Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 17. Mai 2018 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé, Dr. Oshidari, Dr. Michel-Kwapinski und Dr. Brenner in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Gschiel LL.M., als Schriftführerin in der Strafsache gegen Nabi R***** wegen des Verbrechens des Mordes nach §§ 15 Abs 1, 75 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Geschworenengericht vom 17. Jänner 2018, GZ 13 Hv 77/17y-39, sowie über die Beschwerde des Genannten gegen den unter einem gefassten Beschluss auf Widerruf einer bedingten Strafnachsicht nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden, auch einen rechtskräftigen Freispruch enthaltenden Urteil wurde Nabi R***** der Verbrechen der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB (2./) und des Mordes nach §§ 15 Abs 1, 75 StGB (4./) sowie der Vergehen des Hausfriedensbruchs nach § 109 Abs 1 und Abs 3 Z 1 StGB (1./), der Körperverletzung nach § 83 Abs 2 StGB (3./ und 6./), der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB (5./), sowie der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und Abs 2 erster und fünfter Fall StGB (7./) schuldig erkannt.
Danach hat er am 1. Juli 2017 in G*****
1./ den Eintritt in die Wohnstätte seiner Ehefrau Zara R***** und der gemeinsamen vier Kinder mit Gewalt erzwungen, indem er gegen 22:30 Uhr die versperrte Türe der Wohnung aufstieß, wobei er gegen Zara R***** Gewalt zu üben beabsichtigte;
2./ seine 10-jährige Tochter Parveen R***** mit den Worten: „Wenn du nicht leise bist, werde ich dich auch gleich wie deine Mutter töten!“, wobei er sie dabei mit einer Hand fest am Hals packte, sohin durch gefährliche Drohung mit dem Tod und mit Gewalt, zu einer Unterlassung, nämlich der Abstandnahme davon, zu schreien und die Mutter zu warnen, genötigt;
3./ seine 10-jährige Tochter Parveen R***** durch das feste Packen am Hals vorsätzlich am Körper misshandelt und dadurch in Form von Hämatomen an der rechten Halsseite fahrlässig verletzt;
4./ seine Ehefrau Zara R***** zu töten versucht, indem er mit dem mitgeführten ca 32 cm langen Küchenmesser mehrmals auf ihren Kopf einstach, wodurch die Genannte eine stark blutende, ca 7–8 cm lange und ca 1 cm klaffende Schnittwunde im rechten Schläfenbereich und eine ca 3 cm lange Schnittwunde im linken Scheitelbereich sowie eine Schnittwunde beugeseitig am Endglied des rechten Mittelfingers erlitt;
5./ seine Ehefrau Zara R***** dadurch, dass er ihr mit einer Hand den Mund zuhielt und sie mit der anderen Hand im Nacken packte und sie aus dem Wohnzimmer in das Kinderzimmer zerrte und dort zu Boden stieß, sohin mit Gewalt, zu einer Unterlassung und Duldung, nämlich der Abstandnahme davon, um Hilfe zu schreien, und zum Verbringen in das Nebenzimmer, genötigt;
6./ seine Ehefrau Zara R***** vorsätzlich am Körper misshandelt, indem er ihr mit einer Hand den Mund zuhielt und sie mit der anderen Hand im Nacken packte und sie aus dem Wohnzimmer in das Kinderzimmer zerrte und dort zu Boden stieß und sie dadurch in Form einer Halswirbelsäulenzerrung fahrlässig verletzt;
7./ seine Ehefrau Zara R***** durch die Äußerung, er werde alles hier niederbrennen und alle umbringen, wobei er dabei den Schraubverschluss des Benzinkanisters öffnete, mit dem Tod und einer Brandstiftung gefährlich bedroht, um sie dadurch in Furcht und Unruhe zu versetzen.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die auf § 345 Abs 1 Z 6 und Z 10a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.
Die Fragenrüge (Z 6) fordert, die Hauptfrage 1./ hätte „in zwei Hauptfragen gegliedert werden müssen, nämlich wegen des Angriffs im Wohnzimmer UND wegen des (möglicherweise neuerlichen? oder des fortgesetzten) Versuchs in der Küche“. Solcherart wird prozessordnungswidrig weder die vermisste Frage, noch jener, samt Fundstelle in den Akten anzugebende Sachverhalt, auf den die Rechtsbegriffe der §§ 312 ff StPO abstellen, deutlich und bestimmt bezeichnet (RIS-Justiz RS0117447, RS0119417; vgl Ratz, WK-StPO § 345 Rz 23).
Der formelle Nichtigkeitsgrund des § 345 Abs 1 Z 10a StPO greift seinem Wesen nach erst dann, wenn aktenkundige Beweisergebnisse vorliegen, die nach allgemein menschlicher Erfahrung gravierende Bedenken gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch der Geschworenen festgestellten Tatsachen aufkommen lassen. Eine über die Prüfung erheblicher Bedenken hinausgehende Auseinandersetzung mit der Überzeugungskraft von Beweisergebnissen – wie sie die Berufung wegen Schuld des Einzelrichterverfahrens einräumt – wird dadurch nicht eröffnet (vgl RIS-Justiz RS0119583, RS0118780).
Diesen Anfechtungsrahmen verfehlt die ohne konkrete Bezugnahme auf in der Hauptverhandlung vorgekommenes Beweismaterial (§ 258 Abs 1 StPO) lediglich mit eigenen Beweiswerterwägungen argumentierende Tatsachenrüge.
Das Abstimmungsverhalten der Laienrichter stellt dem Beschwerdevorbringen zuwider keine sich aus den Akten ergebende, aus in der Hauptverhandlung vorkommenden Beweismitteln abgeleitete Tatsache im Sinn des § 345 Abs 1 Z 10a StPO dar (RIS-Justiz RS0117961 [T2]).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 285d Abs 1, 344 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung sowie die Beschwerde folgt (§§ 285i, 344, 498 Abs 3 letzter Satz StPO).
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.
Textnummer
E121568European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2018:0120OS00047.18F.0517.000Im RIS seit
06.06.2018Zuletzt aktualisiert am
06.06.2018