Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 9. Mai 2018 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, Mag. Michel, Dr. Oberressl und Dr. Brenner in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Albu als Schriftführer in der Finanzstrafsache gegen Heinz K***** wegen Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs 2 lit a, 38 Abs 1 FinStrG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Schöffengericht vom 13. Juli 2017, GZ 17 Hv 39/16k-48, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Aus ihrem Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in der Subsumtion der vom Schuldspruch erfassten Taten unter § 38 Abs 1 FinStrG, demzufolge auch im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung), aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Klagenfurt verwiesen.
Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.
Ihm fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Heinz K***** mehrerer Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs 2 lit a, 38 Abs 1 FinStrG schuldig erkannt.
Danach hat er im Zuständigkeitsbereich des Finanzamts K***** vorsätzlich sowie „ab Juni 2008 in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung von Abgabenhinterziehungen eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen“, unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von § 21 UStG 1994 entsprechenden Voranmeldungen spätestens bis zum 15. des auf den Umsatz zweitfolgenden Monats (US 5) eine Verkürzung an Umsatzsteuer von insgesamt 238.823,91 Euro bewirkt und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiss gehalten, und zwar (in im Ersturteil jeweils einzeln ausgewiesener Höhe)
(1) als Geschäftsführer der K***** GmbH (in Liquidation) für jeden der Monate März 2008, Mai bis November 2008, April bis Juni 2009 und August 2009 bis September 2010;
(2) als Geschäftsführer der KH***** GmbH für jeden der Monate Jänner 2012 sowie August, September und Dezember 2013.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen wendet sich die auf § 281 Abs 1 Z 1 sowie 9 lit a und lit b StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.
Die Besetzungsrüge (Z 1) behauptet, der Vorsitzende des Schöffengerichts sei bereits „in einem mit diesem Verfahren zusammenhängenden Verfahren“ als Richter tätig geworden. Sie legt (schon) nicht dar, wodurch der Beschwerdeführer daran gehindert war, den (angeblich) Ausgeschlossenheit begründenden Umstand gleich zu Beginn der Hauptverhandlung geltend zu machen, obwohl er ihm – wie sich aus dem Rechtsmittelvorbringen selbst ergibt – bereits zuvor zugänglich geworden war (§ 281 Abs 1 Z 1 zweiter Halbsatz StPO; RIS-Justiz RS0119225; vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 133 ff).
Die Rechtsrüge entwickelt ihre Behauptung rechtfertigenden Notstands (Z 9 lit b) und des Fehlens gerichtlicher Strafbarkeit (Z 9 lit a) – ohne einen Feststellungsmangel prozessförmig geltend zu machen – nicht aus den tatrichterlichen Feststellungen, sondern aus der Verantwortung des Angeklagten. Damit verfehlt sie den – im Urteilssachverhalt gelegenen – Bezugspunkt materieller Nichtigkeit (RIS-Justiz RS0099810).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – im Einklang mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.
Aus ihrem Anlass überzeugte sich der Oberste Gerichtshof davon, dass das angefochtene Urteil mit – zugunsten des Angeklagten nicht geltend gemachter – materieller Nichtigkeit behaftet ist, die diesem jedoch zum Nachteil gereicht und daher von Amts wegen aufzugreifen war (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO):
Das Erstgericht subsumierte die von den Schuldsprüchen erfassten Taten (auch) § 38 FinStrG (idgF). Diese Qualifikationsnorm verlangt (in Abs 2) die Absicht des Täters, sich durch wiederkehrende Begehung des in Rede stehenden Finanzvergehens einen (nicht bloß geringfügigen fortlaufenden) abgabenrechtlichen Vorteil zu verschaffen (RIS-Justiz RS0131593).
Die Tatrichter konstatierten zwar eine auf das Sich-Verschaffen eines „nicht bloß geringfügigen Abgabenvorteils in Gestalt von ersparten Abgabenzahlungen“ gerichtete Absicht der Angeklagten (US 7). Den für die rechtliche Beurteilung insoweit maßgebenden (RIS-Justiz RS0119090) Sachverhaltsbezug aber stellten sie (erkennbar) dahin her, dass der Angeklagte dabei auf ein – als Gesellschafter der jeweiligen Abgabenschuldnerin (US 4) zu lukrierendes – „Einkommen“ (US 11) abzielte.
Diese Sachverhaltsgrundlage reicht für die Subsumtion nach § 38 FinStrG nicht hin, weil ein Vorteil, den der Täter mittelbar über seine Beteiligung an der von einer Abgabenverkürzung profitierenden Kapitalgesellschaft erlangt, für ihn selbst nicht abgabenrechtlicher, sondern (bloß) wirtschaftlicher Natur ist.
Hinzu kommt, dass das Schöffengericht auch die ersten beiden vom Schuldspruch erfassten Finanzvergehen § 38 Abs 1 FinStrG subsumierte (US 3), obwohl es davon ausging, dass der Angeklagte (nicht diese, sondern) nur die nachfolgenden Taten in der Absicht verübte, sich durch die wiederkehrende Begehung ebensolcher einen nicht bloß geringfügigen fortlaufenden Vorteil zu verschaffen (US 7: „nach erfolgreicher Begehung der ersten beiden Taten im März und Mai 2008“; vgl § 38 Abs 2 Z 3 erster Fall FinStrG).
Der dargestellte Subsumtionsfehler (Z 10) führte – abermals im Einklang mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei der nichtöffentlichen Beratung zur Aufhebung des angefochtenen Urteils wie aus dem Spruch ersichtlich (§§ 285e, 290 Abs 1 zweiter Satz StPO).
Mit seiner Berufung war der Angeklagte darauf zu verweisen.
Der Kostenausspruch, der die amtswegige Maßnahme nicht umfasst (Lendl, WK-StPO § 390a Rz 12), beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
Bleibt für den zweiten Rechtsgang anzumerken, dass § 38 FinStrG mit BGBl I 2015/163 (Inkrafttreten am 1. Jänner 2016) – somit zwischen Tat- und Urteilszeit – geändert wurde. Bei dem deshalb vorzunehmenden, vom Erstgericht im ersten Rechtsgang jedoch unterlassenen Günstigkeitsvergleich (zur von § 61 zweiter Satz StGB verschiedenen Regelung desselben für das Finanzstrafverfahren Lässig in WK2 FinStrG § 4 Rz 4 ff) wird daher zu beachten sein:
Sollten – nach der im zweiten Rechtsgang zu schaffenden Feststellungsbasis – alle oder einzelne Taten des Angeklagten die Tatbestandselemente des § 38 FinStrG sowohl nach alter als auch nach neuer Rechtslage erfüllen, wäre insoweit (infolge fallkonkret gleicher Günstigkeit beider Rechtsschichten – vgl RIS-Justiz RS0119085 [insbesondere T1]) gemäß § 4 Abs 2 FinStrG das jeweilige Tatzeitrecht anzuwenden (vgl 13 Os 47/16k). Sollte hingegen diese Qualifikationsnorm nur in ihrer Tatzeitfassung, nicht aber in der zum Urteilszeitpunkt geltenden Fassung erfüllt sein, wäre infolge (fallkonkret) günstigeren Urteilszeitrechts eben Letzteres mit der Konsequenz anzuwenden, dass ein Schuldspruch (§ 260 Abs 1 Z 2 StPO) nach § 38 FinStrG nicht zu fällen wäre (13 Os 5/17k).
Textnummer
E121541European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2018:0130OS00007.18F.0509.000Im RIS seit
05.06.2018Zuletzt aktualisiert am
05.06.2018