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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1991 §7 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Holeschofsky und Dr. Zens als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Zeller, über die Beschwerde des 1965 geborenen AAKR in Wien, vertreten durch Dr. W und Dr. H, Rechtsanwälte in Wien, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 18. März 1998, Zl. 119.579/3-III/11/97, betreffend Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 18. März 1998 wurde der gemäß § 112 des Fremdengesetzes 1997 (FrG 1997) als solcher auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung gewertete Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung vom 3. Dezember 1996 gemäß § 10 Abs. 2 Z. 3 und § 14 Abs. 2 FrG 1997 abgewiesen.
Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei am 26. Oktober 1991 unrechtmäßig nach Österreich eingereist und habe fristgerecht einen Asylantrag gestellt. Am 29. Oktober 1991 habe die Bezirkshauptmannschaft Baden bescheinigt, dass der Beschwerdeführer bis zum Abschluss seines Asylverfahrens zum Aufenthalt im Bundesgebiet vorläufig berechtigt sei. Das Asylverfahren sei am 23. Jänner 1996 durch Abweisung des Asylantrages des Beschwerdeführers rechtskräftig abgeschlossen worden. Die vorläufige Aufenthaltsberechtigung des Beschwerdeführers sei mit diesem Tag erloschen.
Die Bezirkshauptmannschaft Oberpullendorf habe mit Bescheid vom 26. Oktober 1991 (am 9. November 1991 in Rechtskraft erwachsen) ein bis 26. Oktober 1996 befristetes Aufenthaltsverbot über den Beschwerdeführer erlassen.
Am 9. Mai 1995 sei dem Beschwerdeführer von der Bezirkshauptmannschaft Baden eine Aufenthaltsbewilligung mit Geltungsdauer vom 9. Mai 1995 bis 9. Mai 1996 ausgestellt worden. Ein am 1. April 1996 gestellter Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung sei in der Folge abgewiesen worden.
Nachdem mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Oberpullendorf vom 14. Juli 1996 das über den Beschwerdeführer verhängte Aufenthaltsverbot aufgehoben worden sei, habe dieser am 3. Dezember 1996 den hier gegenständlichen Antrag gestellt.
Der Beschwerdeführer habe sich seit seiner Einreise am 26. Oktober 1991 ununterbrochen in Österreich aufgehalten. Infolge des über den Beschwerdeführer verhängten Aufenthaltsverbotes sei die ihm von der Bezirkshauptmannschaft Baden erteilte Aufenthaltsbewilligung wirkungslos gewesen. Seit Abschluss des Asylverfahrens des Beschwerdeführers am 23. Jänner 1996 habe er sich unrechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten.
Mit der Antragstellung vom Inland aus habe der Beschwerdeführer dem § 14 Abs. 2 erster Satz FrG 1997 nicht Genüge getan. Darüber hinaus liege (offenbar auf Grund des unrechtmäßigen Aufenthaltes) der Versagungsgrund des § 10 Abs. 2 Z. 3 FrG 1997 (Gefährdung der öffentlichen Ruhe, Ordnung oder Sicherheit) vor. Die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung sei daher zu versagen gewesen. Schließlich legte die belangte Behörde dar, aus welchen Gründen bei einer auf § 14 Abs. 2 FrG 1997 gestützten Entscheidung eine Bedachtnahme auf die durch Art. 8 MRK geschützten Interessen des Antragstellers nicht zu erfolgen habe.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde vor dem Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte mit Beschluss vom 6. Oktober 1999, B 874/98-5, die Behandlung der Beschwerde ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
§ 10 Abs. 2 Z. 3, § 12 Abs. 3, § 14 Abs. 2, § 15, § 23 Abs. 1 und § 112 FrG 1997 lauten:
"§ 10. ...
(2) Die Erteilung eines Einreise- oder Aufenthaltstitels kann wegen Gefährdung öffentlicher Interessen (§ 8 Abs. 3 Z 2) insbesondere versagt werden, wenn
...
3. der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde;
...
§ 12. ...
...
(3) Fremden darf wegen eines Sachverhaltes, der keine Ausweisung oder kein Aufenthaltsverbot zulässt, ein weiterer Aufenthaltstitel für denselben Aufenthaltszweck nicht versagt werden.
...
§ 14. ...
(2) Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels sind vor der Einreise vom Ausland aus zu stellen. Der Antrag kann im Inland gestellt werden, wenn der Antragsteller bereits niedergelassen ist, und entweder bisher für die Rechtmäßigkeit des Aufenthaltes keinen Aufenthaltstitel benötigte oder bereits über einen Aufenthaltstitel verfügt hat; ...
...
§ 15. (1) Werden in einem Verfahren zur Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels Versagungsgründe bekannt, so hat die Behörde - gegebenenfalls nach Einholung einer fremdenpolizeilichen Stellungnahme - den Antragsteller vom Versagungsgrund in Kenntnis zu setzen, ihm mitzuteilen, dass eine Aufenthaltsbeendigung (§§ 33 ff) beabsichtigt ist und ihm darzulegen, warum dies unter Bedachtnahme auf den Schutz seines Privat- oder Familienlebens (§ 37) zulässig scheint. ...
(2) Nach Ablauf dieser Frist ist bei unverändertem Sachverhalt das Verfahren zur Aufenthaltsbeendigung zu veranlassen; ...
...
§ 23. (1) Fremden, die nach Ablauf der Gültigkeitsdauer ihrer Niederlassungsbewilligung auf Dauer niedergelassen bleiben, ist - sofern die Voraussetzungen des 2. Abschnittes weiterhin gesichert scheinen - auf Antrag eine weitere Niederlassungsbewilligung mit demselben Zweckumfang zu erteilen. ...
...
§ 112. Verfahren zur Erteilung eines Sichtvermerkes sowie Verfahren zur Erteilung oder Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung, die bei Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes anhängig sind, oder gemäß der §§ 113 und 114 anhängig werden, sind nach dessen Bestimmungen - je nach dem Zweck der Reise oder des Aufenthaltes - als Verfahren zur Erteilung eines Einreisetitels oder als Verfahren zur Erteilung eines Erstaufenthaltstitels oder eines weiteren Aufenthaltstitels fortzuführen. ..."
§ 5 Abs. 1 und § 8 Abs. 1 letzter Satz des Aufenthaltsgesetzes (AufG) lauteten:
"§ 5. (1) Eine Bewilligung darf Fremden nicht erteilt werden, bei denen ein Sichtvermerksversagungsgrund (§ 10 Abs. 1 FrG) vorliegt, insbesondere aber, wenn deren Lebensunterhalt oder eine für Inländer ortsübliche Unterkunft in Österreich für die Geltungsdauer der Bewilligung nicht gesichert ist.
...
§ 8. (1) ... Die Bewilligung tritt auch mit der Rechtskraft eines Aufenthaltsverbotes (§ 18 FrG) und mit Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft außer Kraft."
§ 10 Abs. 1 Z. 1 des Fremdengesetzes 1992 (FrG 1992) lautete:
"§ 10. (1) Die Erteilung eines Sichtvermerkes ist zu versagen, wenn
1. gegen den Sichtvermerkswerber ein rechtskräftiges Aufenthaltsverbot besteht, es sei denn, dass die Voraussetzungen für eine Wiedereinreisebewilligung (§ 23) vorliegen;"
Die belangte Behörde wertete den am Tag des Inkrafttretens des Fremdengesetzes 1997, dem 1. Jänner 1998, in erster Instanz anhängigen Antrag des Beschwerdeführers vom 3. Dezember 1996 in Anwendung der Übergangsbestimmung des § 112 FrG 1997 als solchen auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung. Diese Beurteilung erweist sich aus folgenden Gründen als unzutreffend:
Es trifft zwar zu, dass eine allfällige vorläufige Aufenthaltsberechtigung des Beschwerdeführers nach dem Asylgesetz 1991 nicht zur Erteilung einer weiteren Niederlassungsbewilligung hätte führen können (vgl. das hg. Erkenntnis vom 4. Februar 2000, Zl. 98/19/0317).
Freilich wären aber die Voraussetzungen für die Erteilung einer weiteren Niederlassungsbewilligung an den Beschwerdeführer dann gegeben, wenn er im Sinne des § 23 Abs. 1 FrG 1997, sei es auch rechtswidrig und ungeachtet eines über ihn verhängten Aufenthaltsverbotes, nach Ablauf einer ihm wirksam erteilten Aufenthaltsbewilligung, die einer Niederlassungsbewilligung im Sinne der zitierten Gesetzesbestimmung gleichzuhalten wäre (vgl. das hg. Erkenntnis vom 10. September 1999, Zl. 98/19/0291) in Österreich auf Dauer niedergelassen geblieben wäre (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 14. Mai 1999, Zl. 98/19/0230).
Im Gegensatz zur der im angefochtenen Bescheid vertretenen Auffassung bewirkte die Rechtskraft des über den Beschwerdeführer mit Bescheid vom 26. Oktober 1991 verhängten Aufenthaltsverbotes nicht die Unwirksamkeit der ihm am 9. Mai 1995 von der Bezirkshauptmannschaft Baden zu Unrecht (vgl. § 5 Abs. 1 AufG in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z. 1 FrG 1992) erteilten Aufenthaltsbewilligung. Im Gegensatz zu der von der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift vertretenen Rechtsmeinung ist die Konsequenz der Unwirksamkeit der trotz Vorliegens des Versagungsgrundes nach § 5 Abs. 1 AufG in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z. 1 FrG 1992 erteilten Aufenthaltsbewilligung nicht aus § 8 Abs. 1 zweiter Satz AufG ableitbar. Diese Bestimmung regelt das Außerkrafttreten einer Aufenthaltsbewilligung im Falle des Eintretens der Rechtskraft eines Aufenthaltsverbotes während deren Geltungsdauer. Sie ordnet also an, dass ein während der Geltungsdauer einer Aufenthaltsbewilligung in Rechtskraft erwachsendes Aufenthaltsverbot die Bewilligung zum Erlöschen bringt.
Hier liegt jedoch der umgekehrte Fall vor, in dem eine trotz eines rechtskräftigen Aufenthaltsverbotes zu Unrecht erteilte Aufenthaltsbewilligung in Rechtskraft erwächst. Als spätere Norm verdrängt die erteilte Aufenthaltsbewilligung dann aber die Rechtswirksamkeit des zuvor erteilten Aufenthaltsverbotes für die Zeit ihrer Geltungsdauer.
Eine gegenteilige Aussage ist, anders als die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift meint, auch dem hg. Beschluss vom 12. November 1996, Zl. 96/19/2997, nicht zu entnehmen. Diesem Beschwerdeverfahren lag zu Grunde, dass die erstinstanzliche Behörde "gemäß § 8 Abs. 1 AufG" feststellte, dass eine dem Beschwerdeführer während der Geltungsdauer eines Aufenthaltsverbotes erteilte Aufenthaltsbewilligung ungültig sei. Der dagegen erhobenen Berufung hatte die belangte Behörde mit dem zur Zl. 96/19/2997 bekämpften Bescheid Folge gegeben und den erstinstanzlichen Bescheid ersatzlos behoben. In der Begründung dieses Bescheides hatte die belangte Behörde die Auffassung vertreten, die in Rede stehende Aufenthaltsbewilligung sei auf Grund des vorliegenden rechtskräftigen Aufenthaltverbotes niemals wirksam geworden. Der Verwaltungsgerichtshof wies die Beschwerde gegen diesen Bescheid zurück, weil er der diesbezüglichen Bescheidbegründung keine Rechtskraftwirkung beimaß und der Spruch des dort angefochtenen Bescheides der belangten Behörde auf ersatzlose Behebung des den Beschwerdeführer belastenden erstinstanzlichen Bescheides lautete. Aus diesem Grund wurde in dem in Rede stehenden Beschluss eine Rechtsverletzungsmöglichkeit der dort beschwerdeführenden Partei verneint. Die hier interessierende Frage, ob die Bescheidbegründung, die Aufenthaltsbewilligung sei infolge des aufrechten Aufenthaltsverbotes nicht rechtswirksam geworden, zutrifft oder nicht, ließ der Verwaltungsgerichtshof in dem in Rede stehenden Beschluss vom 12. November 1996 aber offen.
Wie oben ausgeführt, war also die Erteilung der Aufenthaltsbewilligung durch die Bezirkshauptmannschaft Baden trotz des in diesem Zeitpunkt bestehenden rechtskräftigen Aufenthaltsverbotes wirksam. Der Beschwerdeführer verfügte daher in der Zeit vom 9. Mai 1995 bis 9. Mai 1996 über eine rechtskräftige Aufenthaltsbewilligung. Da er auf Basis der Bescheidfeststellungen im Anschluss an diese Aufenthaltsbewilligung im Inland auf Dauer niedergelassen blieb, wäre das Verfahren über seinen Antrag vom 3. Dezember 1996 als solches zur Erteilung einer weiteren Niederlassungsbewilligung fortzuführen gewesen.
Die belangte Behörde hätte daher selbst bei Vorliegen von Versagungsgründen den Antrag des Beschwerdeführers nicht abweisen dürfen, sondern wäre verpflichtet gewesen, nach den Bestimmungen der §§ 12 Abs. 3 und 15 FrG 1997 vorzugehen.
Da § 10 Abs. 2 Z. 3 FrG 1997, aber auch § 14 Abs. 2 erster Satz FrG 1997 (zum Charakter der dort umschriebenen Voraussetzung als Erfolgsvoraussetzung vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. März 1999, Zl. 98/19/0269) Versagungsgründe sind, standen die §§ 12 Abs. 3 und 15 FrG 1997 der hier erfolgten Abweisung des Antrages des Beschwerdeführers entgegen.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 25. Februar 2000
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:1999190226.X00Im RIS seit
30.05.2001