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25/02 Strafvollzug;Norm
StVG §73 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Baur, Dr. Nowakowski und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hohenecker, über die Beschwerde des RD in S, vertreten durch Dr. Hubert Sacha, Rechtsanwalt in 3500 Krems/Donau, Gartenaugasse 3, gegen den Bescheid des Bundesministers für Justiz vom 9. Oktober 1996, Zl. 409.031/7-V 6/1996, betreffend Kosten des Zahnersatzes eines Strafgefangenen gemäß § 73 Abs. 2 StVG, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesministerium für Justiz) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer verbüßt in der Justizanstalt eine langjährige Freiheitsstrafe. Mit dem angefochtenen, über eine Administrativbeschwerde des Beschwerdeführers gegen eine Entscheidung des Anstaltsleiters ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde das Ansuchen des Beschwerdeführers auf Kostentragung des Bundes für die Herstellung eines Zahnersatzes im Wesentlichen aus folgenden Gründen ab:
"Im Hinblick auf das Hausgeldguthaben in der Höhe von S 7.086,-- sowie zu erwartender gleichbleibender Einkünfte des Strafgefangenen aus seiner Arbeitstätigkeit wäre die Kostentragung durch den Strafgefangenen so zu bewerkstelligen, dass die Kosten zunächst aus seinem Hausgeld (z.B. S 6.000,--) und in Ansehung des nicht gedeckten Teiles ratenweise aus seinem künftigen Einkommen (S 250,-- pro Monat) zu bezahlen wären. Dabei wäre dem Strafgefangenen eine monatliche Rate in dieser Höhe in Hinblick auf das von ihm erzielte regelmäßige Arbeitseinkommen durchaus zumutbar. Hingegen fehlt es an den gesetzlichen Voraussetzungen zur Bestreitung der angesprochenen Kosten durch den Bund, zumal der Strafgefangene aufgrund seiner eingangs geschilderten Vermögensverhältnisse durchaus in der Lage ist, die Kosten des Zahnersatzes selbst zu bestreiten."
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:
Nach § 73 Abs. 1 StVG ist dem Strafgefangenen die notwendige Zahnbehandlung zu gewähren. Die konservierende Zahnbehandlung erfolgt (gemeint: auf Kosten des Bundes) in einfacher Form, soweit der Strafgefangene nicht eine besondere Ausführung auf seine Kosten begehrt.
Gemäß § 73 Abs. 2 erster Satz StVG ist Zahnersatz grundsätzlich nur auf Kosten des Strafgefangenen zu gewähren. Soweit der Strafgefangene nicht über die entsprechenden Mittel (Abs. 3) verfügt, sind die Kosten des Zahnersatzes nach § 73 Abs. 2 zweiter Satz StVG aber vom Bund zu tragen, wenn die Herstellung oder Umarbeitung des Zahnersatzes nicht ohne Gefährdung der Gesundheit des Strafgefangenen bis zur Entlassung aufgeschoben werden kann. § 73 Abs. 3 StVG erlaubt dem Strafgefangenen, zur Bestreitung der Kosten, die ihm "nach den vorstehenden Absätzen erwachsen können", auch Gelder zu verwenden, die ihm sonst für die Verschaffung von Leistungen im Strafvollzug nicht zur Verfügung stehen.
Im vorliegenden Fall stellt die belangte Behörde ausdrücklich außer Streit, dass der Zahnersatz unaufschiebbar notwendig war, der Beschwerdeführer über kein Eigengeld verfügt und - nach den Ausführungen in der Gegenschrift - eine Heranziehung der Rücklage des Beschwerdeführers (aus der der Zahnersatz einvernehmlich zwischenfinanziert wurde) nicht in Frage kommt. Im Zeitpunkt der angefochtenen Entscheidung verfügte der Beschwerdeführer über ein Hausgeldguthaben von etwa S 7.000,--, während sich der Kostenvoranschlag für den Zahnersatz auf S 21.888,-- belief.
Strittig ist zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens, ob ein Strafgefangener darauf, dass der Bund die Kosten unaufschiebbaren Zahnersatzes trägt, auch insoweit Anspruch hat, als seine derzeitigen Mittel dafür zwar nicht ausreichen, ihm aber die künftige Entrichtung von Ratenzahlungen aus von ihm im Zeitpunkt der Entscheidung noch nicht erzielten Arbeitseinkünften zumutbar erscheint. Die belangte Behörde verneint dies und führt dazu in der Gegenschrift aus, ihrer Ansicht nach habe der Strafgefangene in einem solchen Fall einen Teil seines Hausgeldguthabens als Anzahlung zu leisten und den verbleibenden Rest "nach Bevorschussung durch den Bund in Monatsraten abzustatten". Maßgeblich müsse die gesamte wirtschaftliche Lage des Strafgefangenen sein, zu der auch ein vorausberechenbares, sicheres Einkommen gehöre. Da der Strafgefangene über das Hausgeld jederzeit anderweitig verfügen könne, würde es andernfalls in seinem Belieben liegen, auf diese Weise die Kostentragung durch den Bund herbeizuführen. Wegen der Höhe der jährlichen Ausgaben für Zahnbehandlung und Zahnersätze der Strafgefangenen seien die Bestimmungen "eng auszulegen". Eine "vermehrte" Verpflichtung der Strafgefangenen, bestimmte Kosten selbst zu tragen, diene - soweit diese "Möglichkeit" gesetzlich gedeckt sei - auch dem erzieherischen Zweck des Strafvollzuges, wobei dieser Gedanke im vorliegenden Fall aber "nur am Rande" zum Tragen komme, weil der Beschwerdeführer ohnehin bereit sei, einen Teil der Kosten zu tragen.
Diesen Überlegungen ist nicht zu folgen, weil sie gedanklich eine im Gesetz nicht vorgesehene Rückforderbarkeit der Kosten, die nach § 73 Abs. 2 zweiter Satz StVG "vom Bunde zu tragen" sind, voraussetzen würden. Eine entsprechende Umgestaltung der Regelung im Sinne eines Ersetzens der im Gesetz angeordneten Kostentragung durch eine Bevorschussung ist insbesondere im Zuge der Ausweitung der Pflicht zum Ersatz von Kosten des Strafvollzuges durch die Strafvollzugsnovelle 1993 im Zusammenhang mit der Erhöhung der Arbeitsvergütungen nicht vorgenommen worden. Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes kann dies nicht dadurch umgangen werden, dass vom Strafgefangenen noch nicht erzielte Einkünfte in der von der belangten Behörde vorgeschlagenen Weise in die Prüfung der Frage, ob er über die zur Herstellung des Zahnersatzes erforderlichen Mittel "verfügt", einbezogen werden.
Der angefochtene Bescheid, der nach seiner sprachlichen Fassung keine Abweisung der Beschwerde in dem Umfang, in dem auf das vorhandene Hausgeldguthaben des Beschwerdeführers Bedacht genommen wurde, zulässt, war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 24. Februar 2000
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:1997200173.X00Im RIS seit
20.11.2000