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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
B-VG Art130 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Holeschofsky und Dr. Zens als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Zeller, über die Beschwerde des 1972 geborenen DD in Wien, vertreten durch Dr. S, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 10. Juni 1998, Zl. 301.909/11-III/11/97, betreffend Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer beantragte am 22. November 1993 (Datum des Einlangens) die erstmalige Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung. Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 30. Mai 1994 gemäß § 5 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) abgewiesen. Dieser Bescheid erwuchs nach der Aktenlage in Rechtskraft.
Am 23. Jänner 1995 (Datum des Einlangens) beantragte der Beschwerdeführer neuerlich die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung.
Dieser Antrag wurde zunächst mit einem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 7. Juli 1995 gemäß § 5 Abs. 1 AufG mangels eines gesicherten Unterhaltes abgewiesen.
Auf Grund der dagegen erhobenen Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof hob dieser mit Erkenntnis vom 24. Jänner 1997, Zl. 95/19/0739, den Bescheid der belangten Behörde vom 7. Juli 1995 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften auf.
Mit dem nunmehr angefochtenen Ersatzbescheid der belangten Behörde vom 10. Juni 1998 wurde der nach Inkrafttreten des Fremdengesetzes 1997 (FrG 1997) gemäß seinem § 112 als solcher auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung gewertete Antrag gemäß § 10 Abs. 2 Z. 3 FrG 1997 abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Mazedoniens, sei nach der auch auf seinen eigenen Angaben beruhenden Aktenlage sichtvermerksfrei in das Bundesgebiet eingereist und halte sich nach wie vor in Österreich auf. Seit 15. Mai 1995 seien Staatsangehörige Mazedoniens jedoch sichtvermerkspflichtig. Dem Beschwerdeführer sei daher ein schwerer Verstoß gegen das österreichische Fremdenrecht vorzuwerfen. Er habe damit gezeigt, dass er nicht gewillt sei, die österreichischen Gesetze einzuhalten und zu respektieren. Schon auf Grund des unrechtmäßigen Aufenthaltes sei die Annahme einer Gefährdung der öffentlichen Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gerechtfertigt. Das Verhalten des Beschwerdeführers könne auf andere Fremde durchaus Beispielswirkung haben. Der Versagungsgrund des § 10 Abs. 2 Z. 3 FrG 1997 liege vor.
Gemäß Art. 8 Abs. 2 MRK sei die Verweigerung eines Aufenthaltstitels, sofern damit in das Privat- und Familienleben des Antragstellers eingegriffen würde, nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele erforderlich ist. Im Sinne der damit geforderten Notwendigkeit dürfe ein Aufenthaltstitel nicht verweigert werden, wenn die Auswirkungen einer solchen Entscheidung auf die Lebenssituation des Fremden oder seiner Familie schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Nichterteilung des Aufenthaltstitels. Durch die Anwesenheit der Ehegattin des Beschwerdeführers im Bundesgebiet, welche über einen gültigen Aufenthaltstitel verfüge, bestünden unabsprechbare familiäre Bindungen in Österreich. Die öffentlichen Interessen an der Einhaltung österreichischer Rechtsvorschriften überwögen jedoch die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers, insbesondere weil von seinem Verhalten auch Beispielswirkung auf andere Fremde ausgehen könne.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2
VwGG gebildeten Senat erwogen:
§ 10 Abs. 2 Z. 3 FrG 1997 lautet:
"§ 10. ...
(2) Die Erteilung eines Einreise- oder Aufenthaltstitels kann wegen Gefährdung öffentlicher Interessen (§ 8 Abs. 3 Z 2) insbesondere versagt werden, wenn
...
3. der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde;"
Der Beschwerdeführer verfügte nach der Aktenlage noch nie über eine Berechtigung zum Aufenthalt im Bundesgebiet. Die belangte Behörde wertete daher seinen Antrag zutreffend in Anwendung der Übergangsbestimmung des § 112 FrG 1997 als solchen auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung.
Der Beschwerdeführer tritt der Annahme der belangten Behörde, er sei sichtvermerksfrei in das Bundesgebiet eingereist und halte sich jedenfalls seit 15. Mai 1995 unrechtmäßig in Österreich auf, nicht entgegen.
Wie die Erläuterungen zum FrG 1997 zeigen, war es beabsichtigt, in § 10 Abs. 2 FrG 1997 die bisherigen Versagungsgründe wegen Gefährdung öffentlicher Interessen sprachlich adaptiert zusammenzufassen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. Juni 1999, Zlen. 98/19/0240, 0241). § 10 Abs. 2 Z. 3 FrG 1997 entspricht dem § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG 1992.
Zum letztgenannten Versagungsgrund hat der Verwaltungsgerichtshof (vgl. etwa das Erkenntnis vom 5. Juni 1998, Zlen. 96/19/2054 bis 2056) ausgesprochen, dass ein länger dauernder unrechtmäßiger Aufenthalt im Anschluss an den dreimonatigen rechtmäßigen Aufenthalt nach sichtvermerksfreier Einreise die Annahme rechtfertigt, der weitere Aufenthalt des Antragstellers werde die öffentliche Ordnung im Sinne dieser Bestimmung gefährden.
Diese Judikatur ist auch auf § 10 Abs. 2 Z. 3 FrG 1997 anwendbar.
Der von der belangten Behörde getroffenen Gefährdungsprognose steht entgegen der Meinung des Beschwerdeführers auch nicht der Umstand entgegen, dass er durch die Stellung von Anträgen auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung sein Bemühen gezeigt habe, in Österreich einen rechtmäßigen Aufenthalt zu begründen. Der mangelnde Wille, die österreichischen Gesetze einzuhalten, ist dem Beschwerdeführer eben deshalb vorzuwerfen, weil er sich schon vor Erteilung der von ihm angestrebten Bewilligung in Österreich unrechtmäßig auf Dauer niedergelassen hat.
Daran könnte auch zutreffendenfalls der Umstand nichts ändern, dass - wie der Beschwerdeführer behauptet - seine Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels bereits viermal mit unzutreffender Begründung abgelehnt wurden, weil die bloße Antragstellung dem Beschwerdeführer nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kein Aufenthaltsrecht verschaffte.
Die von der belangten Behörde ins Treffen geführte schlechte Beispielswirkung des unrechtmäßigen Aufenthaltes des Beschwerdeführers auf andere Fremde ist - im Gegensatz zu den Beschwerdeausführungen - auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass es sich bei ihm - wie er behauptet - nicht um einen kontaktfreudigen, sondern eher um einen zurückgezogen lebenden Menschen handelt.
Nach dem Vorgesagten kann der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie vom Vorliegen des Versagungsgrundes des § 10 Abs. 2 Z. 3 FrG 1997 ausging.
Schließlich bringt der Beschwerdeführer vor, bei der Versagung der Erteilung einer Niederlassungsbewilligung in Anwendung des § 8 Abs. 1 und des § 10 Abs. 2 Z. 3 FrG 1997 handle es sich um eine Ermessensentscheidung. Die belangte Behörde habe es jedoch im Rahmen dieser Entscheidung verabsäumt, sich mit dem Umstand auseinander zu setzen, dass der Beschwerdeführer Vater zweier ehelicher Kinder sei, die in Österreich geboren seien und sich hier rechtmäßig aufhielten. Demgegenüber habe die belangte Behörde lediglich die durch die Anwesenheit seiner Ehegattin bestehende Bindung in Österreich erwähnt. Insbesondere sei der Beschwerdeführer auch gegenüber seiner Familie "gesetzlich und moralisch" sorgepflichtig.
Wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 14. Mai 1999, Zl. 97/19/0651, mit näherer Begründung ausgeführt hat, ist der Ausdruck "kann" in § 10 Abs. 2 FrG 1997 dahingehend zu verstehen, dass die Behörde bei Anwendung eines der dort angeführten Versagungsgründe zu prüfen hat, ob ein durch diese Anwendung allenfalls erfolgter Eingriff in ein durch Art. 8 MRK geschütztes Recht des Antragstellers aus den in Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Gründen gerechtfertigt ist. Anders als der Beschwerdeführer meint, ist diese Beurteilung keine Ermessensentscheidung, sondern in rechtlicher Gebundenheit zu treffen (vgl. zum Charakter einer solchen Beurteilung bei Anwendung des Versagungsgrundes des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG 1992 als striktrechtlich des hg. Erkenntnis vom 29. September 1994, Zl. 94/18/0232).
Auf Grund des lange dauernden unrechtmäßigen Aufenthalts des Beschwerdeführers wäre vorliegendenfalls der Eingriff in ein gedachtes, durch Art. 8 MRK geschütztes Recht desselben auf Einwanderung zur Wahrung der durch die Anwesenheit seiner Familie im Bundesgebiet begründeten Interessen in Österreich unter dem Gesichtspunkt des Schutzes der öffentlichen Ordnung und dem damit verbundenen Recht des Staates auf Regelung der Neuzuwanderung im Sinne des Art. 8 Abs. 2 MRK gerechtfertigt.
Diese Beurteilung träfe auch dann zu, wenn man von den in der Beschwerde dargelegten familiären Bindungen in Österreich ausginge. Damit erweist sich aber der vom Beschwerdeführer gerügte Feststellungsmangel nicht als relevant.
Aus diesen Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Eine Kostenentscheidung hatte zu entfallen, weil die belangte Behörde keine Kosten verzeichnete.
Wien, am 25. Februar 2000
Schlagworte
ErmessenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:1998190188.X00Im RIS seit
04.05.2001