Entscheidungsdatum
16.05.2018Norm
BBG §40Spruch
W207 2152888-1/5E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Michael SCHWARZGRUBER als Vorsitzender und die Richterin Mag. Natascha GRUBER sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Gerald SOMMERHUBER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 23.02.2017, OB: XXXX , betreffend Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 40 Abs. 1, § 41 Abs. 1 und § 45 Abs. 1 und 2 Bundesbehindertengesetz (BBG) als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang
Die Beschwerdeführerin stellte am 28.11.2016 beim Sozialministeriumservice (in der Folge auch als belangte Behörde bezeichnet) einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses. Die Beschwerdeführerin legte ein Konvolut an medizinischen Unterlagen, darunter Bestätigungen einer näher genannten Psychotherapeutin vom 10.02.2015, vom 09.06.2015 sowie vom 14.10.2016 über eine bei dieser Psychotherapeutin in regelmäßigem Abstand durchgeführte Psychotherapie, sowie einen Bescheid des Magistrates der Stadt XXXX , XXXX , vom 12.11.2015, mit dem die Beschwerdeführerin in Kenntnis gesetzt wurde, dass sie von Amts wegen in den Ruhestand versetzt worden sei, weil sie länger als ein Jahr dienstunfähig gewesen sei, bei.
Die belangte Behörde gab in der Folge ein Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin unter Anwendung der Bestimmungen der Einschätzungsverordnung in Auftrag. In diesem Sachverständigengutachten vom 21.02.2017 wurde nach Durchführung einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 11.02.2017 Folgendes - hier in den wesentlichen Teilen wiedergegeben - ausgeführt:
"Anamnese:
Depression/Panik, Zustand nach Lipomentfernung im Bereich des Mons pubis, Z.n. Radiusfraktur links, in Folge OP wegen Tendovaginitis stenosans 2015.
Derzeitige Beschwerden:
Angegeben werden belastungsabhängige Schmerzen im linken Handgelenk, Depressionen, Unruhe und Schlafstörungen. Stationäre Aufenthalte an einer Fachabteilung werden negiert, sie nehme eine Dauermedikation ein und sei in Psychotherapie in Behandlung. Zuletzt Kuraufenthalt 2015.
Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:
Cymbalta, Trittico ret., Risperdal, Halcion, Seroquel.
Sozialanamnese:
Laut eigenen Angaben seit 2014 Dauerkrankenstand, seit 12/2015 Pension, davor Gemeinde XXXX .
Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
14.10.2016 Mag. XXXX : Bestätigung über Psychotherapie.
11.12.2015 XXXX : Z.n. fract.radii.l.t.sin.s.i., OP Tendovaginitis stenosans, komplikationslos.
30.12.2015 XXXX : Entfernung Lipom am Mons pubis, Depression/Panik.
Untersuchungsbefund:
Allgemeinzustand:
Normal.
Ernährungszustand:
Normal.
Größe: 164,00 cm Gewicht: 68,00 kg Blutdruck: 130/75
Klinischer Status - Fachstatus:
KOPF, HALS:
Keine Stauungszeichen, keine Atemnot, keine Lippencyanose.
THORAX / LUNGE / HERZ:
Sonorer Klopfschall, Vesiculäratmen, normale Atemfrequenz. Reine, rhythmische Herzaktion, keine pathologischen Geräusche.
ABDOMEN:
Weich, kein Druckschmerz, Peristaltik auskultierbar, Nierenlager beidseits frei. WIRBELSÄULE:
Keine relevanten Funktionseinbußen, gute Beweglichkeit, erreicht im Stehen und Sitzen mit Händen Boden.
EXTREMITÄTEN:
Kreuz / Nacken / Pinzetten / Spitzgriff beidseits regelrecht, vollständiger Faustschluß beidseits, keine Muskelverschmächtigungen. Trägt Handgelenksschiene links, nach Ablegen blande Narbe Handgelenk, endlagige Einschränkung, Pro/Supination frei. Zieht rasch Jacke aus/an, dabei keine funktionelle Einschränkung.
Hüftgelenke frei beweglich, Kniegelenke frei beweglich, bandstabil, Sprunggelenke frei beweglich. Stehen und Gehen im Untersuchungszimmer ohne Hilfsmittel möglich. Zehen / Fersengang beidseits möglich, links zögerlich. Keine Varizen, keine Ödeme.
GROB NEUROLOGISCH:
Keine motorischen Ausfälle, keine Sensibilitätsstörungen angegeben. FNV beidseits unauffällig.
Gesamtmobilität - Gangbild:
Unauffällig, sicher, keine Hilfsmittel.
Status Psychicus:
Voll orientiert, Ductus kohärent, strukturiert, depressive Grundstimmung, Logorrhoe.
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:
Pos.Nr.
Gdb %
1
Depression mit Panik 1 Stufe über unterem Rahmensatz, da Dauermedikation und Psychotherapie erforderlich.
03.06.01
20
2
Funktionseinschränkung im linken Handgelenk
02.06.20
10
Gesamtgrad der Behinderung 20 v. H.
Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:
Das führende Leiden 1 wird durch 2 nicht weiter erhöht, da keine relevante ungünstige wechselseitige Leidensbeeinflussung.
Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:
Zustand nach Lipomentfernung am Mons pubis erreicht keinen GdB, da ohne Hinweis auf Malignität und ohne funktionelle Einschränkung.
Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:
Erstgutachten.
Begründung für die Änderung des Gesamtgrades der Behinderung:
X Dauerzustand
......"
Mit Bescheid vom 23.02.2017 wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin auf Ausstellung eines Behindertenpasses ab und führte begründend aus, dass das medizinische Beweisverfahren einen Grad der Behinderung von 20 v.H. ergeben habe und somit die Voraussetzungen zur Ausstellung eines Behindertenpasses nicht gegeben seien. Die wesentlichen Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens seien dem eingeholten ärztlichen Sachverständigengutachten vom 21.02.2017, das einen Bestandteil der Begründung bilde, zu entnehmen. Dieses medizinische Sachverständigengutachten wurde der Beschwerdeführerin gemeinsam mit dem Bescheid übermittelt.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin mit undatiertem Schreiben, bei der belangten Behörde eingelangt am 06.04.2017, fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht, in der im Wesentlichen ausgeführt wird, die im eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten festgehaltenen Ausführungen seien auf die Beschwerdeführerin nicht zutreffend. Schon allein dass die Begutachtung von 10:00 Uhr bis 11:20 Uhr durchgeführt worden sei, sei nicht zutreffend, da der Termin erst mit 11:00 Uhr festgesetzt gewesen sei und sich die Beschwerdeführerin um 10:00 Uhr noch auf dem Weg zu ihrer Mutter befunden habe. Ebenso könnten weitere Punkte, welche im Sachverständigengutachten festgehalten seien, nicht zutreffen. Z.B. könne die Beschwerdeführerin den Boden nicht im Stehen und Sitzen mit den Händen berühren, das gehe aufgrund ihres Zustandes gar nicht. Dass die Beschwerdeführerin die Jacke rasch aus- und anziehe, habe vom Arzt nicht festgestellt werden können, da dieser gar nicht dabei gewesen sei. Auch die Handgelenkschiene trage die Beschwerdeführerin nicht zum Spaß, sondern sei ihr diese verordnet worden, sodass sie nach der langen Therapie, die nach der Operation durchgeführt worden sei, wenigstens leichte Dinge halten könne. Auch sei nicht nachgefragt worden, ob die Beschwerdeführerin Links- oder Rechtshänderin sei. Ebensowenig sei festgehalten, dass der Beschwerdeführerin ihr Hund bei gewissen Dingen, z.B. etwas vom Boden aufzuheben oder beim An- und Ausziehen etc., helfe. Die erkennende Behörde könne diese Umstände auf keinen Fall schlüssig und glaubwürdig ansehen, zumal festzuhalten sei, dass die Behörde schon aufgrund der kurz angeführten Widerlegungsgründe, welche auch jederzeit bei einer Zweitbegutachtung im Hinblick auf das Gesamtgutachten näher und weiter ausgeführt werden könnten, nicht mit der erforderlichen Sicherheit die Ergebnisse als erwiesen, schlüssig und in freier Beweiswürdigung als bewiesen erachten könne. Deshalb sei das Verfahren zu Gunsten der Person der Beschwerdeführerin - in dubio - einer neuerlichen bzw. vielmehr einer Zweitbegutachtung zuzuführen. Dahingehend ersuche die Beschwerdeführerin um eine Zweitbegutachtung.
Der Beschwerde wurden keine weiteren medizinischen Unterlagen beigelegt.
Am 24.05.2017 wurden der Beschwerde ein Röntgenbefund eines näher genannten Röntgeninstitutes vom 12.04.2017 mit dem Ergebnis "Gering dysplastische Hüften mit geringen Coxarthrosezeichen. Mittelgradige ISG-Arthrose rechts" sowie "Geringe Achsabweichung. Geringe Spondylosen", ein MRT-Befund des näher genannten Röntgeninstitutes vom 27.04.2017 mit dem Ergebnis "Leichte Protrusion links L4/5 mit knapper Tangierung der linken Nervenwurzel L4. Geringe Spondylarthrosen kaudal. Wirbelkörperhämangiome. Uterus Mymatosus. Adnexzyste links. Narbige Einziehung im oberen Drittel der linken Niere" sowie Terminvereinbarungen wegen einer Physiotherapie im Zeitraum vom 08.05.2017 bis 19.05.2017 wegen der Diagnose "Lumboischialgie links, Athralgie Ileosakralgelenk links" nachgereicht.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die Beschwerdeführerin brachte am 28.11.2016 den gegenständlichen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses beim Sozialministeriumservice ein.
Die Beschwerdeführerin hat ihren Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt im Inland.
Die Beschwerdeführerin leidet unter folgenden Funktionseinschränkungen:
1. Depression mit Panik. Dauermedikation und Psychotherapie erforderlich.
2. Funktionseinschränkung im linken Handgelenk
Der Gesamtgrad der Behinderung der Beschwerdeführerin beträgt aktuell 20 v.H.
Hinsichtlich der bei der Beschwerdeführerin bestehenden einzelnen Funktionseinschränkungen und deren Ausmaß sowie der Frage der wechselseitigen Leidensbeeinflussung werden die diesbezüglichen Beurteilungen im oben wiedergegebenen medizinischen Sachverständigengutachten vom 21.02.2017 der nunmehrigen Entscheidung zu Grunde gelegt.
2. Beweiswürdigung:
Das Datum der Einbringung des gegenständlichen Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses basiert auf dem Akteninhalt.
Die Feststellung zum Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt der Beschwerdeführerin im österreichischen Bundesgebiet ergibt sich aus einer von der Beschwerdeführerin im Rahmen der Antragstellung vorgelegten Kopie aus dem Zentralen Melderegister sowie aus einer vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Behördenanfrage aus dem Zentralen Melderegister.
Die festgestellten Funktionseinschränkungen und der Gesamtgrad der Behinderung gründen sich auf das durch die belangte Behörde eingeholte medizinische Sachverständigengutachten des Arztes für Allgemeinmedizin vom 21.02.2017, beruhend auf einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 11.02.2017 und den von der Beschwerdeführerin im Rahmen der Antragstellung vorgelegten medizinischen Unterlagen.
In diesem medizinischen Sachverständigengutachten wird auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin und unter Berücksichtigung der von der Beschwerdeführerin im Verfahren vor der belangten Behörde vorgelegten medizinischen Unterlagen auf die Art der Leiden der Beschwerdeführerin und deren Ausmaß schlüssig und widerspruchsfrei eingegangen.
Die Beschwerdeführerin wendet sich in ihrer Beschwerde zunächst gegen die in diesem medizinischen Sachverständigengutachten vorgenommene Protokollierung des Untersuchungszeitraumes, der von 10:00 Uhr bis 11:20 Uhr protokolliert wurde. Nun soll der Beschwerdeführerin nicht entgegengetreten werden, wenn sie ausführt, die Untersuchung habe tatsächlich erst später stattgefunden, jedoch bringt die Beschwerdeführerin nicht vor, inwiefern der Umstand eines irrtümlich allfällig unzutreffend protokollierten Untersuchungszeitraumes entscheidungserhebliche Auswirkungen haben sollte auf die sachliche Richtigkeit des Untersuchungsergebnisses und ist dies auch von Amts wegen nicht ersichtlich.
Insoweit die Beschwerdeführerin aber Teile der Statuserhebung, konkret den Umstand, dass sie im Stehen und Sitzen mit den Händen den Boden erreiche, sowie den Umstand, dass sie sich die Jacke rasch aus- und angezogen habe, als unzutreffend rügt, so ist im gegenständlichen Fall nicht davon auszugehen, dass die vom medizinischen Sachverständigen im Rahmen der persönlichen Untersuchung wahrgenommenen Untersuchungsergebnisse unzutreffend protokolliert worden wären, zumal das Vorbringen in der Beschwerde, der medizinische Sachverständige sei gar nicht dabei gewesen, auf Grundlage des Akteninhaltes sowie des Vorbringens in der Beschwerde nicht nachvollziehbar ist.
Die Beschwerde wendet sich nicht gegen die im eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten vorgenommene Einstufung der als führendes Leiden 1 festgestellten "Depression mit Panik", eingestuft unter der Positionsnummer 03.06.01 der Anlage der Einschätzungsverordnung, bewertet mit einem (Einzel)Grad der Behinderung von 20 v.H. Auch von Amts wegen ist keine rechtsunrichtige Einstufung zu erkennen. Die Beschwerdeführerin legte zwar im Rahmen der Antragstellung einen Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 12.11.2015 vor, mit dem die Beschwerdeführerin von Amts wegen in den Ruhestand versetzt wurde, weil sie länger als ein Jahr dienstunfähig gewesen sei, jedoch wird dadurch keine Aussage getroffen, dass die bei der Beschwerdeführerin vorliegende depressive Störung unter Medikation aktuell nicht stabil wäre bzw. dass eine soziale Integration der Beschwerdeführerin im Zeitpunkt der Begutachtung, im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides, im Zeitpunkt der Beschwerdeerhebung und aktuell nicht mehr gegeben wäre. Wie bereits erwähnt, werden in der Beschwerde keinerlei Ausführungen in Bezug auf das führende Leiden 1 getätigt und wurden auch keine medizinischen Unterlagen vorgelegt, die diesbezüglich ausreichend konkrete Anhaltspunkte für eine soziale Desintegration bieten würden. Wie sich in diesem Zusammenhang aus den vorliegenden Meldeauskünften darüber hinaus ergibt, hat die Beschwerdeführerin am 29.12.2016 auch ihren Wohnsitz geändert, wie dies im Rahmen der von ihr vorgelegten Therapiebestätigung einer näher genannten Psychotherapeutin vom 14.10.2016 empfohlen wurde. In diesem Schreiben der Psychotherapeutin wird ausgeführt, der jetzige Zustand, nämlich mit dem ehemaligen Partner auf so engem Raum zusammenzuleben, der sie aus dem Haus gewiesen habe, sei aus therapeutischer Sicht sehr bedenklich und es wäre ganz dringend anzuraten, diese Situation ein schnelles Ende zu bereiten, da die Reaktion der Beschwerdeführerin aus Therapiegesprächen heraus anklingen, eventuell selbstgefährdend sein könnte. Das Vorliegen einer maßgeblichen sozialen Beeinträchtigung, die allenfalls zu einer höheren Einstufung des Grades der Behinderung führen könnte, wurde daher von der Beschwerdeführerin selbst nicht vorgebracht und ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht objektiviert.
Der Beschwerde wurden, wie bereits erwähnt, keine weiteren medizinischen Unterlagen beigelegt, die die vorgenommenen Einstufungen widerlegen oder dieser entgegenstehen würden. Die der Beschwerde nachgereichten Befunde vom 12.04.2017, vom 27.04.2017 sowie vom 08.05.2017 betreffend die Diagnose "Lumboischialgie links" unterliegen aber der Neuerungsbeschränkung des § 46 BBG und sind daher im gegenständlichen Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht zu berücksichtigen.
Die Beschwerdeführerin ist dem von der belangten Behörde eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten in der Beschwerde daher nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27.06.2000, Zl. 2000/11/0093).
Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit des vorliegenden medizinischen Sachverständigengutachtens eines Arztes für Allgemeinmedizin vom 21.02.2017. Dieses seitens der belangten Behörde eingeholte Sachverständigengutachten wird daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchteil A)
1. Zur Entscheidung in der Sache
Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten:
"§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn
1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder
2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder
3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder
...
5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.
(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpaß auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.
§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3) oder ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn
1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder
2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder
3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.
...
§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer, den Wohnort und einen festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.
...
§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.
(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.
.......
§ 46. Die Beschwerdefrist beträgt abweichend von den Vorschriften des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2013, sechs Wochen. Die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung beträgt zwölf Wochen. In Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden."
Wie oben unter Punkt II.2. im Rahmen der beweiswürdigenden Ausführungen, auf die verwiesen wird, ausgeführt wurde, wird der gegenständlichen Entscheidung das seitens der belangten Behörde eingeholte medizinische Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin vom 21.02.2017 zu Grunde gelegt, wonach der Grad der Behinderung der Beschwerdeführerin aktuell 20 v.H. beträgt.
Die Beschwerdeführerin legte im Rahmen der Beschwerde keine weiteren Befunde vor, die geeignet wären, die durch den medizinischen Sachverständigen getroffenen Beurteilungen zu widerlegen oder zusätzliche einschätzungsrelevante Dauerleiden bzw. eine zwischenzeitlich eingetretene Verschlechterung des Zustandes der Beschwerdeführerin zu belegen. Die der Beschwerde erst nachgereichten Befunde vom 12.04.2017, vom 27.04.2017 sowie vom 08.05.2017 betreffend die Diagnose "Lumboischialgie links" aber unterliegen der Neuerungsbeschränkung des § 46 BBG, wonach in Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden dürfen und sind diese daher im gegenständlichen Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht zu berücksichtigen.
Die getroffenen Einschätzungen, basierend auf einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin und den von der Beschwerdeführerin im Verfahren vor der belangten Behörde vorgelegten medizinischen Unterlagen, entsprechen den festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen. Die Beschwerdeführerin ist dem von der belangten Behörde eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten in der Beschwerde, wie bereits erwähnt, daher nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten.
Das medizinische Sachverständigengutachten ist auch nicht zu beanstanden, wenn es im Sinne des § 3 Abs. 3 und 4 der Einschätzungsverordnung eine entscheidungswesentliche ungünstige wechselseitige Leidensbeeinflussung in dem Sinne, dass sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirken würde oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen würden, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen würden, im gegenständlichen Fall nicht gegeben sieht; diesbezüglich werden auch in der Beschwerde keinerlei Ausführungen getroffen.
Mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 20 v.H. sind die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40 Abs. 1 BBG, wonach behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbstätigkeit von mindestens 50 v.H. ein Behindertenpass auszustellen ist, aktuell nicht erfüllt.
Im Übrigen ist aber auch darauf hinzuweisen, dass bei einer belegten Verschlechterung des Leidenszustandes die neuerliche Einschätzung des Grades der Behinderung im Rahmen einer neuerlichen Antragstellung beim Sozialministeriumservice - allerdings nach Maßgabe des § 41 Abs. 2 BBG - in Betracht kommt.
Die Beschwerde war daher spruchgemäß abzuweisen.
2. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn
1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder
2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.
Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.
Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.
Die Frage der Feststellung des Gesamtgrades der Behinderung wurde unter Mitwirkung eines ärztlichen Sachverständigen geprüft. Die Tatsachenfragen (Art und Ausmaß der Funktionseinschränkungen) gehören dem Bereich zu, der vom Sachverständigen zu beleuchten ist. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist vor dem Hintergrund des vorliegenden, nicht substantiiert bestrittenen schlüssigen medizinischen Sachverständigengutachtens geklärt, sodass im Sinne der Judikatur des EGMR und der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 16.12.2013, 2011/11/0180) und des Verfassungsgerichtshofes (vgl. VfGH 09.06.2017, E 1162/2017) eine mündliche Verhandlung nicht geboten war. Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union stehen somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG nicht entgegen. Im vorliegenden Fall wurde darüber hinaus seitens beider Parteien eine mündliche Verhandlung nicht beantragt (vgl. VwGH 16.12.2013, 2011/11/0180 mit weiterem Verweis auf die Entscheidung des EGMR vom 21.03.2002, Nr. 32.636/96). All dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG) liegt, weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird.
Zu Spruchteil B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist kurz zu begründen. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.
Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.
Schlagworte
Behindertenpass, Grad der Behinderung, SachverständigengutachtenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:W207.2152888.1.00Zuletzt aktualisiert am
30.05.2018