TE OGH 2018/4/25 2Ob28/18h

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Veröffentlicht am 25.04.2018
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin Hon.-Prof. Dr. Lovrek als Vorsitzende sowie die Hofräte Dr. Veith und Dr. Musger, die Hofrätin Dr. E. Solé und den Hofrat Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei f***** gmbh, *****, vertreten durch Mag. Stefan Faulhaber, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. C*****, 2. C***** AG, *****, beide vertreten durch Fellner Wratzfeld & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Feststellung (Streitwert 500.000 EUR), über den „Rekurs“ (richtig Revisionsrekurs) der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 16. September 2016, GZ 1 R 91/16h-46, mit welchem der Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 3. Mai 2016, GZ 40 Cg 44/13s-42, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Der Antrag der beklagten Parteien auf Zuspruch der Kosten der Rechtsmittelbeantwortung wird abgewiesen.

Text

Begründung:

Die Klägerin begehrt mit ihrer am 6. September 2013 beim Handelsgericht Wien erhobenen Klage die Feststellung der Haftung der Beklagten für Schäden, die Anleihegläubiger dadurch erlitten hätten, dass die Beklagten vorsätzlich den Konkurs des Anleiheschuldners herbeigeführt hätten. Die Anleihegläubiger hätten der Klägerin ihre jeweiligen Ansprüche abgetreten. Da das Konkursverfahren noch anhängig sei und möglicherweise Ausschüttungen erfolgen würden, könne der Schaden noch nicht beziffert werden. Daher bestehe ein Feststellungsinteresse iSv § 228 ZPO. Die Beklagten seien in Großbritannien bzw in der Schweiz ansässig; die österreichische Zuständigkeit ergebe sich aus Art 5 Nr 3 EuGVVO alt/LGVÜ.

Die Beklagten bestritten die internationale, örtliche und sachliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts.

Das Erstgericht schränkte das Verfahren auf die Frage der Zuständigkeit ein. Es sprach aus, dass es in Bezug auf die Erstbeklagte mit Ausnahme von einem der abgetretenen Ansprüche zuständig sei. In Bezug auf diesen einen Anspruch wies es die Klage zurück. Hinsichtlich der Zweitbeklagten wies es die Klage zur Gänze wegen sachlicher Unzuständigkeit zurück. Im Umfang der Zurückweisung überwies es die Klage auf Antrag der Klägerin an das nicht offenbar unzuständige Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien. In den Gründen bejahte das Erstgericht die internationale Zuständigkeit auch für die Ansprüche gegen die Zweitbeklagte.

Das von den Beklagten angerufene Rekursgericht änderte diesen Beschluss dahin ab, dass es die Klage zur Gänze wegen internationaler Unzuständigkeit zurückwies. Zur Begründung führte es aus, dass der Umstand, dass sich der Schaden eines Anlegers gleichzeitig auf sein Gesamtvermögen auswirke, nicht dazu führe, dass der Mittelpunkt seines Vermögens, also in der Regel sein Wohnsitz, als Erfolgsort iSv Art 5 Nr 3 EuGVVO/LGVÜ anzusehen sei. Die Geschädigten seien zudem bloß mittelbar Geschädigte. Deren Ansprüche seien akzessorisch zu jenen des unmittelbar Geschädigten, hier also des Anleiheschuldners, was sich auch zuständigkeitsrechtlich auswirke. Einen Bewertungs- und Zulassungsausspruch iSv § 526 Abs 3 ZPO iVm § 500 Abs 2 ZPO traf das Rekursgericht zunächst nicht, weil sich dieser „aufgrund der gebotenen Analogie zu § 519 Abs 1 Z 1 ZPO“ erübrige.

Die Klägerin erhob ein als Rekurs bezeichnetes Rechtsmittel, mit dem sie die Wiederherstellung der erstgerichtlichen Entscheidung und „jedenfalls“ eine Änderung der Kostenentscheidung des Rekursgerichts anstrebt. Die Beklagten beantragen in ihrer Rechtsmittelbeantwortung, die angefochtene Entscheidung zu bestätigen.

Aufgrund einer Zwischenerledigung des Senats (2 Ob 21/17b), in der auf die Anwendbarkeit von § 528 ZPO und die Notwendigkeit getrennter Bewertungs- und Zulassungsaussprüche hingewiesen wurde, ergänzte das Rekursgericht seinen Beschluss: Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands bei bestimmten Anlegern zwar 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR und bei den anderen Anlegern 30.000 EUR übersteige, und es ließ den Revisionsrekurs hinsichtlich aller Ansprüche zu, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage fehle, ob es als Anknüpfungspunkt ausreiche, wenn der Anleihekaufpreis von österreichischen Konten gezahlt worden sei und die Anleihen nun auf österreichischen Depots gehalten würden.

Rechtliche Beurteilung

Das demnach als ordentlicher Revisionsrekurs zu qualifizierende Rechtsmittel der Klägerin ist entgegen dem nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichts nicht zulässig.

1. Der Senat hat schon in der Zwischenerledigung vom 28. November 2017, 2 Ob 21/17b, dargelegt, dass das Rechtsmittel der Klägerin als Revisionsrekurs nach § 528 ZPO zu beurteilen ist. Seine Zulässigkeit hängt daher vom Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage iSv § 528 Abs 1 ZPO ab.

2. Diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt.

Das Rechtsmittel der Klägerin beschränkt sich auf die wörtliche Wiedergabe von Entscheidungen zum Erfolgsort bei Ansprüchen auf Kartellschadenersatz (4 Ob 120/16z, 4 Ob 131/16t). Mit dem tragenden Argument des Rekursgerichts, dass die Klägerin bloß Ansprüche mittelbar Geschädigter geltend mache und der Erstschaden in einem anderen Staat eingetreten sei, setzt es sich nicht einmal ansatzweise auseinander.

Der EuGH hat in diesem Zusammenhang bereits mehrfach ausgesprochen, dass Erfolgsort iSv Art 5 Nr 3 EuGVÜ/EuGVVO 2001 (jetzt Art 7 Nr 2 EuGVVO 2012) nicht schon jener Ort ist, „an dem die nachteiligen Folgen eines Umstands spürbar werden können, der bereits einen
– tatsächlich an einem anderen Ort entstandenen – Schaden verursacht hat“ (C-364/93,
Marinari; C-168/02, Kronhofer). Dies gilt insbesondere dann, wenn der Folgeschaden im Vermögen eines Dritten eintritt (C-220/88, Dumez France; ebenso 7 Ob 135/05m; Simotta in Fasching/Konecny2 Art 5 EuGVVO Rz 325; Leible in Rauscher, EuZPR/EuIPR [2016] Art 7 Brüssel Ia-VO Rz 122). Ein solcher Fall liegt hier vor.

Das Vorabentscheidungsersuchen des Obersten Gerichtshofs zur Lokalisierung des Erfolgsorts in Fällen der Prospekthaftung (3 Ob 28/17i), auf das sich die Zulassungsbegründung des Rekursgerichts offenbar bezieht, betrifft keinen Drittschaden. Es kann daher die Zulässigkeit des Revisionsrekurses ebenfalls nicht begründen.

3. Aus diesen Gründen ist das Rechtsmittel in der Sache mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückzuweisen. Die Unzulässigkeit der Bekämpfung der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 528 Abs 2 Z 3 ZPO.

4. Die Beklagten haben in der Rechtsmittelbeantwortung nicht auf die Unzulässigkeit des in der Sache erhobenen Rechtsmittels hingewiesen. Ihr Antrag auf Zuspruch von deren Kosten war daher abzuweisen.

Textnummer

E121552

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2018:0020OB00028.18H.0425.000

Im RIS seit

06.06.2018

Zuletzt aktualisiert am

31.10.2018
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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