TE OGH 2018/4/20 7Ob44/18y

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Veröffentlicht am 20.04.2018
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Höllwerth, Dr. E. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** AG, *****, vertreten durch Pöch Krassnigg Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei G***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Peter Jesch Rechtsanwalts GmbH in Salzburg, wegen 108.264,69 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 27. November 2017, GZ 129 R 26/17t-31, womit das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 10. August 2017, GZ 41 Cg 6/16i-26, bestätigt wurde, beschlossen und zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden hinsichtlich des Betrags von 53.628,63 EUR sA bestätigt, sodass die Entscheidung insoweit als Teilurteil nunmehr zu lauten hat:

„Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei 48.860,76 EUR samt Zinsen in Höhe von 4.767,87 EUR vom 1. 11. 2014 bis zum 27. 1. 2016 sowie Unternehmerzinsen aus 48.860,76 EUR ab dem 28. 1. 2016 binnen 14 Tagen zu bezahlen.“

Im Übrigen, also hinsichtlich eines Zahlungsbegehrens von 65.200,80 EUR (59.403,93 EUR samt 5.796,87 EUR an Zinsen) sA wird die angefochtene Entscheidung aufgehoben und die Rechtssache in diesem Umfang an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.

Text

Entscheidungsgründe:

Zwischen den Streitteilen bestand ein Kreditversicherungsvertrag, dem die Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Klägerin (in Folge AVB) für eine sogenannte „Pauschalversicherung *****“ zugrunde lagen. Diese lauten auszugsweise:

§ 1 Gegenstand der Versicherung

Die [...] (Versicherer) deckt Ausfälle an den rechtlich begründeten Geldforderungen des Versicherungsnehmers gegenüber einem oder mehreren Vertragspartnern aus Verträgen, Lieferungen/Leistungen (gedeckte Verträge).

[…]

§ 5 Besondere Verpflichtungen des Versicherungsnehmers

Der Versicherungsnehmer ist verpflichtet,

[…]

(10) alle zur Durchsetzung der gedeckten Ansprüche gegen den Vertragspartner notwendigen Maßnahmen, insbesondere die Einleitung Kosten verursachender Betreibungsmaßnahmen, im eigenen Namen, jedoch mit vorheriger Zustimmung des Versicherers, vorzunehmen;

[…]

§ 6 Anerkennung

(1) Die Anerkennung des Versicherungsfalls erfolgt auf Antrag des Versicherungsnehmers, wenn dieser nachweist, dass

1. er seine vertraglichen Verpflichtungen erfüllt hat,

2. der Vertragspartner seine vertraglichen Verpflichtungen nicht erfüllt hat oder nicht erfüllen kann und

3. während der Laufzeit des Versicherungsvertrags ein wirtschaftlicher oder politischer Versicherungsfall gemäß Abs 2 oder 3 eingetreten ist.

Wirtschaftliche Versicherungsfälle:

(2) Wirtschaftliche Versicherungsfälle sind

1. der Ablauf einer Frist von sechs Monaten nach Erstattung einer Verzugsmeldung gemäß § 5 Abs 6;

2. die Eröffnung eines gerichtlichen Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Vertragspartners bzw die Abweisung eines Antrags auf Eröffnung eines solchen.

[…]

(4) Die Prüfung des Vorliegens aller Deckungsvoraussetzungen erfolgt immer erst im Zuge der Entscheidung über den Antrag auf Anerkennung des Versicherungsfalls. Eine stillschweigende Sanierung fehlender Deckungsvoraussetzungen ist ausgeschlossen.

§ 7. Leistungsfreiheit

(1) Der Versicherer ist von der Verpflichtung zur Leistung frei, wenn

1. dem Versicherungsnehmer zum Zeitpunkt der Lieferung/Leistung bekannt war oder bekannt sein musste, dass

a) die Erfüllung durch den Vertragspartner unmöglich ist oder

b) der Vertragspartner zahlungsunfähig ist oder

c) der Versicherungsfall gemäß § 6 bereits eingetreten ist;

[…]

(3) wenn erst nach Anerkennung des Versicherungsfalls ein Grund für die Leistungsfreiheit eintritt oder hervorkommt, wird die Anerkennung widerrufen.

(4) Der Versicherer wird sich nicht auf die vereinbarte Leistungsfreiheit berufen, wenn der Versicherungsnehmer nachweist, dass die Verletzung seiner Verhaltenspflichten unverschuldet gewesen ist und keinen Einfluss auf den Eintritt des Versicherungsfalls oder den Umfang der vom Versicherer zu erbringenden Leistungen gehabt hat.

(5) Der Versicherer ist ferner von der Verpflichtung zur Leistung frei, wenn der Versicherungsnehmer die Prämie oder die Prüfgebühr nicht innerhalb von zwei Wochen ab Mahnung einbezahlt hat, es sei denn, er kann eine der Zahlung entgegenstehende höhere Gewalt nachweisen.

§ 13 Verzugszinsen

Werden dem Versicherer zustehende Beträge bei Fälligkeit nicht bezahlt, können Verzugszinsen gemäß § 352 Unternehmernsesetzbuch in Rechnung gestellt werden.“

Über das Vermögen der Vertragspartnerin der Beklagten wurde 2012 mit Beschluss des Amtsgerichts Ulm das Insolvenzverfahren eröffnet. Am 18. 7. 2012 stellte die Beklagte einen Antrag auf Anerkennung eines Versicherungsfalls im Hinblick auf die Insolvenz ihres Kunden.

Letztlich überwies die Klägerin nach Anerkennung des Versicherungsfalls an die Beklagte eine Versicherungsleistung in Höhe von 557.354,64 EUR.

Der Insolvenzverwalter der Vertragspartnerin der Versicherungsnehmerin hat in weiterer Folge am 28. 6. 2013 einen Teilbetrag in Höhe von 230.961,63 EUR der von der Beklagten im Insolvenzverfahren angemeldeten Forderung in Höhe von 960.661,33 EUR bestritten, dies mit der Begründung, die Forderungen würden nicht mit der Buchhaltung übereinstimmen.

Mit Schreiben vom 30. 10. 2014 forderte die Klägerin nach Widerruf der Anerkennung des Versicherungsfalls nach Art 7.3 AVB im Hinblick auf den nicht anerkannten Forderungsteil einen Betrag von 59.403,93 EUR zurück.

Die Klägerin begehrt einerseits die Rückzahlung einer an die Beklagten erbrachten Versicherungsleistung in Höhe von 59.403,93 EUR. Der Rückforderungsanspruch ergebe sich daraus, dass ein Teil der im Insolvenzverfahren angemeldeten Forderungen vom Insolvenzverwalter bestritten worden sei. Bestrittene Forderungen seien von der Kreditversicherung nicht umfasst. Eine vertragliche Verpflichtung der Klägerin, die (Prozess-)Kosten der Feststellung einer bestrittenen Forderung gegenüber dem Insolvenzverwalter zu finanzieren, bestehe nicht.

Neben der Rückzahlung der Versicherungsleistung begehrt die Klägerin auch die Bezahlung offener Versicherungsprämien in Höhe von 48.860,76 EUR. Am 24. 4. 2013 habe sie der Beklagten mitgeteilt, dass der Versicherungsvertrag nur verlängert werden könne, wenn eine Mindestprämie von 75.000 EUR eingeführt und die Versicherungsprämie von 2 % pa auf 3,5 % pa angehoben werde. Die Beklagte habe zunächst die erhöhte prozentuelle Versicherungsprämie bezahlt. Anlässlich der jährlichen Verlängerung des Versicherungsvertrags sei neuerlich eine Polizze übermittelt worden, welche wiederum die Mindestprämie von 75.000 EUR vorgesehen habe. Wieder habe die Beklagte nicht widersprochen, den Erhöhungsbetrag jedoch nicht bezahlt.

Sowohl aus dem Rückführungsbetrag (59.403,93 EUR) als auch aus den Prämienrückständen (48.860,76 EUR) stünden der Klägerin kapitalisierte Zinsen in Höhe von 10.564,74 EUR zu.

Die Beklagte bestreitet das Klagebegehren. Die Forderungen gegen ihre Kundin seien rechtlich begründet. Ein Feststellungsprozess gegen den Insolvenzverwalter hätte lediglich Verfahrenskosten verursacht, welche infolge der Masseunzulänglichkeit nicht ersetzt worden wären. Durch einen Feststellungsprozess wäre das Ausmaß des Schadens (des Forderungsausfalls) also noch vergrößert worden. Die Beklagte habe die Klägerin darauf hingewiesen und es dieser überlassen, das Kostenrisiko eines Feststellungsverfahrens zu übernehmen, was die Klägerin jedoch abgelehnt habe. Sie könne sich daher nicht darauf berufen, dass die Unterlassung eines Feststellungsprozesses betreffend die im Insolvenzverfahren unbegründet bestrittenen Forderungen einen Rückforderungsanspruch bewirke. Die Beklagte habe darauf vertrauen dürfen, dass die Versicherungsleistung auf Grundlage und nach Überprüfung der von der Beklagten vollständig zur Verfügung gestellten Buchhaltungsunterlagen erbracht werde. Durch die Erbringung der Versicherungsleistung nach Überprüfung der Buchhaltungsunterlagen habe die Klägerin das Deckungsbegehren der Beklagten außerdem anerkannt. Die behauptete Änderung des Versicherungsvertrags hinsichtlich der Einführung einer Mindestprämie sei nicht wirksam zustande gekommen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Die Klägerin habe ihre Leistungspflicht nicht mit konstitutiver Wirkung anerkannt. Aufgrund der teilweisen Bestreitung der im Insolvenzverfahren angemeldeten Forderung durch den Masseverwalter handle es sich bei dieser nicht um eine rechtlich begründete und daher versicherte Forderung im Sinne der AVB. Es wäre an der Beklagten gelegen, die bestrittene Forderung gerichtlich feststellen zu lassen. Die Klägerin sei nicht verpflichtet gewesen, die Kosten eines solchen Feststellungsprozesses zu tragen. Da die klagsgegenständliche Forderung nicht versichert gewesen sei, sei die darauf erbrachte Versicherungsleistung zurückzuerstatten. Auch der Anspruch auf Zahlung der Mindestprämie bestehe zu Recht. Das Verhalten der Beklagten, die erhöhten Prämien zu zahlen, sei unter Berücksichtigung aller Umstände als Zustimmung zur Vertragsänderung zu werten. Damit erweise sich auch das kapitalisierte Zinsenbegehren als berechtigt.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Bestrittene Forderungen seien grundsätzlich nicht gedeckt, weil die Kreditversicherung nur das sich aus einer Zahlungsunfähigkeit des Schuldners ergebende Risiko versichere, nicht hingegen das Risiko, dass eine Forderung aus anderen (rechtlichen) Erwägungen bestritten werde. Dies gelte jedenfalls dann, wenn eine Bestreitung nicht ganz offensichtlich unbegründet erfolge. Da der Insolvenzverwalter die Forderung mit der Begründung bestritten habe, diese stimme nicht mit der Buchhaltung überein, liege jedenfalls keine gänzlich unbegründete Forderungsbestreitung vor. Vielmehr bringe die Bestreitung den mangelnden Nachweis des der Forderung zugrundeliegenden Rechtsgeschäfts in den Geschäftsbüchern der Gemeinschuldnerin zum Ausdruck.

Die Rechtsrüge gegen die Ausführungen des Erstgerichts zum schlüssigen Zustandekommen einer Vereinbarung über die Zahlung einer erhöhten Versicherungsprämie sei nicht gesetzmäßig ausgeführt.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Revision der Beklagten mit einem Abänderungsantrag; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Klägerin begehrt, die Revision zurückzuweisen; hilfsweise ihr keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, sie ist teilweise berechtigt.

I. Zur offenen Mindestprämie:

Hat das Berufungsgericht – wie im vorliegenden Fall – den Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung als nicht gesetzmäßig ausgeführt erachtet und deshalb die sachliche Behandlung in der Berufung verweigert, muss dieser Umstand in der Revision als Mangelhaftigkeit bekämpft werden. Da die Beklagte dies unterließ, ist dem Obersten Gerichtshof die rechtliche Überprüfung verwehrt (RIS-Justiz RS0043231).

Im Umfang von 48.860,76 EUR (offene Mindestprämie) und 4.767,87 EUR (anteilige kapitalisierte Zinsen) ist damit der Revision der Erfolg zu versagen.

II. Zum Rückführungsbetrag:

1. Der Hinweis der Beklagten auf ein konstitutives Anerkenntnis der Klägerin durch die Erbringung der Versicherungsleistung bleibt erfolglos. Ist ein Streit über Ansprüche noch gar nicht entstanden und bestand daher keine Ursache, einen solchen Streit durch Schaffung eines neuen, selbständigen Verpflichtungsgrundes zu bereinigen, so ist im Allgemeinen noch kein Grund vorhanden, ein solches Anerkenntnis anzunehmen (RIS-Justiz RS0032841; vgl auch RS0032516).

Wenn die Beklagte ein konstitutives Anerkenntnis durch die Klägerin darin erblickt, dass diese die Versicherungsleistung erbrachte, so übersieht sie – insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass der Insolvenzverwalter erst nachträglich bestritt –, dass weder nach den Behauptungen noch nach den Feststellungen ein Streit über Ansprüche bestanden hat.

2. Die Klägerin argumentiert, dass sich bereits aus einer Zusammenschau ihrer AVB ergebe, dass das in Art 1 AVB definierte gedeckte Risiko „Ausfall an rechtlich begründeten Geldforderungen“ die Absicherung des Versicherungsnehmers lediglich gegen den Ausfall einer einredefreien, unbestrittenen Forderung gegen den Schuldner umschreibe.

3. Das VersVG enthält keine speziellen Regelungen für die Kreditversicherung, sodass vor allem die jeweiligen AVB als Rechtsgrundlage dienen.

3.1 Allgemeine Versicherungsbedingungen sind nach Vertragsauslegungsgrundsätzen (§§ 914 ff ABGB) ausgehend vom Maßstab des durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmers auszulegen (RIS-Justiz RS0050063; RS0112256). Nach objektiven Gesichtspunkten als unklar aufzufassende Klauseln müssen daher so ausgelegt werden wie sie ein durchschnittlich verständiger Versicherungsnehmer verstehen musste, wobei Unklarheiten im Sinne des § 915 ABGB zu Lasten des Verwenders der Allgemeinen Geschäftsbedingungen also des Versicherers gehen (RIS-Justiz RS0017960). Die einzelnen Klauseln sind, wenn sie nicht auch Gegenstand und Ergebnis von Vertragsverhandlungen waren, objektiv unter Beschränkung auf ihren Wortlaut auszulegen (RIS-Justiz RS0008901). In allen Fällen ist der einem objektiven Betrachter erkennbare Zweck einer Bestimmung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu berücksichtigen (RIS-Justiz RS0008901 [T5, T7, T87]). Als Ausnahmetatbestände, die die vom Versicherer übernommenen Gefahren einschränken oder ausschließen, dürfen Ausschlüsse nicht weiter ausgelegt werden, als es ihr Sinn unter Betrachtung des wirtschaftlichen Zwecks und der gewählten Ausdrucksweise sowie des Regelungszusammenhangs erfordert (RIS-Justiz RS0107031).

3.2 In der Kreditversicherung übernimmt der Versicherer unter anderem das Risiko, dass die versicherte Forderung ausfällt, weil der Abnehmer bzw Kunde insolvent wird. Es handelt sich um eine Schadensversicherung zum Schutz des Versicherungsnehmers gegen unmittelbare Vermögensschäden infolge von Forderungsausfällen (Bogner, Versicherung unternehmerischer Risiken, 131). Der Kreditversicherer, der sich mit der Warenkreditversicherung befasst, ersetzt dem Versicherungsnehmer den Ausfall der Forderungen aus Warenlieferungen, wobei Gegenstand auch Ausfälle aus Forderungen sein können, die ihre Ursache in Dienstleistungen haben (Greulich, Die Kreditversicherung, 15).

Im Übrigen kann aber entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts auf die deutsche Lehre und Rechtsprechung kein Rückgriff genommen werden, weil ihr eine abweichende Bedingungslage (nur einredefreie und/oder titulierte Forderungen sind gedeckt) zugrundeliegt (vgl etwa Bogner aaO, 134; Wittchen, Die Warenkreditversicherung, 43).

3.2.1 Nach den hier konkret vorliegenden Vertragsbedingungen besteht gemäß Art 1 AVB Versicherungsschutz für Ausfälle an „rechtlich begründeten Forderungen“. Art 6 AVB sieht als Voraussetzung für die Anerkennung durch die Klägerin neben dem Eintritt des wirtschaftlichen oder politischen Versicherungsfalls vor, dass der Versicherungsnehmer seine vertraglichen Verpflichtungen erfüllt hat, sein Vertragspartner hingegen seine vertraglichen Verpflichtungen nicht erfüllt hat oder nicht erfüllen kann.

Die maßgebliche primäre Risikobeschreibung in Art 1 AVB kann selbst im Zusammenhang mit der übrigen Bedingungslage vom durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmer nur dahin verstanden werden, dass der Ausfall von berechtigten Forderungen vom versicherten Risiko „rechtlich begründete Forderungen“ umfasst ist, muss er doch die in Art 6 AVB geforderten Nachweise erbringen, nicht jedoch das Fehlen einer Bestreitung darlegen. „Rechtlich begründet“ bedeutet doch nichts anderes als zu Recht bestehend, also berechtigt. Allein die Bestreitung einer Forderung durch den Vertragspartner des Versicherungsnehmers sagt noch nichts über deren rechtliche Begründetheit aus. Eine ausdrückliche Einschränkung des versicherten Risikos auf einredefreie/unbestrittene/titulierte Forderungen hat die Klägerin weder in ihrer primären Risikobeschreibung noch durch Schaffung eines entsprechenden Risikoausschlusses vorgenommen. Der durchschnittlich verständige Versicherungsnehmer wird daher davon ausgehen, dass nach dem Wortlaut der konkreten Bedingungslage Versicherungsschutz für den Ausfall (tatsächlich) berechtigter Forderungen unabhängig von deren Bestreitung besteht.

3.3 Darin, dass sich schon aus dem dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer erkennbaren Zweck der Kreditversicherung erschließe, dass der Versicherungsschutz für rechtlich begründete Forderungen das Fehlen ihrer Bestreitung voraussetze, kann der Klägerin nicht gefolgt werden.

Dieser Zweck könnte zwar der deutschen Bedingungslage entnommen werden. Dies aber nur aus dem Grund, weil durch die dort regelmäßig vorgenommene primäre Risikoumschreibung der „titulierten/unbestrittenen Forderung“ bzw durch die Aufnahme eines entsprechenden Risikoausschlusses der von der Klägerin genannte Zweck auch tatsächlich Eingang in die Bedingungen fand. Die gegenständlichen Bedingungen enthalten keine derartigen Regelungen, sodass hier der von der Klägerin gewünschte Schluss nicht zu ziehen ist.

3.4 Die Überprüfung der rechtlichen Begründetheit einer Forderung im Deckungsprozess ist auch nicht jedenfalls ausgeschlossen. Die Regelung, ob und inwieweit dies im Deckungsprozess erfolgen kann, obliegt den Vertragsparteien. Der Versicherer kann durch eine entsprechende Gestaltung der Versicherungsbedingungen die Überprüfung der Begründetheit der Forderung aus dem Deckungsprozess ausnehmen, indem er Deckung eben nur für titulierte und/oder unbestrittene Forderungen gewährt. Dies ist nach den hier konkret vorliegenden Bedingungen – wie ausgeführt – gerade nicht erfolgt. Demnach ist es der Beklagten auch nicht verwehrt, im vorliegenden Deckungsprozess die Begründetheit ihrer Forderung zu beweisen. Dies gilt umso mehr, als die Bestreitung der Forderung durch den Insolvenzverwalter nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens, weil diese nicht mit der Buchhaltung des Schuldners übereinstimme, nicht einmal einen substantiellen Einwand darstellt. Das Aufscheinen der Forderungen in der Buchhaltung des Schuldners ist keine Forderungsvoraussetzung. Diese Bestreitung ist offenbar vielmehr dem Umstand geschuldet, dass dem Insolvenzverwalter Unterlagen nur unvollständig zur Verfügung stehen. Damit liegt der Grund der Bestreitung aber primär in der Insolvenz selbst.

3.5 Zusammengefasst bedeutet dies, dass die Frage der Begründetheit der Forderung Gegenstand des vorliegenden Deckungsprozesses ist. Das Fehlen von Feststellungen in diesem Zusammenhang ist insbesondere auf das Fehlen entsprechenden Parteivorbringens zurückzuführen. Im fortgesetzten Verfahren wird es Sache der Beklagten sein, Behauptungen zur Begründetheit ihrer Forderung, die unter anderem Voraussetzung des Eintritts des vom Versicherungsnehmer zu beweisenden Versicherungsfalls ist (RIS-Justiz RS0043438) aufzustellen. Die Ansicht, dass ihr Vorbringen nicht ausreicht, wurde mit der Beklagten nicht erörtert, weshalb sie damit auch nicht überrascht werden darf (RIS-Justiz RS0037300), sodass insoweit derzeit noch keine Spruchreife gegeben ist. Demgemäß sind die Entscheidungen beider Vorinstanzen in diesem Umfang aufzuheben und dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufzutragen.

4. Davon ausgehend erübrigt sich ein Eingehen auf die übrigen geltend gemachten Rechtsfragen.

5. Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

Textnummer

E121527

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2018:0070OB00044.18Y.0420.000

Im RIS seit

01.06.2018

Zuletzt aktualisiert am

24.02.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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