Entscheidungsdatum
07.12.2017Index
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
B-VG Art 130 Abs1 Z2Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Verwaltungsgericht Wien hat durch den Richter Dr. Helm über die Beschwerde des Herrn R. G., E.-gasse, Wien, gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch seine Festnahme sowie die Umstände der Anhaltung, nämlich dass er die durchnässte Kleidung wieder habe anziehen müssen, der Zustand der in der Zelle vorhandenen Decken und die Vorenthaltung der benötigten Medikation durch die Amtsärztin, am 19.03.2017 in Wien, gegen die Landespolizeidirektion Wien als belangte Behörde, nach öffentlicher mündlicher Verhandlung am 05.10.2017, am 19.10.2017 und am 07.12.2017, zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
II. Der Beschwerdeführer hat dem Rechtsträger der belangten Behörde (Bund) EUR 368,80 für Schriftsatzaufwand, EUR 57,40 für Vorlageaufwand und EUR 461,00 für Verhandlungsaufwand, insgesamt sohin EUR 887,20 an Aufwandersatz, binnen 14 Tagen nach Zustellung der schriftlichen Ausfertigung bei sonstigem Zwang zu leisten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE
1. Mit Schriftsatz vom 18.04.2017, fälschlich gerichtet an das Bundesverwaltungsgericht, von diesem jedoch noch am 26.04.2017 weitergeleitet und sohin rechtzeitig, erhob der Einschreiter Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG, worin er zum Sachverhalt vorbringt:
„Am 19.03.2017 besuchte ich um ca. 07:00 Uhr das Lokal S. am K.-platz um meinem Hobby dem Tanzen nachzugehen. Ich trinke schon seit Jahren keinen Alkohol mehr und war auch an diesem Tag nüchtern, (was im Zuge der Festnahme anhand eines Alkoholtests auch festgestellt wurde) Ich habe viele Jahre an einer Therapieresistenten Depression gelitten.
Nach unzähligen medikamentösen Therapieversuchen mit klassischen Antidepressiva und stationären Therapieaufenthalten wurde ich schlussendlich im Rahmen einer medizinischen „Off-label-Anwendung“ auf eine sehr geringe Dosis Buprenorphin eingestellt, wodurch es zu einer medizinischen Remission der Depression kam. Buprenorphin ist ein Medikament, dass in der Suchtgiftverordnung aufgeführt ist und wird in höheren Dosen auch zur Substitutionstherapie bei Opiatabhängigen angewendet Ich selber war jedoch -bis auf Buprenorphin, das zwangsläufig eine körperliche Abhängigkeit mit sich bringt- nie opiatabhängig.
Da an dem gegenständlichen Morgen die letzte Einnahme dieses Medikaments schon über 24 Stunden her war, wurde ich plötzlich sehr müde und bekam leichte, aber bekannte Entzugssymptome. Ich hockte mich in dem Lokal S. im Garderobenbereich kurz nieder, um vom Tanzen zu pausieren und mir zu überlegen, ob ich vielleicht nachhause gehen sollte. Plötzlich wurde ich von einem Türsteher gepackt und zwar derart, dass ich zur Gänze aufgehoben wurde, sodass ich jeglichen Bodenkontakt verlor und aus dem Lokal getragen. Der Türsteher war sehr kräftig gebaut, sodass ich mich - nicht zuletzt aufgrund der Müdigkeit nicht zur Wehr setzen konnte und wollte. Draußen ließ er mich einfach auf den Asphalt fallen, wobei ich beim Aufprall Schmerzen verspürte. Ich stelle Ihn zur Rede, was das denn solle. Er meine nur: „Ich solle gefälligst verschwinden, denn ich wäre sturzbetrunken“ Ich versuchte ihn davon zu überzeugen, dass ich ganz im Gegenteil stock nüchtern bin und unten nur kurz pausiert hätte, da ich etwas müde wurde. Der Türsteher wurde verbal sehr aggressiv und es kam zu einer hitzigen Diskussion. Plötzlich wurde er derart aggressiv, dass er mich abermals komplett vom Boden aufhob und mich gegen eine ca. zehn Meter entfernte. Einfriedungsmauer schlug, und mir den Kopf gegen die Mauer drückte und mit seinem Daumen starken Druck auf mein Jochbein ausübte, sodass ich eine Kopfverletzung und ein blaues Auge davon trug. Da ich keinen Akku in meinem Mobiltelefon mehr hatte verlangte ich, j, dass die Polizei verständigt wird, was dann auch geschah. Nach Eintreffen der Polizei schilderte ich kurz den Vorfall, wobei ich von dem Beamten nicht sehr ernst genommen _ wurde. Er fragte mich ob ich denn verletzt wäre und wenn ich verletzt wäre er das nur aufnehmen könne, wenn davor die Rettung verständigt wird. Mir kam solch ein Vorgehen zwar seltsam vor, da ich lediglich eine Strafanzeige gegen den Türsteher machen wollte, aber ich brachte schlussendlich zum Ausdruck, dass wenn eine Anzeige nur dann möglich wäre, wenn
auch die Rettung verständigt wird, ich wohl oder übel gezwungen bin auch die Rettung alarmieren zu lassen. Ein Polizeibeamter verständigte dann auch die Rettung. Bis zum Eintreffen war ich ständig wüsten Beschimpfungen durch die Türsteher, den Türsteher bekannte Personen, und des Lokalbesitzers ausgesetzt In meiner Aufgebrachtheit der vorangegangenen Körperverletzung durch den Türsteher ließ ich mich leider auf das Niveau herab und äußerte auch meinerseits wüste Beschimpfungen. Dabei wurde immer nur ich von den Polizeibeamten getadelt, und aufgefordert diese Äußerungen zu unterlassen. Die Beschimpfungen von Seitens der Türsteher und des Lokalbesitzers wurde von den Polizeibeamten, trotz offensichtlicher Hörbarkeit, einfach ignoriert, was mich noch aufgebrachter machte. Als dann die Rettung eintraf stellte Sie auch eine Kopfverletzung fest und verließ die Örtlichkeit wieder. Ein Polizeibeamter nahm dann meine Anzeige gegen den Türsteher auf und riet mir dann die Örtlichkeit zu verlassen. Ich war und bin der Rechtsauffassung gewesen, dass - solange ich den Betrieb nicht störe und weit genug vom Eingangsbereich des Lokals S. weg stehe - ich nicht aufgefordert werden kann, die Örtlichkeit (nämlich den K.-platz) zu verlassen, da dies ja ein öffentlicher Platz ist und jedem zum freien Aufenthalt zur Verfügung steht. Als ich dies geäußert habe wurde ich von einem
Türsteher, obwohl ich mindestens ca. drei Meter von ihm entfernt Stand, mit einem Schluck Red Bull aus seinem Mund ins Gesicht gespuckt. Das war so offensichtlich, dass einige andere anwesende Leute sogar lachten. Auch die Polizeibeamten bekamen das mit, machten aber absolut nichts dagegen. Der Türsteher wurde von den Polizisten nicht einmal aufgefordert solch ein Verhalten zu unterlassen. Das machte mich so wütend, dass ich mich wieder etwas näher an den Eingangsbereich stand und den Türsteher mit Kautabakpäckchen, die ich dabei hatte, beworfen habe. Auch dabei mischten sich die Polizisten (zu meiner Verwunderung) nicht ein. Die Polizisten äußerten lediglich immer wieder Sätze wie: „Kummans Herr G., gehens heim“ etc... Konsequenzen, oder gar eine Festnahme, für den Fall, dass ich nicht nachhause gehen würde wurde mir zu diesem Zeitpunkt jedoch noch nicht angedroht. Es kam dann wieder zu einem üblen Wortgefecht zwischen Türsteher, Lokalbesitzer und mir, wobei ich abermals von einem Türsteher angespuckt wurde. Im Affekt bewarf ich Ihn dann mit der leeren Verpackung der Kautabaksäckchen. (Gewicht ca. 20 Gramm, oder ca. so schwer wie eine leere Zigarettenverpackung) Dann verließ ich den unmittelbaren Eingangsbereich und ein Polizist folgte mir. Ich stand ca. 15 Meter vom Eingangsbereich des Lokals weg und musste mir immer noch die Beschimpfungen von Lokalbetreiber und Türsteher anhören. Ich rief jedoch nichts mehr hinterher. Dann meinte der Polizeibeamte plötzlich, dass ich jetzt gehen müsse, er mich ansonsten festnehmen müsse. Ich entgegnete Ihm sinngemäß, dass ich mich vom Eingangsbereich bereits entfernt habe und, wie er sehe, von mir aus keine Sticheleien mehr ausgehen würden. Ich bewegte mich sogar noch weiter vom Lokal weg, sodass ich seiner Aufforderung (die Örtlichkeit zu verlassen) jedenfalls nachgekommen bin. Auch bei der weiteren Entfernung wurde ich von diesem Polizeibeamten begleitet, bzw. - da ich das eigentlich nicht wollte, eher verfolgt. Weit genug weg vom Lokal blieb ich dann stehen und sagte zum Polizeibeamten, dass ich hier jetzt stehen bleiben darf, da ich mich außer Reichweite des Lokals befinde, nämlich am öffentlichen Ort „K.-platz“ befinde. Mit den Worten: Sie sind so ein Vollidiot“ (dagegen habe ich bereits Beschwerde eingereicht), gefolgt von den Worten: „Sie sind jetzt festgenommen'' versuchte der Polizeibeamte meine Hände zu ergreifen. Ich leistete keinen aktiven Widerstand, sondern erschwerte es dem Beamten lediglich meine Hände hinter meinem Rücken zusammenzudrücken, in dem ich zu Ihm sagte, er solle mich loslassen und ich meine Hände versuchte seinem Druck entgegen zu drücke. Daraufhin rief der Beamte mehrfach: „Widerstand, widerstand“ und brachte mich unter außerordentlicher und - angesichts meiner kaum vorhandenen Gegenwehr - völlig unangemessener Gewaltanwendung zu Boden und drückte mit nicht unerheblicher Krafteinwirkung mein Gesicht gegen den Asphalt. Zu dem Zeitpunkt regnete es bzw. hat es kürzlich geregnet, sodass der Boden sehr nass war und dadurch auch meine Kleidung und mein Gesicht. Der Beamte fixierte mich dann, in dem er mir etwas (ich vermute es war sein Knie) in meinen Rücken drückte, was erhebliche Schmerzen bereitete. Ich versuchte mich ganz unbewusst und reflexartig aus dieser misslichen Lage zu befreien, wodurch der Druck des Beamten immer Größer wurde. Schließlich kam ein zweiter Polizist und legte mir hinter meinem Rücken Handschellen an. Erst nach wenigen Minuten - obwohl ich, aufgrund der Schmerzen, längst schon keine Bewegung machen konnte - hoben mich die Beamten auf und drückten mich auf die oben schon zitierte Einfriedungsmauer. Auf dieser war es sehr nass und sehr kalt, sodass die Kleidung an meinem Gesäß völlig durchnässte und ich vor Kälte anfing zu zittern. Dies kommunizierte ich auch und verlangte aufstehen zu dürfen, was mir jedoch unbegründet verwehrt wurde. Erst nach weiteren Minuten und mehreren Ermahnungen, dass dies eine Misshandlung wäre, da ich ja keinerlei Gegenwehr leistete, gestattete mir der Polizeibeamte das Aufstehen. Während dieser ganzen Festnahmeprozedur wurde ich von den Türstehern und dem Lokalbesitzer aus der Feme, (da die Festnahme ja gar nicht mehr im Eingangsbereich des Lokals geschah), ausgelacht und erniedrigt. Kein einziger anwesender Polizeibeamter unternahm irgendeine Anstalt diese Erniedrigung zu beenden bzw die verantwortlichen Personen wegzuweisen oder still zu sein. Im Gegenteil, der Beamte, der mich auch als Vollidiot beschimpft hat sagte mir (auf dem Boden liegend) noch leise und missgünstig ins Ohr: „Na, jetzt habens das was's wollten“
Anschließend wurde ich in einem Arrestantenwagen in die Landespolizeidirektion geführt. Da ich an Platzangst leide trat ich in meiner Panik mehrfach mit den Füßen gegen die Innentüre des Arrestantenwagens. Ich verlangte mehrfach einen Amtsarzt einen Alkoholtest und einen Drogentest, um zu beweisen, dass ich Nüchtern bin. Der Alkoholtest wurde dann auch durchgeführt, wobei 0,0 Vol% das Ergebnis war. Dann musste ich meine nasse Kleidung ausziehen, wurde durchsucht, (wobei keine relevanten Gegenstände gefunden wurden) und musste dann meine völlig durchnässte Kleidung wieder anziehen. Dann wurde ich mit dieser nassen Kleidung in eine Zelle gesperrt. Erst nach mehreren Stunden kam eine Amtsärztin, die lediglich meine Atmung kontrollierte und den Herzschlag kontrollierte und mir mit einer Taschenlampe in die Augen leuchtete. Sie stellte erweiterte Pupillen fest und fragte mich, was ich für Drogen genommen hätte, ob ich Kokain oder Cannabis genommen hätte. Ich teilte Ihr mit, dass ich noch nie illegale Drogen genommen habe, ich aber täglich das Medikament Buprenorphin einnehmen muss und die letzte Einnahme schon über 24 Stunden her ist. Ich sagte ihr, dass ich auch keinen Alkohol getrunken habe und ich völlig nüchtern bin. Zu diesem Zeitpunkt litt ich bereits an Entzugserscheinungen, da die letzte Medikation, wie erwähnt, vor über 24 Stunden erfolgte, ich teilte der Amtsärztin auch mit, dass ich meine Medikation immer morgens einnehmen muss. Zu diesem Zeitpunkt war es schon Mittag. Ich habe von einem Arzt nachträglich erfahren, dass die häufigste Entzugserscheinung - bei Ausbleiben des Medikaments Buprenorphin - erweiterte Pupillen sind. Anstatt das die Amtsärztin dies in Erwägung gezogen hat, wurde ich suggestiv gefragt, was ich denn für Drogen genommen hätte. Drogentest wurde keiner durchgeführt, obwohl ich, wie bereits erwähnt, mehrfach danach verlangte, um zu beweisen, dass ich nüchtern war und ich dringend auf meine Medikation angewiesen bin. Auch die Kopfverletzung habe ich der Amtsärztin mitgeteilt. Diesbezüglich wurde aber keine Untersuchung vorgenommen (nicht einmal ein Augenschein) Die Amtsärztin meinte dann, Sie käme gleich wieder, doch das passierte nicht. Einige Stunden später (um 14:30 Uhr) kam der Polizeijurist Mag. T. und führte die Verwaltungsstrafverhandlung durch, wobei er jedes meiner Argumente ins lächerliche gezogen hat, fast jeden Satz, den ich zu Protokoll geben wollte, umformulierte und mir – als ich mich darüber beschwerte sogar androhte mich „abermals in die Zelle zu stecken, sollte ich bei der Vernehmung nicht kooperieren" Herr Mag. T. bemerkte meinen - aufgrund der fehlenden Medikation - desaströsen gesundheitlichen Zustand und fragte sogar einen Polizeibeamten, ob noch ein Amtsarzt da wäre, da; er sich nicht sicher sei, ob ich zurechnungsfähig sei. Es war jedoch kein Amtsarzt mehr da und Mag. T. führte mit der Verhandlung fort und folgte mir dann an Ort und Stelle eine schriftliche Ausfertigung des Straferkenntnisses aus. Um 15:35 wurde ich mit starken Kopfschmerzen von der Körperverletzung des Türstehers, völlig depressiv, zitternd und schwitzend und mit anderen Entzugserscheinungen, weil ich meine Medikation nicht erhalten habe, in psychisch katastrophalem Zustand entlassen. Wenige Tage später, als ich bei der Polizeidirektion um Akteneinsicht erbat bekam ich zwar die Akten, jedoch nicht die Unterlagen bezüglich der amtsärztlichen Untersuchung. Trotz mehrfachem Nachfragen konnte mir keiner sagen, wo sich diese befinden.“
In rechtlicher Hinsicht wird vorgebracht, zum Zeitpunkt der Beschimpfungen und dem Anwerfen mit sogenannten Snus (kleine Kautabaksäckchen) seien die Polizeibeamten völlig untätig geblieben. Erst als er sich vom Eingangsbereich des Lokals wesentlich entfernt habe und überhaupt keine Interaktion mit Personen des Lokals stattgefunden habe, sei er förmlich aufgefordert worden, die Örtlichkeit zu verlassen. Diese Aufforderung sei rechtswidrig gewesen, weil er ohnehin schon weit weg vom Eingangsbereich gestanden, und im Zeitpunkt seiner unter dem Tatbestand der Ordnungsstörung subsumierten Handlungen weder abgemahnt noch zum Verlassen des K.-platzes aufgefordert worden sei. Er habe diese Handlungen somit freiwillig aufgegeben und nicht mehr in der strafbaren Handlung verharrt.
Bei der Festnahme sei er mit dem ganzen Körper auf den nassen Asphalt gedrückt worden, wodurch seine Kleidung durchnässt worden sei. Im Rahmen der Untersuchung bei der Verbringung in den Arrest habe er sich zwar kurz ausziehen, nachher jedoch wieder anziehen müssen, sodass er dann in nasser Kleidung mehrere Stunden verwahrt worden sei, bis circa 14:30 Uhr. Auch dies erachte der Beschwerdeführer für rechtswidrig. Nach einigen Stunden sei die Amtsärztin gekommen und habe nur seinen Herzschlag, seine Atmung und seine Pupillen kontrolliert. Er habe ihr mitgeteilt, dass er täglich am Morgen Buprenorphin einnehmen müsse und bereits Entzugssymptome gehabt habe, da es schon Mittag gewesen sei. Ihr sei bekannt gewesen, dass es sich dabei um ein Suchtmittel handelt. Er habe das Buprenorphin von der Amtsärztin jedoch nicht erhalten und habe noch einige Stunden in völlig desaströsem Zustand in der Zelle verharren müssen.
Der Beschwerdeführer beantragt daher, die angefochtene Maßnahme kostenpflichtig für rechtswidrig zu erklären.
2. Mit Schriftsatz vom 08.06.2017 legte die Landespolizeidirektion Wien eine Ausfertigung des von ihr Polizeikommissariat zur AZ: VStV/-917100149914/001/2017 und AZ: VStV/917300424343/2017 elektronisch geführten Verwaltungsstrafaktes (samt Haftbericht) vor, sowie weiters eine Ablichtung des Amtsvermerks betreffend Körperverletzung vom 19.03.2017, GZ: B6/87450/2017.
2.1. Unter einem erstattete die belangte Behörde zu ihrer GZ: P1/139923/1/2017 eine Gegenschrift, worin sie zum Sachverhalt auf die im vorgelegten Verwaltungsstrafakt enthaltene Anzeige verweist und ergänzt, dass der Leiter der Amtshandlung den Beschwerdeführer anlässlich der Aufnahme der verwaltungsstrafrechtlichen Niederschrift weder wegen Anforderung der Rettung getadelt noch fast jeden Satz umformuliert habe, den der Beschwerdeführer gesagt habe. Der Beschwerdeführer sei auch nicht vom Arrestantenposten gezwungen worden, während der Anhaltung durchnässte Kleidung anzuziehen. Jedem Häftling stehen außerdem während des Aufenthalts im Arrest Decken zur Verfügung, gleichzeitig ob und wenn ja, welche Kleidung er trage. Unrichtig sei weiters, dass beim Beschwerdeführer eine Kopfverletzung vorgelegen und die Untersuchung dahingehend unterblieben sei.
Weiters wird vorgebracht, der Beschwerdeführer habe sich laut Anzeige nicht entfernt, nachdem er des Lokals verwiesen worden sei, und habe stattdessen im Eingangsbereich den Zugang zum Lokal gestört sowie anwesende Personen mit Tabakpäckchen beworfen. Abmahnungen und Aufforderung durch die einschreitenden Exekutivbeamten seien erfolglos geblieben. Der Beschwerdeführer habe somit in der Begehung einer Verwaltungsübertretung beharrt, wobei er letztlich einen der Lokalangestellten mit einer Plastikdose beworfen habe. Danach sei seine Festnahme erfolgt. In rechtlicher Hinsicht haben die einschreitenden Exekutivbeamten in vertretbarer Weise von Vorliegen der Verwaltungsübertretung gemäß § 81 Abs. 1 SPG und den Verharren in dieser strafbaren Handlung ausgehen dürfen, weshalb die Festnahme zu Recht erfolgt sei. Der Beschwerdeführer habe sich seiner Festnahme tätlich widersetzt, weshalb die Beamten Körperkraft haben anwenden müssen, um ihm Fesseln anzulegen. Es sei daher notwendig gewesen, den Beschwerdeführer zu Boden zu bringen. Bestritten werden die gegen die Amtsärztin erhobenen Vorwürfe.
Die belangte Behörde beantragt daher die kostenpflichtige Ab- oder Zurückweisung der Beschwerde.
2.2. Mit am 21.07.2017 eingelangtem Schriftsatz nahm der Beschwerdeführer dazu Stellung. Zur Sache gab er an, er habe die klare Anweisung bekommen, nach der Durchsuchung seiner Kleidung diese wieder anzuziehen. Bei der Durchsuchung hätte es dem Beamten auf jeden Fall auffallen müssen, dass die Kleidung völlig durchnässt gewesen sei. Sodann sei er in eine Zelle gebracht worden, in dem es keine Heizkörper gegeben habe. Die zwei vorhandenen Wolldecken hätten fürchterlich gerochen, teilweise nach Schweiß und teilweise nach Erbrochenem. Bezüglich der Kopfverletzung verweist der Beschwerdeführer darauf, dass die Rettung am K.-platz kurz vor der Festnahme eine Kopfverletzung festgestellt habe. Schlüssig verweist er darauf, dass er auch parallel ein Bescheidbeschwerdeverfahren gegen seine Bestrafung wegen Ordnungsstörung angestrengt habe.
3. Am 05.10.2017 fand die öffentliche mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Wien statt, zu der der Beschwerdeführer ladungsgemäß erschienen war; die belangte Behörde war durch Herrn Dr. W. vertreten. Als Zeugen sind erschienen S. Sch., und GrI. K.; entschuldigt waren die Zeugen Dr. St. und der Insp. Re.; Insp. A. fehlte unentschuldigt. Die Verhandlung wurde daher auf den 19.10.2017 vertagt, wobei Frau Dr. St. einvernommen wurde. Zur Einvernahme der beiden einschreitenden Beamten Re. und A. musste auf den 07.12.2017 vertagt werden. Nach Abschluss des Beweisverfahrens wurde das Erkenntnis verkündet.
3.1. Aufgrund Verwaltungsakten und der sonst vorlegten Unterlagen, Einvernahme der genannten Zeugen und Parteienvernehmung hat das Verwaltungsgericht Wien folgenden Sachverhalt festgestellt und als erwiesen angenommen:
Am 19.03.2017 besuchte der Beschwerdeführer das Tanzlokal S. am K.-platz während der morgendlichen Öffnungszeit. Er schlief jedoch auf der Tanzfläche ein und konnte nicht nachhaltig geweckt werden, weshalb ihn die beiden Türsteher nach oben zum Eingang schleppten und ihn auf der gegenüberliegenden Beetumrandung mit Sitzgelegenheit niedersetzten. Der Beschwerdeführer erhält regelmäßig eine geringe Dosis Buprenorphin verordnet, bei welchem Produkt es sich um ein Substitut für Opiat-Suchtmittel handelt, welches aber auch in der vorliegenden geringen Dosierung gegen Depressionen verordnet wird. Er nimmt diese Dosis regelmäßig in der Früh ein, hat dies aber am betreffenden Tag verabsäumt, worauf seine Müdigkeit möglicherweise zurückzuführen war.
Da der Beschwerdeführer vor dem Lokal nicht sitzen blieb, sondern dieses wieder betreten wollte, hinderten ihn die Türsteher daran. Er begann daraufhin die Türsteher heftig zu beschimpfen. Da der Lokalbesitzer befürchtete, seine Securities würden in Kürze gegen den Beschwerdeführer handgreiflich werden, wenn dieser so fortfahre, rief er die Polizei. Bei Eintreffen der beiden Beamten teilte der Beschwerdeführer diesen mit, er sei von den beiden Türstehern am Hinterkopf verletzt worden und möchte Anzeige gegen die Türsteher erstatten. Die Beamten riefen daraufhin die Rettung, und der eintreffende Sanitäter stellte eine Beule am Hinterkopf des Beschwerdeführers fest. Dieser weigerte sich jedoch, mit der Rettung mitzufahren. Er begann neuerlich die Türsteher zu beschimpfen und weigerte sich, den Eingangsbereich zu verlassen, obwohl ihn die Polizeibeamten darum ersuchten. Dadurch, dass er sich im Eingangsbereich aufhielt, worden nicht nur die Türsteher, sondern auch ein- und ausgehende Gäste behindert. Einige von denen verblieben vor Ort und sahen sich den weiteren Verlauf des Geschehens an, welches mittlerweile für Aufsehen sorgte. Der Lokalbesitzer ersuchte die Beamten, den Beschwerdeführer wegzuweisen. Diese entgegneten allerdings, dass sie vorerst dazu keine Handhabe hätten. Erst als der Beschwerdeführer begann, die Türsteher mit Kautabakpäckchen zu bewerfen, ermahnten sie ihn, und stellten ihm in der Folge eine Anzeige in Aussicht. Als der Beschwerdeführer mit dem Bewerfen fortfuhr, wurde er durch Insp. A. von der Anzeigelegung verständigt und neuerlich aufgefordert, sein Verhalten einzustellen und den Ort zu verlassen, da er ansonsten festgenommen werden müsse. Der Beschwerdeführer setzte sein Verhalten jedoch fort und warf eine Plastikdose nach einem Türsteher, worauf die Beamten die Festnahme wegen Störung der öffentlichen Ordnung aussprachen. Der Beschwerdeführer ließ sich allerdings nicht einfach Richtung Polizeiinspektion abführen, sondern verspannte sich und leistete gegen seine Festnahme wenigstens passiven Widerstand. Er musste daher von den beiden Beamten zu Boden gebracht werden. Dabei wurden ihm Handfesseln angelegt und er wurde in der Folge mit dem eingetroffenen Arrestantenwagen zum Kommissariat D. verbracht. Während der Verbringung war der Beschwerdeführer sehr erregt und trat gegen die Zwischenwände im Arrestantenwagen. Im Restvorraum des Kommissariats D. wurde der Beschwerdeführer visitiert und danach aufgefordert, sich wieder anzuziehen. Es wurde jedoch keineswegs angeordnet, er hätte die feuchte Kleidung – zumal es bei seiner Festnahme leicht geregnet hat – wieder anzuziehen. Vielmehr hätten Alternativen bereitgestanden, wenn der Beschwerdeführer diese Kleidung nicht hätte anziehen wollen. Dieser dachte jedoch im Moment nicht daran, dass er noch einige Stunden im Arrest werde verbringen müssen. Die Decken für den Arrestbereich werden nach jeder Benützung gewaschen; es kann daher nicht festgestellt werden, dass sie sich in einem ekelerregenden Zustand befunden oder gestunken hätten.
Für die nach Stunden eintreffende Amtsärztin bestand hinsichtlich der Beule am Hinterkopf kein Handlungsbedarf, zumal diese bereits von der Rettung festgestellt und für harmlos befunden worden war. Darüber hinaus teilte ihr der Beschwerdeführer zwar mit, dass er Buprenorphin nehme, zeigte aber keine sichtbaren Entzugserscheinungen. Der Amtsärztin war darüber hinaus bekannt, dass die vom Beschwerdeführer nach eigener Angabe eingenommene Dosis sehr gering ist und es bei Unterlassung der Einnahme erst zu einem viel späteren Zeitpunkt zu, wenn auch leichten, Entzugserscheinungen wie Schwitzen oder Zittern kommen kann. Es bestand daher aus ärztlicher Sicht kein Bedarf für eine sofortige Substitution. Was die dann folgende Vernehmung anbelangt, so ist diese nicht mehr Teil der Maßnahmenbeschwerde.
3.2. Die Feststellungen gründen sich auf folgende Beweisergebnisse:
Alle Zeugen wirkten im persönlichen Eindruck glaubwürdig und gaben eine nachvollziehbare, im Wesentlichen auch untereinander stimmige Darstellung des Verhaltens des Beschwerdeführers. Demnach mag zwar bei der Festnahme das Wort Widerstand gefallen sein, aber nicht zur Bezeichnung eines „Widerstands gegen die Staatsgewalt“, sondern lediglich zur Kenntlichmachung des Umstandes, dass sich der Beschwerdeführer gegen seine Festnahme wehrte und verspreizte und daher gefesselt werden musste. Der Beschwerdeführer selbst räumt ein, und hat dies auch im parallelen Verwaltungsstrafverfahren eingestanden, dass sein Verfahren den Tatbestand der Ordnungsstörung nach § 81 Abs. 1 SPG erfüllt hat. Wenn er der Meinung ist, er habe sich bereits weit genug entfernt vom Lokaleingang, sodass mit einer Fortführung seines ordnungsstörenden Verhaltens nicht mehr gerechnet werden müsse, so steht er mit dieser Ansicht vollkommen allein. Insgesamt wirkte der Beschwerdeführer in eigener Sache höchst wehleidig, im Übrigen dafür besonders rechthaberisch, sodass seiner Darstellung eine weit geringere Verlässlichkeit als jener der vernommenen Zeugen zugemessen werden kann, welche im Gegensatz zum Beschwerdeführer freimütig und schlüssig ihre Wahrnehmungen schilderten.
Aufgrund der Aussage des Arrestantenpostens GrI. K. bestand kein Anlass, daran zu zweifeln, dass die Haftbedingungen ordnungsgemäß waren, was die zur Verfügung gestellten Decken betrifft, und dass der Beschwerdeführer auch nicht mit Befehl oder Zwang verhalten worden ist, seine feuchte Kleidung wieder anzuziehen. Letzteres musste der Beschwerdeführer schließlich selbst einräumen. Was die Amtsärztin anbelangt, so musste der Beschwerdeführer ebenfalls auf wiederholte Nachfrage letztlich eingestehen, dass er dieser praktisch keine Hinweise auf Entzugserscheinungen gegeben hat, welche für sie nachvollziehbar gewesen wären. Ihrer fachlichen Expertise nach bestand darüber hinaus vorerst kein Grund, mit Entzugserscheinungen zu rechnen.
3.3. In rechtlicher Hinsicht wurde erwogen:
Da der Beschwerdeführer trotz mehrfacher Abmahnung in der Begehung einer Ordnungsstörung gemäß § 81 Abs. 1 SPG verharrt, und einer – als Alternative vor einer Festnahme – vorgenommenen Wegweisung auch nicht Folge geleistet hat, ist die erst als ultima ratio eingesetzte Festnahme zu Recht erfolgt. Nach den Feststellungen wurde auch während der Anhaltung nicht in die Rechte des Beschwerdeführers eingegriffen. Insbesondere wurde dieser keiner erniedrigenden Behandlung unterzogen, und ist auch der Umstand, dass er die von ihm selbst am Morgen verabsäumte Medikation nicht in der Haft sogleich erhalten hat, keineswegs als qualvolle oder erniedrigende Behandlung zu bewerten, zumal aus ärztlicher Sicht keine Schmerzen oder wesentlichen Unannehmlichkeiten dadurch verursacht werden konnten.
Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.
4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 35 VwGVG in Verbindung mit der VWG Aufwandsersatzverordnung, BGBl II. Nr. 517/2013.
5. Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Ordnungsstörung; verharren; Festnahme; Wegeweisung; ultima ratio; Anhaltung; keine erniedrigende BehandlungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGWI:2017:VGW.102.013.5949.2017Zuletzt aktualisiert am
04.06.2018