TE Bvwg Erkenntnis 2018/5/16 W133 2133207-1

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Veröffentlicht am 16.05.2018
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Entscheidungsdatum

16.05.2018

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W133 2133207-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Natascha GRUBER als Vorsitzende und den Richter Mag. Michael SCHWARZGRUBER sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Gerald SOMMERHUBER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Niederösterreich, vom 30.06.2016, betreffend die Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses, zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid wie folgt abgeändert:

Dem Antrag von XXXX auf Ausstellung eines Behindertenpasses vom 27.04.2015 wird stattgegeben.

Der Grad der Behinderung der Beschwerdeführerin beträgt ab dem Antragszeitpunkt 50 von Hundert.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin stellte, damals vertreten durch den KOBV, am 27.04.2015 einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses beim Sozialministeriumservice, Landesstelle Niederösterreich (in der Folge als "belangte Behörde" bezeichnet), um einen Parkausweises nach § 29b StVO zu erlangen, und legte medizinische Unterlagen vor.

Die belangte Behörde holte in der Folge ein Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin vom 09.07.2015 ein. In diesem wurden ohne Durchführung einer persönlichen Untersuchung, nur auf Grundlage der vorgelegten Befunde die Funktionseinschränkungen den Leidenspositionen

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos.Nr.

GdB %

1

Zustand nach mehrfachen Schließmuskel-Operationen mit Stuhlinkontinenz, aber ohne Stuhlkonsistenzveränderung (keine Durchfälle). Oberer Rahmensatz, da unwillkürlicher Stuhlabgang bei leichten Tätigkeiten vorkommen kann

07.04.15

40

2

Zustand nach Entfernung der Gebärmutter und beider Eileiter Fixer Rahmensatz

08.03.02

10

zugeordnet und

nach der Einschätzungsverordnung ein Gesamtgrad der Behinderung von 40 von Hundert (v.H.) eingeschätzt. Bezüglich der Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel führte der Gutachter aus, dass diese Beurteilung eine schwierig zu entscheidende Frage sei, wobei folgende Tatsachen zu berücksichtigen seien:

1) Der Schließmuskel sei deutlich vernarbt und ausgedünnt sowie weitgehend funktionslos.

2) die Stuhlkonsistenz sei nicht verändert, weil keine chronische Darmerkrankung vorliege (kein weicher Stuhl, keine Durchfälle). Eine Versorgung mit Inkontinenzprodukten sei somit eher suffizient möglich.

3) Die Antragstellerin sei nicht austherapiert, da ihre Form der Stuhlinkontinenz in der Regel gut mit einem Darmschrittmacher behandelbar sei.

Die belangte Behörde räumte der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 22.07.2015 ordnungsgemäß Parteiengehör zu diesem Gutachten ein.

Mit Schreiben vom 03.08.2015 erstattete die Beschwerdeführerin eine Stellungnahme, worin sie ausführte, sie müsse regelmäßig ein namentlich genanntes Medikament einnehmen, welches ihren Stuhl weich und wässrig mache. Es sei ihr nicht möglich, öffentliche Verkehrsmittel zu benützen. Sie habe keine Kontrolle über ihren Stuhlgang. Sie erwäge ohnehin einen Darmschrittmacher. Sie ersuche, die Entscheidung zu überprüfen.

In der Folge holte die belangte Behörde ein weiteres allgemeinmedizinisches Sachverständigengutachten - diesmal auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin - ein. In diesem Gutachten der Ärztin für Allgemeinmedizin vom 17.03.2016 wurden die Funktionseinschränkungen den Leidenspositionen

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos.Nr.

GdB %

1

Zustand nach mehrfachen Schließmuskeloperationen mit Stuhlinkontinenz, Obstipation und laufender Stuhlauflockerungstherapie. Oberer Rahmensatz, da unwillkürlicher Stuhlabgang und Erfordernis von Inkontinenzhosenversorgung

07.04.15

40

2

Zustand nach Entfernung von Gebärmutter und beiden Eierstöcken Fixer Rahmensatz

08.03.02

10

zugeordnet und

nach der Einschätzungsverordnung neuerlich ein Gesamtgrad der Behinderung von 40 von Hundert (v.H.) eingeschätzt. Bezüglich der Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel führte die Gutachterin betreffend die Stuhlinkontinenz aus, dass eine Stuhlinkontinenz nicht ausreichend sei, um die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel festzustellen. Eine allfällige Kontinenz-Einlagenversorgung mit handelsüblichen Produkten werde vom Gesetzgeber als zumutbar angesehen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 30.06.2016 wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin auf Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß §§ 40, 41 und 45 Bundesbehindertengesetz (BBG) ab, da sie mit dem festgestellten Grad der Behinderung von 40 v.H. die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht erfülle. In der Begründung verwies die belangte Behörde auf das ärztliche Sachverständigengutachten vom 17.03.2016, wonach der Grad der Behinderung 40 v.H. betrage. Das Gutachten wurde der Beschwerdeführerin als Beilage des Bescheides übermittelt. Ein Abspruch über die Zusatzeintragung der "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" erfolgte in diesem Bescheid nicht.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 13.08.2016 unvertreten fristgerecht eine Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Darin führt sie im Wesentlichen aus, der Bescheid beruhe auf einer Anamnese, laut der die Behinderung schmerzfrei sei, es keine Stuhlkonsistenzveränderungen gäbe und das Körpergewicht stabil sei. Wahr sei aber vielmehr, dass es trotz jahrelanger Medikation sehr wohl zu unkontrollierten Durchfällen und tagelangen Schmerzen komme. Wegen dieses Kontrollverlusts könne sie auch beispielsweise keine öffentlichen Verkehrsmittel benützen. Es handle sich um einen Dauerzustand. Ihr Leidensdruck könne durch den Behindertenpass gemindert werden, da er ihr Parkplatzsuche und Gehwege, vor allem mit voller Hose, erleichtern würde. Der Beschwerde legte die Beschwerdeführerin eine fachärztliche Stellungnahme vom 8. August 2016 bei, welche unter anderem einen Wexner-Score von 17 dokumentiert.

Am 24.08.2016 legte die belangte Behörde die Beschwerde und den Bezug habenden Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht vor.

Am 28.03.2018 erfolgte eine Kontaktaufnahme des Bundesverwaltungsgerichtes mit der 80-jährigen Beschwerdeführerin, wobei diese dem Gericht mitteilte, dass sich an ihrem Leidenszustand seit der Antragstellung leider nichts geändert habe. Mittlerweile sei auch eine Darmschrittmacherimplantation erfolgt, welche aber an der nach wie vor bestehendeen Stuhlinkontinenz leider nichts geändert habe. Es sei für sie völlig unberechenbar und nicht kontrollierbar, wann sie Stuhl absetzen müsse. Sie müsse auch nach wie vor ein Medikament einnehmen, damit der Stuhl weich bleibe. Sie könne ihre Wohnung nur mit Inkontinenzhosen verlassen und sich nur an Orte begeben, wo sie sicher wisse, dass sie unverzüglich ein WC erreichen könne.

Mit Schreiben vom 28.03.2018 räumte das Bundesverwaltungsgericht den Parteien rechtliches Gehör zu diesem Sachverhalt ein, wie auch zur beabsichtigten rechtlichen Beurteilung des Bundesverwaltungsgerichtes.

Beide Parteien traten den Ergebnissen der Beweisaufnahme und der beabsichtigten rechtlichen Beurteilung nicht entgegen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

Die Beschwerdeführerin brachte am 27.04.2015 einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses bei der belangten Behörde ein.

Sie hat ihren Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt im Inland.

Bei der 80 Jahre alten Beschwerdeführerin bestehen folgende Gesundheitsschädigungen, die voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

1) Zustand nach mehrfachen Schließmuskeloperationen mit

Stuhlinkontinenz und laufender Stuhlauflockerungstherapie; es

besteht unwillkürlicher Stuhlabgang und das ständige Erfordernis von

Inkontinenzhosenversorgung. Trotz erfolgter

Darmschrittmacherimplantation besteht nach wie vor nahezu völlige

Stuhlinkontinenz bei einem Wexner-Score von 17 (0=kontinent,

20=komplett inkontinent). Es ist für die Beschwerdeführerin völlig

unberechenbar und nicht kontrollierbar, wann sie Stuhl absetzen

muss. Sie muss gleichzeitig auch nach wie vor ein Medikament

einnehmen, damit der Stuhl weich bleibt, was die

Inkontinenz-Situation zusätzlich verschlimmert;

2) Zustand nach Entfernung von Gebärmutter und beiden Eierstöcken.

Das führende Leiden 1 wird durch Leiden 2 nicht erhöht, da kein ungünstiges Zusammenwirken in relevantem Ausmaß vorliegt.

Der Gesamtgrad der Behinderung der Beschwerdeführerin beträgt aktuell 50 v. H. Aufgrund der vorliegenden Befunde ist davon auszugehen, dass dieser Grad der Behinderung seit Antragstellung besteht. Auch die zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung noch vorgelegene Darmschrittmacherimplantation ist mittlerweile versucht worden, brachte jedoch keine Verbesserung der nahezu völligen Stuhlinkontinenz.

Hinsichtlich der bei der Beschwerdeführerin bestehenden einzelnen Funktionseinschränkungen, deren Ausmaß, wechselseitiger Leidensbeeinflussung und medizinischer Einschätzung werden grundsätzlich die diesbezüglichen Beurteilungen im Sachverständigengutachten der Ärztin für Allgemeinmedizin vom 17.03.2016 der nunmehrigen Entscheidung zu Grunde gelegt. Allerdings erfolgt durch das Bundesverwaltungsgericht eine andere Einschätzung des Leidens 1 als im Gutachten; diesbezüglich wird auf die nachfolgenden beweiswürdigenden und rechtlichen Ausführungen verwiesen.

2. Beweiswürdigung:

Das Datum der Einbringung des gegenständlichen Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses basiert auf dem Akteninhalt.

Die Feststellungen zum Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt der Beschwerdeführerin im Inland ergeben sich aus der im Akt aufliegenden Kopie der Meldebestätigung und ihren eigenen Angaben bei der Antragstellung; konkrete Anhaltspunkte dafür, dass sie ihren Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt nicht mehr im Inland hätte, sind im Verfahren nicht hervorgekommen. Auch die belangte Behörde ging vom Vorliegen dieser Voraussetzung aus.

Die bestehenden Leidenszustände basieren grundsätzlich auf dem seitens der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachten der Ärztin für Allgemeinmedizin vom 17.03.2016. In diesem Gutachten wird auf die Art der Leiden der Beschwerdeführerin und deren Ausmaß vollständig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei eingegangen. Die Gutachterin hielt in diesem Gutachten auch - in Übereinstimmung mit den Angaben der Beschwerdeführerin - bereits fest, dass der Stuhlabgang unwillkürlich erfolgt. In der Anamnese hielt die Gutachterin zudem fest, dass das Halten des Stuhles nicht möglich ist, und zudem, aufgrund der einzunehmenden Medikamente, weicher Stuhl besteht.

Die Gutachterin ging zum damaligen Zeitpunkt davon aus, dass noch eine Therapieoption in Form einer Darmschrittmacherimplantation besteht. Zum aktuellen Zeitpunkt steht jedoch fest, dass auch diese Maßnahme keine Verbesserung des Leidenszustandes erbracht hat. Aus den Angaben der Beschwerdeführerin und den vorliegenden Befunden ergibt sich eine nahezu komplette Stuhlinkontinenz nach mehrfachen operativen Maßnahmen am Schließmuskel.

Die belangte Behörde ist dem Ermittlungsergebnis nicht entgegen getreten.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A)

Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG), BGBl. 283/1990 idF BGBl. I Nr. 155/2017, lauten auszugsweise:

"§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

...

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpass auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.

§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

...

§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familiennamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

...

§ 45.

(1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.

....."

Wie oben unter Punkt II.2. eingehend ausgeführt wurde, wird der gegenständlichen Entscheidung das grundsätzlich schlüssige allgemeinmedizinische Sachverständigengutachten vom 17.03.2016 zu Grunde gelegt. Allerdings kommt das Bundesverwaltungsgericht hinsichtlich der Einschätzung des führenden Leidens Nr. 1 zu einer - vom Gutachten abweichenden - Beurteilung:

Aufgrund der - trotz Ausschöpfung der möglichen operativen Maßnahmen - nach wie vor bei der Beschwerdeführerin bestehenden nahezu völligen Stuhlinkontinenz, ist auf Grundlage der aktuellen Aktenlage davon auszugehen, dass das führende Schließmuskelleiden der Beschwerdeführerin nicht nur als Schließmuskelschwäche, wie bisher eingestuft, sondern vergleichbar einer Schließmuskellähmung dem unteren Rahmensatz der Positionsnummer 07.04.16. zuzuordnen und mit einem Einzelgrad der Behinderung von 50 % zu bewerten ist.

Leiden 2 erhöht mangels entscheidungserheblicher Schwere den Gesamtgrad der Behinderung nicht weiter.

Es ist daher davon auszugehen, dass der Grad der Behinderung der Beschwerdeführerin zum aktuellen Entscheidungszeitpunkt 50 v.H. beträgt. Da sich die diesbezüglichen Funktionseinschränkungen seit der Antragstellung nicht verbessert haben, ist der Gesamtgrad der Behinderung seit dem Zeitpunkt der Antragstellung anzunehmen.

Diese Beurteilung wurde von der belangten Behörde nicht bestritten.

Mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 50 v.H. sind die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40 Abs. 1 BBG, wonach behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbstätigkeit von mindestens 50 v.H. ein Behindertenpass auszustellen ist, erfüllt.

Die belangte Behörde wird somit der Beschwerdeführerin in der Folge einen Behindertenpass auszustellen und, sollte ein Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel bereits gestellt worden sein, was sich dem vorliegenden Akt nicht zweifelsfrei entnehmen lässt, allenfalls auch darüber abzusprechen haben. Die Beschwerdeführerin war im verwaltungsgerichtlichen Verfahren rechtlich nicht vertreten.

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Zu Spruchteil B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden, noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Behindertenpass, Grad der Behinderung, Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W133.2133207.1.00

Zuletzt aktualisiert am

01.06.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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