TE Bvwg Erkenntnis 2018/5/18 W123 2160831-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 18.05.2018
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Entscheidungsdatum

18.05.2018

Norm

AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W123 2160831-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Michael ETLINGER über die Beschwerde der XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 05.05.2017, 1105145407-170404855/BMI-BFA_NOE_RD, nach Durchführung einer öffentlich mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerin, eine afghanische Staatsangehörige, stellte am 03.04.2017 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Im Rahmen der am selben Tag erfolgten Erstbefragung brachte die Beschwerdeführerin vor, dass sie einen Antrag auf internationalen Schutz stelle, da ihr Ehemann in Österreich den Status eines subsidiär Schutzberechtigten erlangt habe.

3. Im Rahmen der am 02.05.2017 vor der belangten Behörde erfolgten Einvernahme brachte die Beschwerdeführerin vor, dass sie keine eigenen Fluchtgründe habe. Nur die schlechte Behandlung durch ihre Schwiegereltern sei ein Problem für die Beschwerdeführerin gewesen. Ihr Schwiegervater habe die Beschwerdeführerin und ihre Kinder geschlagen. Zudem habe er der Beschwerdeführerin verboten, dass diese ihre Kinder in die Schule schicke.

Sie habe ihren Ehemann in Peshawar geehelicht, sei Analphabetin, verfüge über keine Schulbildung, sei immer Hausfrau gewesen und es entspreche ihrem freien Willen, traditionell afghanisch gekleidet zu sein. Ihre Zukunft in Österreich stelle sich die Beschwerdeführerin so vor, dass sie Deutsch lernen und andere Afghanen kennenlernen werde.

In Afghanistan habe die Beschwerdeführerin nie Probleme mit irgendwelchen Personen gehabt.

4. Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) abgewiesen. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 wurde der Beschwerdeführerin der Status der subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihr gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 05.05.2018 erteilt (Spruchpunkt III.).

5. Gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheides wendet sich die vorliegende Beschwerde vom 31.05.2017 Beschwerde, in welcher im Wesentlichen ausgeführt wurde, dass der Beschwerdeführerin Verfolgung aufgrund ihres Aufenthaltes in Pakistan und ihrer westlichen bzw. liberalen Einstellung drohe. Die belangte Behörde habe es unterlassen, die Beschwerdeführerin zu ihrer westlichen Gesinnung bzw. ihrem westlichen Lebensstil zu befragen. Ihr Ehemann sei in einer Fleischerei tätig gewesen, in welcher auch mit Schweinefleisch gearbeitet worden sei. Dies habe für den Ehemann der Beschwerdeführerin kein Problem dargestellt, obwohl dies nach konservativer Auslegung des Islams nicht erlaubt sei. Die afghanische Kleidung habe die Beschwerdeführerin deshalb getragen, da sie noch an diese gewöhnt sei. Die Beschwerdeführerin vertrete die Auffassung, dass sich Frauen frei bewegen, allein aus dem Haus gehen und Freunde treffen können.

6. Am 27.04.2018 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentlich mündliche Verhandlung statt.

7. In der hg. am 14.05.2018 eingelangten Stellungnahme der Beschwerdeführerin wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass diese sowohl in ihrer Einvernahme vor der belangten Behörde als auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht eine ihrem Alter entsprechende westliche Orientierung unter Beweis gestellt habe.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

1.1. Zur Person der Beschwerdeführerin:

Die Beschwerdeführerin ist volljährig, nennt sich XXXX ist Staatsangehörige der Islamischen Republik Afghanistan und Angehörige der Volksgruppe der Paschtunen. Die Muttersprache der Beschwerdeführerin ist Paschtu. Die Beschwerdeführerin ehelichte XXXX (W110 1428920-1) in Pakistan. Die Beschwerdeführerin hält sich derzeit gemeinsam mit ihrem Ehmann und ihren Kindern XXXX (W123 2160827-1), XXXX (W123 2160833-1), XXXX (W123 2160824-1), XXXX (W123 2160821-1), XXXX (W123 2160817-1) und XXXX (W123 2160837-1) in Österreich auf.

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 21.05.2014, W110 1428920-1/10E, wurde die Beschwerde des Ehemannes der Beschwerdeführerin gegen die Abweisung seines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) abgewiesen. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 wurde dem Ehemann der Beschwerdeführerin der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihm gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 21.05.2015 erteilt (Spruchpunkt III.).

Die Beschwerdeführerin wurde in der Provinz Kunar geboren, zog jedoch mit ihrem Ehemann nach ihrer Hochzeit nach Pakistan und war dort im Haus ihrer Schwiegereltern wohnhaft.

Sie besuchte keine Schule und kann weder lesen noch schreiben.

Die Beschwerdeführerin ist gesund und strafrechtlich unbescholten. Sie stellte am 03.04.2017 in Österreich den vorliegenden Antrag auf internationalen Schutz.

Es war ihr in Afghanistan verboten, das Haus alleine zu verlassen.

Die Beschwerdeführerin war bzw. ist weder in Afghanistan noch in Österreich erwerbstätig. Sie konnte noch kein Zertifikat über die Ablegung einer Prüfung in Deutsch vorweisen. Einen konkreten Berufswunsch führte die Beschwerdeführerin nicht ins Treffen.

Die Beschwerdeführerin trägt einen Schleier und praktiziert den Islam.

An einem durchschnittlichen Tag in Österreich macht die Beschwerdeführerin Einkäufe, begleitet ihre Kinder in den Park und kümmert sich um den Haushalt.

Es kann nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführerin während ihres relativ kurzen Aufenthalts in Österreich eine Lebensweise angenommen hätte, die einen deutlichen und nachhaltigen Bruch mit den allgemein verbreiteten gesellschaftlichen Werten in Afghanistan darstellen würde.

Es kann nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführerin in Afghanistan aufgrund ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit verfolgt werden würde.

1.2. Zum Herkunftsstaat:

1.2.1. Staatendokumentation (Stand 02.03.2017 inklusive integrierter Kurzinformation vom 30.01.2018):

Frauen

Jahrzehntelanger Kampf gegen patriarchale und frauenfeindliche Normen, führte zu einer Sensibilisierung in Bezug auf Frauen und ihrer Rechte. Allmählich entwickelt sich die Rolle von Frauen in politischen und wirtschaftlichen Bereichen (AF 7.12.2016). Die Situation der Frauen hat sich seit dem Ende der Taliban-Herrschaft erheblich verbessert; die vollumfängliche Realisierung ihrer Rechte innerhalb der konservativ-islamischen afghanischen Gesellschaft bleibt schwierig. Die konkrete Situation von Frauen kann sich allerdings je nach regionalem und sozialem Hintergrund stark unterscheiden (AA 9.2016).

Artikel 22 der afghanischen Verfassung besagt, dass jegliche Form von Benachteiligung oder Bevorzugung unter den Bürgern Afghanistans verboten ist. Die Bürger Afghanistans, sowohl Frauen als auch Männer, haben vor dem Gesetz gleiche Rechte und Pflichten (Max Planck Institut 27.1.2004). Ein Meilenstein in dieser Hinsicht war die Errichtung des afghanischen Ministeriums für Frauenangelegenheiten (MoWA) im Jahr 2001 (BFA Staatendokumentation 3.2014).

Bildung

Afghanistan ist eine Erfolgsgeschichte in der Verbesserung des Zugangs zu Bildung - auch für Mädchen (Education for Development 7.7.2015). Das Recht auf Bildung wurde den Frauen nach dem Fall der Taliban im Jahr 2001 eingeräumt (BFA Staatendokumentation 3.2014).

Artikel 43 der afghanischen Verfassung besagt, dass alle afghanischen Staatsbürger das Recht auf Bildung haben. Laut Artikel 4 des afghanischen Bildungsgesetzes ist mittlere (elementare) Bildung in Afghanistan verpflichtend. Artikel 43 der afghanischen Verfassung besagt, dass alle afghanischen Staatsbürger das Recht auf Bildung haben (SIGAR 4.2016; vgl. auch: Max Planck Institut 27.1.2004).

Seit dem Jahr 2000 hat sich die durchschnittliche Zahl der Kinder, die eine Schule besuchen von 2,5 Jahren auf 9,3 Jahre erhöht (AF 2015). Das afghanische Bildungsministerium errichtete gemeinsam mit USAID und anderen Gebern, mehr als 16.000 Schulen; rekrutierte und bildete mehr als 154.000 Lehrerinnen und Lehrer aus, und erhöhte die Zahl der Schuleinschreibungen um mehr als 60%. Das Bildungsministerium gibt die Zahl der Schüler/innen mit ca. 9 Millionen an, davon sind etwa 40% Mädchen. Frauen und Mädchen gehen öfter zu Schule wenn sie keine langen Distanzen zurücklegen müssen. USAID hat 84.000 afghanische Mädchen dabei unterstützt Schulen innerhalb ihrer Gemeinden besuchen zu können, damit sich nicht durch teilweise gefährliche Gegenden pendeln müssen (USAID 19.12.2016).

Laut dem afghanischen Statistikbüro, gab es landesweit 15.645 Schulen, 9.184.494 Schüler/innen, davon waren 362.906 weiblich. Diese Zahlen beinhalten alle Schultypen, dazu zählen Volks- und Mittelschulen, Abendschulen, Berufsschulen, Lehrerausbildungszentren, etc. Die Zahl der Schülerinnen hat sich im Zeitraum 2015-2016 zum Vergleichszeitraum 2014 - 2015 um 2,2% erhöht. Die Gesamtzahl der Lehrer/innen betrug 199.509, davon waren

63.911 Frauen (CSO 2016).

Frauenuniversität in Kabul

Seit dem Jahr 2008 hat sich die Studierendenzahl in Afghanistan um 50% erhöht. Im Mai 2016 eröffnete in Kabul die erste Privatuniversität für Frauen im Moraa Educational Complex, mit dazugehörendem Kindergarten und Schule für Kinder der Studentinnen. Die Universität bietet unter anderem Lehrveranstaltungen für Medizin, Geburtshilfe etc. an. (The Economist 13.8.2016; vgl. auch:

MORAA 31.5.2016).

Im Herbst 2015 eröffnete an der Universität Kabul der Masterlehrgang für "Frauen- und Genderstudies" (Khaama Press 18.10.2015; vgl. auch:

University Herold 18.10.2015); im ersten Lehrgang waren 28 Student/innen eingeschrieben, wovon 10 Männer waren (University Herold 18.10.2015).

Berufstätigkeit

Für viele Frauen ist es noch immer sehr schwierig, außerhalb des Bildungs- und Gesundheitssektors Berufe zu ergreifen. Einflussreiche Positionen werden abhängig von Beziehungen und Vermögen vergeben (AA 9.2016). Oft scheitern Frauen schon an den schwierigen Transportmöglichkeiten und eingeschränkter Bewegungsfreiheit ohne männliche Begleitung (AA 9.2016; vgl. auch: USDOS 13.4.2016).

Bemerkenswert ist die Steigerung jener Afghan/innen, die der Meinung sind, Frauen sollen sich bilden und außerhalb des Heimes arbeiten dürfen. Bei einer Befragung gaben 81% der Befragten an, Männer und Frauen sollten gleiche Bildungschancen haben (The Diplomat 9.12.2016; vgl. auch: AF 7.12.2016).

Die Erwerbstätigkeit von Frauen hat sich seit dem Jahr 2001 stetig verbessert und betrug im Jahr 2016 19%. Rund 64% der Afghan/innen befürworteten Frauen außerhalb ihres Heimes arbeiten zu dürfen. Frauen sind dennoch einer Vielzahl von Hindernissen ausgesetzt; dazu zählen: Einschränkungen, Belästigung, Diskriminierung und Gewalt, aber auch praktische Hürden, wie z.B. fehlende Arbeitserfahrung, Fachkenntnisse und (Aus)Bildung (UN Women 2016). Die Alpahbetisierungsrate bei Frauen in Afghanistan liegt durchschnittlich bei 17%, in manchen Provinzen sogar unter 2% (UN Women 2016; vgl. auch: UNESCO Institute for statistics o.D.). In der Altersklasse der 15 - 24 jährigen betrug die Alphabetisierungsrate im Jahr 2015 bei Frauen 46,11%, bei den über 65-jährigen 4,33% (UNESCO Institute for statistics o.D.).

Viele Frauen haben sich in bedeutenden Positionen in den verschiedenen Bereichen von nationaler Wichtigkeit entwickelt, dazu zählen Politik, Wirtschaft und die Zivilgesellschaft. Der Raum für weibliche Führungskräfte bleibt eingeschränkt, von Gebern abhängig und ist hauptsächlich in den Städten vertreten. Frauen sind im Privatsektor unterrepräsentiert und haben keine aktive Rolle in der Wirtschaftsproduktion. Unsicherheit, Belästigung, Immobilität, religiöser Extremismus und Korruption sind verbreitet. Begriffe wie zum Beispiel Geschlechtergleichstellung werden weiterhin missverstanden. Frauen in Führungspositionen werden als symbolisch betrachtet, werden politisch mangelhaft unterstützt, haben schwach ausgebildete Entscheidungs- und Durchsetzungskompetenzen und mangelnden Zugang zu personellen und finanziellen Mitteln (USIP 9.2015). Frauen sind im Arbeitsleben mit gewissen Schwierigkeiten konfrontiert, etwa Verwandte, die verlangen sie sollen zu Hause bleiben; oder Einstellungsverfahren, die Männer bevorzugten. Jene die arbeiteten, berichteten von sexueller Belästigung, fehlenden Transport- und Kinderbetreuungsmöglichkeiten; Benachteiligungen bei Lohnauszahlungen existieren im Privatsektor. Journalistinnen, Sozialarbeiterinnen und Polizistinnen berichteten von, Drohungen und Misshandlungen (USDOS 13.4.2016).

Frauen machen 30% der Medienmitarbeiter/innen aus. Teilweise leiten Frauen landesweit Radiostationen - manche Radiostationen setzten sich ausschließlich mit Frauenangelegenheiten auseinander. Nichtsdestotrotz, finden Reporterinnen es schwierig ihren Job auszuüben. Unsicherheit, fehlende Ausbildung und unsichere Arbeitsbedingungen schränken die Teilhabe von Frauen in den Medien weiterhin ein (USDOS 13.4.2016).

Frauen im öffentlichen Dienst

Die politische Partizipation von Frauen ist rechtlich verankert und hat sich deutlich verbessert. So sieht die afghanische Verfassung Frauenquoten für das Zweikammerparlament vor: Ein Drittel der 102 Sitze im Oberhaus (Meshrano Jirga) werden durch den Präsidenten vergeben; die Hälfte davon ist gemäß Verfassung für Frauen bestimmt (AA 9.2016; vgl. auch: USDOS 13.4.2016). Zurzeit sind 18 Senatorinnen in der Meshrano Jirga vertreten. Im Unterhaus (Wolesi Jirga) sind 64 der 249 Sitze für Parlamentarierinnen reserviert; derzeit sind 67 Frauen Mitglied des Unterhauses. Die von Präsident Ghani bewirkten Wahlreformen sehen zudem Frauenquoten von 25% der Sitze für Provinz- und Distriktratswahlen vor; zudem sind mindestens zwei von sieben Sitzen in der einflussreichen Wahlkommission (Independent Election Commission) für Frauen vorgesehen. Die afghanische Regierung hat derzeit vier Ministerinnen (von insgesamt 25 Ministern) (AA 9.2016). Drei Afghaninnen sind zu Botschafterinnen ernannt worden (UN Women 2016). Frauen in hochrangigen Regierungspositionen waren weiterhin Opfer von Drohungen und Gewalt (USDOS 13.4.2016).

Das Netzwerk von Frauenrechtsaktivistinnen "Afghan Women's Network" berichtet von Behinderungen der Arbeit seiner Mitglieder bis hin zu Bedrohungen und Übergriffen, teilweise von sehr konservativen und religiösen Kreisen (AA 9.2016).

Frauen in den afghanischen Sicherheitskräften

Polizei und Militär sind Bereiche, in denen die Arbeit von Frauen besonders die traditionellen Geschlechterrollen Afghanistans herausfordert. Der Fall des Taliban-Regimes brachte, wenn auch geringer als zu Beginn erwartet, wesentliche Änderungen für Frauen mit sich. So begannen Frauen etwa wieder zu arbeiten (BFA Staatendokumentation 26.3.2014). Im Jahr 2016 haben mehr Frauen denn je die Militärschule und die Polizeiakademie absolviert (AF 7.12.2016). Das Innenministerium bemüht sich um die Einstellung von mehr Polizistinnen, allerdings wird gerade im Sicherheitssektor immer wieder über Gewalt gegen Frauen berichtet. Die afghanische Regierung hat sich bei der Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Frauen ehrgeizige Ziele gesetzt und plant u.a. in der ersten Jahreshälfte 2016 ein Anti-Diskriminierungspaket für Frauen im öffentlichen Sektor zu verabschieden. Dieses ist allerdings bisher noch nicht geschehen (AA 9.2016). 2.834 Polizistinnen sind derzeit bei der Polizei, dies beinhaltete auch jene die in Ausbildung sind (USDOS 13.4.2016; vgl. auch: Sputnik News 14.6.2016). Laut Verteidigungsministerium werden derzeit 400 Frauen in unterschiedlichen Bereichen des Verteidigungsministeriums ausgebildet: 30 sind in der nationalen Militärakademie, 62 in der Offiziersakademie der ANA, 143 in der Malalai Militärschule und 109 Rekrutinnen absolvieren ein Training in der Türkei (Tolonews 28.1.2017).

Im Allgemeinen verbessert sich die Situation der Frauen innerhalb der Sicherheitskräfte, bleibt aber weiterhin fragil. Der Schutz von Frauenrechten hat in größeren städtischen Gegenden, wie Kabul, Mazar-e Sharif und in der Provinz Herat, moderate Fortschritte gemacht; viele ländliche Gegenden sind extrem konservativ und sind aktiv gegen Initiativen, die den Status der Frau innerhalb der Gesellschaft verändern könnte (USDOD 6.2016).

Auch wenn die Regierung Fortschritte machte, indem sie zusätzliche Polizistinnen rekrutierte, erschweren kulturelle Normen und Diskriminierung die Rekrutierung und den Verbleib in der Polizei (USDOS 13.4.2016).

Teilnahmeprogramme für Frauen in den Sicherheitskräften

Initiiert wurde ein umfassendes Programm zur Popularisierung des Polizeidienstes für Frauen (SIGAR 30.7.2016; vgl. auch: Sputnik News 5.12.2016). Dies Programm fördert in verschiedenster Weise Möglichkeiten zur Steigerung der Frauenrate innerhalb der ANDSF (SIGAR 30.7.2016). Das afghanische Innenministerium gewährte im Vorjahr 5.000 Stellen für Frauen bei der Polizei, diese Stellen sind fast alle noch immer vakant (Sputnik News 5.12.2016; vgl. auch:

SIGAR 30.7.2016). Eines der größten Probleme ist, dass sowohl junge Mädchen als auch Ehefrauen in ihren Familien nichts selbständig entscheiden dürften (Sputnik News 5.12.2016). Die afghanische Nationalpolizei schuf zusätzlich neue Posten für Frauen - womit sich deren Zahl auf 5.969 erhöhte; 5.024 dieser Posten sind innerhalb der afghanischen Nationalpolizei, 175 in Gefängnissen und Haftanstalten, sowie 770 zivile Positionen (SIGAR 30.7.2016). Im Juni 2016 verlautbarten die Behörden in Kabul, bis März 2017 die Polizei mit 10.000 neuen Stellen für weibliche Polizeikräfte aufzustocken. Die Behörden möchten der steigenden Gewalt gegen Frauen in Afghanistan entgegentreten und effektiver gegen die Terrorbedrohung und den Drogenhandel im Land vorgehen (Sputnik News 14.6.2016).

Seit fast einem Jahrzehnt schaffen afghanische Behörden massiv Arbeitsstellen für Frauen bei der Polizei und versuchen alljährlich den Frauenanteil zu erhöhen. Das dient vor allem dazu, den Afghaninnen Schutz zu gewähren. Wenn Verdächtigte und mutmaßliche Verbrecher Frauen seien, werden Polizistinnen bevorzugt. Allerdings haben Beamtinnen wegen ihres Polizeidienstes öfter Probleme mit ihren konservativen Verwandten (Sputnik News 14.6.2016). Im Arbeitskontext sind Frauen von sexualisierter und geschlechtsspezifischer Gewalt betroffen: so sind z. B. Polizistinnen massiven Belästigungen und auch Gewalttaten durch Arbeitskollegen oder im direkten Umfeld ausgesetzt (AA 9.2016; vgl. auch: Sputnik News 14.6.2016).

Strafverfolgung und Unterstützung

Afghanistan verpflichtet sich in seiner Verfassung durch die Ratifizierung internationaler Konventionen und durch nationale Gesetze, die Gleichberechtigung und Rechte der Frauen zu achten und zu stärken. In der Praxis mangelt es jedoch oftmals an der praktischen Umsetzung dieser Rechte (AA 9.2016). Viele Frauen sind sich ihrer in der Verfassung garantierten, und auch gewisser vom Islam vorgegebener, Rechte nicht bewusst. Eine Verteidigung ihrer Rechte ist in einem Land, in dem die Justiz stark konservativ-traditionell geprägt und überwiegend von männlichen Richtern oder traditionellen Stammesstrukturen bestimmt wird, nur in eingeschränktem Maße möglich (AA 9.2016; vgl. USDOS 13.4.2016). Staatliche Akteure aller drei Gewalten sind häufig nicht in der Lage oder auf Grund tradierter Wertevorstellungen und nicht gewillt, Frauenrechte zu schützen. Gesetze zum Schutz und zur Förderung der Rechte von Frauen werden nur langsam umgesetzt. Das Personenstandsgesetz enthält diskriminierende Vorschriften für Frauen, insbesondere in Bezug auf Heirat, Erbschaft und Beschränkung der Bewegungsfreiheit (AA 9.2016)

Viele Gewaltfälle gelangen nicht vor Gericht, sondern werden durch Mediation oder Verweis auf traditionelle Streitbeilegungsformen (Schuren und Jirgas) verhandelt. Traditionelle Streitbeilegung führt oft dazu, dass Frauen ihre Rechte, sowohl im Strafrecht als auch im zivilrechtlichen Bereich wie z. B. im Erbrecht, nicht gesetzeskonform zugesprochen werden. Viele Frauen werden darauf verwiesen, den "Familienfrieden" durch Rückkehr zu ihrem Ehemann wiederherzustellen (AA 9.2016). Gleichzeitig führt aber eine erhöhte Sensibilisierung auf Seiten der afghanischen Polizei und Justiz zu einer sich langsam, aber stetig verbessernden Lage der Frauen in Afghanistan. Insbesondere die Schaffung von auf Frauen spezialisierte Staatsanwaltschaften in einigen Provinzen, hatte positive Auswirkungen (AA 9.2016; vgl. auch: USDOS 13.4.2016). In der patriarchalischen Gesellschaft Afghanistans trauen sich Frauen selbst oftmals nicht, an Polizisten zu wenden (Sputnik News 14.6.2016).

Anlässlich des dritten "Symposium on Afghan Women's Empowerment" im Mai 2016 in Kabul bekräftigte die afghanische Regierung auf höchster Ebene den Willen zur weiteren Umsetzung. Inwieweit sich dies in das System an sich und bis in die Provinzen fortsetzt, ist zumindest fraglich (AA 9.2016).

Das EVAW-Gesetz wurde durch ein Präsidialdekret im Jahr 2009 eingeführt (USDOS 13.4.2016; vgl. auch: AA 9.2016; UN Women 2016); und ist eine wichtige Grundlage für den Kampf gegen Gewalt gegen Frauen - inklusive der weit verbreiteten häuslichen Gewalt. Dennoch ist eine Verabschiedung des EVAW-Gesetzes durch beide Parlamentskammern noch ausständig und birgt die Gefahr, dass die Inhalte verwässert werden (AA 9.2016). Das Gesetz kriminalisiert Gewalt gegen Frauen, inklusive Vergewaltigung, Körperverletzung, Zwangsverheiratung bzw. Kinderheirat, Erniedrigung, Einschüchterung und Entzug des Erbes, jedoch war die Umsetzung eingeschränkt. Im Falle von Vergewaltigung sieht das Gesetz eine Haftstrafe von 16-20 Jahren vor. Sollte die Vergewaltigung mit dem Tod eines Opfers enden, sieht das Gesetz die Todesstrafe für den Täter vor. Der Straftatbestand der Vergewaltigung beinhaltet nicht Vergewaltigung in der Ehe. Das Gesetz wurde nicht weitgehend verstanden und manche öffentliche und religiöse Gemeinschaften erachteten das Gesetz als unislamisch. Der politische Wille das Gesetz umzusetzen und seine tatsächliche Anwendung ist begrenzt (USDOS 13.4.2016). Außerhalb der Städte wird das EVAW-Gesetz weiterhin nur unzureichend umgesetzt (AA 9.2016). Laut Angaben von Human Rights Watch, verabsäumte die Regierung Verbesserungen des EVAW-Gesetzes durchzusetzen. Die Regierung verabsäumt ebenso die Verurteilung sogenannter Moral-Verbrechen zu stoppen, bei denen Frauen, die häuslicher Gewalt und Zwangsehen entfliehen, zu Haftstrafen verurteilt werden (HRW 27.1.2016). Die Regierung registrierte 5.406 Fälle von Gewalt an Frauen, 3.715 davon wurden unter dem EVAW-Gesetz eingebracht (USDOS 13.4.2016). Einem UNAMA-Bericht zufolge, werden 65% der Fälle, die unter dem EVAW-Gesetz eingebracht werden (tätlicher Angriff und andere schwerwiegende Misshandlungen) durch Mediation gelöst, während 5% strafrechtlich verfolgt werden (HRW 27.1.2016).

Die erste EVAW-Einheit (Law on the Elimination of Violence Against Women) wurde im Jahre 2010 durch die afghanische Generalstaatsanwaltschaft initiiert und hat ihren Sitz in Kabul (USDOS 13.4.2016). Die Generalstaatsanwaltschaft erhöhte weiterhin die Anzahl der EVAW-Einheiten. Mit Stand September 2015 existieren sie mittlerweile in 20 Provinzen. In anderen Provinzen wurde Staatsanwälten durch die Generalstaatsanwaltschaft Fälle zur Behandlung zugeteilt. Im März hielt das Büro der Generalstaatsanwaltschaft das erste nationale Treffen von EVAW-Staatsanwälten ab, um die Kommunikation zwischen den unterschiedlichen EVAW-Einheiten in den Provinzen zu fördern und gemeinsame Probleme zu identifizieren (USDOS 13.4.2016). Ein im April veröffentlichter Bericht der UNAMA zu Erfahrungen von 110 rechtssuchenden Frauen im Justizsystem; zeigte, dass sich die Effektivität der Einheiten stark unterschied, diese aber dennoch Frauen, die Gewalt erlebt hatten, ermutigten ihre Fälle zu verfolgen (USDOS 13.4.2016; vgl. auch: UNAMA 4.2015).

Der UN-Sonderberichterstatter zu Gewalt an Frauen berichtet von Frauen in Afghanistan, die das formelle Justizsystem als unzugänglich und korrupt bezeichnen; speziell dann wenn es um Angelegenheiten geht, die die Rechte von Frauen betreffen - sie bevorzugen daher die Mediation (USDOS 13.4.2016).

Die unabhängige afghanische Menschenrechtskommission (Afghanistan Independent Human Rights Commission - AIHRC), veröffentlichte einen Bericht, der 92 Ehrenmorde auflistete (Berichtszeitraum: März 2014 - März 2015), was eine Reduzierung von 13% gegenüber dem Vorjahr andeutete. Diesem Bericht zufolge wurden auch 67% der Täterbei Vergewaltigung oder Ehrenmord verhaftet; 60% wurden verurteilt und bestraft (USDOS 13.4.2016).

Wenn Justizbehörden das EVAW-Gesetz beachten, war es Frauen in manchen Fällen möglich angemessene Hilfe zu erhalten. Staatsanwält/innen und Richter/innen in abgelegenen Provinzen ist das EVAW-Gesetz oft unbekannt, andere werden durch die Gemeinschaft unter Druck gesetzt um Täter freizulassen. Berichten zufolge, geben Männer, die der Vergewaltigung bezichtigt werden, oft an, das Opfer hätte dem Geschlechtsverkehr zugestimmt, was zu "Zina"-Anklagen gegen die Opfer führt (USDOS 13.4.2016).

Im Juni 2015 hat die afghanische Regierung den Nationalen Aktionsplan für die Umsetzung der VN-SR-Resolution 1325 auf den Weg gebracht (AA 9.2016; vgl. auch: HRW 12.1.2017). Dennoch war bis November 2016 kein finales Budget für den Umsetzungsplan aufgestellt worden (HRW 12.1.2017).

Gewalt an Frauen: Vergewaltigung, Ehrenverbrechen und Zwangsverheiratung

Sexualisierte und geschlechtsspezifische Gewalt ist weit verbreitet. Gewalttaten gegen Frauen und Mädchen finden zu über 90% innerhalb der Familienstrukturen statt. Die Gewalttaten reichen von Körperverletzungen und Misshandlungen über Zwangsehen bis hin zu Vergewaltigungen und Mord (AA 9.2016). In den ersten acht Monaten des Jahres 2016 dokumentierte die AIHRC 2.621 Fälle häuslicher Gewalt - in etwa dieselbe Zahl wie im Jahr 2015; obwohl angenommen wird, die eigentliche Zahl sei viel höher (HRW 12.1.2017). Die AIHRC berichtet von mehr als 4.250 Fällen von Gewalt an Frauen, die in den ersten neun Monaten des afghanischen Jahres (beginnend März 2015) gemeldet wurden (USDOS 13.4.2016). Diese Fälle beinhalten unterschiedliche Formen von Gewalt: physische, psychische, verbale, sexuelle und wirtschaftliche. In den ersten sechs Monaten des Berichtszeitraumes wurden 190 Frauen und Mädchen getötet; in 51 Fällen wurde der Täter verhaftet (Khaama Press 23.3.2016).

Viele Gewaltfälle gelangen nicht vor Gericht, sondern werden durch Mediation oder Verweis auf traditionelle Streitbeilegungsformen (Schuren und Jirgas) verhandelt. Traditionelle Streitbeilegung führt oft dazu, dass Frauen ihre Rechte sowohl im Strafrecht als auch im zivilrechtlichen Bereich wie z. B. im Erbrecht nicht gesetzeskonform zugesprochen werden. Viele Frauen werden darauf verwiesen, den "Familienfrieden" durch Rückkehr zu ihrem Ehemann wiederherzustellen. Darüber hinaus kommt immer wieder vor, dass Frauen inhaftiert werden, wenn sie z.B. eine Straftat zur Anzeige bringen, von der Familie aus Gründen der "Ehrenrettung" angezeigt werden, Vergewaltigung werden oder von zu Hause weglaufen (kein Straftatbestand, aber oft als Versuch der zina gewertet) (AA 9.2016).

Ehrenmorde

Ehrenmorde an Frauen werden typischerweise von einem männlichen Familien- oder Stammesmitglied verübt (BFA Staatendokumentation 2.7.2014). Mädchen unter 18 Jahren sind auch weiterhin dem Risiko eines Ehrenmordes ausgesetzt, wenn eine außereheliche sexuelle Beziehung angenommen wird, wenn sie vor Zwangsverheiratung davonlaufen oder Opfer eines sexuellen Übergriffs werden. Die AIHRC gab bekannt, zwischen März 2014 und März 2015 92 Ehrenmorde registriert zu haben (USDOS 13.4.2016).

Afghanische Expert/innen sind der Meinung, dass die Zahl der Mordfälle an Frauen und Mädchen viel höher ist, da sie normalerweise nicht zur Anzeige gebracht werden. Der Grund dafür ist Misstrauen in das juristische System durch einen Großteil der afghanischen Bevölkerung (Khaama Press 23.3.2016).

Legales Heiratsalter

Das Zivilgesetz Afghanistans definiert für Mädchen 16 Jahre und für Burschen 18 Jahre als das legale Mindestalter für Vermählungen (Girls not brides 2016). Ein Mädchen, welches jünger als 16 Jahre ist, kann mit der Zustimmung eines Vormunds oder eines zuständigen Gerichtes heiraten. Die Vermählung von Mädchen unter 15 Jahren ist auch weiterhin üblich (USDOS 13.4.2016). Die UN und HRW schätzen die Zahl der Zwangsehen auf 70% (USDOS 13.4.2016; vgl. auch: AA 9.2016).

In Fällen von Gewalt oder unmenschlicher traditioneller Praktiken laufen Frauen oft von zu Hause weg, oder verbrennen sich sogar selbst (USDOS 13.4.2016). Darüber hinaus kommt immer wieder vor, dass Frauen inhaftiert werden, wenn sie z.B. eine Straftat zur Anzeige bringen, von der Familie aus Gründen der "Ehrenrettung" angezeigt werden, Vergewaltigung werden oder von zu Hause weglaufen (AA 9.2016).

Frauenhäuser

USDOS zählt 28 formelle Frauenhäuser- um einige Frauen vor Gewalt durch die Familien zu schützen, nahmen die Behörden diese in Schutzhaft. Die Behörden wandten die Schutzhaft auch dann an, wenn es keinen Platz in Frauenhäusern gab (USDOS 13.4.2016).

Weibliche Opfer von häuslicher Gewalt, Vergewaltigung oder Zwangsehe sind meist auf Schutzmöglichkeiten außerhalb der Familie angewiesen, da die Familie oft (mit-)ursächlich für die Notlage ist. Landesweit gibt es in den großen Städten Frauenhäuser, deren Angebot sehr oft in Anspruch genommen wird. Manche Frauen finden vorübergehend Zuflucht, andere wiederum verbringen dort viele Jahre. Die Frauenhäuser sind in der afghanischen Gesellschaft höchst umstritten, da immer wieder Gerüchte gestreut werden, diese Häuser seien Orte für unmoralische Handlungen und die Frauen in Wahrheit Prostituierte. Sind Frauen erst einmal im Frauenhaus untergekommen, ist es für sie sehr schwer, danach wieder in ein Leben außerhalb zurückzufinden (AA 9.2016).

Die Schwierigkeit für eine nachhaltige Lösung für Frauen, war der soziale Vorbehalt gegen Frauenhäuser, nämlich der Glaube, das "Weglaufen von zu Hause" sei eine ernsthafte Zuwiderhandlung gegen gesellschaftliche Sitten. Frauen, die vergewaltigt wurden, wurden von der Gesellschaft als Ehebrecherinnen angesehen (USDOS 13.4.2016).

Berichten zufolge, würde das MoWA, aber auch NGOs, versuchen Ehen für Frauen zu arrangieren, die nicht zu ihren Familien zurückkehren konnten (USDOS 13.4.2016).

Medizinische Versorgung - Gynäkologie

Das Recht auf Familienplanung wird von wenigen Frauen genutzt. Auch wenn der weit überwiegende Teil der afghanischen Frauen Kenntnisse über Verhütungsmethoden hat, nutzen nur etwa 22 % (überwiegend in den Städten und gebildetere Schichten) die entsprechenden Möglichkeiten. Viele Frauen gebären Kinder bereits in sehr jungem Alter (AA 9.2016).

Weibliche Genitalverstümmelung ist in Afghanistan nicht üblich (AA 9.2016)

1.2.2. Auszüge Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu "Afghanistan - Frauen in urbanen Zentren" vom 18.09.2017:

1. Wie sind die Kleidungs- und Kopftuchvorschriften in den drei Großstädten Kabul, Mazar-e Sharif und Herat?

Zusammenfassung:

Den nachfolgend zitierten Quellen (inklusive Bildquellen) ist zu entnehmen, dass Kleidungs und Kopftuchvorschriften in urbanen Zentren wie Kabul, Mazar-e Sharif und Herat erheblich variieren. Dies gilt auch für die Erwartungen, die an Frauen bezüglich ihrer Bekleidung gestellt werden. Generell umfasst Frauenkleidung in Afghanistan ein breit gefächertes Spektrum, von moderner westlicher Kleidung, über farbenreiche volkstümliche Trachten, bis hin zur Burka und Vollverschleierung - diese unterscheiden sich je nach Bevölkerungsgruppe. Während Frauen in urbanen Zentren wie Kabul, Mazar-e Sharif und Herat häufig den sogenannten "Manteau shalwar" tragen, d.h. Hosen und Mantel, mit verschieden Arten der Kopfbedeckung, bleiben konservativere Arten der Verschleierung, wie der Chador und die Burka (in Afghanistan chadri genannt) weiterhin, auch in urbanen Gebieten, vertreten. Es herrschen weiterhin Debatten über die angemessenste Art der Bekleidung von Frauen, vor allem auch darüber was letztendlich eine richtige "islamische" Körper- oder Kopfbedeckung darstellt. Die Vorstellungen, wie Frauen sich in der Öffentlichkeit zeigen sollen bzw. dürfen unterscheiden sich oft erheblich, je nach der Herkunft, Geschlecht und Bildungsstand der Befragten (siehe die Umfrage der Asia Foundation, unter Einzelquellen).

[...]

2. Wie gestaltet sich das Alltagsleben für Frauen in den genannten Städten

Zusammenfassung:

Den nachfolgend zitierten Quellen ist zu entnehmen, dass die konkrete Situation von Frauen in Afghanistan erheblich von Faktoren wie Herkunft, Familie, Bildungsstand, finanzieller Situation und Religiosität abhängig ist. Obwohl sich die Lage afghanischer Frauen in den letzten Jahren erheblich verbessert hat, kämpfen viele weiterhin mit Diskriminierung auf einer Vielzahl von Ebenen - rechtlich, beruflich, politisch und sozial. Gewalt gegen Frauen bleibt weiterhin ein ernsthaftes Problem. Frauen im Berufsleben und in der Öffentlichkeit müssen oft gegen Belästigung und Schikane kämpfen, und sehen sich oft Drohungen ausgesetzt.

[...]

3. Wie gestalten sich die Arbeitsmöglichkeiten von Frauen in Städten wie Kabul, Herat und Mazar-e Sharif? Welche Möglichkeiten zur Freizeitgestaltung haben Frauen (e.g. Sport, etc.)?

Zusammenfassung:

Den nachfolgend zitierten Quellen ist zu entnehmen, dass afghanische Frauen in urbanen Zentren wie Kabul, Herat und Mazar-e Sharif in einer Vielzahl beruflicher Felder aktiv sind. Frauen arbeiten sowohl im öffentlichen Dienst, als auch in der Privatwirtschaft. Sie arbeiten im Gesundheitsbereich, in der Bildung, den Medien, als Polizistinnen und Beamtinnen, usw. Die Quellen erläutern die mannigfaltigen Schwierigkeiten mit denen Frauen auf dem Arbeitsmarkt und in der Berufswelt zu kämpfen haben. Diese reichen von Diskriminierung in der Rekrutierung und im Gehalt, über Schikane und Drohungen bis zur sexuellen Belästigung. Während es Frauen der afghanischen Elite seit dem Ende der Taliban- Herrschaft zuweilen möglich war eine Reihe erfolgreicher Unternehmen aufzubauen, mussten viele dieser Neugründungen seit dem Einsturz der afghanischen Wirtschaft 2014 wieder schließen. Frauen der Mittel- und Unterschicht kämpfen mit erschwertem Zugang zum Arbeitsmarkt und Lohnungleichheit. Dazu müssen Frauen unverhältnismäßig oft unbezahlte Arbeit leisten. Die letzten Jahre sahen einen steigenden Druck auf Frauen in der Arbeitswelt und eine zunehmende Abneigung gegenüber Frauen im Beruf, vor allem in konservativen Kreisen. Trotzdem finden sich viele Beispiele erfolgreicher junger Frauen in den verschiedensten Berufen. Was die Möglichkeiten der Freizeitgestaltung für Frauen in afghanischen Städten betrifft, so gibt es auch hier, laut nachfolgend zitierten Quellen, eine Vielzahl von Beispielen. Konkrete Informationen können den Einzelquellen entnommen werden.

Einzelquellen:

Laut einem Bericht der niederländischen Unternehmensbehörde (Rijksdienst voor Ondernemend Nederland), im Auftrag des niederländischen Außenministeriums, zur Frage der Anstellung von Frauen in afghanischen Klein- und Mittelbetrieben, hat sich die Lage von Frauen auf dem afghanischen Arbeitsmarkt seit dem Ende der Taliban-Herrschaft 2001 erheblich verbessert. Während weiterhin eine dezidierte Präferenz für Frauen in "Frauenberufen" (d.h. im Bildungs- und Gesundheitsbereich, als Lehrerinnen, Ärztinnen und Krankenschwestern) zu vermerken ist, sowie in traditionellen Feldern, wie dem Kunsthandwerk, brachen Frauen in Städten verstärkt mit Traditionen und sind auch verstärkt in andere Branchen, wie der Privatwirtschaft und den Medien vertreten. Unternehmen, die von Frauen geführt werden, finden sich vor allem in urbanen Gebieten, üblicherweise als Teil von schon bestehenden Familienunternehmen der Mittel- und Oberschicht (bzw. unter jenen mit Beziehungen auf hoher Ebene). Jedoch kann selbst für solche Frauen Reisen weiterhin ein Problem bleiben. Für Frauen außerhalb der Elite sind Unterstützung für Berufsbildung, Unternehmertum sowie Mikrofinanzierung maßgeblich. Konservative Einstellungen gegenüber Frauen auf dem Arbeitsmarkt können, laut Bericht, durch Bildung, Verbindungen und fortschrittliche religiöse Botschaften überwunden werden. Die verschlechterte Sicherheitslage in den letzten Jahren, vor allem aber der Rückzug von Geldgebern, infolge dessen es im Jahre 2014 zu einem Zusammenbruch der afghanischen Hilfs- und Militärauftragswirtschaft kam, hat zu einem verstärkten Klima der politischen und wirtschaftlichen Unsicherheit geführt. Im Zuge dessen haben viele neu gegründete Unternehmen von Frauen wieder schließen müssen. Konservativere Einstellungen gewinnen außerdem wieder Überhand. So sieht der Bericht einerseits eine zunehmende öffentlichen Nervosität und konservative Abneigung gegenüber Frauen in der Berufswelt. Andererseits scheint es jedoch auch innerhalb des Wirtschaftssektors starke Befürwortung für die Anstellung von Frauen zu geben. Frauen der Unterschicht sehen sich trotz verschlechterter Sicherheitslage gezwungen Arbeit zu suchen, insbesondere wenn männliche Familienmitglieder fortgezogen oder ausgewandert sind.

[...]

Die US-amerikanische Online-Platform The World Post (Teil der Huffington Post) berichtet über ein sogenanntes "Familienkino", das in Kabul zu bestimmten Tageszeiten Vorstellungen ausschließlich für Frauen anbietet. In einem Land, in dem Kinos normalerweise fast ausschließlich von Männern frequentiert werden, bietet das Galaxy Family Cinema Frauen so die Möglichkeit sich für ein paar Stunden in Ruhe und Sicherheit zu unterhalten.

[...]

Das afghanischen Magazin Afghan Zariza berichtet in seiner Online Ausgabe über den sogenannten "Frauen-Garten" (Bagh-e zanan) in Kabul - ein öffentlicher Park für Frauen mit verschiedenen Unterhaltungs-, Bildungs- und Sportmöglichkeiten. Der Garten, der sich über 13 Hektar Land streckt und vom Frauenministerium verwaltet wird, erlebt täglich einen großen Ansturm, vor allem am Wochenende. Er wurde nach der Taliban-Herrschaft durch finanzielle Unterstützung des US Entwicklungsministeriums (USAID) und mit Hilfe von mehr als 600 afghanischen ArbeiterInnen (großteils Frauen aus armen Verhältnissen) wiederaufgebaut. Neben den Gartenanlagen zählt auch ein Fitnesscenter, Buchgeschäft und Internetlokal zu dem Einrichtungen des Bagh-e zanan. Frauen können dort Computer benutzen und kostenfrei Sprachkurse belegen. Außerdem wird der Garten 24 Stunden/Tag von einem Sicherheitsteam bewacht.

[...]

Die Berliner Tageszeitung TAZ berichtet über Afghanistans erstes Frauenorchester, das von der jungen Negin Khoplwak geleitet wird und im Januar 2017 beim Weltwirtschaftsforum in Davos aufgetreten ist. Das Orchester, das von Khoplwak und dem Direktor des afghanischen nationalen Instituts für Musik (ANIM) ins Leben gerufen wurde, ist ein Beispiel für die Förderung musikbegabter junger Frauen in Kabul, sowie ein Zeichen gegen die Taliban unter deren Herrschaft jegliche Form von Musik verboten war.

4. Wie gestalten sich medizinische und psychosoziale Leistungen für Frauen in Städten wie Kabul, Herat und Mazar-e Sharif?

Zusammenfassung:

Staatliche Krankenhäuser bietet kostenfreie medizinische Versorgung in Afghanistan an. Die PatientInnen müssen jedoch ihre Medikamente selbst kaufen. Dies, sowie die Behandlung in privaten Klinken, ist für Menschen mit durchschnittlichen Einkommen oft nicht leistbar. Während in Städten wie Kabul, Herat und Mazar-e Sharif die medizinische Grundversorgung generell gewährleistet ist, hängt es von der sozio-ökonomischen Lage der Betroffenen ab, ob sie sich bestimmte Behandlungen leisten können. Verschiedene Arten der Empfängnisverhütung sind im Handel erhältlich und werden unentgeltlich in öffentlichen Gesundheitszentren, sowie gefördert in privaten Gesundheitszentren und durch Gesundheitsarbeiter angeboten. Die Gesundheitslage von Frauen und Kindern bleibt, trotz Verbesserungen, schwierig. Wohlhabende Afghan/innen reisen zur medizinischen Behandlung oft nach Pakistan oder Indien. Die öffentliche psychiatrische Versorgung ist unzureichend. Dies gilt vor allem auch für Binnenflüchtlinge und Rückkehrer/innen. Trotzdem wird das Gesundheitswesen für Frauen in Städten wie Kabul, Herat und Mazar-e Sharif stetig ausgebaut. Das größte Problem bleibt der ungleiche Zugang zu Gesundheitseinrichtungen, vor allem für Frauen aus armen und ärmsten Schichten.

[...]

Die deutsche Online Platform Qantara berichtet über die Organisation Medica Afghanistan, die afghanischen Frauen, die Opfer sexueller Gewalt geworden sind, in Kabul, Mazar-e Sharif und Herat psycho-soziale Dienste anbietet.

2. Beweiswürdigung:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben mittels Durchführung einer öffentlich mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, durch Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben der Beschwerdeführerin vor dieser und dem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes, des bekämpften Bescheides und des Beschwerdeschriftsatzes.

2.1. Zur Person der Beschwerdeführerin:

Die Feststellungen zu Identität, Familienverhältnissen, Herkunft und Staatsangehörigkeit der Beschwerdeführerin gründen sich auf ihre diesbezüglich gleichbleibenden und daher glaubhaften Angaben vor dem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes, der belangten Behörde, in dem Beschwerdeschriftsatz und in der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht. Es ist im Verfahren nichts hervorgekommen, das Zweifel an der Richtigkeit dieser Feststellungen zur Person der Beschwerdeführerin aufkommen lässt.

2.2. Zu den Fluchtgründen der Beschwerdeführerin:

Einleitend ist festzuhalten, dass die Beschwerdeführerin aufgrund des Verhaltens ihres Schwiegervaters aus Afghanistan ausgereist sei und aufgrund ihrer westlichen Orientierung in Afghanistan verfolgt werde (vgl. Seite 13 des Verhandlungsprotokolls). Ansonsten habe sie keine eigenen Fluchtgründe (vgl. AS 51).

Demzufolge verbleibt zu prüfen, ob im gegenständlichen Ermittlungsverfahren Umstände hervortraten, aus denen geschlossen werden kann, dass sich die Beschwerdeführerin seit ihrer Einreise bereits eine ("westliche") Lebensweise aneignete, die einen deutlichen und nachhaltigen Bruch mit den allgemein verbreiteten gesellschaftlichen Werten in Afghanistan darstellt und ihr somit eine Rückkehr nach Afghanistan nicht mehr zumutbar erscheint:

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass sich die Beschwerdeführerin erst ungefähr ein Jahr in Österreich befindet (zur Zulässigkeit der Einbeziehung der Aufenthaltsdauer siehe auch EGMR 20.07.2010, 23.505/09, N./Schweden; im Anlassfall in der Länge von etwa sechs Jahren).

Aus der Lebenssituation der Beschwerdeführerin vor ihrer Einreise nach Österreich ergeben sich keine Hinweise auf eine Sozialisierung - im Zusammenhang mit ihrer Herkunft, Familie, Bildungsstand, Religiosität etc. - die den in Afghanistan überwiegend vorherrschenden gesellschaftlich-religiösen Zwängen entgegenstehen. Dies zeigt sich eindeutig darin, dass die Beschwerdeführerin zunächst nur im Verband ihrer Familie lebte, sie in Afghanistan nicht erwerbstätig war und sie daher auf die Versorgung durch ihre Familie bzw. durch ihren Ehemann bzw. Schwiegervater angewiesen war. Diese Lebensumstände lassen - mit Blick auf die Vergangenheit der Beschwerdeführerin - keine Aspekte eines selbstbestimmten Lebens erkennen. Durchaus glaubhaft waren daher die Aussagen der Beschwerdeführerin, dass sie sich in Afghanistan nicht frei bewegen konnte, das Haus nicht verlassen durfte und auch den Töchtern der Beschwerdeführerin nicht erlaubt war, die Schule zu besuchen.

In der Einvernahme vor der belangten Behörde am 02.05.2017 verwies die Beschwerdeführerin lediglich auf die Fluchtgründe ihres Ehemannes und die schlechte Behandlung durch ihren Schwiegervater. Wenn die Beschwerdeführerin in ihrer Stellungnahme vor der belangten Behörde ausführt, dass sie in der Einvernahme vor der belangten Behörde "eine ihrem Alter entsprechende westliche Orientierung unter Beweis gestellt habe", ist diese darauf hinzuweisen, dass die zum Zeitpunkt der Einvernahme vor der belangten Behörde 33-jährige Beschwerdeführerin zwar die Probleme mit ihrem Schwiegervater schilderte, jedoch keine Hinweise auf das Bestreben einer westlichen Lebensweise hervorkamen bzw. von der Beschwerdeführerin entsprechende Angaben getätigt wurden.

Im Gegensatz dazu führte die Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerde aus Mai 2017 erstmals aus, dass sie die Form der Lebensführung, wie sie in Afghanistan praktiziert werde, ablehne und sich ein selbstbestimmtes Leben wünsche.

Vom Bundesverwaltungsgericht wird nicht verkannt, dass die Beschwerdeführerin - seit ihres Aufenthaltes in Österreich - auch in Zukunft ein selbständigeres Leben führen möchte, als ihr in Afghanistan möglich war. Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes sind jedoch - neben dem Wunsch nach einem selbstbestimmten Leben - auch noch weitere Aspekte ausschlaggebend, um davon ausgehen zu können, dass Beschwerdeführerinnen ein "westliches Verhalten" bzw. eine "westliche Lebensführung" verinnerlichten.

Die Beschwerdeführerin befindet sich seit April 2017 in Österreich. Nachweise entsprechender Integrationsbemühungen wurden von der Beschwerdeführerin nicht vorgelegt.

Die Beschwerdeführerin bringt zwar vor, hier in Österreich ein selbstbestimmtes Leben führen zu wollen. Diese Aussage weicht jedoch auch erkennbar von ihrer Lebenswirklichkeit ab. Bezüglich ihres Berufswunsches gab die Beschwerdeführerin beispielsweise an, dass sie Deutsch lernen möchte, um dann später arbeiten gehen zu können (vgl. Seite 15 des Verhandlungsprotokolls, arg. "R: Möchten Sie auch einmal einen Beruf ausüben? - BF1: Ja. - R: Welchen? - BF1: Ich muss zu nächst die Sprache lernen und dann werde ich mich beruflich orientieren.").

Die Beschwerdeführerin unternahm nach der Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes bisher daher nicht die ausreichenden Initiativen, um sich weiterbilden zu wollen.

Zudem wird in Bezug auf die Arbeitssituation der Beschwerdeführerin auf die Länderfeststellungen verwiesen, wonach sich seit dem Jahr 2001 die Erwerbstätigkeit von Frauen in Afghanistan stetig verbessert und im Jahr 2016 19% betrug. So ist es gemäß den Länderfeststellungen für Frauen zwar noch immer schwierig, Berufe zu ergreifen, dies jedoch primär außerhalb des Bildungs- und Gesundheitssektors. Eine Tätigkeit in diesen Bereichen ist also durchaus möglich, vor allem in Kabul. Zwar sind die Angaben der Beschwerdeführerin, später einmal einem Beruf nachgehen zu wollen, nachvollziehbar; ein besonderes eigenes Engagement und eine klare Vorstellung, sowie eine konkrete Planung ihres Berufszieles waren in der mündlichen Beschwerdeverhandlung jedoch nicht erkennbar. Der grundsätzliche Wunsch nach einem Beruf, kann zudem keineswegs als ausschlaggebendes Motiv für eine "westliche Orientierung" angesehen werden, aus der eine Verfolgung im Heimatland abzuleiten wäre. Derart stereotype Aussagen müssten ansonsten automatisch dazu führen, dass Beschwerdeführerinnen in jedem Fall Asyl aufgrund der sozialen Gruppe "Frauen" zu gewähren wäre (vgl. VfGH 12.06.2015, E 573/2015-9; VwGH 06.07.2011, 2008/19/0994; VwGH 16.01.2008, 2006/19/0182).

Sowohl aus den Länderfeststellungen der Staatendokumentation als aus der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 18.09.2017 geht hervor, dass sich die Lage der Frauen in Afghanistan - seit dem Ende der Talibanherrschaft - deutlich gebessert hat; dies betrifft vor allem die Bildungssituation. Aus der Anfragebeantwortung ergibt sich ferner, dass Frauen in urbanen Zentren in einer Vielzahl beruflicher Felder aktiv sind. Frauen arbeiten sowohl im öffentlichen Dienst, als auch in der Privatwirtschaft. Sie arbeiten im Gesundheitsbereich, in der Bildung, den Medien, als Polizistinnen und Beamtinnen usw. Zwar weist die Anfragebeantwortung gleichzeitig darauf hin, dass es immer wieder zu Diskriminierungen im beruflichen Alltag kommt, dennoch finden sich viele Beispiele erfolgreicher junger Frauen in den verschiedensten Berufen. Auch die Möglichkeit der Freizeitgestaltung für Frauen ist in urbanen Zentren gegeben.

Gemäß den Länderberichten unterliegen Frauen in Afghanistan keinem generellen Verbot, jegliche grundlegende Bildung - etwa das Lesen und Schreiben - zu erwerben. Vielmehr würde ein solches Verbot den geltenden afghanischen Gesetzen widersprechen und ist jedenfalls auch nicht die landesweit übliche Einstellung. Ein entsprechender Wunsch der Beschwerdeführerin nach Bildung für sich, würde damit keine asylrelevante Verfolgung auslösen.

Wäre die Beschwerdeführerin tatsächlich an einem selbstbestimmten Leben in Österreich interessiert, zu der nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes jedenfalls Deutschkenntnisse erforderlich sind, dann hätte sie bereits jetzt schon Schritte gesetzt, um die deutsche Sprache zu erlernen.

Gleiches gilt für ihren in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht geäußerten Wunsch, einen Beruf ausüben zu wollen. Eine Frau, die ein unabhängiges Leben anstrebt und eine solche Möglichkeit in Österreich grundsätzlich angeboten wird, lässt sich nicht über ein Jahr Zeit, um in der Verhandlung auszuführen, dass sie beabsichtige, sich "dann" beruflich zu orientieren, zumal die Beschwerdeführerin auch nicht geltend machte, dass diese bereits konkrete Schritte zur Aufnahme eines Berufes gesetzt hätte.

Insgesamt steht die fehlende Kommunikationsfähigkeit der Beschwerdeführerin in deutscher Sprache der Annahme, sie würde nunmehr in Österreich ein selbstbestimmtes Leben führen bzw. sich an einer solchen Lebensführung orientieren, entgegen, weil diese Fähigkeit für einen freibestimmten Lebenswandel essentiell ist. Vor diesem Hintergrund hat die Beschwerdeführerin eine selbstbestimmte und -verantwortungsvolle Lebensweise nicht glaubhaft gemacht, da der Mangel an Kommunikationsfähigkeit in ihrem Aufenthaltsstaat eben eine solche Lebensweise verunmöglicht.

Auch die sonstigen Umstände ihres Alltagslebens in Österreich lassen nicht darauf schließen, dass die Beschwerdeführerin eine selbstbestimmte Lebensführung und Geisteshaltung annahm und dies ein wesentlicher Bestandteil ihrer Identität wurde, die sie bei einer Rückkehr nach Afghanistan in einer die dortigen sozialen Normen verletzenden Weise exponieren würden. So beschreibt sie ihren gewöhnlichen Tagesablauf in Österreich damit, dass sie ihre Kinder auf den Spielplatz begleite, einkaufen gehe und sich um den Haushalt kümmere. Zwar nimmt die Beschwerdeführerin Möglichkeiten zur Freizeitgestaltung in Anspruch, sodass sie sich grundsätzlich typischen Freizeitgestaltungen und dem Kontakt zu Mitmenschen nicht verschließt. Es ergab sich aber auch, dass die Beschwerdeführerin in Österreich nur den kleinstmöglichen Bewegungsradius eines Alltagslebens wahrnimmt, obwohl sie hier nicht von gesellschaftlichen/sozialen Normen eingeschränkt ist. Dass sie in Wien ihre Wohnung verlässt, um einkaufen zu gehen oder ihre Kinder auf den Spielplatz zu begleiten, ist als nach außen tretende Verhaltensweise keine ausreichende Grundlage für das Führen eines selbstbestimmten Lebens und lässt sich daraus auch nicht ableiten, dass ein freibestimmtes Leben Teil der Identität der Beschwerdeführerin in Österreich wurde.

Überzogen und einstudiert, sohin auch nicht glaubhaft, wirkten auch manche Aussagen der Beschwerdeführerin zu den Unterschieden bezüglich ihres Alltags in Österreich und in Pakistan: Diesbezüglich führte die Beschwerdeführerin wie folgt aus: "R: Gibt es Unterschiede in Ihrem Leben in Österreich im Vergleich zu Ihrem Leben in Pakistan? - BF1: Die Unterschiede sind sehr groß. Im Gegensatz zu Pakistan können meine Töchter und ich uns hier frei bewegen, weil wir uns sicher fühlen. Wir müssen keine Vorschriften befolgen und ich bin keiner Gewalt ausgesetzt. Meine Töchter können gute Ausbildungen bekommen und dürfen alleine aus dem Haus gehen und in Österreich droht ihnen keine Zwangsheirat."

Nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichtes kann in Bezug auf die Beschwerdeführerin das Vorliegen einer "westlichen Orientierung", der eine selbstbestimmte und verantwortliche Lebensweise immanent ist, nicht festgestellt werden. Der erkennende Richter geht davon aus, dass die Beschwerdeführerin diese Lebensweise noch nicht in einem ausreichenden Ausmaß verinnerlichte und diese auch nur in Ansätzen in ihrer alltäglichen Lebensführung verankert ist. Die Beschwerdeführerin ist zum Entscheidungszeitpunkt eine Frau ohne im Übermaß bestehende Deutschkenntnisse und mit sich nicht in absehbarer Zeit realisierbarem Berufswunsch. Unter Berücksichtigung der obigen Ausführungen und aus dem im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung gewonnenen Gesamteindruck, den die Beschwerdeführerin hinterließ, lässt sich ein Bestreben bzw. eine Verinnerlichung einer "westlichen Lebensweise" nicht ableiten.

2.3. Zum Herkunftsstaat:

Es wurde vor allem Einsicht genommen in folgende Erkenntnisquellen des Herkunftsstaates der Beschwerdeführerin:

1. Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 02.03.2017 (aktualisiert am 30.01.2018):

- Lage der Frauen

2. Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu "Afghanistan - Frauen in urbanen Zentren" vom 18.09.2017

Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Ausführungen zu zweifeln.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Das Verfahren der Verwaltungsgerichte (mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes) ist durch das VwGVG geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991 idF BGBl. I Nr. 161/2013, mit Ausnahme der §§

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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