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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
BAO §4 Abs1;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 95/17/0420Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler und Dr. Zens als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Zeller, über die Beschwerde 1.) des O (zur Zl. 95/17/0419) und 2.) der M (zur Zl. 95/17/0420), beide vertreten durch D und S, Rechtsanwälte in L, gegen den Bescheid des Vorstandes für den Geschäftsbereich III der Agrarmarkt Austria vom 11. Juli 1995, Zl. GB I/Ref.1/Sa/14604, betreffend Kürzung der Einzelrichtmenge und Nachforderung an zusätzlichem Absatzförderungsbeitrag, zu Recht erkannt:
Spruch
1. Der angefochtene Bescheid wird auf Grund der Beschwerde des Erstbeschwerdeführers hinsichtlich der darin verfügten Kürzung der Einzelrichtmenge des Erstbeschwerdeführers "mit 1.6.1990" wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
2. Der angefochtene Bescheid wird auf Grund der Beschwerde der Zweitbeschwerdeführerin hinsichtlich der damit festgesetzten Nachforderung an zusätzlichem Absatzförderungsbeitrag wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Erstbeschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 13.220,-- und der Zweitbeschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 13.280,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens hinsichtlich der Milchlieferungen von den Betrieben des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin eine Kürzung der Einzelrichtmenge für den Betrieb des Erstbeschwerdeführers auf 19.668 kg "mit 1.6.1990" vorgenommen und gegenüber der Zweitbeschwerdeführerin für die Wirtschaftsjahre 1990/91 bis 1993/94 und das Rumpfwirtschaftsjahr 7-12/1994 eine Nachforderung an zusätzlichem Absatzförderungsbeitrag von S 306.520,-- festgesetzt sowie ihr zur Zahlung vorgeschrieben.
Der Erstbeschwerdeführer hatte im Jahre 1988 eine Neulieferantenerklärung abgegeben und in den Folgejahren unter seiner Lieferantennummer Milch an den zuständigen Be- und Verarbeitungsbetrieb geliefert. Nach den Feststellungen der belangten Behörde stammte ein wesentlicher Teil dieser Milch nicht vom Betrieb des Erstbeschwerdeführers, sondern vom Betrieb der Zweitbeschwerdeführerin. Diese Vorgangsweise wurde unter anderem von der Zweitbeschwerdeführerin im Rahmen ihrer Aussagen im Verwaltungsverfahren bestätigt (zu Gunsten des Erstbeschwerdeführers geht die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid jedoch davon aus, dass nicht die gesamte von der nachgewiesenermaßen auf dem Betrieb des Erstbeschwerdeführers in der fraglichen Zeit vorhandenen Kuh gemolkene Milch in seinem Haushalt verbraucht wurde, sondern zu einem Teil abgeliefert wurde). Mit Vertrag vom 27. August 1990 verpachtete der Erstbeschwerdeführer nach den Feststellungen der belangten Behörde seinen Betrieb der Zweitbeschwerdeführerin. Auf Grund der Feststellungen hinsichtlich der Fremdmilcheinschüttung ging die belangte Behörde davon aus, dass eine Einzelrichtmenge durch den Erstbeschwerdeführer nicht im ursprünglich angenommenen Umfang, sondern in wesentlich geringerem Ausmaß aufgebaut worden sei und somit auch eine Verpachtung dieser Einzelrichtmenge an die Zweitbeschwerdeführerin nicht in der angenommenen Größenordnung möglich gewesen sei.
Auf Grund des von ihr festgestellten Sachverhaltes nahm die belangte Behörde an, dass nur ein bestimmter Teil der in den Jahren 1988, 1989 und 1990 vom Erstbeschwerdeführer gelieferten Milch von ihm selbst gestammt habe. Ausgehend von dieser Annahme berechnete sie die Einzelrichtmenge für den Betrieb des Erstbeschwerdeführers neu und setzte diesen spruchgemäß "mit 1.6.1990" neu fest. Ausgehend von dieser (ab dem Wirtschaftsjahr 1990/91 von der Zweitbeschwerdeführerin gepachteten) Einzelrichtmenge berechnete die belangte Behörde den von der Zweitbeschwerdeführerin zu entrichtenden zusätzlichen Absatzförderungsbeitrag neu und kam zu einer Nachforderung an zusätzlichem Absatzförderungsbeitrag für die Zweitbeschwerdeführerin.
Mit dem angefochtenen Bescheid setzte die belangte Behörde daher weiters die errechnete Nachforderung an zusätzlichem Absatzförderungsbeitrag gegenüber der Zweitbeschwerdeführerin fest und schrieb die Nachforderung der Zweitbeschwerdeführerin zur Zahlung vor.
Begründend wird dabei unter anderem auf § 79 Abs. 2 MOG in der Fassung BGBl. Nr. 969/1993 hingewiesen, dem zufolge die Nachforderung oder Rückforderungen, sofern sie nicht zumindest teilweise auch auf die Mitbeteiligung des Bearbeitungs- und Verarbeitungsbetriebes zurückzuführen ist, nach einer Veranlagung gemäß § 80 Abs. 5 abweichend von Abs. 1 bei einer Nachforderung des allgemeinen oder zusätzlichen Absatzförderungsbeitrages oder bei einer Rückforderung von Lieferrücknahmeprämien der Milcherzeuger oder sein Rechtsnachfolger Schuldner des Nachforderungs- oder Rückforderungsbetrages ist. Verwiesen wird auch auf § 76 Abs. 2 MOG in der Fassung BGBl. Nr. 969/1993, dem zufolge die AMA nach einer Veranlagung gemäß § 80 Abs. 5 eine Nachforderung des allgemeinen oder zusätzlichen Absatzförderungsbeitrages oder eine Rückforderung von Lieferrücknahmeprämien nur innerhalb von fünf Jahren nach Ablauf jenes Wirtschaftsjahres vornehmen könne, in dem der Anspruch auf Nachforderung oder Rückforderung entstanden sei. Wie sich aus der Bescheidbegründung ergibt, bezieht sich die Berechnung des zusätzlichen Absatzförderungsbeitrages auf die Wirtschaftsjahre 1990/91 bis 1993/94 und das "Rumpfwirtschaftsjahr 7-12/1994".
Gegen diesen Bescheid richten sich die vorliegenden Beschwerden, in denen der Erstbeschwerdeführer insbesondere die Verletzung im Recht aus § 76 Abs. 2 MOG in der Fassung BGBl. Nr. 330/1988, die Zweitbeschwerdeführerin insbesondere die Verletzung in ihrem Recht gemäß § 73 MOG, für die zugeteilte Einzelrichtmenge einen zusätzlichen Absatzförderungsbeitrag nicht entrichten zu müssen, aber auch im Recht nach § 79 Abs. 2 MOG geltend machen.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine einheitliche Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerden beantragt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Zur Beschwerde des Erstbeschwerdeführers (Zl. 95/17/0419):
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde gegenüber dem Erstbeschwerdeführer die Einzelrichtmenge, die seinem Betrieb am 1. Juni 1990 zustand, rückwirkend neu festgesetzt.
Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid (der sowohl an den Erstbeschwerdeführer als auch an die Zweitbeschwerdeführerin ergangen ist und auch die Festsetzung der Nachforderung an zusätzlichem Absatzförderungsbeitrag gegenüber der Zweitbeschwerdeführerin enthält) nicht näher begründet, weshalb sie die rückwirkende Neufestsetzung für zulässig erachtet hat.
In der Gegenschrift verweist die belangte Behörde auf § 76 Abs. 2 MOG in der Fassung BGBl. Nr. 330/1988, dem zufolge der Milchwirtschaftsfonds bei unrichtigen Mitteilungen gemäß § 76 Abs. 1 die tatsächlich zustehende Einzelrichtmenge rückwirkend bis zum Ablauf von drei Jahren ab erfolgter Mitteilung durch Bescheid feststellen könne. In diesem Zusammenhang verweist die belangte Behörde auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 22. Juni 1988, V 139, 140/87, welches ihren Standpunkt, dass eine rückwirkende Änderung der Einzelrichtmenge erfolgen könne, stütze.
Die belangte Behörde übersieht mit diesem Vorbringen, dass die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (der sich auch der Verwaltungsgerichtshof angeschlossen hat, vgl. das hg. Erkenntnis vom 9. Februar 1990, Zl. 89/17/0161, oder das hg. Erkenntnis vom 25. Oktober 1996, Zl. 94/17/0300) lediglich bedeutet, dass keine Bindungswirkung der Mitteilung der Einzelrichtmenge durch den Bearbeitungs- und Verarbeitungsbetrieb und nur eine eingeschränkte Bindungswirkung der bescheidmäßigen Feststellung der Einzelrichtmenge für Folgejahre gegeben ist. Die Tatsache, dass bei der Feststellung der Einzelrichtmenge für die Folgejahre (im Falle der bescheidmäßigen Feststellung innerhalb der in dieser Rechtsprechung näher dargestellten Grenzen) auch Sachverhalte neu bewertet werden können, über die bei der Feststellung der Einzelrichtmenge in Vorjahren bereits (wenn auch vielleicht nur implizit) abgesprochen worden war, bedeutet nicht, dass auch eine rückwirkende Änderung der Festsetzung der Einzelrichtmenge zulässig wäre.
Vor dem Hintergrund dieser grundsätzlichen Rechtslage ist auch § 76 Abs. 2 MOG in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 330/1988 zu verstehen, der (erst in dieser Fassung) vorsieht, dass die tatsächlich zustehende Einzelrichtmenge rückwirkend bis zum Ablauf von drei Jahren ab erfolgter Mitteilung durch Bescheid neu festgesetzt werden könnte, wenn die Mitteilung ursprünglich unrichtig war.
Die belangte Behörde hat die Rechtslage verkannt, wenn sie - was aus der Gegenschrift hervorzugehen scheint - die Auffassung vertritt, dass es zur Wahrung der in § 76 Abs. 2 MOG in der Fassung BGBl. Nr. 330/1988 vorgesehenen Frist darauf ankäme, dass innerhalb der Dreijahresfrist das Verwaltungsverfahren eingeleitet werde.
§ 76 Abs. 2 MOG stellt keine Vorschrift betreffend die Verjährung der Festsetzung von Abgaben dar, sondern regelt unter Normierung einer vom Zeitpunkt der Mitteilung nach § 76 Abs. 1 MOG an zu berechnenden Frist, wie lange eine Änderung der Festsetzung der Einzelrichtmenge zulässig ist.
Zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides am 11. Juli 1995 wäre daher nur eine Änderung der Einzelrichtmenge in Bezug auf jene Wirtschaftsjahre zulässig gewesen, für welche mit Mitteilungen gemäß § 76 Abs. 1 MOG ab dem 12. Juli 1992 die Einzelrichtmenge durch den Bearbeitungs- und Verarbeitungsbetrieb festgesetzt worden war. Somit erweist sich der angefochtene Bescheid hinsichtlich der Neufestsetzung der Einzelrichtmenge für den Stichtag "1.6.1990" als rechtswidrig. Es braucht daher nicht näher auf die Frage eingegangen werden, ob eine derartige Feststellung nach dem MOG zulässig ist, da damit nicht eine für ein Wirtschaftsjahr zustehende Einzelrichtmenge festgesetzt wird, wie dies nach § 76 Abs. 1 MOG vorgesehen ist (die belangte Behörde ging im angefochtenen Bescheid davon aus, dass ab dem Wirtschaftsjahr 1990/91 - mit Wirkung vom 30.6.1990 - der Betrieb des Erstbeschwerdeführers an die Zweitbeschwerdeführerin verpachtet war, und wählte offenbar aus diesem Grund eine Feststellung für einen Stichtag kurz vor der Wirksamkeit des Pachtvertrages).
Der angefochtene Bescheid war daher, soweit er die Festsetzung der Einzelrichtmenge des Erstbeschwerdeführers betrifft, gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
2. Zur Beschwerde der Zweitbeschwerdeführerin (Zl. 95/17/0420):
Der Zweitbeschwerdeführerin gegenüber wurde mit dem angefochtenen Bescheid eine Nachforderung an zusätzlichem Absatzförderungsbeitrag festgesetzt. Die belangte Behörde stützte sich dabei auf § 79 Abs. 2 MOG in der Fassung BGBl. Nr. 969/1993.
Wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 26. Mai 1997, Zl. 96/17/0459, näher ausgeführt hat, bedeutet der Grundsatz der Zeitbezogenheit von Abgabenvorschriften auch, dass mangels besonderer Übergangsvorschriften eine Regelung wie § 79 Abs. 2 MOG in der zitierten Fassung nur auf Sachverhalte angewendet werden kann, die sich nach dem Inkrafttreten der Bestimmung ereignen. § 79 Abs. 2 MOG trat nach § 91c Abs. 1 Z 4 MOG 1985 in der Fassung BGBl. Nr. 969/1993 mit 1. Jänner 1994 in Kraft. Eine Vorschrift betreffend die Anwendung des § 79 Abs. 2 MOG in der genannten Fassung auf frühere Zeiträume besteht nicht. Daher ist § 79 Abs. 2 MOG auch im Beschwerdefall für den Zeitraum bis zum 31. Dezember 1993 nicht anzuwenden.
Der angefochtene Bescheid wäre daher hinsichtlich der Festsetzung von zusätzlichem Absatzförderungsbeitrag für den Zeitraum bis zum 31. Dezember 1993 bereits aus diesem Grund wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.
Darüber hinaus ergibt sich daraus, dass auf Grund der Beschwerde des Erstbeschwerdeführers der angefochtene Bescheid hinsichtlich der rückwirkenden Änderung der Einzelrichtmenge aufgehoben wurde, dass gemäß § 42 Abs. 3 VwGG bei der Beurteilung des angefochtenen Bescheides, soweit er die Zweitbeschwerdeführerin betrifft, die rückwirkende Änderung der Einzelrichtmenge hinsichtlich des Beschwerdeführers zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides gegenüber der Zweitbeschwerdeführerin nicht vorgelegen ist. Die von der Behörde der Neuberechnung zugrunde gelegte Tatbestandsvoraussetzung, dass die Einzelrichtmenge, die aufgrund des Pachtverhältnisses zwischen dem Erstbeschwerdeführer und der Zweitbeschwerdeführerin der Zweitbeschwerdeführerin zugestanden war, nachträglich reduziert wurde, lag somit nicht vor. Es ist daher im Beschwerdefall nicht näher auf die Frage einzugehen, ob eine Neuberechnung des zusätzlichen Absatzförderungsbeitrages ohne (rückwirkender) Festsetzung der Einzelrichtmenge für die betreffenden Wirtschaftsjahre der Zweitbeschwerdeführerin gegenüber zulässig war. Selbst wenn man eine solche Festsetzung als implizite rückwirkende Änderung der Einzelrichtmenge der Zweitbeschwerdeführerin deuten wollte, erweist sich der angefochtene Bescheid aus den angeführten Gründen als inhaltlich rechtswidrig.
Der angefochtene Bescheid ist daher, soweit er die Festsetzung einer Nachforderung an zusätzlichem Absatzförderungsbeitrag gegenüber der Zweitbeschwerdeführerin betrifft, (und zwar hinsichtlich des gesamten Zeitraums, auf den er sich erstreckt) wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
3. Aus diesem Grund war der angefochtene Bescheid sowohl hinsichtlich des Ausspruches betreffend den Erstbeschwerdeführer als auch hinsichtlich des Ausspruches betreffend der Zweitbeschwerdeführerin (zur Gänze) gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 28. Februar 2000
Schlagworte
Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 VwRallg7 Abgabenrechtliche Grundsätze ZeitbezogenheitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:1995170419.X00Im RIS seit
11.07.2001