Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Hon.-Prof. Dr. Dehn und Mag. Korn sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Bernhard Gruber und Nicolai Wohlmuth als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei H*****, vertreten durch Dr. Robert Kugler, Mag. Michael Wohlgemuth, Rechtsanwälte in Klagenfurt, gegen die beklagte Partei G***** Gesellschaft m.b.H., *****, vertreten durch Fellner Wratzfeld & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 536,30 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 20. Juli 2017, GZ 6 Ra 21/17f-29, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 252,31 EUR (darin enthalten 42,05 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
Der Kläger war von 1980 bis 2011 bei der Beklagten angestellt. Seit 1. 9. 2013 bezieht er auf Basis einer direkten Pensionszusage eine Betriebspension. Grundlage ist das betriebliche Versorgungswerk der Beklagten aus dem Jahr 1978, das in Punkt XVII eine Vorbehaltsklausel beinhaltet, in der es unter anderem heißt:
„Die Firma behält sich vor,
a) die zugesagte Pension zu kürzen oder einzustellen, wenn sich die wirtschaftliche Lage der Firma nachhaltig so wesentlich verschlechtert, dass die volle Aufrechterhaltung der zugesagten Pensionen eine Gefährdung des Weiterbestehens der Firma zur Folge hätte.“
Ende 2010 stellte die Beklagte ihre operative Tätigkeit ein. 2011 beschloss die Alleingesellschafterin der Beklagten eine Gewinnausschüttung von 20 Millionen Euro.
In den Folgejahren kam es in der Bilanz zu Jahresfehlbeträgen zwischen 151.800 EUR und 692.800 EUR, die darauf zurückzuführen sind, dass der Zinssatz für die Pensionsrückstellungen gefallen ist, wodurch höhere Pensionsrückstellungen erforderlich waren.
Das buchmäßige Eigenkapital betrug zum 31. 12. 2015 1.553.000 EUR. Aus den Plan-Cash-Flow-Berechnungen für 2016–2020 ist ersichtlich, dass die Beklagte über ausreichend liquide Mittel verfügt, um ihren Verpflichtungen nachkommen zu können.
Ab 1. 1. 2016 wurde der Betrag der Betriebspension des Klägers, der (jährlich) 3.000 EUR übersteigt, um 20 % gekürzt ausbezahlt.
Der Kläger begehrt die Auszahlung der Pensionsdifferenz (bis inkl Mai 2016) sA in Höhe des Klagsbetrags.
Die Beklagte macht geltend, dass sie berechtigt sei, die Pensionszahlungen zu kürzen, wenn sich die wirtschaftliche Lage nachhaltig so wesentlich verschlechtere, dass die Beibehaltung der Zahlungen eine Gefährdung des Weiterbestands des Unternehmens bedeuten würde.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 iVm § 500 Abs 2 Z 3 ZPO; RIS-Justiz RS0042392) – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.
1. Angebliche Mängel des Verfahrens erster Instanz, die vom Berufungsgericht verneint wurden, können nach ständiger Rechtsprechung im Revisionsverfahren nicht mehr geltend gemacht werden (RIS-Justiz RS0042963).
Soweit die Beklagte vorbringt, dass jedenfalls ein sekundärer Feststellungsmangel vorliegt, weil vom Sachverständigen keine Planrechnungen zu den Bilanzstichtagen 2016–2020 erstellt worden seien, lässt sie offen, welche rechtlich relevanten zusätzlichen Feststellungen konkret zu treffen gewesen wären.
2. Das Betriebspensionsgesetz (BPG), BGBl 1990/282, ist mit 1. Juli 1990 in Kraft getreten. Gemäß Art V Abs 3 Satz 1 der Übergangs- und Schlussbestimmungen ist das Gesetz auf Leistungszusagen, die vor seinem Inkrafttreten gemacht wurden, nur hinsichtlich der nach seinem Inkrafttreten erworbenen Anwartschaften anzuwenden. Die Bestimmung über das Aussetzen oder Einschränken von Leistungen (§ 9 BPG) gilt darüber hinaus nur, sofern Normen der kollektiven Rechtsgestaltung oder Einzelvereinbarungen, die vor Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes abgeschlossen wurden, nicht anderes bestimmen. Die Widerrufsklausel ist daher sowohl für Leistungen aus Anwartschaften vor als auch für solche aus Anwartschaften nach Inkrafttreten des BPG von Relevanz.
3. Nach der Rechtsprechung ist eine Pensionsvereinbarung als entgeltliches Geschäft zu qualifizieren, bei welchem der Arbeitnehmer vorgeleistet hat. Bei Auslegung der Pensionszusage ist die Formulierung maßgeblich, wie diese unter Beachtung der Übung des redlichen Verkehrs zu verstehen ist. Maßgebend ist dabei nicht nur der Wortlaut, sondern wie die Erklärung inhaltlich verstanden und gehandhabt wurde (9 ObA 15/97i). An die einen Eingriff in Pensionsleistungen rechtfertigenden Sachverhalte ist generell ein strenger Maßstab anzulegen. Widerrufsvorbehalte sind daher immer eng auszulegen (RIS-Justiz RS0017784 [T1]).
4. Wird in einer Widerrufsklausel auf die wesentliche Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft abgestellt, sodass die Aufrechterhaltung der zugesagten Pensionen eine Gefährdung des Weiterbestands der Gesellschaft zur Folge hätte, so sind für die ex ante abzugebende Fortbestandsprognose stets die konkreten Verhältnisse des Einzelfalls von entscheidender Bedeutung (RIS-Justiz RS0021513 [T5]). Der Umstand, dass die Vorbehaltsklausel einer Standardformulierung folgt, und ähnliche Auslegungsprobleme sich (vielleicht) in mehreren Fällen stellen könnten – bewirkt für sich genommen nicht ihre Erheblichkeit iSd § 502 Abs 1 ZPO (RIS-Justiz RS0042816 [insb T3]).
5. Soweit das Berufungsgericht die in der Widerrufsklausel enthaltene Formulierung, „Gefährdung des Weiterbestands der Firma“ dahingehend auslegt, dass damit der Erhalt der operativen Tätigkeit des Unternehmens gemeint ist und davon nicht die Verwaltung des Kapitals im Wesentlichen zur Zahlung der Pensionen umfasst ist, ist diese Rechtsmeinung jedenfalls vertretbar. Dass die Klausel ermöglichen soll, die aktuellen Pensionszahlungen (teilweise) zu kürzen, um eine Gefährdung der Auszahlung der Pensionen in der Zukunft zu verhindern, worauf im Ergebnis die Argumentation der Beklagten hinausläuft, kann dagegen – unabhängig davon, dass auch die Verwaltung dieses restlichen Finanzvermögens eine unternehmerische Tätigkeit darstellt, – nicht überzeugen.
Aus den Feststellungen ergibt sich aber auch, dass die „Verluste“ aus 2012–2015 darauf zurückzuführen sind, dass sich die Pensionsrückstellungen wegen der zugrunde gelegter Zinssätze erhöht haben. Auch aus den eigenen Cash-Flow-Berechnungen der Beklagten ist abzuleiten, dass sie über ausreichende liquide Mittel verfügt, um auch in den Jahren 2016–2020 ihre Verpflichtungen erfüllen zu können. Davon ausgehend ist aber auch die Rechtsmeinung des Berufungsgerichts, dass jedenfalls auch keine Gefährdung des auf Verwaltung des verbliebenen Vermögens ausgerichteten Unternehmens nachgewiesen wurde, nicht korrekturbedürftig.
Auf die Frage, ob die unterschiedliche Kürzung der Pensionen abhängig von ihrer Höhe eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes darstellt, muss daher nicht weiter eingegangen werden.
6. Die Revision ist daher mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf diese Entscheidung nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Der Kläger hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen. Für die Revisionsbeantwortung steht allerdings nur ein Erhöhungsbetrag von 2,10 EUR zu, da es sich um keinen verfahrenseinleitenden Schriftsatz handelt (§ 23a RATG).
Textnummer
E121528European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2018:009OBA00128.17I.0425.000Im RIS seit
01.06.2018Zuletzt aktualisiert am
01.06.2018