TE Lvwg Erkenntnis 2018/4/23 VGW-151/068/7609/2016

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Veröffentlicht am 23.04.2018
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Entscheidungsdatum

23.04.2018

Index

40/01 Verwaltungsverfahren
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

VwGVG §29 Abs5
NAG §10 Abs1

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

gekürzte Ausfertigung

gemäß § 29 Abs. 5 VwGVG

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seinen Richter Mag. Hohenegger über die Beschwerde des Herrn N. U., geb. 1974, StAng. Nigeria, vertreten durch RAe, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien, Magistratsabteilung 35 - Einwanderung, Staatsbürgerschaft - Einwanderung der Bezirke …, vom 19.05.2016, Zl. MA35-9/2750015-05, mit welchem gemäß § 24 Abs. 3 iVm § 10 Abs. 1 NAG der Antrag auf Verlängerung eines Aufenthaltstitels "Daueraufenthalt - EU" abgewiesen wurde, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 10.01.2018 und am 19.02.2018

zu Recht e r k a n n t :

I. Gemäß § 28 Abs. 1 i.V.m. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG wird dem Antrag des Beschwerdeführers auf Verlängerung der Kartengültigkeit seines bestehenden Aufenthaltstitels „Daueraufenthalt-Familienangehöriger“ stattgegeben.

II. Gegen diese Entscheidung ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz – VwGG eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz – B-VG unzulässig.

I. E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Festgestellt wird folgende Abfolge der Ereignisse:

18.12.2003    rk & durchsetzbares Aufenthaltsverbot gegen F. Ne., geb. 1974 (alte   Identität d. BF)

01.04.2005 - 01.04.2006 quotenfreie Niederlassungsbewilligung "begünstigter Drittstaatsangehöriger"     (neue Identität: N. U., geb. 1974)

19.05.2010    erstmalige Erteilung "Daueraufenthalt-FamAng", erteilt bis 19.5.2015

11.06.2012    MA 35 erlangt Kenntnis vom bestehenden Aufenthaltsverbot unter der alten Identität

19.07.2012    interner Widerruf des erteilten "Daueraufenthalt-FamAng" durch MA 35

15.11.2012    Aufhebung des Aufenthaltsverbots auf Antrag d. BF gem. § 69/2 FPG, weil die Gründe, die zu  seiner Erlassung geführt haben, weggefallen sind - dh. keine Aufhebung im Rechtsweg, wie in  § 10/1 NAG als Grund für das Wiederaufleben eines Aufenthaltstitels genannt.

30.04.2015    rechtzeitig eingebrachter verfahrensgegenständlicher Verlängerungsantrag für  "Daueraufenthalt-EU"

19.05.2016    Abweisung des Verlängerungsantrages durch MA 35, weil gemäß § 10 Abs. 1 NAG der  Aufenthaltstitel durch die Rechtskraft der Aufenthaltsbeendigung ungültig geworden sei und  daher kein verlängerbares Aufenthaltsrecht mehr bestehe

Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) stellte persönlich am 30.4.2015 beim Landeshauptmann von Wien, MA 35 (im Folgenden: belangte Behörde) unter seinem Namen U., N., geb. 1974, nigerianischer Staatsangehöriger, den verfahrensgegenständlichen Antrag auf Verlängerung seines Aufenthaltstitels „Daueraufenthalt--FamAng“, welcher ihm am 19.5.2010 mit einer Gültigkeit bis zum 19.5.2015 von der belangten Behörde erteilt worden war.

Er verfügt über einen nigerianischen Reisepass mit der Nummer ..., ausgestellt am 25. März 2015, mit einer Gültigkeit bis 24. März 2020.

Der Beschwerdeführer verfügt über Sprachkenntnisse der deutschen Sprache auf Niveau B1 (./F). Er befindet sich seit 31.1.2005 in aufrechter Ehe (MA 35-AS 10) mit seiner Gattin U.-S. M., geb. 1964, österreichische Staatsbürgerin (MA 35-AS 16), mit welcher er eine gemeinsame mj. Tochter, Ma. U., geboren am 22.9.2005 hat. Für ihn war es die 1. Ehe, für seine Gattin die 2. Ehe. Aus der 1. Ehe der Gattin ging ihre nunmehrige 25-jährige Tochter hervor, welche als …pädagogin beim … arbeitet.

Die Gattin ist öffentliche Bedienstete …, wo sie monatlich zwischen rund € 2.800,-- und rund € 3.700,-- ins Verdienen bringt (./C). Zusätzlich kann sie über ihre Supervisionstätigkeit monatlich weitere € 1.000,-.- dazuverdienen. Sie hat einen offenen Kredit bei der Bank ... i.H.v € 29.000 (urspr. 67.500,--) bei einer monatlichen Kreditrate in Höhe von rund € 432,12 (./i), einen weitere offenen Kredit bei der Bank ... in Gesamthöhe von € 108,75 (./J), einen weiteren offenen Kredit bei der ... Bank GmbH von einer Gesamthöhe von 20.000,- bei einer monatlichen Kreditrate von € 196,21 (./H) und einen Leasingvertrag bei der R. in einer Gesamthöhe von € 12.553,- bei einer Leasingrate von € 229,59 (./K, ./L). In Summe ergeben sich monatliche Kreditraten der Gattin in Höhe von € 966,67.

Die Gattin verfügt seit 19.11.1992 über einen unbefristeten Mietvertrag mit der Gemeinde Wien über eine Wohnung in Wien, ...gasse, bestehend aus einem Vorraum, einer Küche, 3 Wohnräumen, einem Bad, einen Abstellraum und einem WC im Umfang von 65 m² zu einem monatlichen Mietzins i.H.v € 335,76 (./D), wo sie mit dem Beschwerdeführer und der gemeinsamen Tochter wohnt. Angesichts der Größe und der Raumaufteilung der Wohnung im Hinblick auf die Belegung durch eine Familie, bestehend aus einem Ehepaar und dessen minderjährigen Kind, ist diese Wohnung als ortsüblich zu qualifizieren.

Der Beschwerdeführer arbeitet seit 28.11.2005 durchgehend bei der ... als Betreuer von Maschinen in der Gebäcksfertigung, wo er monatlich netto zwischen 1.300,-- und € 1.400,-- bei 38,5 Wochenstunden ins Verdienen bringt (./A & ./B). Er hat einen Kredit bei der … Bank i.H.v € 10.000,--, von denen noch € 8.190,77 offen sind. Die monatliche Rate beträgt exakt € 246,73 (./M, ./O).

Der durchschnittliche Nettomonatslohn des Beschwerdeführers beträgt unter Anrechnung der Sonderzahlungen somit rund € 1.575,--, jener der Gattin rund € 4.791,67, womit die durchschnittlichen Haushaltseinkünfte - selbst nach Schmälerung durch die regelmäßigen Aufwendungen in Form der monatlichen Kreditraten und des monatlichen Mietzinses in Gesamthöhe von € 1.549,16, welche wiederum um den Wert der vollen freien Station iHv 288,87 € auf € 1.260,26 gemindert werden – den ASVG Richtsatz gemäß § 293 ASVG für ein Ehepaar im gemeinsamen Haushalt mit minderjährigem Kind deutlich übersteigen.

Über seine Pflichtversicherung verfügt der Beschwerdeführer im Bundesgebiet über einen alle Risken abdeckenden Krankenversicherungsschutz.

Nach Bekanntwerden des Umstandes, dass seit 2003 ein Aufenthaltsverbot gegen den Beschwerdeführer unter seiner alten Identität verhängt gewesen war, widerrief die belangte Behörde bloß intern am 19.7.2012 den von ihr zu Unrecht erteilten Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt-FamAng“. Eine Wiederaufnahme des Aufenthaltstitelverfahrens aufgrund neu hervorgekommen Tatsachen wurde jedoch nicht durchgeführt. Auch eine nachweisliche Zur-Kenntnis-Bringung des Widerrufs an den Beschwerdeführer erfolgte nicht, weil offenbar die belangte Behörde unter Berufung auf § 10 Abs. 1 NAG annahm, dass der Aufenthaltstitel aufgrund des davor erlassenen Aufenthaltsverbotes ex lege ungültig werde. Dem entgegen steht nicht nur der klare Gesetzeswortlaut des § 10 Abs. 1 NAG, demzufolge ein Aufenthaltstitel ungültig wird, wenn gegen Fremde ein Aufenthaltsverbot durchsetzbar oder rechtskräftig wird, da im gegenständlichen Fall das Aufenthaltsverbot zum Zeitpunkt der Erteilung des Aufenthaltstitels bereits bestand, sondern auch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur verfahrensggstdl. Konstellation, derzufolge auch ein - bspw. aufgrund von verschiedenen Identitäten - zu Unrecht erteilter Aufenthaltstitel - als spätere Norm - ein bereits bestehendes Aufenthaltsverbot für die Dauer seiner Geltung verdrängt (VwGH 31.03.2008, 2008/21/0123; 30.04.2009, 2008/21/0549).

Dementsprechend hätte die belangte Behörde bei der Erlangung der Kenntnis von neuen Tatsachen eine Wiederaufnahme des Verfahrens verfügen müssen. Der bloß interne Widerruf entspricht nicht den Kriterien eines solchen Verfahrens. Daher war zum Zeitpunkt der Einbringung des Verlängerungsantrages der Daueraufenthalt-FamAng des Beschwerdeführers aufrecht - das bis zu seiner Aufhebung am 15.11.2012 verdrängte Aufenthaltsverbot konnte und kann keinerlei Wirkungen mehr entfalten.

Selbstverständlich sind die am 11.6.2012 "neu" hervorgekommen Tatsachen wie die Verurteilung wegen Drogendelikten und die Angabe einer falschen Identität nunmehr im Zuge der dieses Verfahrens als mögliche Versagungsgründe zu berücksichtigen – allerdings ist aufgrund des langen Wohlverhaltenszeitraumes, welcher auch zur Aufhebung des Aufenthaltsverbotes am 15.11.2012 führte, auch im Aufenthaltstitelverfahren keine andere Wertung vorzunehmen, weshalb wegen dieser Umstände mittlerweile von keiner Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch den Beschwerdeführer auszugehen ist, zumal seit damals weitere 5 Jahre des Wohlverhaltens des Beschwerdeführers ins Land gezogen sind.

Da keine Hinweise auf das Vorliegen von Versagungsgründen hervorgekommen sind, war spruchgemäß zu entscheiden.

II. H i n w e i s

Alle hierzu Berechtigten haben auf die Erhebung einer Revision beim Verwaltungsgerichtshof und einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof verzichtet bzw. wurde kein (fristgerechter) Antrag auf Ausfertigung der Entscheidung gestellt. Deshalb konnte die Entscheidung gemäß § 29 Abs. 5 VwGVG in gekürzter Form ausgefertigt werden und ist somit eine Revision beim Verwaltungsgerichtshof und/oder eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof nicht mehr zulässig.

Schlagworte

Ungültigkeit von Aufenthaltstiteln, bestehendes Aufenthaltsverbot im Zeitpunkt der Erteilung des Aufenthaltstitels, interner Widerruf

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2018:VGW.151.068.7609.2016

Zuletzt aktualisiert am

04.06.2018
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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