Entscheidungsdatum
26.03.2018Norm
BAO §4 Abs1Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch den Richter Hofrat Mag. Hubmayr über die Beschwerde der A, vertreten durch B, Rechtsanwalt in ***, vom 24. Oktober 2017 gegen den Bescheid des Stadtrates der Stadtgemeinde *** vom 21. September 2017, GZ.: ***, CNr. ***, mit welchem eine Berufung gegen einen Abgabenbescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde *** vom 15. Mai 2017, GZ.: ***, CNr. ***, betreffend die Vorschreibung einer Spielplatz-Ausgleichsabgabe, als unbegründet abgewiesen wurde, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung zu Recht:
1. Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid des Stadtrates der Stadtgemeinde *** dahingehend abgeändert, dass der Bescheid des Bürgermeisters vom 15. Mai 2017, GZ.: ***, CNr. ***, aufgehoben wird.
2. Eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist nicht zulässig.
Rechtsgrundlagen:
§ 279 Bundesabgabenordnung – BAO
§ 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 – VwGG
Entscheidungsgründe:
1. Sachverhalt und verwaltungsbehördliches Verfahren:
Mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde *** vom 30. Juni 2014, GZ.: ***, CNr. ***, wurde der A (in der Folge: Beschwerdeführerin) aufgrund eines Bauansuchens vom 25. November 2013 die baubehördliche Bewilligung für die Errichtung eines Wohn- und Geschäftshauses mit 154 Wohneinheiten auf der verfahrensgegenständlichen Liegenschaft in ***, ***/ *** / ***, auf den Grundstücken Nr. *** und ***, EZ ***, KG ***, erteilt.
Insgesamt 77 „Auflagen und Vorschreibungen“ seien einzuhalten.
Im Auflagepunkt 16 wird Folgendes ausgeführt:
„Spielplatzausgleichsabgabe:
Von der Errichtung eines Spielplatzes gem. NÖ Spielplatzgesetz 2002 wird gemäß der Einreichbeilagen abgesehen. Folge dessen wird eine Spielplatzausgleichsabgabe gemäß § 4 (1) NÖ Spielplatzgesetz 2002 mit gesondertem Bescheid vorgeschrieben.
Die Höhe der Spielplatzausgleichsabgabe wird wie folgt bemessen: 150m² + ab der 10. Wohneinheit je 5m² = 150m² + 725m² (145 WE x 5m²) = 875m² x 330,-/m² =
€ 288.750,-“
Darüber hinaus enthält dieser Baubewilligungsbescheid keine weiteren Ausführungen – weder im Spruch noch in der Begründung – über die erforderliche Größe eines gemäß § 3 NÖ Spielplatzgesetz 2002 zu errichtenden Spielplatzes.
Der Bescheid wurde der Beschwerdeführerin laut RSb-Zustellnachweis am 21. Juli 2014 zugestellt. Seitens der Beschwerdeführerin wurde dagegen kein Rechtsmittel eingebracht.
Mehrere dagegen eingebrachte Berufungen von Anrainern des Bauvorhabens wurden mit Bescheid des Stadtrates der Stadtgemeinde *** vom 30. Oktober 2014, GZ.: ***, CNr. ***, als unbegründet abgewiesen.
Einer Beschwerde dieser Anrainer gab das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich mit Erkenntnis vom 21. Juli 2016, GZ.: LVwG-AV-10/001-2015, insofern Folge, als der angefochtene nach einer Projekteinschränkung hinsichtlich der KfZ-Stellplätze abgeändert wurde, im Übrigen wurde der angefochtene Bescheid bestätigt. Der Auflagenpunkt 16 des Baubewilligungsbescheides war weder im Berufungs- noch im Beschwerdeverfahren gegenständlich.
Mit Abgabenbescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde *** vom 15. Mai 2017, GZ.: ***, CNr. ***, wurde der Beschwerdeführerin in ihrer Eigenschaft als Bauwerber der verfahrensgegenständlichen Liegenschaft eine Spielplatz-Ausgleichsabgabe in der Höhe von € 288.750,-- vorgeschrieben.
In der Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass entsprechend dem NÖ Spielplatzgesetz 2002 eine Verpflichtung zur Errichtung eines Spielplatzes bestehe. Die Höhe der Spielplatzausgleichsabgabe werde wie folgt bemessen: „150m² + ab der 10. Wohneinheit je 5m² = 150m² + 725m² (145 WE x 5m²) = 875m² x 330,-/m² =
€ 288.750,-“
Mit Schriftsatz vom 21. Juni 2017 erhob die Beschwerdeführerin durch ihren ausgewiesenen Rechtsvertreter Berufung gegen diesen Abgabenbescheid.
Der Bescheid sei gesetzlos erlassen worden, da das angewendete NÖ Spielplatzgesetz 2002 im Zeitpunkt der Bescheiderlassung bereits außer Kraft getreten sei. Mangels ausdrücklicher Feststellung der erforderlichen Größe des Spielplatzes in der Baubewilligung sei der Abgabentatbestand nicht verwirklicht und die Festsetzung der Spielplatz-Ausgleichsabgabe unzulässig. Zudem sei die Errichtung eines Spielplatzes im Ausmaß von 270,40 m² Teil des bewilligten Projektes und bestehe auch die Möglichkeit, auf den Flachdächern eines Bauteils Kinderspielplatzflächen im Ausmaß von rund 1025 m² zu schaffen. Innerhalb einer Entfernung von höchstens 400 m Fußweg zum Neubau habe die Stadtgemeinde *** 3 öffentliche Spielplätze errichtet. Der Abschluss eines Vertrages über eine Kostenbeteiligung sei der Beschwerdeführerin seitens der Stadtgemeinde nicht angeboten worden. Entgegen der gesetzlichen Anordnung sei die Spielplatzausgleichsabgabe auch nicht gleichzeitig mit Erteilung der Baubewilligung vorgeschrieben worden. Selbst bei grundsätzlicher Zulässigkeit, was bestritten werde, sei die Abgabe unrichtig berechnet worden und sei auch die errichtete Spielplatzfläche vom Berechnungsansatz abzuziehen. Die Aufhebung in eventu Abänderung des Abgabenbescheides wurde beantragt.
Die Berufung vom 21. Juni 2017 gegen den Abgabenbescheid des Bürgermeisters vom 15. Mai 2017 wurde vom Stadtrat der Stadtgemeinde *** in seiner Sitzung vom 20. September 2017 unter Tagesordnungspunkt 4c behandelt. Dabei wurde vom Stadtrat beschlossen, die Berufung abzuweisen.
Mit dem aufgrund dieses Beschlusses ausgefertigten, nunmehr angefochtenen Bescheid des Stadtrates der Stadtgemeinde *** vom 21. September 2017, GZ.: ***, CNr. ***, wurde die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Abgabenbescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde *** vom 15. Mai 2017 als unbegründet abgewiesen.
Begründend wurde ausgeführt, dass das Baubewilligungsverfahren mit dem am 5. Dezember 2013 eingelangten Bauansuchen vom 25. November 2013 eingeleitet worden sei. Nach § 70 Abs. 1 NÖ Bauordnung 2014 sei dieses am Tage des Inkrafttretens dieses Gesetzes am 1. Februar 2015 bereits anhängige Verfahren nach der bisherigen Rechtslage zu Ende zu führen, weshalb für das gegenständliche Verfahren noch das NÖ Spielplatzgesetz 2002 anzuwenden sei. Die Feststellung der Spielplatzgröße in der Baubewilligung bilde die Grundlage, den Abgabentatbestand für die Vorschreibung der Spielplatz-Ausgleichsabgabe. Aus dem Auflagenpunkt 16. des Baubewilligungsbescheides sei eindeutig entnehmbar, dass die Größe des Spielplatzes „150m² plus ab der 10. Wohneinheit je 5m² (pro Wohneinheit) = 150m² + 725m² = 875m²“ zu betragen habe. Es liege somit eine Feststellung der Größe des Spielplatzes resultierend aus einem durch alle Instanzen geführten Verfahren rechtskräftig vor.
Daraus resultiere eine Mindestspielplatzfläche für das gegenständliche Projekt von 875 m², werde diese Fläche nicht erreicht, liege auch kein nichtöffentlicher Spielplatz auf der Liegenschaft vor. Der Verweis auf die bloße Möglichkeit zur Schaffung von Kinderspielplatzflächen reiche nicht aus. Ein Vertrag über eine Kostenbeteiligung an den innerhalb von 400 m gelegenen öffentlichen Spielplätzen liege nicht vor.
Zum Vorwurf der mangelnden Gleichzeitigkeit der Abgabenvorschreibung mit der Baubewilligung wurde ausgeführt, dass die fünfjährige Frist zur Einhebung gewahrt sei. Da mangels Erfüllung der Mindestgröße kein nichtöffentlicher Spielplatz vorliege, könne auch keine Anrechnung dieser Fläche auf die Spielplatzgröße erfolgen.
Mit Schriftsatz vom 24. Oktober 2017 brachte die Beschwerdeführerin durch ihre ausgewiesene Rechtsvertretung die Beschwerde gegen den Bescheid des Stadtrates der Stadtgemeinde *** ein und beantragte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung sowie die Aufhebung der Abgabenvorschreibung.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen das Berufungsvorbringen wiederholt.
Die Beschwerde wurde dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich unter Anschluss des bezughabenden Verwaltungsaktes am 8. November 2017 zur Entscheidung vorgelegt.
Die angeführten Feststellungen gründen sich auf das durchgeführte Beweisverfahren. Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat Beweis aufgenommen durch Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung am 19. März 2018 sowie Einsichtnahme in den vorgelegten, unbedenklichen Verwaltungsakt.
2. Anzuwendende Rechtsvorschriften:
2.1. Bundesabgabenordnung (BAO):
§ 1. (1) Die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes gelten in Angelegenheiten der öffentlichen Abgaben (mit Ausnahme der Verwaltungsabgaben des Bundes, der Länder und der Gemeinden) sowie der auf Grund unmittelbar wirksamer Rechtsvorschriften der Europäischen Union zu erhebenden öffentlichen Abgaben, in Angelegenheiten der Eingangs- und Ausgangsabgaben jedoch nur insoweit, als in den zollrechtlichen Vorschriften nicht anderes bestimmt ist, soweit diese Abgaben durch Abgabenbehörden des Bundes, der Länder oder der Gemeinden zu erheben sind.
§ 2a. Die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes gelten sinngemäß in Verfahren vor den Verwaltungsgerichten, soweit sie im Verfahren vor der belangten Abgabenbehörde gelten. In solchen Verfahren ist das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) nicht anzuwenden. …
§ 4. (1) Der Abgabenanspruch entsteht, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Abgabepflicht knüpft.
§ 279. (1) Außer in den Fällen des § 278 hat das Verwaltungsgericht immer in der Sache selbst mit Erkenntnis zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen.
…
2.2. NÖ Spielplatzgesetz 2002, LGBl. 8215-0:
§ 3 Verpflichtung zur Errichtung nichtöffentlicher Spielplätze
(1) Beim Neubau von Wohnhausanlagen mit mehr als 4 Wohnungen, ausgenommen solche auf Grund deren Verwendungszweck ein Bedarf nach einem Spielplatz nicht zu erwarten ist, ist auf dem Bauplatz ein nichtöffentlicher Spielplatz zu errichten.
(2) Nichtöffentliche Spielplätze müssen eine Fläche von mindestens 150 m² und zusätzlich 5 m² je Wohnung ab der 10. Wohnung aufweisen.
(3) Mehrere Bauwerber von Gebäuden im Sinne des Abs. 1 können unter Berücksichtigung der Mindestfläche im Sinne des Abs. 2 für jedes Gebäude gemeinsam einen nichtöffentlichen Spielplatz errichten. Dieser muss in einer Entfernung von höchstens 200 m Fußweg zu jedem Gebäude gelegen sein.
(4) Von der Errichtung eines nichtöffentlichen Spielplatzes kann dann Abstand genommen werden, wenn
- die Gemeinde in einer Entfernung von höchstens 400 m Fußweg zu dem Gebäude im Sinne des Abs. 1 einen öffentlichen Spielplatz zu errichten plant oder errichtet hat und
- der zur Errichtung eines nichtöffentlichen Spielplatzes Verpflichtete einen entsprechenden Vertrag über eine Kostenbeteilung an diesem öffentlichen Spielplatz mit der Gemeinde abschließt. Das Höchstausmaß der Kostenbeteiligung richtet sich nach § 4 Abs. 3.
(5) Ist die Herstellung eines nichtöffentlichen Spielplatzes auf dem Bauplatz technisch nicht möglich, kann dieser auf einem anderen Grundstück hergestellt werden. Dieses Grundstück muss
- in einer Entfernung von höchstens 200 m Fußweg liegen und
- für die Verwendung als Spielplatz für das Gebäude im Sinne des Abs. 1 grundbücherlich sichergestellt sein, wenn dieses Grundstück nicht im Eigentum des Verpflichteten steht.
(6) Die erforderliche Größe des Spielplatzes ist im Baubewilligungsbescheid festzustellen.
§ 4 Spielplatzausgleichsabgabe
(1) Ist die Errichtung eines nichtöffentlichen Spielplatzes weder auf dem eigenen Bauplatz noch auf einem Grundstück nach § 3 Abs. 3 oder § 3 Abs. 5 möglich und kommt auch kein Vertrag mit der Gemeinde nach § 3 Abs. 4 zustande, dann hat der Bauwerber eine Spielplatzausgleichsabgabe zu entrichten.
(2) Dem Bauwerber ist die Spielplatzausgleichsabgabe gleichzeitig mit der Erteilung der Baubewilligung vorzuschreiben. Wenn die Baubehörde nach § 2 Abs. 1 NÖ Bauordnung 1996, LGBl. 8200, für die Erteilung der Baubewilligung nicht zuständig ist, hat sie die Feststellung über die erforderliche Größe des Spielplatzes im Bescheid, mit dem die Ausgleichsabgabe vorgeschrieben wird, vorzunehmen.
(3) Die Spielplatzausgleichsabgabe ergibt sich aus dem Produkt aus der Fläche des nicht öffentlichen Spielplatzes in Quadratmetern, der nach § 3 Abs. 2 zu errichten wäre und des durch Verordnung des Gemeinderates zu bestimmenden Richtwertes.
(4) Die Höhe des Richtwertes ist vom Gemeinderat mit einer Verordnung tarifmäßig auf Grund der durchschnittlichen Grundbeschaffungskosten für einen m2 Grund im Wohnbauland festzusetzen, wobei die unterschiedlichen Grundpreise je Ortsteil zu berücksichtigen sind.
(5) Die Spielplatzausgleichsabgabe ist eine ausschließliche Gemeindeabgabe im Sinne des § 6 Abs. 1 Z 5 des Finanz-Verfassungsgesetzes 1948, BGBl.Nr. 45 in der Fassung BGBl. I Nr. 194/1999. Ihr Ertrag darf nur für die Finanzierung von öffentlichen Spielplätzen bzw. Spiellandschaften verwendet werden.
Mit LGBl. 2/2015 wurde das NÖ Spielplatzgesetz 2002, LGBl. 8215, aufgehoben. Die Aufhebung ist am 1. Februar 2015 in Kraft getreten.
3. Würdigung:
3.1. Zu Spruchpunkt 1:
Mit der angefochtenen Berufungsentscheidung wurde eine Berufung gegen den Abgabenbescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde *** vom 15. Mai 2017, GZ.: ***, CNr. ***, inhaltlich abgesprochen und eine Spielplatzausgleichsabgabe durch Abweisung der Berufung in zweiter Instanz vorgeschrieben.
Aufgrund des Beschwerdevorbringens ist zunächst fraglich, ob die Vorschreibung der Spielplatzausgleichsabgabe im gegenständlichen Fall dem Grunde nach zu Recht erfolgt ist.
Die bescheidmäßige Vorschreibung einer Abgabe setzt ganz allgemein den Bestand einer Abgabenschuld (bzw. eines Abgabenanspruches der Gemeinde) voraus.
Der Zeitpunkt des Entstehens des Abgabenanspruches ist bedeutsam u.a. für die Abgabenfestsetzung, welche vor diesem Zeitpunkt nicht zulässig ist. (vgl. dazu Ritz, BAO3, Tz 2 ff u. Tz 14 zu § 4, sowie VwGH 10.8.2008, 2007/17/0012).
Die Erfüllung des abgabenrechtlichen Tatbestandes ist Voraussetzung für die Vorschreibung einer Abgabe (vgl. VwGH 12.10.1984, 82/17/0085).
Nach § 4 Abs. 1 der von den Abgabenbehörden hier anzuwendenden Bundesabgabenordnung entsteht der Abgabenanspruch, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Abgabepflicht knüpft.
Als Abgabentatbestand sieht § 3 Abs. 6 NÖ Spielplatzgesetz 2002 die Feststellung der erforderlichen Größe des Spielplatzes im Baubewilligungsbescheid vor, wenn ein gemäß § 3 Abs. 1 NÖ Spielplatzgesetz 2002 zu errichtender nichtöffentlicher Spielplatz auf dem Bauplatz oder einem anderen Grundstück in einer Entfernung von höchstens 200 m Fußweg nicht möglich ist und auch kein Vertrag mit der Gemeinde über eine Kostenbeteiligung an einem öffentlichen Spielplatz zustande kommt.
Mit LGBl. 2/2015 wurde das NÖ Spielplatzgesetz 2002, LGBl. 8215, aufgehoben. Die Aufhebung ist am 1. Februar 2015 in Kraft getreten.
Mit LGBl. 1/2015 ist die NÖ Bauordnung 2014 in Kraft getreten. Deren § 42 sieht die Entrichtung einer Spielplatzausgleichsabgabe (unter gleichen Voraussetzungen) aufgrund einer gemäß § 66 Abs. 6 NÖ Bauordnung 2014 getroffenen Feststellung vor, wonach die erforderliche und nicht herstellbare Größe des Spielplatzes in der Baubewilligung festzustellen ist.
Für die Verwirklichung eines Abgabentatbestandes kommt im gegenständlichen Fall nur die Baubewilligung vom 30. Juni 2014 in Betracht. Ein Abgabentatbestand konnte daher allenfalls im zeitlichen Geltungsbereich des NÖ Spielplatzgesetzes 2002 verwirklicht werden.
Anders als in nach dem AVG (bzw. VwGVG) zu führenden Verfahren, bei welchen nach der ständigen Rechtsprechung – vorbehaltlich abweichender gesetzlicher Anordnungen – auch für die materiell-rechtliche Beurteilung die Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung maßgeblich ist, führt im Abgabenverfahren der Grundsatz der Zeitbezogenheit der Abgabenregelungen dazu, dass die Anwendung einer neuen Rechtslage in Fällen, in denen der Abgabentatbestand bereits verwirklicht wurde, ausdrücklich anzuordnen wäre (vgl. VwGH 4.5.1977, 898/75, Slg. 9315 A/1977; 20.5.1988, 86/17/0178 uva). Eine solche Anordnung fehlt in der NÖ Bauordnung 2014 jedoch.
Zufolge des Grundsatzes der Zeitbezogenheit von Abgaben (VwGH 22.05.1975, 0174/75; 12.11.1981, 3706/80; uva.) sind für die Vorschreibung einer Abgabe die im Zeitpunkt der Entstehung des Abgabenanspruches vorliegenden Verhältnisse maßgebend, das heißt die Sach- und Rechtslage in diesem Zeitpunkt.
Es liegt also einer jener Fälle vor, deren der Verwaltungsgerichtshof in dem Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 4.5.1977, 898/75, Slg 9315 A/1977, gedacht hat, wenn er ausführte, eine "andere Betrachtungsweise" (nämlich eine andere als das Abstellen auf die Rechtslage im Zeitpunkt der Bescheiderlassung) werde "auch dann Platz zu greifen haben, wenn darüber abzusprechen ist, was an einem bestimmten Stichtag oder in einem konkreten Zeitraum rechtens war". Der sogenannte Grundsatz der Zeitbezogenheit von Abgaben stellt eine solche aus der Systematik der Abgabengesetze gewonnene rechtliche Regel dar. Es ist jene Rechtslage maßgebend, unter deren zeitlicher Geltung der Abgabentatbestand verwirklicht wurde.
Nach dem Grundsatz der Zeitbezogenheit der Abgaben wäre auch im gegenständlichen Fall die im Zeitpunkt der Entstehung des Abgabenanspruches geltende Rechtslage, hier also jene nach dem NÖ Spielplatzgesetz 2002 (vor der mit 1. Februar 2015 wirksamen Aufhebung) heranzuziehen, sofern mit der Baubewilligung vom 30. Juni 2014 der Abgabentatbestand verwirklicht worden wäre.
Gemäß § 3 Abs. 6 NÖ Spielplatzgesetz 2002 ist die erforderliche Größe des Spielplatzes im Baubewilligungsbescheid festzustellen.
Ein Abgabentatbestand wird daher erst mit dem Abspruch der Baubehörde im Baubewilligungsbescheid über die erforderliche Größe des Spielplatzes verwirklicht.
Es kommt daher im gegenständlichen Fall darauf an, ob gemäß § 3 Abs. 6 NÖ Spielplatzgesetz 2002 bereits in der Baubewilligung vom 30. Juni 2014 für das Vorhaben die erforderliche Größe eines nichtöffentlichen Spielplatzes festgestellt wurde.
Diese Feststellung hätte nur dann im Abgabenbescheid, mit dem die Spielplatz-Ausgleichsabgabe vorgeschrieben wird, zu erfolgen, wenn die Behörde für die Erteilung der Baubewilligung nicht zuständig ist (vgl. § 4 Abs. 2 NÖ Spielplatzgesetz 2002). Dieser Ausnahmetatbestand liegt hier vor. Der Bürgermeister war als Baubehörde erster Instanz zur Erteilung der Baubewilligung eben nicht unzuständig.
Vielmehr wurde im konkreten Fall vom Bürgermeister der Stadtgemeinde *** mit Bescheid vom 30. Juni 2014, GZ.: ***, CNr. ***, die baubehördliche Bewilligung für das verfahrensgegenständliche Vorhaben erteilt.
Der Spruch dieses Bescheides erteilt dem eingereichten Bauvorhaben die Baubewilligung und verpflichtet die Bauwerberin zur Einhaltung der angeführten „Auflagen und Vorschreibungen“.
Im Auflagenpunkt 16 wird Folgendes ausgeführt:
„Spielplatzausgleichsabgabe:
Von der Errichtung eines Spielplatzes gem. NÖ Spielplatzgesetz 2002 wird gemäß der Einreichbeilagen abgesehen. Folge dessen wird eine Spielplatzausgleichsabgabe gemäß § 4 (1) NÖ Spielplatzgesetz 2002 mit gesondertem Bescheid vorgeschrieben.
Die Höhe der Spielplatzausgleichsabgabe wird wie folgt bemessen: 150m² + ab der 10. Wohneinheit je 5m² = 150m² + 725m² (145 WE x 5m²) = 875m² x 330,-/m² =
€ 288.750,-“
Darüber hinaus enthält dieser Baubewilligungsbescheid keine weiteren Ausführungen – weder im Spruch noch in der Begründung – über die erforderliche Größe eines gemäß § 3 NÖ Spielplatzgesetz 2002 zu errichtenden Spielplatzes.
Es stellt sich daher die Frage, ob die Ausführungen im Auflagenpunkt 16 im Spruch des Baubewilligungsbescheides eine tatbestandsbegründende Feststellung der erforderlichen Spielplatzfläche gemäß § 3 Abs. 6 NÖ Spielplatzgesetz 2002 enthalten.
Nach der in der Begründung des angefochtenen Berufungsbescheides und im Zuge der mündlichen Verhandlung dargelegten Rechtsansicht der belangten Behörde sei der Abgabentatbestand des § 3 Abs. 6 NÖ Spielplatzgesetz 2002 mit dem Auflagepunkt 16 der Baubewilligung erfüllt. Dieser Auflagepunkt enthalte die erforderliche Feststellung der Größe des Spielplatzes.
Demgegenüber fehle es nach den Beschwerdeausführungen an einer solchen ausdrücklichen Feststellung. Ergänzend wurde im Zuge der mündlichen Verhandlung vom Beschwerdeführervertreter dargelegt, dass die Auflage 16 im Baubewilligungsbescheid keine ausdrückliche Feststellung der erforderlichen Spielplatzgröße enthalte, es handle sich dabei bestenfalls um eine Information über die Berechnungsmethode der Abgabe. Insbesondere auch deshalb, weil die tatsächlich ausgeführte Spielplatzfläche in diesem Punkt 16 nicht erwähnt werde. Demgegenüber werde in der Auflage 17 sehr wohl festgestellt, wie viele Stellplätze errichtet bzw. nicht errichtet würden. Es fehle im Übrigen die ausdrückliche Bezeichnung als Feststellung.
Der Auflagenpunkt 16 enthält seinem Wortlaut folgend jedenfalls keine ausdrückliche Feststellung der erforderlichen Spielplatzgröße. Zu prüfen ist daher, ob aus den von der Baubehörde gewählten Formulierungen in diesem Spruchpunkt allenfalls im Wege der Auslegung die für den Abgabenanspruch tatbestandsmäßige Feststellung abgeleitet werden kann.
Jeder Bescheid ist rein objektiv seinem Wortlaut nach – insoweit also gleich einem Gesetz nach den §§ 6 und 7 ABGB – auszulegen (vgl. VwGH 28. Jänner 2004, 2000/12/0311; 22. Juni 2016, Ra 2015/12/0080).
Eine subjektive Interpretation nach dem Willen der Behörde wäre ebenso wie eine Auslegung nach der subjektiven Erwartungshaltung des Bescheidadressaten schon im Ansatz verfehlt (vgl. VwGH 28. Jänner 2004, 2000/12/0311; 30. Juni 2015, Ra 2015/06/0053).
Die Einreihung unter die „Auflagen und Vorschreibungen“ würde zunächst dafür sprechen, dass es sich um einen Bestandteil der Baubewilligung bzw. eine im Zusammenhang mit der Baubewilligung zu erfüllende Bedingung handle und nicht um einen eigenständigen Spruchteil, wie es für eine Festsetzung mit Tatbestandswirkung zu erwarten wäre. Von seinem Wortlaut weist der Auflagenpunkt 16 (Überschrift: „Spielplatzausgleichsabgabe:“) allerdings eher auf die künftig zu entrichtende Abgabe hin.
Ein vom Wortlaut möglicherweise abweichender Gestaltungswille der Behörde wurde dem objektiven Erklärungswert des gegenständlichen Auflagenpunktes folgend jedenfalls nicht zum Ausdruck gebracht. Der Wortlaut des Auflagenpunktes 16 spricht ganz klar gegen eine eigenständige verbindliche Festsetzung der erforderlichen Spielplatzgröße.
Eine Auslegung des Spruchs eines Bescheides nach dessen Begründung kommt nur in jenen Fällen in Betracht, in denen der Spruch für sich allein Zweifel an seinem Inhalt offen lässt. Dagegen kommt eine Umdeutung eines klar gefassten Spruches anhand der Begründung des Bescheides nicht in Betracht (vgl. VwGH vom 2. Dezember 2008, 2007/18/0327; 29. September 2015, 2013/05/0164).
Eine Heranziehung der Begründung zur Auslegung des Auflagenpunktes 16 scheidet allerdings von vorneherein aus, da diese keinerlei Ausführungen zu Spielplatz bzw. Spielplatzausgleichsabgabe enthält.
Der Eindruck, dass mit dem Auflagenpunkt 16 verbindlich die erforderliche Spielplatzgröße festgesetzt werden sollte, drängt sich jedenfalls nicht auf. Auch das Fehlen einer Bezugnahme auf den § 3 Abs. 6 NÖ Spielplatzgesetz 2002 spricht nicht für eine Deutung dieses Auflagenpunktes als Festsetzung der Spielplatzgröße im Sinne dieser Bestimmung.
Vielmehr erweckt die gewählte Formulierung, dass eine Abgabe erst mit einem gesonderten Bescheid vorzuschreiben sei, das Vertrauen, dass hier lediglich ein nicht normativer Hinweis auf eine künftige Vorschreibung vorliege, verbunden mit der Information, wie diese künftige Abgabe zu bemessen sein werde.
Aus der ausdrücklich angeführten Bemessung der Abgabe kann wohl im Kontext des Gesetzes bzw. bei Kenntnis der gesetzlichen Grundlagen der Abgabenberechnung die dort angeführte Spielplatzgröße von 875 m² herausgelesen werden. Auf eine normative Feststellung der erforderlichen Spielplatzgröße kann aus der gewählten Formulierung jedoch nicht zwingend geschlossen werden. Gerade die auffällige Diskrepanz der gewählten Formulierung zum Anspruch der Norm
(§ 3 Abs. 6 NÖ Spielplatzgesetz 2002 lautet: „Die erforderliche Größe des Spielplatzes ist im Baubewilligungsbescheid festzustellen.“) verstärkt den Eindruck, dass der Auflagenpunkt 16 lediglich einen im Rahmen der Baubewilligung unverbindlichen Hinweis auf eine künftige Abgabenpflicht enthalte, welcher zu diesem Zeitpunkt noch keiner gesonderten Anfechtung bedürfe.
Schon im Hinblick auf den mit einer Feststellung gemäß § 3 Abs. 6 NÖ Spielplatzgesetz 2002 verbundenen Vermögenseingriff, muss einem betroffenen Bauwerber besonders deutlich bewusst gemacht werden, dass eine grundlegende Feststellung getroffen wird, die später im Rahmen eines folgenden Abgabenverfahrens nicht mehr gesondert bekämpft werden kann. Daran knüpft der Anspruch, dass eine Feststellung im Sinne dieser Norm auch unzweifelhaft als solche erkennbar sein muss.
Die hier aufgeworfene Frage, ob die im Sinne des § 3 Abs. 6 NÖ Spielplatzgesetz 2002 erforderliche Feststellung der Spielplatzgröße nun im Auflagenpunkt 16 enthalten sei oder nicht, rührt letztlich nur daher, dass sich die Baubehörde einer sehr undeutlichen Ausdrucksweise bedient hat, die eben Zweifel an ihrem Inhalt erst auslöst.
Die Frage nach dem Bescheidcharakter einer Erledigung im Zweifel zu Lasten der Partei zu beantworten, ist unzulässig (vgl. VwGH 28. Jänner 2009, 2008/05/0191; 19. April 2001, 2001/08/0013).
Im Hinblick auf den mit einer Feststellung nach § 3 Abs. 6 NÖ Spielplatzgesetz 2002 typischerweise verbundenen (in die Grundrechtssphäre reichenden) Vermögenseingriff können durch eine undeutliche Ausdrucksweise der Behörde ausgelöste Zweifel keinesfalls zu Lasten der Partei gehen.
Im Ergebnis wird die Frage nach dem normativen Charakter des Auflagenpunktes 16 dementsprechend zu verneinen sein. Es handelt sich dabei um einen unverbindlichen Hinweis auf eine künftige Abgabenvorschreibung verbunden mit der Information über deren Berechnung. Gerade der ausdrückliche Hinweis, dass die Abgabe mit gesondertem Abgabenbescheid noch vorgeschrieben werde, bestärkt dieses Auslegungsergebnis. Dass aus der dargestellten Abgabenberechnung auch die erforderliche Spielplatzgröße herauszulesen ist, ändert nichts daran, dass eine eigenständige, normative Feststellung der erforderlichen Spielplatzgröße im Sinne des § 3 Abs. 6 NÖ Spielplatzgesetz 2002 in der Baubewilligung fehlt.
Daraus folgt im Ergebnis aber, dass – mangels ausdrücklicher Feststellung über die erforderliche Größe des Spielplatzes im maßgeblichen Baubewilligungsbescheid vom 30. Juni 2014 – der Abgabenanspruch überhaupt nicht entstanden ist.
Dementsprechend erweist sich die Vorschreibung der Spielplatz-Ausgleichsabgabe schon dem Grunde nach als rechtswidrig, weshalb der Beschwerde spruchgemäß zu folgen und die vorgenommene Abgabenfestsetzung aufzuheben war.
3.2. Zu Spruchpunkt 2 – Zulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß
Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist die Revision gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im Hinblick auf die obigen Ausführungen (siehe 3.1.) liegen jedoch keine Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfragen vor.
Die Auslegung des Inhaltes eines Bescheides geht in seiner Wirkung nicht über die Bedeutung des Einzelfalles hinaus. Die Frage der Auslegung eines Bescheides stellt regelmäßig keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung dar (vgl. etwa die Beschlüsse des VwGH vom 12. April 2017, Ra 2017/16/0040, vom 22. April 2015, Ra 2015/16/0020, vom 4. Februar 2016, Ra 2015/16/0140, sowie vom 21. Dezember 2016, Ra 2016/12/0103, Ra 2016/12/0111, und Ra 2016/12/0113).
Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG wird daher durch die gegenständliche Entscheidung nicht angesprochen.
Schlagworte
Finanzrecht; Spielplatz-Ausgleichsabgabe; Verfahrensrecht; Zeitbezogenheit; Sach- und Rechtslage; Bescheidspruch; Auslegung; Begründung;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGNI:2018:LVwG.AV.1337.001.2017Zuletzt aktualisiert am
29.05.2018