalt in Geld zu leisten verpflichtet ist, diesen nicht in gehöriger Art anbietet (8 Ob 38/09k = RIS-Justiz RS0047121 [T1]), was hier aber jedenfalls zutrifft.
4. Das Berufungsgericht geht nur von einer Unterhaltsverletzung in den Jahren 2005 (nach Rückzahlung des Kredits durch den Kläger) bis 2009 aus, sodass die Zerrüttungskausalität für diesen, einer (unmittelbar) danach eingetretenen unheilbaren Zerrüttung vorausgehenden Zeitraum nicht zu bezweifeln ist. Dass die Beklagte den Unterhalt nur persönlich, nicht jedoch anwaltlich und/oder gerichtlich einforderte, lässt den Schluss, sie hätte dieses Verhalten des Klägers nicht als ehestörend empfunden, nicht zu.
5. Eine unheilbare Ehezerrüttung ist dann anzunehmen, wenn die geistige, seelische und körperliche Gemeinschaft zwischen den Ehegatten und damit die Grundlage der Ehe objektiv und wenigstens bei einem Ehegatten auch subjektiv zu bestehen aufgehört hat (RIS-Justiz RS0056832 [T1]). Die Beurteilung, ob
eine Ehe unheilbar zerrüttet ist, ist eine Frage des Einzelfalls, die – von Fällen korrekturbedürftiger Fehlbeurteilung abgesehen – keine Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufwirft (RIS-Justiz RS0043423 [T8]). Eine solche Fehlbeurteilung durch das Berufungsgericht liegt hier nicht vor, weil die mit der Aufnahme der Vollzeitbeschäftigung durch die Beklagte im Jahr 2009 dokumentierte Fortsetzung der Entwicklung einer fortschreitenden Entfremdung der Streitteile, vertretbar die Prognose gestattet, dass nunmehr eine Wiederherstellung einer dem Wesen der Ehe entsprechenden Lebensgemeinschaft nicht mehr möglich sei (8 Ob 88/17z = RIS-Justiz RS0056986 [T1]).
6. § 57 Abs 1 Satz 3 EheG normiert eine Fortlaufshemmung (Koch in KBB5 § 57 EheG Rz 4), solange die häusliche Gemeinschaft der Ehegatten aufgehoben ist, sodass schon der Beginn der Frist gehemmt wird und nach Wegfall des Hemmungsgrundes die volle Frist verstreichen muss. Fortgesetztes ehewidriges Verhalten ist als Einheit aufzufassen, die Frist gemäß § 57 Abs 1 EheG beginnt daher erst mit Kenntnisnahme der letzten in diesem Zusammenhang konkretisierbaren Handlung des Partners (RIS-Justiz RS0057240 [T1 und T6]). Für die von 2005 bis 2009 (bis zur Verdopplung des Einkommens der Beklagten) andauernde Unterhaltsverletzung des Klägers konnte die 6-Monatsfrist des § 57 Abs 1 EheG daher erst 2009 mit Änderung des Einkommens der Beklagten zu laufen beginnen, wurde aber bereits von Beginn an gehemmt; da die häusliche Gemeinschaft bis zur Erhebung der Widerklage (für die die Frist des § 57 Abs 1 EheG ebenso gilt [RIS-Justiz RS0057254]) nicht wieder aufgenommen wurde, konnte keine Verfristung eintreten. Es ist deshalb unerheblich, ob die häusliche Gemeinschaft bereits 2005 oder erst 2009 als aufgehoben anzusehen ist.
7. Auf ein Ende der Fortlaufshemmung hat sich der Kläger in erster Instanz nie berufen, sodass dieser neue, erstmals in dritter Instanz erhobene Einwand als unzulässige Neuerung unbeachtet bleiben muss.
Textnummer
E121555European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2018:0030OB00064.18K.0425.000Im RIS seit
06.06.2018Zuletzt aktualisiert am
24.01.2019