TE OGH 2018/4/10 1R13/18s

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 10.04.2018
beobachten
merken

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht durch die Senatspräsidentin des Oberlandesgerichts Dr. Jesionek als Vorsitzende und die Richterinnen des Oberlandesgerichts Dr. Faber und Mag. Istjan, LL.M., in der Rechtssache der klagenden Partei A***** AG, *****, vertreten durch die Huber Swoboda Oswald Aixberger Rechtsanwälte GmbH in Wien, wider die beklagte Partei M***** K*****, ******, vertreten durch die Strohmayer Heihs Strohmayer Schlor Rechtsanwälte OG in St. Pölten, wegen Unterlassung (Streitwert EUR 34.900,-) und Urteilsveröffentlichung (Streitwert EUR 100,-), über den Kostenrekurs der klagenden Partei (Rekursinteresse EUR 1.496,69) gegen den Beschluss des Landesgerichts St. Pölten vom 22.12.2017, 42 Cg 57/17p-10, in nicht öffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 252,31 (darin enthalten EUR 42,05 USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.

Text

Begründung:

Mit Klage vom 7.11.2017 begehrte die Klägerin, dem Beklagten zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr Geräte für die Durchführung von Glücksspielen in Form der Ausspielung zu betreiben oder einem Dritten den Betrieb von Geräten für die Durchführung von Glücksspielen in Form der Ausspielung zu ermöglichen, insbesondere durch Aufstellung und/oder Zugänglichmachung solcher Geräte, insbesondere in einem näher bezeichneten Geschäftslokal, solange er oder der Dritte, dem er die Durchführung von Glücksspielen in Form der Ausspielung ermögliche, nicht über die dafür erforderliche Konzession oder behördliche Bewilligung verfüge und/oder nicht die Bestimmungen über den Spielerschutz nach den glücksspielrechtlichen Vorschriften einhalte, insbesondere kein Identifikationssystem/Zutrittssystem bestehe. Weiters stellte sie ein Begehren auf Urteilsveröffentlichung.

Gleichzeitig mit der Klage beantragte sie die Erlassung einer einstweiligen Verfügung zur Sicherung des Unterlassungsanspruchs.

Mit Beschluss vom 8.11.2017 räumte das Erstgericht dem Beklagten die Möglichkeit ein, sich binnen 14 Tagen zum Sicherungsantrag zu äußern und trug ihm die Erstattung der Klagebeantwortung auf. Dieser Beschluss wurde vom Beklagten am 10.11.2017 persönlich übernommen.

Mit Schriftsatz vom 16.11.2017 zog die Klägerin die Klage und den Sicherungsantrag unter Anspruchsverzicht zurück. Das Erstgericht nahm die Zurückziehung der Klage und des Sicherungsantrags mit Beschluss vom 17.11.2017 (ON 5) zur Kenntnis und verfügte die Zustellung dieses Beschlusses und des Schriftsatzes der Klägerin sowie einer Note, wonach der Beschluss betreffend die Äußerung zur einstweiligen Verfügung gegenstandslos sei, an den Beklagten. Die Zustellung an den Beklagten erfolgte durch Hinterlegung zur Abholung ab dem 24.11.2017.

Bereits vor Zustellung an den Beklagten, nämlich am 21.11.2017, langte beim Erstgericht eine Vollmachtsbekanntgabe des Beklagten samt Äußerung zum Sicherungsantrag ein (ON 6). Für die Äußerung werden im Web-ERV-Deckblatt der Eingabe Kosten von EUR 1.468,44 verzeichnet.

Mit Schriftsatz vom 15.12.2017 (ON 7) beantragte der Beklagte den Ersatz seiner Äußerungskosten von EUR 1.468,44 zuzüglich der Kosten des Kostenbestimmungsantrags von EUR 28,25.

Die Klägerin sprach sich gegen einen Kostenzuspruch aus, weil die Äußerung erst nach Klagsrückziehung erstattet und darin keine Kosten verzeichnet worden seien.

Mit dem angefochtenen Beschluss verpflichtete das Erstgericht die Klägerin antragsgemäß zum Kostenersatz in Höhe von EUR 1.496,69.

Es begründete die Antragsstattgebung damit, dass die Äußerung des Beklagten noch vor der Zustellung der Klagsrückziehung eingelangt sei.

Dagegen richtet sich der Kostenrekurs der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss im antragsabweisenden Sinn abzuändern.

Der Beklagte beantragt, dem Kostenrekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

1. Der Rekurs vertritt den Standpunkt, die Äußerung des Beklagten zum Sicherungsantrag sei nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlich gewesen, weil sie erst nach Beendigung des Verfahrens eingebracht worden sei.

Die Klagerücknahme ist eine formgebundene Prozesshandlung, die entweder durch Schriftsatz oder durch eine bei der mündlichen Verhandlung abgegebene Erklärung erfolgt (Rechberger/Klicka in Rechberger, ZPO4 § 237 Rz 6). Die Wirksamkeit der Klagerücknahme tritt mit der Erklärung des Klägers (genauer: mit dem Zugang der Erklärung an das Gericht) ex lege ein (Lovrek in Fasching/Konecny³ § 237 Rz 37); eine Zustimmung des Gegners ist im vorliegenden Fall nicht erforderlich. Die Erklärung beendet den Rechtsstreit, weshalb es keines konstitutiven Beschlusses des Gerichts für den Eintritt der Wirkungen des § 237 Abs 3 ZPO bedarf (Lovrek aaO § 237 Rz 37; RIS-Justiz RS0039488).

Nach § 237 Abs 3 ZPO hat die Zurücknahme der Klage zur Folge, dass der Kläger, wenn die Parteien nichts anderes vereinbaren, dem Beklagten alle diesem nicht bereits rechtskräftig auferlegten Prozesskosten zu ersetzen hat. § 237 Abs 3 ZPO kommt auch im Fall der Zurückziehung eines Sicherungsantrags zur Anwendung (vgl RIS-Justiz RS0120298).

Anspruchsgrundlage ist daher nicht § 41 ZPO, sondern eine allfällige Parteienvereinbarung, mangels einer solche die Sonderregelung des § 237 Abs 3 ZPO (4 Ob 143/05s mwN). Es ist nicht zu prüfen, aus welchen Gründen die Klagsrücknahme erfolgt ist (Obermaier, Kostenhandbuch² Rz 107). Sofern die Parteien nichts anderes vereinbart haben, hat der Kläger dem Gegner alle verursachten Kosten zu ersetzen (Rechberger/Klicka aaO § 237-238 Rz 10).

Im vorliegenden Fall wurden die Kosten der Äußerung des Beklagten durch den Sicherungsantrag der Klägerin verursacht. Die Erstattung der Äußerung war auch zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig iSd § 41 ZPO.

Als zweckentsprechend gilt jede prozessuale Aktion, die zum prozessualen Ziel der Partei führen kann; sie muss nach objektiver Beurteilung eine Förderung des Prozesserfolgs erwarten lassen; notwendig ist jede Aktion, deren Zweck mit geringerem Aufwand nicht erreicht werden kann (Obermaier aaO Rz 208; RIS-Justiz RS0036038; RS0035774).

Beide Beurteilungen sind immer ex ante unter Anlegung eines objektiven Maßstabs vorzunehmen (Obermaier aaO Rz 208; M. Bydlinski in Fasching/Konecny³ § 41 ZPO Rz 20; RIS-Justiz RS0036038; RS0108446). Zu ersetzen sind all jene Kosten, deren Aufwendung gemessen am Verfahrensziel zur Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung zweckmäßig erscheinen mussten (M. Bydlinski aaO § 41 ZPO Rz 20).

Im Zeitpunkt der Einbringung der Äußerung des Beklagten musste diese Prozesshandlung bei objektiver Betrachtung zur Erreichung des Prozessziels im Provisorialverfahren, nämlich der Abwehr des Sicherungsantrags der Klägerin, geeignet erscheinen, hatte der Beklagte doch zu diesem Zeitpunkt noch keine Kenntnis von der Klagsrücknahme durch die Klägerin. Auf die Frage, ob die verfahrensbeendende Wirkung der Klagsrücknahme bereits zuvor eingetreten war, kommt es damit für die Kostenersatzpflicht der Klägerin nicht an (vgl RIS-Justiz RW0000091 = OLG Wien 7 Ra 114/96).

2. Der Rekurs beanstandet weiters, dass dem Beklagten deshalb kein Kostenersatz gebühre, weil er die Kosten seiner Äußerung nur im ERV-Deckblatt, nicht aber in dem als PDF-Anhang eingebrachten Äußerungsschriftsatz selbst verzeichnete.

Zur Geltendmachung des Kostenersatzanpruchs ist kein formeller Antrag der Parteien erforderlich, sondern nur die Vorlage eines Kostenverzeichnisses. Die Kostenaufstellung kann abgesondert vorgelegt oder in Schriftsätzen im Anschluss an die Sachausführungen enthalten sein; dies hat im Anwaltsprozess durch einem qualifizierten Bevollmächtigten zu erfolgen (M. Bydlinski in Fasching/Konecny³ § 54 ZPO Rz 1 f).

Schon aus diesen Grundsätzen ergibt sich, dass hier die Geltendmachung des Kostenersatzanspruchs im ERV-Deckblatt der kostenverursachenden Prozesshandlung ausreicht, da dafür außer der Schriftform und der Geltendmachung durch einen Rechtsanwalt – beide Erfordernisse sind im vorliegenden Fall erfüllt - keine weiteren Formerfordernisse einzuhalten sind.

Aus der im Rekurs zitierten Entscheidung 1 Ob 30/10h ergibt sich nichts Gegenteiliges. Diese Entscheidung behandelt die Frage des Erwerbs der Parteistellung in einem Fall, in dem das ERV-Deckblatt einen vom als PDF-Anhang angeschlossenen Klageschriftsatz abweichenden Inhalt aufwies. Der Oberste Gerichtshof ging zwar davon aus, dass bei der Übermittlung einer Eingabe im elektronischen Rechtsverkehr als PDF-Anhang gemäß § 5 Abs 1 zweiter Satz ERV das übermittelte PDF-Dokument die schriftliche Eingabe darstellt, ließ aber die rechtliche Einordnung des ERV-Deckblatts ausdrücklich offen. Im konkreten Fall erachtete er als entscheidend, dass dem ERV-Deckblatt keine eindeutige Klarstellung zu entnehmen war, wer – abweichend vom Inhalt des PDF-Anhangs – klagende Partei sein sollte. Dass der Inhalt des ERV-Deckblatts schlechthin unbeachtlich wäre, kann daher aus 1 Ob 30/10h gerade nicht abgeleitet werden.

Im vorliegenden Fall sind keine der Entscheidung 1 Ob 30/10h vergleichbaren Zweifelsfragen zu lösen. Vielmehr ist eindeutig, dass mit dem in das Deckblatt aufgenommenen Kostenverzeichnis ein Kostenersatzanspruch in der dafür vorgeschriebenen Form – schriftlich und durch einen Rechtsanwalt eingebracht - geltend gemacht wird.

Das Erstgericht hat die Klägerin daher zutreffend zum Ersatz der Äußerungskosten und – da § 237 Abs 3 ZPO eine Parteienvereinbarung im Kostenpunkt ausdrücklich zulässt und die Kostenersatzpflicht nach dieser Bestimmung nur schlagend wird, wenn die Parteien nichts anderes vereinbaren (Obermaier aaO Rz 107) – auch der Kosten des Kostenbestimmungsantrags des Beklagten verpflichtet. Die Höhe des Kostenzuspruchs wird im Rekurs nicht beanstandet.

3. Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens gründet auf §§ 41, 50 ZPO iVm 11 RATG.

4. Der Revisionsrekurs ist gemäß § 528 Abs 2 Z 3 ZPO jedenfalls unzulässig.

Textnummer

EW0000888

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OLG0009:2018:00100R00013.18S.0410.000

Im RIS seit

05.06.2018

Zuletzt aktualisiert am

06.06.2018
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten