TE Lvwg Erkenntnis 2018/3/9 VGW-102/076/10530/2017

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Veröffentlicht am 09.03.2018
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Entscheidungsdatum

09.03.2018

Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
41/01 Sicherheitsrecht
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

B-VG Art. 130 Abs1 Z2
SPG §28a Abs3
SPG §35 Abs1
SPG §38 Abs1
SPG §81
SPG §82
VStG 35 Z3

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seine Richterin Mag. Nussgruber über die Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG des Herrn M. F., Wien, O.-Straße, vertreten durch Rechtsanwalt, betreffend die am 25.06.2017 gegen den Beschwerdeführer gerichteten Akte unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt, nämlich die Identitätsfeststellung, einschließlich das Herausziehen der Kopfhörer aus den Ohren des Beschwerdeführers, die Wegweisung, Festnahme, das Zu-Boden-bringen, die Fesselung, das Verbringen in den Arrestbereich sowie die nachfolgende Anhaltung, gegen die Landespolizeidirektion Wien als belangte Behörde,

zu Recht e r k a n n t:

I. Gemäß § 28 Abs. 1 und 6 des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes – VwGVG werden die am 25.06.2017 gegen den Beschwerdeführer gesetzten Akte unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt, nämlich die Identitätsfeststellung, einschließlich das Herausziehen der Kopfhörer aus den Ohren des Beschwerdeführers, die Wegweisung und die Festnahme für rechtswidrig erklärt.

II. Der Bund als Rechtsträger der belangten Behörde hat gemäß § 35 VwGVG in Verbindung mit der VwG-Aufwandersatzverordnung – VwG-AufwErsV, BGBl. II Nr. 517/2014, dem Beschwerdeführer 1.475,20 Euro für Schriftsatzaufwand und 922,00 Euro für Verhandlungsaufwand, insgesamt somit 2.397,20 Euro an Aufwandersatz, binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

III. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 – VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz – B-VG unzulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.1. Mit dem am 28.07.2017, um 13:34 Uhr, beim Verwaltungsgericht Wien rechtzeitig eingebrachten Schriftsatz erhob der anwaltlich vertretene Beschwerdeführer eine Beschwerde wegen Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt durch Organe der Landespolizeidirektion Wien und bringt dazu vor, dass er sich durch Maßnahmen, die von einem Organ der Landespolizeidirektion Wien, konkret von Herrn Bezirksinspektor H., am 25.06.2017, in der Zeit von ca. 19:50 Uhr und 20:20 Uhr, in Wien 20, Maria-Restituta-Platz 1, gesetzt worden seien, nämlich durch das Herausziehen seiner Kopfhörer, die erfolgte Identitätsfeststellung, die Wegweisung, die Festnahme, das Zu-Boden-bringen, die Fesselung und das Verbringen in den Arrestbereich, in seinen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Achtung der menschlichen Würde gemäß Art. 3 EMRK, auf Freiheit und Sicherheit gemäß Art. 5 Abs. 2 PersFrBVG und Art. 5 EMRK, auf Achtung der Privatsphäre gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK, dem Recht auf Freizügigkeit der Person gemäß Art. 4 Abs. 1 StGG und Art. 2 Abs. 1 4. Zusatzprotokoll EMRK sowie in seinem einfachgesetzlichen Recht verletzt worden sei, dass nur bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen unmittelbare Zwangsgewalt gegen ihn gemäß § 50 SPG und nur unter der Achtung der Verhältnismäßigkeit gemäß § 29 SPG ausgeübt sowie seine Identität nicht ohne Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen des § 35 SPG festgestellt und er nicht ohne Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen des § 38 SPG weggewiesen werden dürfe. Der Beschwerdeführer beantragte die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Wien, die Feststellung der Rechtswidrigkeit der in Beschwerde gezogenen Akte unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt sowie den Zuspruch des Kostenersatzes.

2. Die belangte Behörde erstattete mit Schreiben vom 22.09.2017 eine Gegenschrift, in der sie sich gegen das Beschwerdevorbringen wendet, die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde sowie den Zuspruch der Kosten für Schriftsatz- und Vorlageaufwand gemäß § 1 der VwG-AufwErsV beantragt. Weiters wurde der von der Landespolizeidirektion Wien, Polizeikommissariat …, zu VStV/917100351461/001/2017 geführte Verwaltungsstrafakt im Original vorgelegt.

3. Im Hinblick auf das Vorbringen des Beschwerdeführers und des entsprechend gestellten Antrages wurde am 05.12.2017 sowie am 25.01.2018 eine öffentliche mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Wien durchgeführt, zu der der Beschwerdeführer, sein Rechtsanwalt, die belangte Behörde und Herr Bezirksinspektor H., Herr Bezirksinspektor S., Herr RevInsp Z., Herr Inspektor L. und Herr St. als Zeugen geladen wurden. Herr Inspektor L. hat sich für die mündliche Verhandlung entschuldigt. Der Beschwerdeführer ist der mündlichen Verhandlung unentschuldigt ferngeblieben. Die belangte Behörde wurde durch Herrn Dr. W. vertreten.

4.1. Das Verwaltungsgericht Wien nimmt als erwiesen an, dass sich die Einsatzeinheit Wien -U.- am 25.06.2017, um ca. 19:45 Uhr, in Wien 20, Maria-Restituta-Platz 1, vor dem Eingang zur U-Bahnstation der U6 Handelskai, befand, um den Zustrom der Besucher zum Donauinselfest zu kontrollieren. Diese Einsatzeinheit setzte sich insbesondere aus dem Gruppenkommandanten, Herrn Bezirksinspektor H. (dem Anzeigenleger) und den weiteren Organen, Herrn Bezirksinspektor S., Herrn RevInsp. Z., Herrn Inspektor L. und Herrn St., zusammen. Der Kontrolltätigkeit der Organe lagen der Behördenauftrag zum 34. Donauinselfest vom 23. - 25.06.2017 und der Einsatzbefehl betreffend den großen Sicherheits- und Ordnungsdienst zum 34. Donauinselfest vom 23. bis 25.Juni 2017, jeweils datiert mit 19.06.2017, zu Grunde.

Der genannte Behördenauftrag enthält zur Gefährdungseinschätzung (vgl. Punkt II.) und zu den Maßnahmen (vgl. Punkt V) nachstehenden Inhalt:

II.) Gefährdungseinschätzung:

Zur Terrorlage lt. LVT:

In Wien herrscht unverändert eine erhöhte abstrakte Terrorgefahr, derzeit gibt es aber keine konkreten Hinweise oder Informationen auf bevorstehende Anschläge in Wien bzw. speziell gegen das Donausinselfest. Dieses ist jedoch trotzdem als Veranstaltung mit erhöhtem Gefährdungslevel zu betrachten, zumal es sich um ein sogenanntes „weiches Ziel“ handeln könnte. Es ist daher besondere Sensibilität hinsichtlich folgender Anzeichen gefordert:

Verlassene Gepäckstücke (Rücksäcke, Taschen). Personen, die aus der Menschenmenge „hervorstechen“, sei es durch übergroße Kleidung, Kleidung die nicht der heißen Jahreszeit angepasst ist, Kleidung, die unregelmäßige, nicht zur Statur passende Wölbungen aufweist, oder Personen, die sich verhaltensauffällig benehmen (hohe Nervosität, unnatürliche eher starre Bewegungen und Blick, Vermeiden von Augenkontakt mit Polizei oder Securities).

Zur sicherheits- und kriminalpolizeilichen Lage:

Es ist mit strafbaren Handlungen gegen Leib und Leben, gegen die Freiheit, gegen fremdes Vermögen, gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung und gegen die Staatsgewalt zu rechnen, ebenso mit einschlägiger Suchtgiftkriminalität, sowie mit den üblichen Verwaltungsübertretungen (Anstandsverletzung, aggressives Verhalten, strafbare Trunkenheit).

Der freie, im Wesentlichen unkontrollierte Zutritt und die Besuchermasse im Zusammenhang mit den örtlichen Gegebenheiten, sind per se schon eine Gefahr und stellen wie jedes Jahr eine besondere ordnungsdienstliche Herausforderung dar.

Eine besondere Herausforderung ist jedenfalls auch durch das Zusammentreffen verschiedener Ethnien, Religionen und politischen Gruppierungen gegeben.

Ein neuartiges Bedrohungspotential stellen Drohnen dar.“

V.) Maßnahmen

?   Durchgehende Wahrnehmung, Beobachtung des gesamten Veranstaltungsablaufes und der Besucherströme

?   Besondere Bedachtnahme auf Gruppenbildungen männlicher Personen mit Einkreisungstendenzen weiblicher Besucher (Antanzen) und auf Personen wie unter Pkt. II LVT Gefährdungseinschätzung beschrieben.

?   Bedachtnahme auf Ansammlungen von Angehörigen der radikalen Fußballszene

?   Wahrnehmen politisch unterschiedlich ausgerichteter Personengruppen und deren Trennung

?   Errichtung von „Kontrollpunkten“ zur stichprobenartigen Überprüfung ausgewählter Besucher und obgenannter Zielgruppen und als Präventions- und Fahndungsmaßnahme

?   Besondere Bedachtnahme auf herrenlose Gepäcksstücke

?   Durchgehende Wahrnehmung, Beobachtung der Verkehrssituation

?   Gewährleistung der Einsatzdokumentation und Beweissicherung

?   Ausforschung von Straftätern

?   Ausforschung von Verwaltungsstraftätern“

Die für den vorliegenden Beschwerdefall relevanten Passagen des Einsatzbefehls vom 19.06.2017 lauten wie folgt:

1.4.3. Mögliche Gefahrenlagen

1.4.3.1. Terror

1.4.3.1.1. Allgemeines

In Wien herrscht unverändert eine erhöhte abstrakte Terrorgefahr, derzeit gibt es aber keine konkreten Hinweise oder Informationen auf bevorstehende Anschläge in Wien bzw. speziell gegen das Donauinselfest. Dieses ist jedoch trotzdem als Veranstaltung mit erhöhtem Gefährdungslevel zu betrachten, zumal es sich um ein sogenanntes „weiches Ziel“ handeln könnte. Es ist daher besondere Sensibilität hinsichtlich folgender Anzeichen gefordert:

„Verlassene Gepäckstücke (Rücksäcke, Taschen). Personen, die aus der Menschenmenge „hervorstechen“, sei es durch übergroße Kleidung, Kleidung die nicht der heißen Jahreszeit angepasst ist, Kleidung, die unregelmäßige, nicht zur Statur passende Wölbungen aufweist, oder Personen, die sich verhaltensauffällig benehmen (hohe Nervosität, unnatürliche eher starre Bewegungen und Blick, Vermeiden von Augenkontakt mit Polizei oder Securities).“

….

Als besonders anschlagsgefährdet werden nach ho. Ansicht „soft targets“ betrachtet. Diese weisen in der Regel einen hohen Grad an Vulnerabilität in Verbindung mit einer hohen Personenfrequenz auf und stellen daher besonders „attraktive“ Anschlagsziele dar – so auch Veranstaltungen in den Bereichen Sport, Kultur und Musik.“

….

„Aus einer Leichtigkeit der Tatmittelbeschaffung in Verbindung mit einer hohen Personendichte an einem eingegrenzten Ort ergeben sich nach ho. Auffassung ein weiters ernstzunehmendes Gefährdungspotential für die ggst. Veranstaltung.“

….

„Die Möglichkeit eines Gewaltaktes durch einen geistig abnormen Rechtsbrecher ist als permanentes Gefährdungsszenario zu bewerten. Eine seriöse Quantifizierung dieser Risikoebene ist aufgrund ihrer Komplexität und Multidimensionalität allerdings nicht möglich.

Demnach wird das DIF 2017 als Veranstaltung mit erhöhtem Gefährdungslevel bewertet.“

….

„In diesem Zusammenhang wird auch auf den am 27.05.2017 beginnenden und bis 24.06.2017 dauernden Ramadan verwiesen (siehe Parallelveranstaltung unter Pkt.

1.4.3.1.2. Terroranschläge der letzten Zeit

1.4.3.1.3. Gefahr für polizeiliche Einsatzkräfte

1.4.3.1.4. Bedrohungslage gegen die LPD

1.4.3.1.6. Bombendrohungen, Explosionen;

1.4.3.1.7. CBRN (chemisch, biologisch, radiologisch [nicht spaltbar], nuklear [spaltbar] (ehemals ABC);

1.4.3.2. Sicherhits- und kriminalpolizeiliche Lage

Es ist mit strafbaren Handlungen gegen Leib und Leben, gegen die Freiheit, gegen fremdes Vermögen, gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung und gegen die Staatsgewalt zu rechnen, ebenso mit einschlägiger Suchtgiftkriminalität, sowie mit den üblichen Verwaltungsübertretungen (Anstandsverletzung, aggressives Verhalten, strafbare Trunkenheit).

Der freie, im Wesentlichen unkontrollierte Zutritt und die Besuchermasse im Zusammenhang mit den örtlichen Gegebenheiten, sind per se schon eine Gefahr und stellen wie jedes Jahr eine besondere ordnungsdienstliche Herausforderung dar.

Eine besondere Herausforderung ist jedenfalls auch durch das Zusammentreffen verschiedener Ethnien, Religionen und politischen Gruppierungen gegeben.

Ein neuartiges Bedrohungspotential stellen Drohnen dar. Diese sind nach Hausordnung verboten

1.4.3.3. Sonstiges

1.4.3.3.1. Unwetter (insbes. Regen, Starkwind, Hagel, Blitzschlag usw.)

1.4.3.3.2. Technische Gebrechen (Aggregate [Ausfall der Beleuchtung, Sicherheitstechnik] usw.);

1.4.3.3.3. Umstürzende/Einstürzende Aufbauten/Equipment;

1.4.3.3.4. Auseinandersetzungen unter Beteiligung einer größeren Anzahl von Veranstaltungsbesuchern

1.4.3.3.5. Störungen des Programmablaufes;

1.4.3.3.6. Überdruck;

1.4.3.3.7. Medizinische Notfälle;

1.4.3.3.8. Ertrinkende (beidseitig des Veranstaltungsgeländes Wasser [Donaustrom, Neue Donau]);“

Die Organe der Einsatzeinheit Wien, U., waren mit angelegten beschusshemmenden Westen und Langwaffen (StG 77) adjustiert.

Um etwa 19:47 Uhr kam der Beschwerdeführer auf die Organe der Einsatzeinheit zu und tanzte vor ihnen. Mit seinen Armen zeichnete er Faustschläge in die Luft und nahm mit seinen Beinen Kicks vor. Dabei kam er insbesondere dem Gruppenkommandanten der Einheit immer näher und sah mit starrem Blick in seine Augen. Der Beschwerdeführer erhielt vom Gruppenkommandanten mehrfach die Aufforderung, zurückzuweichen. Er kam diesen Aufforderungen jedoch nicht nach. Deshalb nahm ihm der Kommandant seine Kopfhörer aus den Ohren. Daraufhin stellte der Beschwerdeführer kurzfristig seine Bewegungen ein.

Es wurde eine Identitätsfeststellung durchgeführt, worüber sich der Beschwerdeführer echauffierte. Währenddessen steckte sich der Beschwerdeführer seine Kopfhörer wieder in die Ohren und setzte neuerlich seinen Tanz fort, der sich durch unkontrollierte Armbewegungen, Faustschläge in der Luft, etc. beschreiben lässt. Daraufhin entfernte der Gruppenkommandant dem Beschwerdeführer neuerlich die Kopfhörer aus seinen Ohren. Es konnte nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer der Grund für die Identitätsfeststellung genannt wurde.

Der Beschwerdeführer bewegte sich bei seinem Tanz weiter auf das Organ zu und regte sich mit lauter, aber nicht schreiender, Stimme über sein Vorgehen auf.

Der Beschwerdeführer wurde nun abgemahnt, sein Verhalten einzustellen und über die Folgen aufgeklärt, falls er sein Verhalten fortsetzen würde.

Der Beschwerdeführer änderte sein Verhalten nicht. Der Kommandant beschrieb das fortgesetzte Verhalten wie folgt: „[d]er Angezeigte ging abermals mit geballten Fäusten auf mich zu und meinte, er könne sich verhalten, wie es ihm passe“. Der Beschwerdeführer wurde von der Anzeigenlegung wegen aggressivem Verhalten in Kenntnis gesetzt und vom Ort der Amtshandlung weggewiesen.

Der Wegweisung wurde nicht entsprochen. Das Verhalten des Beschwerdeführers blieb unverändert.

Nachdem der Beschwerdeführer ein weiteres Mal seine Distanz zum Gruppenkommandanten verringerte und mit seinen tanzenden, ausschlagenden Bewegungen auf diesen zukam, ergriff der Gruppenkommandant den Arm des Beschwerdeführers und sprach die vorläufige Festnahme gemäß § 35 Z 3 VStG aus.

Nach der subjektiven Einschätzung des Gruppenkommandanten meinte dieser, dass der Beschwerdeführer nun einen Schlag gegen ihn setzen wollte und er durch Verkürzen seiner Distanz zum Beschwerdeführer und Ergreifen seines Armes diesen unterbinden konnte. Es konnte nicht festgestellt werden, dass - entsprechend dieser subjektiven Einschätzung - ein Angriff des Beschwerdeführers gegen den Gruppenkommandanten tatsächlich stattgefunden hat respektive ein solcher vom Beschwerdeführer beabsichtigt war.

Dazu ist festzuhalten, dass das Verwaltungsgericht Wien als erwiesen annimmt, dass der Beschwerdeführer – gesamthaft betrachtet – sein Verhalten, nämlich seinen Tanz mit den beschriebenen Faustschlägen in die Luft, unkontrollierten Armbewegungen, Beinkicks auch in Richtung der Organe der Einsatzeinheit, insbesondere des Herrn Gruppenkommandanten, bis zum Ausspruch der vorläufigen Festnahme unverändert blieb und sich der Gruppenkommandant sowie seine Kollegen sich vom gleichbleibenden Verhalten des Beschwerdeführers provoziert, fühlten. Es fehlte indes am Vorsatz respektive an der Absicht des Beschwerdeführers einen gefährlichen Angriff gegen ein Organ, insbesondere aber gegen den Gruppenkommandanten vorzunehmen.

Des Weiteren konnte nicht festgestellt werden, dass es mehrere Abmahnungen gegeben hat. Das Verwaltungsgericht Wien geht vielmehr davon aus, dass der Beschwerdeführer einmal abgemahnt wurde.

Nach Ausspruch der vorläufigen Festnahme gemäß § 35 Z 3 VStG drehte sich der Beschwerdeführer weg und flüchtete in Richtung Wien 20., Wehlistraße. Die Organe der Einsatzeinheit versuchten, dem Beschwerdeführer zu folgen. Aufgrund ihrer schweren Ausrüstung kamen sie dem Beschwerdeführer nur schleppend nach. Zivilkräfte des Landeskriminalamtes, die sich in unmittelbarer Umgebung befanden, gelang es den Beschwerdeführer nach etwa 100 m anzuhalten.

Der Gruppenkommandant brachte sodann den Beschwerdeführer mittels Armstreckhebel zu Boden und legte diesem am Rücken Handfesseln an und arretierte diese.

Der Beschwerdeführer wurde mit dem Arrestantenwagen "…" in den Arrestbereich gebracht. Der diensthabende ZJ, Herr Mag. Sr., verfügte in weiterer Folge - nach Schilderung des Sachverhaltes und erfolgter Anzeigenlegung - die Entlassung des Beschwerdeführers aus der Anhaltung. Der Beschwerdeführer wurde daher am 25.06.2017 um 20:20 Uhr aus der Haft entlassen.

4.2. Zu diesen Sachverhaltsfeststellungen gelangte das Verwaltungsgericht Wien aufgrund der von den Parteien vorgelegten Schriftsätze, Unterlagen sowie der in der mündlichen Verhandlung am 05.12.2017 vorgenommenen Zeugeneinvernahmen.

Unstrittig ist, dass sich die Einsatzeinheit Wien – U. – am 25.06.2017, um ca. 19:45 Uhr, in Wien 20., Maria-Restituta-Platz 1, vor dem Eingang zur U-Bahnstation der U6 Handelskai, positionierte und nach den Vorgaben des Behördenauftrages sowie des Einsatzbefehls zum 34. Donauinselfest den Zustrom der Besucher zu kontrollieren hatten. Gleichfalls wurde die Zusammensetzung der Einsatzeinheit aus den namentlich näher genannten Organen nicht bestritten.

Weiters blieb unbestritten, dass dem Beschwerdeführer die Kopfhörer aus den Ohren genommen wurden, eine Identitätsfeststellung durchgeführt und eine Wegweisung ausgesprochen wurde. Der Beschwerdeführer stellt auch nicht in Abrede, dass er sich über die Identitätsfeststellung und das Verhalten der Organe echauffierte und brachte dazu vor, dass er dieses überzogen ansah und sich aus diesem Grund aufregte. Auch der Umstand, dass er den Aufforderungen, die Kopfhörer aus seinen Ohren zu nehmen, nicht nachkam, blieb unstrittig.

Der Grund der Identitätsfeststellung wurde erstmals in der Gegenschrift erwähnt und mit der allgemeinen Terrorgefahr in Wien, die dort näher ausgeführt wurde, begründet. Der Gruppenkommandant führte als gesetzliche Grundlage für die Identitätsfeststellung auf die konkrete Frage in der mündlichen Verhandlung aus, dass er diese vorgenommen habe, weil an diesem Ort der Verdacht vorliegend war, dass mehrere strafbare Handlungen gesetzt werden. Ihr behördlicher Auftrag bestand auch darin, Personen mit auffälligen Verhaltensweisen, die aus der Menge hervorstechen, zu kontrollieren. Dies im Hinblick auf die in Europa bestehende Terrorlage. Der Beschwerdeführer habe genau das im Behördenauftrag geschilderte Verhalten gezeigt. In der Anzeige respektive in der Tatbeschreibung derselben finden sich diesbezüglich keine Ausführungen.

Die Organe, insbesondere auch der Gruppenkommandant (ident mit Meldungsleger) bestätigten ferner, dass sich der Beschwerdeführer mit lauter, aber nicht schreiender Stimme, über das Vorgehen aufregte.

Dass der Beschwerdeführer der ausgesprochenen Wegweisung keine Folge leistete, wurde ebenso nicht bestritten. Das Gleiche gilt für den Ausspruch der vorläufigen Festnahme und der nachfolgenden versuchten Entziehung von der Festnahme in Richtung Wien 20., Wehlistraße.

Es wurde ebenso nicht bestritten, dass der Beschwerdeführer mittels Armstreckhebel zu Boden gebracht und diesem am Rücken Handfesseln angelegt wurden. Auch die nachfolgenden Sachverhaltsfeststellungen hinsichtlich seiner Verbringung in den Arrestbereich und seine Anhaltung waren unstrittig.

Zum strittigen Sachverhalt:

Der Beschwerdeführer bestreitet zwar nicht, dass er vor den Organen der Einsatzeinheit tanzte bzw. diese „antanzte“. Gleichfalls bestätigen die als Zeugen einvernommenen Organe, dass der Beschwerdeführer einen Tanz vor ihnen aufführte. Das lässt den Schluss nahe, dass sich der Beschwerdeführer nicht vor den Organen vorbeibewegte, sondern sich vor diesen, in naher Distanz bewegte. Hinzu kommt, dass sowohl in der Anzeige als auch nach den insoweit glaubhaften und übereinstimmenden Zeugenaussagen der einvernommenen Organe, der Tanz des Beschwerdeführers so beschrieben wurde, dass dieser auf die Organe zukam und mit unkontrollierten Armen verbunden mit „Kampfelementen“, sohin mit – wie in der mündlichen Verhandlung diese Bewegungen näher dargestellt wurden - Faustschlägen und Beinkicks in die Luft, seinen Tanz vollführte. Der Beschwerdeführer kam den Organen im Zuge seines Tanzes so nahe, dass es dem Gruppenkommandanten möglich war, durch weiteres Verkürzen seiner Distanz zum Beschwerdeführer, dessen Arm zu ergreifen. Aufgrund dieses Umstandes ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer schon eine Nähe erreicht haben musste, die es dem Gruppenkommandanten ermöglichte, durch Verkürzen seiner Distanz, den Beschwerdeführer auch körperlich zu erreichen. Auch deckt sich diese Annahme mit der Zeugenaussage seines Kollegen, der dazu angab, dass der Beschwerdeführer mit seinen „Fuchtelein“ schon knapper war und es schon sein konnte, dass er mit seiner Faust einen Kollegen hätte treffen können. Er beschrieb das Verhalten des Beschwerdeführers als sehr unangenehm und mit „knappen Herumfuchteln“. Obgleich er die Distanz nicht abschätzen konnte, empfand er diese zum Beschwerdeführer als „bedrohliche Nähe“. All diese nachvollziehbaren Beschreibungen lassen auf eine sehr kurze Distanz des Beschwerdeführers – in unmittelbarer Reichweite zu den Organen – schließen.

Entgegen den Ausführungen des Gruppenkommandanten, der vermeinte, dass der Beschwerdeführer einen Angriff gegen ihn beabsichtigte respektive in Begriff gewesen sei, einen solchen durchzuführen, konnte diese Einschätzung von seinem Kollegen nicht bestätigt werden. Dieser führte dazu befragt aus, dass sich das Verhalten des Beschwerdeführers nicht veränderte und die ganze Zeit dasselbe gewesen sei, nämlich seine tanzenden Bewegungen „mit Kampfsportelementen“. Es hätte zwar soweit kommen können, dass er auch jemanden hätte verletzen können, dass der Beschwerdeführer dies gewollt habe, wisse er nicht. Es handelte sich dabei um die Meinung seines Kollegen. Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtes Wien bestand nach diesen Aussagen, aufgrund der räumlichen Nähe des Beschwerdeführers zu den Organen, insbesondere zum Gruppenkommandanten – wie diese zuvor dargelegt wurde - die Möglichkeit eines körperlichen Treffers durch den Beschwerdeführer. Ein Rückschluss auf einen bevorstehenden Angriff gegenüber dem Gruppenkommandanten, der demgegenüber auf den Beschwerdeführer zukam – und damit von sich aus die Distanz noch verkürzte, aber damit keine schuf - und seinen Arm ergriff, kann indes nicht gezogen werden. Dies umso mehr, als kein Anhaltspunkt hervorkam, der auf einen beabsichtigten Angriff des Beschwerdeführers gegen den Gruppenkommandanten schließen lässt. Der Aussage des Gruppenkommandanten in der mündlichen Verhandlung, wonach der Beschwerdeführer seine rechte Faust geballt, seinen Arm zurückgezogen hat, um zum Schlag auszuholen und es sich hierbei um eine andere Bewegung, als noch zuvor gehandelt hat, als er die Fäuste neben seinem Körper oder vor sich hatte, konnte nicht gefolgt werden, da sie zum einen im Widerspruch zu den Beschwerdevorbringen und zur Zeugenaussage seines Kollegen steht und diese Darstellung in die Tatbeschreibung der Anzeige hineininterpretiert werden müsste, wofür es – wie bereits ausgeführt wurde – keine Anhaltspunkte gibt.

Wie in der Sachverhaltsdarstellung festgehalten wurde, geht das Verwaltungsgericht Wien davon aus, dass sich der Gruppenkommandant sowie seine Kollegen sich vom gleichbleibenden Verhalten des Beschwerdeführers provoziert fühlten. Dies deshalb, weil der Gruppenkommandant selbst in der Anzeige festhielt, dass der Beschwerdeführer meinte, er könne sich verhalten, wie es ihm passe. Sein Kollege dazu bestätigend ausführte, dass der Beschwerdeführer nach der Identitätsfeststellung mit seinem Verhalten aufhören und gehen hätte können. Er dies aber nicht getan habe und sein knappes Herumfuchteln sehr unangenehm gewesen sei. Weder die mündliche Verhandlung noch aus dem gesamten vorliegenden Verwaltungsstrafakt ist erkennbar, dass sich der Gruppenkommandant deeskalierend verhalten hätte, sondern vielmehr – wie dargelegt wurde - sich durch das Verhalten des Beschwerdeführers – nämlich seine tanzenden Bewegungen mit herumfuchtelnden Armen und Beinen, kurz: mit „Kampfsportelementen“, in kurzer Distanz zu den Organen - provoziert fühlte und sich der Gruppenkommandant daher veranlasst sah, die in Beschwerde gezogenen Amtshandlungen zu setzen.

Zur Feststellung des Verwaltungsgerichtes Wien, dass der Beschwerdeführer nur einmal abgemahnt wurde, ist auszuführen, dass dieser Umstand aus der Tatbeschreibung der Anzeige hervorgeht und mehrfache Abmahnungen, insbesondere vor Ausspruch der vorläufigen Festnahme nach § 35 Z 3 VStG, nicht hervorgehen. Der Kollege des Gruppenkommandanten konnte weiters in der mündlichen Verhandlung lediglich eine Abmahnung wahrnehmen, an weitere könne er sich nicht mehr erinnern. Er führte aber ins Treffen, dass sich andere Kollegen, obgleich diese mit der Absicherung der Amtshandlung zu tun hatten, verbal beteiligt hätten. Er relativierte jedoch diese Aussage im nächsten Satz, indem er meinte, dass das Organ, „dass die Amtshandlung führt, dem Gegenüber mitteilt, was dieser zu tun hat“. Er wisse aber nicht mehr, ob er oder ein anderer Kollege sich verbal eingemischt habe. Der Gruppenkommandant meinte demgegenüber, dass weitere Abmahnungen erfolgten, aber nicht mehr wisse, wie viele. Die Ausführungen in der Anzeige würden stimmen, aber soweit er sich erinnere, haben seine Kollegen ebenfalls Mahnungen ausgesprochen, die in der Tatbeschreibung nicht erfasst worden seien. Der Beschwerdeführer sei nach der Abmahnung über die Anzeigenlegung in Kenntnis gesetzt worden und danach sei die Festnahme ausgesprochen worden. Angesichts des Anzeigentextes, der diesem widersprechenden Ausführungen des Gruppenkommandanten und der Zeugenaussage seines Kollegen, der sich lediglich an eine Abmahnung erinnern konnte, war letztlich davon auszugehen, dass es keine weiteren Abmahnungen, wie dies der Gruppenkommandant vermeint, gegeben hat.

II. 1. Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG erkennen Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt wegen Rechtswidrigkeit. Ist im Verfahren wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG eine Beschwerde nicht zurückzuweisen oder abzuweisen, so hat das Verwaltungsgericht die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig zu erklären und gegebenenfalls aufzuheben (§ 28 Abs. 6 VwGVG).

2.1. Die hier maßgeblichen Bestimmungen des Sicherheitspolizeigesetzes - SPG lauten wie folgt:

„Sicherheitspolizeiliche Aufgabenerfüllung
§ 28a.

(1) Wenn bestimmte Tatsachen die Annahme einer Gefahrensituation rechtfertigen, obliegt den Sicherheitsbehörden, soweit ihnen die Abwehr solcher Gefahren aufgetragen ist, die Gefahrenerforschung.

(2) Die Sicherheitsbehörden und die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes dürfen zur Erfüllung der ihnen in diesem Bundesgesetz übertragenen Aufgaben alle rechtlich zulässigen Mittel einsetzen, die nicht in die Rechte eines Menschen eingreifen.

(3) In die Rechte eines Menschen dürfen sie bei der Erfüllung dieser Aufgaben nur dann eingreifen, wenn eine solche Befugnis in diesem Bundesgesetz vorgesehen ist und wenn entweder andere Mittel zur Erfüllung dieser Aufgaben nicht ausreichen oder wenn der Einsatz anderer Mittel außer Verhältnis zum sonst gebotenen Eingriff steht.

Verhältnismäßigkeit
§ 29.

(1) Erweist sich ein Eingriff in Rechte von Menschen als erforderlich (§ 28a Abs. 3), so darf er dennoch nur geschehen, soweit er die Verhältnismäßigkeit zum Anlaß und zum angestrebten Erfolg wahrt.

(2) Insbesondere haben die Sicherheitsbehörden und die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes

1.

von mehreren zielführenden Befugnissen jene auszuwählen, die voraussichtlich die Betroffenen am wenigsten beeinträchtigt;

2.

darauf Bedacht zu nehmen, ob sich die Maßnahme gegen einen Unbeteiligten oder gegen denjenigen richtet, von dem die Gefahr ausgeht oder dem sie zuzurechnen ist;

3.

darauf Bedacht zu nehmen, daß der angestrebte Erfolg in einem vertretbaren Verhältnis zu den voraussichtlich bewirkten Schäden und Gefährdungen steht;

4.

auch während der Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt auf die Schonung der Rechte und schutzwürdigen Interessen der Betroffenen Bedacht zu nehmen;

5.

die Ausübung der Befehls- und Zwangsgewalt zu beenden, sobald der angestrebte Erfolg erreicht wurde oder sich zeigt, daß er auf diesem Wege nicht erreicht werden kann.

Identitätsfeststellung
§ 35.

(1) Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind zur Feststellung der Identität eines Menschen ermächtigt,

1.

wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, er stehe im Zusammenhang mit einem gefährlichen Angriff oder könne über einen solchen Angriff Auskunft erteilen;

2.

wenn der dringende Verdacht besteht, daß sich an seinem Aufenthaltsort

a)

mit beträchtlicher Strafe bedrohte Handlungen ereignen oder

b)

flüchtige Straftäter oder einer Straftat Verdächtige verbergen;

3.

wenn er sich anscheinend im Zustand der Hilflosigkeit befindet und die Feststellung der Identität für die Hilfeleistung erforderlich scheint;

4.

wenn der dringende Verdacht besteht, daß sich an seinem Aufenthaltsort Fremde befinden, die nicht zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt sind;

5.

wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, es handle sich

a)

um einen abgängigen Minderjährigen (§ 162 Abs. 1 ABGB oder § 111c AußStrG) oder

b)

um einen Menschen, der auf Grund einer psychischen Krankheit das Leben oder die Gesundheit anderer ernstlich und erheblich gefährdet oder

c)

um einen Untersuchungshäftling oder Strafgefangenen, der sich der Haft entzogen hat.

6.

wenn nach den Umständen anzunehmen ist, der Betroffene habe im Zuge einer noch andauernden Reisebewegung die Binnengrenze überschritten oder werde sie überschreiten;

7.

wenn der Betroffene entlang eines vom internationalen Durchzugsverkehr benützten Verkehrsweges unter Umständen angetroffen wird, die für grenzüberschreitend begangene gerichtlich strafbare Handlungen typisch sind;

8.

wenn dies für die Verhängung eines Betretungsverbotes nach den §§ 36a Abs. 3 und 4 und 38a Abs. 1 und 6 sowie für die Überprüfung und Durchsetzung desselben notwendig ist;

9.

wenn dies für die Verhängung eines Betretungsverbots in einem Sicherheitsbereich bei Sportgroßveranstaltungen gemäß § 49a und die Durchsetzung desselben notwendig ist.

(2) Die Feststellung der Identität ist das Erfassen der Namen, des Geburtsdatums und der Wohnanschrift eines Menschen in dessen Anwesenheit. Sie hat mit der vom Anlaß gebotenen Verläßlichkeit zu erfolgen.

(3) Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes haben Menschen, deren Identität festgestellt werden soll, hievon in Kenntnis zu setzen. Jeder Betroffene ist verpflichtet, an der Feststellung seiner Identität mitzuwirken und die unmittelbare Durchsetzung der Identitätsfeststellung zu dulden.

Wegweisung
§ 38.

(1) Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind ermächtigt, einen Menschen, der durch ein Verhalten, das geeignet ist, berechtigtes Ärgernis zu erregen, die öffentliche Ordnung stört, vom Ort der Störung wegzuweisen, es sei denn, das Verhalten ist gerechtfertigt, insbesondere durch die Inanspruchnahme eines verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts.

(1a) Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind ermächtigt, Unbeteiligte wegzuweisen, die durch ihre Anwesenheit am Vorfallsort oder in dessen unmittelbarer Umgebung die Erfüllung der ersten allgemeinen Hilfeleistungspflicht oder die nach einem gefährlichen Angriff gebotene Klärung der maßgeblichen Umstände behindern. Dies gilt auch für Unbeteiligte, die durch ihre Anwesenheit die Privatsphäre jener Menschen unzumutbar beeinträchtigen, die von dem Vorfall betroffen sind.

(2) Besteht an einem bestimmten Ort eine allgemeine Gefahr für Leben oder Gesundheit mehrerer Menschen oder für Eigentum oder Umwelt in großem Ausmaß, so sind die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes ermächtigt, jedermann aus dem Gefahrenbereich zu weisen, solange die Sicherheitsbehörde nicht selbst gemäß § 36 Abs. 2 einschreitet.

(3) Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind außerdem ermächtigt, jedermann aus einem Gefahrenbereich zu weisen, dessen Leben und Gesundheit dadurch gefährdet sind, daß einem gefährlichen Angriff ein Ende gesetzt wird.

(4) Schließlich sind die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes ermächtigt, Menschen von Stellen einer Einrichtung oder Anlage wegzuweisen, die für gefährliche Angriffe gegen Leben oder Gesundheit einer größeren Zahl von Menschen besonders anfällig ist, wenn diese Stelle nicht allgemein zugänglich und für einen solchen gefährlichen Angriff auch tatsächlich geeignet ist.

(5) Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind ermächtigt, einen Menschen, der ohne Rechtsgrund und ohne Duldung des Besitzers dessen Grundstück oder Raum betreten hat und durch sein Verharren vor Ort schwerwiegend in die Rechte des Besitzers eingreift, auf Verlangen des Besitzers wegzuweisen.

Unmittelbare Zwangsgewalt
§ 50.

(1) Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind, sofern nicht anderes bestimmt ist, ermächtigt, die ihnen von diesem Bundesgesetz oder von einer auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnung eingeräumten Befugnisse mit unmittelbarer Zwangsgewalt durchzusetzen.

(2) Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes haben anwesenden Betroffenen die Ausübung von unmittelbarer Zwangsgewalt anzudrohen und anzukündigen. Hievon kann in den Fällen der Notwehr oder der Beendigung gefährlicher Angriffe (§ 33) soweit abgesehen werden, als dies für die Verteidigung des angegriffenen Rechtsgutes unerläßlich erscheint.

(3) Für die Anwendung von unmittelbarer Zwangsgewalt gegen Menschen gelten die Bestimmungen des Waffengebrauchsgesetzes 1969.

(4) Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes dürfen physische Gewalt gegen Sachen anwenden, wenn dies für die Ausübung einer Befugnis unerläßlich ist. Hiebei haben sie alles daranzusetzen, daß eine Gefährdung von Menschen unterbleibt.

Aggressives Verhalten gegenüber Organen der öffentlichen Aufsicht oder gegenüber militärischen Organen im Wachdienst
§ 82.

(1) Wer sich trotz vorausgegangener Abmahnung gegenüber einem Organ der öffentlichen Aufsicht oder gegenüber einem militärischen Organ im Wachdienst, während diese ihre gesetzlichen Aufgaben wahrnehmen, aggressiv verhält, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu 500 Euro zu bestrafen. Anstelle einer Geldstrafe kann bei Vorliegen erschwerender Umstände eine Freiheitsstrafe bis zu einer Woche, im Wiederholungsfall bis zu zwei Wochen verhängt werden.

(2) Eine Bestrafung nach Abs. 1 schließt eine Bestrafung wegen derselben Tat nach § 81 aus.“

2.2. Die Bestimmung des § 35 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 – VStG lautet:

„Festnahme
§ 35.

Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes dürfen außer den gesetzlich besonders geregelten Fällen Personen, die auf frischer Tat betreten werden, zum Zweck ihrer Vorführung vor die Behörde festnehmen, wenn

1.

der Betretene dem anhaltenden Organ unbekannt ist, sich nicht ausweist und seine Identität auch sonst nicht sofort feststellbar ist oder

2.

begründeter Verdacht besteht, daß er sich der Strafverfolgung zu entziehen suchen werde, oder

3.

der Betretene trotz Abmahnung in der Fortsetzung der strafbaren Handlung verharrt oder sie zu wiederholen sucht.“

3.1. Die Kosten im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt regelt § 35 VwGVG. Dieser lautet:

„Kosten

Kosten im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt

§ 35.

(1) Die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG) obsiegende Partei hat Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei.

(2) Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei.

(3) Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei.

(4) Als Aufwendungen gemäß Abs. 1 gelten:

1.

die Kommissionsgebühren sowie die Barauslagen, für die der Beschwerdeführer aufzukommen hat,

2.

die Fahrtkosten, die mit der Wahrnehmung seiner Parteirechte in Verhandlungen vor dem Verwaltungsgericht verbunden waren, sowie

3.

die durch Verordnung des Bundeskanzlers festzusetzenden Pauschalbeträge für den Schriftsatz-, den Verhandlungs- und den Vorlageaufwand.

(5) Die Höhe des Schriftsatz- und des Verhandlungsaufwands hat den durchschnittlichen Kosten der Vertretung bzw. der Einbringung des Schriftsatzes durch einen Rechtsanwalt zu entsprechen. Für den Ersatz der den Behörden erwachsenden Kosten ist ein Pauschalbetrag festzusetzen, der dem durchschnittlichen Vorlage-, Schriftsatz- und Verhandlungsaufwand der Behörden entspricht.

(6) Die §§ 52 bis 54 VwGG sind auf den Anspruch auf Aufwandersatz gemäß Abs. 1 sinngemäß anzuwenden.

(7) Aufwandersatz ist auf Antrag der Partei zu leisten. Der Antrag kann bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt werden.“

3.2. § 1 der Verordnung über die Pauschalierung der Aufwandersätze im Verfahren vor den Verwaltungsgerichten über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und Beschwerden wegen Rechtswidrigkeit eines Verhaltens der Behörde in Vollziehung der Gesetze (VwG-Aufwandersatzverordnung - VwG-AufwErsV) lautet wie folgt:

„§ 1.

Die Höhe der im Verfahren vor den Verwaltungsgerichten über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 des Bundes-Verfassungsgesetzes – B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, und Beschwerden wegen Rechtswidrigkeit eines Verhaltens einer Behörde in Vollziehung der Gesetze gemäß Art. 130 Abs. 2 Z 1 B-VG als Aufwandersatz zu leistenden Pauschalbeträge wird wie folgt festgesetzt:

1.

Ersatz des Schriftsatzaufwands des Beschwerdeführers als obsiegende Partei

737,60 Euro

                            

2.

Ersatz des Verhandlungsaufwands des Beschwerdeführers als obsiegende Partei

922,00 Euro

                            

3.

Ersatz des Vorlageaufwands der belangten Behörde als obsiegende Partei …..

57,40 Euro

                            

4.

Ersatz des Schriftsatzaufwands der belangten Behörde als obsiegende Partei

368,80 Euro

                            

5.

Ersatz des Verhandlungsaufwands der belangten Behörde als obsiegende Partei

461,00 Euro

                            

6.

Ersatz des Aufwands, der für den Beschwerdeführer mit dem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens verbunden war (Schriftsatzaufwand)

553,20 Euro

7.

Ersatz des Aufwands, der für die belangte Behörde mit dem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens verbunden war (Schriftsatzaufwand)

276,60 Euro“

III. 1. Gemäß § 7 Abs. 4 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG ist die Beschwerde gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG innerhalb von sechs Wochen ab dem Zeitpunkt, in dem der Betroffene Kenntnis von der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt erlangt hat, beim Verwaltungsgericht Wien einzubringen.

Der Tag der beschwerdegegenständlichen Amtshandlung war am 25.06.2017, die nun vorliegende Beschwerde wurde am 28.07.2017 beim Verwaltungsgericht Wien eingebracht und ist daher rechtzeitig.

2.1. Zum Herausziehen der Kopfhörer aus den Ohren und zur Identitätsfeststellung des Beschwerdeführers:

Zunächst gilt es im vorliegenden Beschwerdefall die Frage zu beantworten, ob eine Identitätsfeststellung gemäß § 35 SPG vorgenommen werden durfte.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt die Ausübung unmittelbarer behördlicher Befehlsgewalt und Zwangsgewalt dann vor, wenn Verwaltungsorgane im Rahmen der Hoheitsverwaltung einseitig gegen individuell bestimmte Adressaten einen Befehl erteilen oder Zwang ausüben und damit unmittelbar – d.h. ohne vorangegangenen Bescheid - in subjektive Rechte des Betroffenen eingreifen. Das ist im Allgemeinen dann der Fall, wenn physischer Zwang ausgeübt wird oder die unmittelbare Ausübung physischen Zwanges bei Nichtbefolgung eines Befehls droht. Es muss ein Verhalten vorliegen, das als "Zwangsgewalt", zumindest aber als - spezifisch verstandene - Ausübung von "Befehlsgewalt" gedeutet werden kann.

Als unverzichtbares Merkmal eines Verwaltungsaktes in der Form eines Befehls gilt, dass dem Befehlsadressaten eine bei Nichtbefolgung unverzüglich einsetzende physische Sanktion angedroht wird. Liegt ein Befolgungsanspruch aus einer solchen, dem Befehlsadressaten bei Nichtbefolgung des Befehls unverzüglich drohenden physischen Sanktion (objektiv) nicht vor, so kommt es darauf an, ob bei objektiver Betrachtungsweise aus dem Blickwinkel des Betroffenen bei Beurteilung des behördlichen Vorgehens in seiner Gesamtheit der Eindruck entstehen musste, dass bei Nichtbefolgung der behördlichen Anordnung mit ihrer unmittelbaren zwangsweisen Durchsetzung zu rechnen ist (z.B. VwGH vom 29.09.2009, Zl 2008/18/0687, VwGH vom 15.12.2014, Zl 2011/17/0333).

Stellt sich beispielsweise eine Aufforderung unter voller Berücksichtigung aller Begleitumstände nur als „Einladung“ dar, die der Adressat nach eigenem Gutdünken unterfüllt lassen kann, ohne dabei Gefahr zu laufen dass er deshalb „unverzüglich (unmittelbar) – das ist jedenfalls ohne Dazwischentreten weiterer Verwaltungsakte physischem (Polizei)Zwang unterworden werde“ (z.B. VwSlg 10.870 A/1982, 14.262A/1997, VfSlg 11.568/1987), um den gewünschten Zustand herzustellen, so entbehrt die entsprechende, „den Charakter eines schlichten Ansinnens tragende formlose Enuntiation“ des zwingend erforderlichen individuell-normativen Inhalts (vgl. dazu Hengstschläger-Leeb, AVG Kommentar, 3. Teilband, Wien 2007, S 1013f, weiters VfSlg 12.791/1991, VwGH vom 28.10.2003, Zl 2001/11/0162 uva).

Neben dem Wortlaut und der Bestimmtheit der Anordnung ist demnach maßg

Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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