Entscheidungsdatum
16.05.2018Norm
BBG §40Spruch
W218 2152907-1/13E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Benedikta TAURER als Vorsitzende und die Richterin Mag. Marion STEINER sowie die fachkundige Laienrichterin Mag. Bettina PINTER als Beisitzerinnen über die Beschwerde der XXXX, geboren am XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Wien vom 27.02.2017, betreffend Zurückweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 29.11.2016 wurde über den Bescheid vom 20.05.2016 rechtskräftig entschieden und bestätigt, dass die Beschwerdeführerin nicht über die Voraussetzungen zur Ausstellung eines Behindertenpasses verfügt. Mit Datum vom 15.02.2017 stellte die Beschwerdeführerin einen neuerlichen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses. Mit Bescheid vom 27.02.2017 wies das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Kurzbezeichnung: Sozialministeriumservice; in der Folge belangte Behörde genannt) den neuerlichen Antrag der Beschwerdeführerin auf Ausstellung eines Behindertenpasses zurück, da keine maßgebliche Änderung der Funktionsbeeinträchtigungen von der Beschwerdeführerin glaubhaft gemacht werden konnten.
2. Gegen diesen Bescheid wurde von der Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde erhoben. Unter Vorlage von Beweismitteln wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass sich ihr Gesundheitszustand maßgeblich verschlechtert habe.
3. Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten langten am 13.04.2017 beim Bundesverwaltungsgericht ein.
4. Mit Schreiben vom 06.09.2017 langte ein Gutachten der Pensionsversicherungsanstalt ein, mit dem der Beschwerdeführerin Pflegegeld der Stufe 2 zuerkannt wurde.
5. Zur Überprüfung des Beschwerdegegenstandes wurde ein ärztliches Sachverständigengutachten eingeholt, das einen Gesamtgrad der Behinderung von 40 vH ergab.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt weiterhin 40 vH. Die Beschwerdeführerin konnte eine maßgebliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes nicht glaubhaft machen. Zwischen der rechtskräftigen Entscheidung über die Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses und dem neuerlichen Antrag ist noch kein Jahr vergangen.
Die Beschwerdeführerin leidet an folgenden Funktionseinschränkungen:
1. Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Osteoporose; Pos.Nr.:
02.01.02, Grad der Behinderung 30%
2. Zustand nach Hüfttotalendoprothese rechts, Abnützungserscheinungen des linken Hüftgelenks, Pos.Nr.: 02.05.08, Grad der Behinderung 30%
3. Abnützungserscheinungen beider Kniegelenke, Pos.Nr.: 02.05.19, Grad der Behinderung 20%
4. Schilddrüsenunterfunktion, Pos.Nr.: 09.01.01, Grad der Behinderung 10%
5. Bluthochdruck, Kardiomyopathie, Pos.Nr.: 05.02.01, Grad der Behinderung 30%
2. Beweiswürdigung:
Das eingeholte ärztliche Sachverständigengutachten ist schlüssig und nachvollziehbar, es weist keine Widersprüche auf. Es wurde auf die Art der Leiden und deren Ausmaß ausführlich eingegangen. Die getroffenen Einschätzungen, basierend auf dem im Rahmen persönlicher Untersuchung der Beschwerdeführerin erhobenen klinischen Befund, entsprechen den festgestellten Funktionseinschränkungen.
Im gerichtlichen Verfahren wurde neuerlich ein Sachverständigengutachten eingeholt, in dem die Funktionsbeeinträchtigungen der Beschwerdeführerin dokumentiert und eingestuft wurden. Die Sachverständige begründet die Wahl jeder Pos.Nr. und führt beispielsweise zum führenden Leiden Nr. 1 aus, dass der untere Rahmensatz heranzuziehen ist, da rezidivierende Beschwerden bei mäßig eingeschränkter Beweglichkeit ohne neurologischem Defizit vorliegen. Berücksichtigt werden osteoporotische Wirbelkörperhöhenreduktionen der Lendenwirbelsäule. Zu 2. führt sie aus, dass 1 Stufe unter dem oberen Rahmensatz gewählt wird, da endlagige Bewegungseinschränkungen dokumentiert sind. Auch bei Leiden 3 wird der untere Rahmensatz gewählt, da eine endlagige Einschränkung der Beweglichkeit vorliegt.
Zu Leiden 4 führt die Sachverständige aus, dass der untere Rahmensatz heranzuziehen ist, da der Zustand nach papillärem Mikrokarzinom 2011 und Subtotalresektion der Schilddrüse unter hormoneller Substitutionstherapie euthyreot ist.
Neu hinzukommt das dokumentierte Leiden 5 mit dem unteren Rahmensatz, da zwar eine reduzierte Linksventrikelfunktion vorliegt, jedoch keine Entwässerungstherapie etabliert ist.
Da keine ungünstigen Wechselwirkungen vorliegen, erhöht sich der Gesamtgrad der Behinderung allerdings nicht.
Dazu wird im medizinischen Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin, basierend auf der persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 12.02.2018, im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:
"ad 2) Gesamtgrad der Behinderung: 40%
Leiden 1 wird durch Leiden 2 um eine Stufe erhöht, da eine ungünstige wechselseitige Leidensbeeinflussung vorliegt. Die weiteren Leiden erhöhen nicht, da kein maßgebliches ungünstiges Zusammenwirken mit führendem Leiden 1 besteht.
In welchem Ausmaß liegen die angeführten Leidenszustände vor und wie wirken sich diese auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel aus?
Dokumentiert sind osteoporotische Wirbelkörperhöhenreduktionen der Lendenwirbelsäule und Abnützungserscheinungen der Wirbelsäule. Im Rahmen der klinischen Untersuchung konnten jedoch keine höhergradigen Funktionseinschränkungen festgestellt werden. Weder liegt ein neurologisches Defizit vor noch ist eine analgetische Dauermedikation dokumentiert.
Bei Zustand nach Hüfttotalendoprothese links und Abnützungserscheinungen des rechten Kniegelenks konnte zum Zeitpunkt der Begutachtung am 9. 5. 2016 keine höhergradige Funktionseinschränkung festgestellt werden, kein Hinweis für Lockerung der Prothese oder Instabilität, kein muskuläre Insuffizienz.
Stellungnahme zu frischer Verletzung im Bereich der linken Hüfte:
siehe unten.
Zusammenfassend liegen im Bereich des Stütz-und Bewegungsapparates keine höhergradigen und dauerhaften Funktionseinschränkungen vor, welche das Zurücklegen einer Wegstrecke von 300-400 m, das Überwinden von Niveauunterschieden und den Transport in öffentlichen Verkehrsmitteln erheblich erschwerten.
Die Schilddrüsenunterfunktion ist hormonell substituiert, eine erhebliche Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit liegt nicht vor.
Die Kardiomyopathie und der Bluthochdruck führen zu keinen erheblichen Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit, es liegt weder eine hochgradige Rechtsherzinsuffizienz noch liegen Zeichen einer hochgradigen Dekompensation vor, Entwässerungstherapie ist nicht etabliert.
ad 3) Ist eine Veränderung zum Vergleichsgutachten vom 9. 5. 2016, Abl. 4, objektivierbar? Wodurch wird die Veränderung dokumentiert bzw. wie äußert sich diese?
Hinzukommen von Leiden 5, da dokumentiert.
im Pflegegeldgutachten vom 20. 6. 2017 werden vorliegende aktuelle Befunde zitiert, denen zu entnehmen ist, dass im Rahmen einer Coronarangiografie und einer Herzechountersuchung eine Cardiomyopathie festgestellt wurde. Hinweis für KHK konnte nicht gefunden werden. Festgestellt wurden im Lungenröntgen Stauungszeichen 2.-3. Grades (Begutachtung im Rahmen des Krankenhausbesuches).
Die Herzerkrankung wird als Leiden 5 neu in die Liste aufgenommen, da dokumentiert. Die Höhe der Einstufung richtet sich nach der Klinik und aktuellen Therapieerfordernis, eine dauerhafte Entwässerungstherapie ist nicht dokumentiert.
Die führende Funktionsbeeinträchtigung Nummer 1 wird durch hinzugekommenes Leiden 5 nicht erhöht, da dieses nur von geringem Ausmaß und geringer Relevanz ist und das Gesamtbild in funktioneller Hinsicht nicht maßgeblich negativ beeinflusst. Die Auswirkungen des führenden Leidens werden durch Leiden 5 nicht erheblich verstärkt.
Stellungnahme zu Beschwerdevorbringen vom 31. 3. 2017, Abl. 25, 26, mit Zusammenfassung des unfallchirurgisch/orthopädischen Gutachtens:
Vorgebracht wird, dass der Finger-Boden-Abstand von 10 cm nicht richtig sei sondern 30-40 cm betrage.
Aktuell ist jedoch eine Überprüfung des Finger-Boden-Abstand im Stehen nicht möglich, es kann dazu derzeit nicht Stellung genommen werden
Vorgebracht wird, dass die BF Schmerzen in Kniegelenken, Hüften und Wirbelsäule habe und stark zittere, deswegen Gleichgewichtsstörungen habe und einen Rollator sogar in der Wohnung verwende. Dem wird entgegengehalten, dass weder ein Zittern festgestellt werden konnte noch eine höhergradige Funktionseinschränkung im Bereich sämtlicher Gelenke der unteren Extremitäten und der Wirbelsäule. Hinweise für eine maßgebliche Gleichgewichtsstörung liegen nicht vor, insbesondere liegen keine diesbezüglichen neurologischen Befunde oder Befunde eines HNO Facharztes vor.
Zu beurteilen hinsichtlich beantragter Zusatzeintragung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist nicht die Fähigkeit bzw. Unfähigkeit, 1,5-2 km zurücklegen zu können, sondern maßgeblich ist eine kurze Wegstrecke von 300-400 m.
ad 4) Begründung einer eventuell vom bisherigen Ergebnis Abl. 4 abweichenden Beurteilung
Hinzukommen von Leiden 5, da dokumentiert, siehe 3).
Keine Änderung des Gesamtgrads der Behinderung, Begründung siehe 3).
ad 5) Eine Nachuntersuchung ist nicht erforderlich.
ad 6) Liegen erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten vor? Zusätzlich vorliegende Beeinträchtigungen der oberen Extremitäten und eingeschränkte Kompensationsmöglichkeiten sind zu berücksichtigen.
Es konnte weder im Bereich der unteren noch der oberen Extremitäten ein Hinweis für eine dauerhafte höhergradige Funktionseinschränkung festgestellt werden.
Nach zurückliegender Verletzung etwa 5 Wochen vor Begutachtung (ärztliche Befundberichte über Art und Ausmaß der Verletzung und erfolgte Behandlung liegen nicht vor) ist derzeit die volle Belastung der linken unteren Extremität nicht erlaubt und nicht möglich. Anamnestisch wird von einer Verplattung im Bereich des linken Oberschenkels/Schenkelhalses berichtet.
Bei komplikationslosem Verlauf ist davon auszugehen, dass kein Leiden vorliegt, welches länger als 6 Monate anhält und die dauerhafte Verwendung eines Roliators oder Rollstuhls erforderlich macht.
7) Liegen erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit vor?
Nein. Eine kardiopulmonale Funktionseinschränkung in einem Ausmaß, welches das Zurücklegen kurzer Wegstrecken von 300-400 m, das Überwinden von Niveauunterschieden und den Transport in öffentlichen Verkehrsmittel erheblich einschränkte, liegen nicht vor. Bei nachgewiesener Linksventrikelhypertrophie liegen keine Zeichen einer hochgradigen Dekompensation vor."
Die Behörde (bzw. das Gericht) hat ein Gutachten auf seine Vollständigkeit und Schlüssigkeit zu überprüfen. Weitere Gutachten hat die Behörde nur dann einzuholen, wenn sich die vorliegenden Gutachten als nicht vollständig oder nicht schlüssig und damit als nicht ausreichend erweisen; will eine Partei außer dem vorliegenden schlüssigen und vollständigen Gutachten noch ein weiteres in das Verfahren einbezogen wissen, steht es ihr frei, selbst ein Gutachten eines privaten Sachverständigen zu beschaffen und vorzulegen. Die belangte Behörde und der Beschwerdeführer sind den getroffenen Feststellungen nicht entgegengetreten, weshalb das Gericht die im Gutachten getroffenen Feststellungen ohne weitere Ermittlungen dem Sachverhalt zugrunde gelegt hat.
Mit dem Beschwerdevorbringen hat sich das seitens des Bundesverwaltungsgerichts eingeholte Sachverständigengutachten ausführlich auseinandergesetzt. Die beauftragte Sachverständige hält - nach einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin und unter Beachtung der vorgelegten Befunde - zusammengefasst fest, dass sich der Gesamtzustand der Beschwerdeführerin im Vergleich zum Vorgutachten nicht maßgeblich verändert hat. Auch auf die Feststellungen im Sachverständigengutachten der PVA wurde eingegangen und dazu Stellung bezogen.
Es wurde dem Vorbringen der Beschwerdeführerin somit nachvollziehbar, schlüssig und vollständig entgegen getreten und kann somit den Einwendungen der Beschwerdeführerin angesichts des Inhalts des Gutachtens nicht gefolgt werden. Die Beschwerdeführerin konnte weder eine Unschlüssigkeit oder Unvollständigkeit des Gutachtens aufzeigen noch ist sie ihm auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten. Auch sind an der Person der Sachverständigen keine Bedenken aufgetreten.
Das Bundesverwaltungsgericht erachtet das eingeholte Sachverständigengutachten daher als schlüssig, vollständig und nachvollziehbar. In einer Zusammenschau der vorliegenden Befunde, des Gutachtens und dem Umstand, dass die Beschwerdeführerin dem Gutachten nicht entgegentreten ist, geht der erkennende Senat davon aus, dass das Sachverständigengutachten bzw. der darin festgelegte Grad der Behinderung von 40 v.H. der Entscheidung zugrunde zu legen ist.
Das Sachverständigengutachten wird daher im oben angeführten Ausmaß in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grunde gelegt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.
Zu A)
1. Zur Entscheidung in der Sache:
Unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten. (§ 1 Abs. 2 BBG)
Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpaß auszustellen, wenn
1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder
2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder
3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder
4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder
5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderten-einstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.
§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn
1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder
2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder
3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.
(2) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind ohne Durchführung eines Ermittlungsverfahrens zurückzuweisen, wenn seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung noch kein Jahr vergangen ist. Dies gilt nicht, wenn eine offenkundige Änderung einer Funktionsbeeinträchtigung glaubhaft geltend gemacht wird.
Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn
1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder
2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder
3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.
Auszug aus der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung) idgF:
"Grad der Behinderung
§ 2. (1) Die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen sind als Grad der Behinderung zu beurteilen. Der Grad der Behinderung wird nach Art und Schwere der Funktionsbeeinträchtigung in festen Sätzen oder Rahmensätzen in der Anlage dieser Verordnung festgelegt. Die Anlage bildet einen Bestandteil dieser Verordnung.
(2) Bei Auswirkungen von Funktionsbeeinträchtigungen, die nicht in der Anlage angeführt sind, ist der Grad der Behinderung in Analogie zu vergleichbaren Funktionsbeeinträchtigungen festzulegen.
(3) Der Grad der Behinderung ist nach durch zehn teilbaren Hundertsätzen festzustellen. Ein um fünf geringerer Grad der Behinderung wird von ihnen mit umfasst. Das Ergebnis der Einschätzung innerhalb eines Rahmensatzes ist zu begründen.
Gesamtgrad der Behinderung
§ 3. (1) Eine Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung ist dann vorzunehmen, wenn mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen. Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung sind die einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu addieren. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander.
(2) Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung ist zunächst von jener Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für die der höchste Wert festgestellt wurde. In der Folge ist zu prüfen, ob und inwieweit dieser durch die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen erhöht wird. Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 vH sind außer Betracht zu lassen, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht.
Bei Überschneidungen von Funktionsbeeinträchtigungen ist grundsätzlich vom höheren Grad der Behinderung auszugehen.
(3) Eine wechselseitige Beeinflussung der Funktionsbeeinträchtigungen, die geeignet ist, eine Erhöhung des Grades der Behinderung zu bewirken, liegt vor, wenn
-
sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirkt,
-
zwei oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen.
(4) Eine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung ist dann gegeben, wenn das Gesamtbild der Behinderung eine andere Beurteilung gerechtfertigt erscheinen lässt, als die einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen alleine.
Grundlage der Einschätzung
§ 4. (1) Die Grundlage für die Einschätzung des Grades der Behinderung bildet die Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen im körperlichen, geistigen, psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung in Form eines ärztlichen Sachverständigengutachtens. Erforderlichenfalls sind Experten aus anderen Fachbereichen - beispielsweise Psychologen - zur ganzheitlichen Beurteilung heran zu ziehen.
(2) Das Gutachten hat neben den persönlichen Daten die Anamnese, den Untersuchungsbefund, die Diagnosen, die Einschätzung des Grades der Behinderung, eine Begründung für die Einschätzung des Grades der Behinderung innerhalb eines Rahmensatzes sowie die Erstellung des Gesamtgrades der Behinderung und dessen Begründung zu enthalten."
Es konnte keine maßgebliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Beschwerdeführerin festgestellt werden und erfolgte daher die Zurückweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses zu Recht.
2. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 24 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idgF hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. In diesem Sinne ist eine Verhandlung als erforderlich anzusehen, wenn es nach Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 Abs. 2 GRC geboten ist, wobei gemäß Rechtsprechung des VfGH der Umfang der Garantien und des Schutzes der Bestimmungen ident sind.
Der Rechtsprechung des EGMR kann entnommen werden, dass er das Sozialrecht auf Grund seiner technischen Natur und der oftmaligen Notwendigkeit, Sachverständige beizuziehen, als gerade dazu geneigt ansieht, nicht in allen Fällen eine mündliche Verhandlung durchzuführen (vgl. Eriksson v. Sweden, EGMR 12.4.2012; Schuler-Zgraggen v. Switzerland, EGMR 24.6.1993).
Im Erkenntnis vom 18.01.2005, GZ. 2002/05/1519, nimmt auch der Verwaltungsgerichtshof auf die diesbezügliche Rechtsprechung des EGMR (Hinweis Hofbauer v. Österreich, EGMR 2.9.2004) Bezug, wonach ein mündliches Verfahren verzichtbar erscheint, wenn ein Sachverhalt in erster Linie durch seine technische Natur gekennzeichnet ist. Darüber hinaus erkennt er bei Vorliegen eines ausreichend geklärten Sachverhalts das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise an, welches das Absehen von einer mündlichen Verhandlung gestatte (vgl. VwGH vom 4.3.2008, 2005/05/0304).
Der im gegenständlichen Fall entscheidungsrelevante Sachverhalt wurde auf gutachterlicher Basis ermittelt. Zudem wurde vom Beschwerdeführer in der Beschwerde kein Vorbringen erstattet, welches eine weitere Erörterung notwendig erschienen ließ.
Im Hinblick auf obige Überlegungen sah der erkennende Senat daher unter Beachtung der Wahrung der Verfahrensökonomie und -effizienz von einer mündlichen Verhandlung ab, zumal auch eine weitere Klärung der Rechtssache hierdurch nicht erwartbar war.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Behindertenpass, Frist, Gesundheitszustand, Grad der Behinderung,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:W218.2152907.1.00Zuletzt aktualisiert am
30.05.2018