TE Bvwg Erkenntnis 2018/5/16 W103 1310561-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 16.05.2018
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Entscheidungsdatum

16.05.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z4
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §6 Abs1 Z4
AsylG 2005 §7 Abs1 Z1
AsylG 2005 §7 Abs4
AsylG 2005 §8 Abs1 Z2
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z3
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs3 Z1
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

W103 1310561-2/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. AUTTRIT als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Russische Föderation, vertreten durch die XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.03.2018, Zl. 730939108-160958859, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß den §§ 7 Abs. 1 Z 1 und Abs. 4 iVm 6 Abs. 1 Z 4, 8 Abs. 1 Z 2, 57, 10 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG, §§ 52 Abs. 2 Z 3 und Abs. 9, 46, 55 Abs. 1 bis 3 und 53 Abs. 3 Z 1 FPG, jeweils idgF, als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer reiste als Minderjähriger gemeinsam mit seinem Vater, seiner Stiefmutter und seinen Geschwistern ins Bundesgebiet ein und stellte durch seinen gesetzlichen Vertreter am 23.03.2003 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Der Beschwerdeführer führte im damaligen Verfahren im Wesentlichen an, aufgrund der Probleme seines Vaters als Minderjähriger aus Tschetschenien ausgereist und selbst keiner Verfolgung ausgesetzt gewesen zu sein. Ihm drohe Sippenhaftung durch russische Soldaten, Genaueres über die Probleme seines Vaters sei ihm jedoch nicht bekannt (AS 7).

2. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 21.05.2007, Zl. 03.09.391/1-BAG, wurde dem Antrag des Beschwerdeführers gemäß § 7 Asylgesetz 1997, BGBl. I 1997/76 idF BGBl I Nr. 126/2002 (AsylG), stattgegeben, dem Beschwerdeführer in Österreich Asyl gewährt und gemäß § 12 AsylG festgestellt, dass dem Beschwerdeführer damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

3. Der Beschwerdeführer wurde in weiterer Folge mehrfach straffällig (im Detail vgl. die unter Punkt II.1. festgestellten Verurteilungen).

Mit Schreiben des Bundesasylamtes vom 04.02.2013 wurde der Beschwerdeführer über ein gegen seine Person eingeleitetes Verfahren zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten und eine beabsichtigte Ausweisung in seinen Herkunftsstaat in Kenntnis gesetzt. Dem Beschwerdeführer wurde Gelegenheit gegeben, hierzu sowie zu den ihm anbei übermittelten Berichten zur aktuellen Lage in seinem Herkunftsstaat im Rahmen des Parteiengehörs Stellung zu beziehen.

In einer bezugnehmenden Stellungnahme vom 14.02.2013 führte der Beschwerdeführer zusammenfassend aus, im Alter von acht Jahren nach dem Tod seiner Mutter im Krieg zusammen mit dem Rest seiner Familie aus Tschetschenien geflüchtet zu sein. Seit zehn Jahren lebe er in Österreich, wo er die Hauptschule und ein Polytechnikum absolviert und eine Lehre begonnen hätte, welche er aufgrund seiner Strafhaft leider unterbrechen habe müssen. In seinem Ursprungsland habe er niemanden mehr, seine gesamte Familie befände sich in Österreich. Dass er als Kind den Tod seiner Mutter durch einen Kopfschuss habe erleben müssen, sitze nach wie vor sehr tief und er könne sich nicht annähernd vorstellen, wieder dorthin zurückzukehren. Die Ansicht des Bundesasylamtes, demzufolge sich die dortige Lage deutlich verändert hätte, stimme nach Ansicht des Beschwerdeführers nur teilweise; nach wie vor fänden Massaker statt, Menschen würden erpresst, misshandelt oder sogar getötet werden. Der Beschwerdeführer sei in der Pubertät erstmalig straffällig geworden, es hätten weitere Delikte gefolgt. Aus heutiger Sicht sei er in dieser Zeit sehr verloren gewesen und habe wenig Halt gehabt. Auch durch seine Erlebnisse im Krieg, die er nicht richtig verarbeiten habe können, sei er sehr belastet gewesen. So habe er zum Alkohol geneigt und alkoholisiert immer wieder Delikte begangen. Er sei jung und dumm gewesen. Heute habe er in der Haft die Gelegenheit, seine Erlebnisse im Rahmen einer Therapie aufzuarbeiten. Er wolle sein Leben in den Griff bekommen und einer geregelten Arbeit nachgehen.

4. Infolge weiterer Verurteilungen wurde dem Beschwerdeführer durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit Schreiben vom 23.11.2016 Parteiengehör im Rahmen des neuerlich eingeleiteten Verfahrens zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten gewährt.

In einer bei der Behörde am 05.12.2016 eingelangten bezugnehmenden handschriftlichen Stellungnahme des Beschwerdeführers führte dieser im Wesentlichen aus, in Österreich nicht verheiratet, jedoch seit fast zehn Jahren mit einer namentlich genannten Österreicherin verlobt zu sein. Er lebe in einer ständigen Lebensgemeinschaft und werde mit der Genannten eine Familie gründen. Bislang habe er noch keine Kinder. In Österreich befände sich seine gesamte Familie. Dabei handle es sich um seinen Vater, seine Mutter und seine sechs Geschwister, von denen er sehr abhängig wäre, finanziell und auch im Leben. Ohne diese in seinem Leben zu haben, würde er lieber sterben, da ihm die Familie alles bedeute. Er spreche Deutsch. Seitdem er sich in Haft befinde, habe er keine großen Möglichkeiten, zu arbeiten, davor habe er an vielen verschiedenen Arbeitsplätzen als Lehrling und Hilfsarbeiter gearbeitet. Er habe die Hauptschule und ein Polytechnikum in Österreich abgeschlossen. Er habe eine besondere Bindung zu Österreich. Er befinde sich seit seinem XXXX Lebensjahr in diesem Land und fühle sich hier wie zu Hause, Österreich sei zu seiner Heimat geworden. Seinen aktuellen Gesundheitszustand würde er als "50/50" bezeichnen. Er leide unter starken Knochenschmerzen; mit Ausnahme von Schmerztabletten sei er von nichts abhängig, weder Drogen noch Alkohol. Er sei mit XXXX Jahren wegen dem Krieg aus Tschetschenien geflüchtet, er habe sehr viele Verwandte im Krieg verloren. Seine Erlebnisse im Krieg und seine Erinnerungen an seine Kindheit seien schrecklich, er leide nach wie vor unter seiner Vergangenheit. Nach seiner Ankunft im Österreich sei ihm bewusst gewesen, dass seine damaligen Erlebnisse in Tschetschenien nicht der Normalität entsprächen und sei sich der Brutalität bewusst geworden. Österreich habe ihm Sicherheit und ein normales Leben ermöglicht, wofür er sehr dankbar wäre. Er sei vielleicht "nicht der Bravste, aber auch nicht der Schlimmste Einwohner Österreichs;" er sei schon mehrmals straffällig geworden, habe jedoch mit seinen Strafen dafür bezahlen müssen. Er bereue seine Straftaten sehr und würde diese, wenn er könnte, rückgängig machen. Er bitte daher um eine letzte Chance, um zu beweisen, dass er sich ändern könne und werde. Er sei in Österreich groß geworden, habe die Schule besucht und beherrsche die deutsche Sprache besser als Tschetschenisch. Tschetschenien hätte sein ganzes Leben zerstört, er habe nichts was ihn dort binde und würde höchstwahrscheinlich nach ein paar Tagen getötet werden, da dort nach wie vor keine Menschenrechte und keine Gerechtigkeit herrschen würden. Er habe die Länderberichte durchgelesen, diese würden die tatsächlichen Verhältnisse in Tschetschenien nicht vollständig widerspiegeln.

Mit Schreiben des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.12.2016 wurde der Beschwerdeführer zur Vorlage von Beweismitteln betreffend seine Integration und seinen Gesundheitszustand aufgefordert. Diesbezüglich teilte der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 21.12.2016 mit, dass es ihm angesichts seiner derzeitigen Inhaftierung nicht möglich wäre, die angesuchten Unterlagen binnen kurzer Frist vorzulegen.

Am 26.02.2018 wurde der Beschwerdeführer im Rahmen des gegenständlichen Verfahrens zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten im Beisein eines Dolmetschers für die russische Sprache (die Einvernahme wurde jedoch großteils auf Deutsch abgehalten) niederschriftlich vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einvernommen. Der Beschwerdeführer gab eingangs an, gesund zu sein und keine Medikamente einzunehmen, er fühle sich körperlich uns psychisch zur Durchführung der Einvernahme in der Lage. Der Beschwerdeführer wurde im Anschluss nochmals über die Gründe für das eingeleitete Aberkennungsverfahren informiert. Nochmals zur Kenntnis gebracht wurden ihm zudem seine Ausführungen in den bisherigen Stellungnahmen. Auf entsprechende Befragung hin gab der Beschwerdeführer sodann an, er sei nicht verheiratet, habe auch keine Freundin mehr und habe keine Kinder. Seine gesamte Familie - sein Vater, seine Stiefmutter und seine sechs Geschwister, von denen er abhängig sei - befänden sich in Österreich. Er arbeite derzeit auf einem Bauernhof in einer Art Therapiezentrum im sogenannten offenen Vollzug und erhalte dafür EUR 1,40,- pro Stunde. Er wohne außerhalb bei seiner Familie. Im Jahr 2007 oder 2008 habe er einen Deutschkurs besucht. Derzeit habe er aufgrund seiner Haft keine Möglichkeit einer Arbeit nachzugehen. Im Alter von 16 bis 19 Jahren habe er als Lehrling oder Hilfsarbeiter auch Steuern gezahlt. Er habe die Hauptschule und ein Polytechnikum abgeschlossen und könne entsprechende Zeugnisse nachreichen. Er sei in Österreich kein Mitglied in einem Verein oder einer sonstigen Organisation. Er habe eine besondere Bindung zu Österreich, zumal er seit 13 Jahren hier lebe und Österreich als seine Heimat betrachte. Im Sommer wolle er den Führerschein für PKW und Stapler machen und anschließend im Lager als Stapelfahrer arbeiten. Er habe keinen Antrag auf Verleihung der Staatsbürgerschaft gestellt. Bezüglich seiner Bedrohung im Herkunfsstaat halte er seine Angaben im Rahmen der schriftlichen Stellungnahme aufrecht, an welchen sich nichts geändert hätte und denen er nichts hinzuzufügen habe. Im Herkunftsland (Tschetschenien) hielten sich noch ein Onkel und eine Tante väterlicherseits sowie Cousins und Cousinen auf, zu denen er jedoch keinen Kontakt habe. Dem Beschwerdeführer wurde vorgehalten, dass sich die Lage im Heimatland für ihn geändert und ihm als gesundem, jungem, arbeitsfähigem, ledigem Mann eine Rückkehr zumutbar wäre, was dieser zur Kenntnis nahm. Befragt, welche Probleme er in Russland haben sollte, erklärte der Beschwerdeführer, man werde dort getötet, wenn man sich keiner Gruppe anschließe, zum Beispiel einer Kadyrow-Gruppe. Dem Beschwerdeführer wurden daraufhin die herangezogenen Länderinformationen zu seinem Herkunftsstaat unter gleichzeitiger Möglichkeit zur Abgabe einer schriftlichen Stellungnahme ausgehändigt. Auf Vorhalt, dass gegen den Beschwerdeführer im Jahr 2013 ein Aberkennungsverfahren eingeleitet worden wäre, welches wieder eingestellt worden wäre und ihm daher bewusst sein hätte müssen, dass sich ein fortgesetztes kriminelles Verhalten negativ auf seinen Asylstatus in Österreich auswirken würde, erklärte der Beschwerdeführer, die darauffolgende Straftat nicht begangen und unschuldig bestraft worden zu sein. Die Frage, ob ihm im Falle einer Rückkehr in sein Heimatland Verfolgung, unmenschliche Behandlung oder Strafe oder die Todesstrafe drohen würde, bejahte der Beschwerdeführer; jeder aus Europa Zurückkehrende erwecke großes Interesse bei Kadyrow. Man werde auch als Verwandter durch seine Truppen verfolgt und bestraft. Nach Gründen gefragt, die gegen eine Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet sprechen würden, erklärte der Beschwerdeführer, das Asylgesetz in Österreich zu verstehen, ein anderes Land hätte ihn schon nach Russland zurückgeschickt. Er wolle hier bleiben und seine Zukunft in Österreich verwirklichen. Er habe keine ergänzenden Angaben.

5. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.03.2018 wurde der dem Beschwerdeführer mit Bescheid vom 21.05.2007 zuerkannte Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Absatz 1 Ziffer 1 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF, aberkannt und gemäß § 7 Abs. 4 AsylG unter einem festgestellt, dass dem Beschwerdeführer die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukommt (Spruchpunkt I.). Weiters wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Absatz 1 Ziffer 2 AsylG, der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 4 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF, wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 3 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF, erlassen (Spruchpunkt IV.) und wurde gemäß § 52 Absatz 9 FPG unter einem festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers in die Russische Föderation gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt V.) sowie gemäß § 55 Absatz 1 bis 3 FPG eine 14-tägige Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt (Spruchpunkt VI.). Gemäß § 53 Absatz 1 iVm Absatz 3 Ziffer 1 FPG wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII.).

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl stellte Identität und Staatsbürgerschaft des Beschwerdeführers fest (AS 985) und legte dem Bescheid umfassende Länderberichte zur aktuellen Lage in der Russischen Föderation zugrunde.

Der Entscheidung wurden darüber hinaus die folgenden Feststellungen zugrunde gelegt:

"(...) Ihnen wurde im Zuge des Familienverfahrens der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Zum Zeitpunkt Ihrer Asylgewährung haben Sie keine eigenen Fluchtgründe angegeben, sondern diese bezogen sich auf jene Ihres Vaters.

Sie haben in Österreich keine nachgewiesene Ausbildung absolviert, Sie behaupteten zeitweise im Zeitraum vom 2005-2008 gearbeitet zu haben, waren sonst jedoch arbeitslos.

Sie sind mehrmals rechtskräftig von einem Landesgericht XXXX wegen verschiedener Vergehen und Verbrechen verurteilt worden. 2016 wurden Sie neuerlich straffällig und wurden vom LG XXXX wegen schweren gewerbsmäßigen Diebstahls mit Waffengewalt verurteilt.

Sie befanden sich wegen Ihren rechtskräftigen Verurteilungen auch bereits mehrmals in Haft. Derzeit verbüßen Sie eine Haftstrafe in der JA XXXX, Außenstelle XXXXz.

Sie sind gesund und nehmen keine Medikamente ein.

Eine Integration Ihrer Person in die österreichische Gesellschaft konnte nicht festgestellt werden.

Zu den Gründen für die Aberkennung des Status des Asylberechtigten:

Sie wurden wegen der Begehung diverser Straftaten mehrmals rechtskräftig von einem Landesgericht XXXX verurteilt.

Die erste Straftat haben Sie bereits vor Ihrer Asylzuerkennung 2007 begangen. Damals wurden Sie vom Bezirksgericht XXXX unter Vorbehalt einer Strafe (Probezeit drei Jahre) verurteilt. Darauf wurden Sie am XXXX vom selben Gericht wegen Entwendung zu einer Geldstrafe von €

180.- rechtskräftig verurteilt.

Bereits am XXXX wurden Sie vom Landesgericht XXXX wegen Raufhandel zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten bedingt (Probezeit 3 Jahre) und einer Zusatzstrafe gem. §§ 31 und 40 StGB verurteilt. Diese Probezeit wurde aufgrund Ihrer weiteren gesetzwidrigen Verhaltensweise auf 5 Jahre verlängert

Am XXXX wurden Sie vom Bezirksgericht XXXX wegen Sachbeschädigung zu einer Geldstrafe von 400,00 € verurteilt.

Am XXXX wurden Sie vom Landesgericht für XXXX wegen schweren Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von fünf Monaten, mit einer Probezeit von drei Jahren verurteilt. Diese Probezeit wurde aufgrund Ihrer weiteren gesetzwidrigen Verhaltensweise auf 5 Jahre verlängert

Am XXXX wurden Sie wiederum vom Landesgericht für XXXX wegen schweren Diebstahls und zusätzlich wegen Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten unbedingt verurteilt.

Am XXXX wurden Sie wiederum vom Landesgericht XXXX wegen schwerer Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten unbedingt verurteilt.

Am XXXX wurden Sie wiederum vom Landesgericht für XXXX wegen Raubes zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren unbedingt verurteilt. Erschwerend war zu berücksichtigen, dass Ihre einschlägigen Vorstrafen, zusammenfassend als zwei Verbrechen gewertet wurden, sodass in Ihrem Fall Rückfallvoraussetzungen gem. § 39 StGB erfüllt waren, wobei insbesondere den von Ihnen zu verantwortenden Verbrechenstatbeständen und Ihrem belastendem Vorleben entsprechendes Gewicht zukam und der Richter bei einem Strafrahmen von einem bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe befand, Ihnen eine Freiheitsstrafe von drei Jahren als angemessene Sanktion zu verhängen.

Am XXXXwurden Sie vom Landesgericht XXXX wegen schweren gewerbsmäßigen Diebstahls mit Waffengewalt zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren unbedingt verurteilt. Erschwerend war hier zu berücksichtigen, dass Sie bereits sechs einschlägige Vorverurteilungen hatten, sodass in Ihrem Fall Rückfallvoraussetzungen gem. § 39 StGB mehr als erfüllt sind, wobei insbesondere den von Ihnen zu verantwortenden Verbrechenstatbeständen, Ihrem belastendem Vorleben und der Wiederholungstatbestände innerhalb offener Probezeiten entsprechendes Gewicht zukommt und der Richter bei einem Strafrahmen von bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe befand, Ihnen eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren als angemessene Sanktion zu verhängen.

Zu Ihrer Situation im Fall Ihrer Rückkehr:

Es konnte nicht festgestellt werden, dass Sie nach Rückkehr in Ihr Heimatland einer besonderen Bedrohung ausgesetzt wären.

Die Ausweisung aus Österreich in die Russische Föderation ist zulässig.

Sie sind gesund und arbeitsfähig. Die Grundversorgung in Ihrem Heimatland ist gewährleistet. Ihre Verwandten in Österreich und in Ihrem Heimatland können Sie bei einer Rückkehr unterstützen.

Zu Ihrem Privat- und Familienleben und Ihrem Aufenthalt in Österreich:

Sie befinden sich seit dem März 2003 in Österreich.

Im Bundesgebiet halten sich Ihre Eltern und Geschwister auf. Sie selbst sind ledig und leben in keiner Lebensgemeinschaft. Sie haben keine Kinder.

Sie haben nach wie vor Verwandte in der Russischen Föderation.

Sie halten Sich derzeit in der JAXXXX, Außenstelle XXXX auf und verbüßen dort Ihre Haftstrafe.

Sie sind in Österreich weder sozial noch beruflich integriert: Sie haben in Österreich keine nachweisliche Berufsausbildung absolviert, lebten ausschließlich von sozialen Unterstützungen und Arbeitslosengeld und haben bereits mehrere Jahre in Strafhaft verbracht. (...)"

Beweiswürdigend wurde insbesondere Folgendes erwogen:

"Betreffend die Feststellungen zu den Gründen für die Aberkennung des Status des Asylberechtigten:

Die Feststellungen betreffend die Gründe für die Aberkennung Ihres Status des Asylberechtigten ergeben sich aus dem aktuellen Strafregisterauszug sowie den in Ihrem Asylakt befindlichen und dem BFA übermittelten Urteilen des Landesgerichts für XXXX. Aus dem aktuellen Strafregisterauszug ergibt sich, dass gegen Sie acht rechtskräftige Verurteilungen von Landesgerichten XXXX sowie drei rechtskräftige Verurteilung eines Bezirksgerichtes vorliegen, darunter wegen Raufhandel, Sachbeschädigung, zwei Mal wegen schweren Diebstahls, schwerer Körperverletzung, Raub und schweren gewerbsmäßigen Diebstahls mit Waffengewalt.

Für eine Aberkennung des Ihnen gewährten Status des Asylberechtigten müssen zunächst vier Voraussetzungen vorliegen:

? Sie müssen rechtskräftig verurteilt worden sein.

? Bei Ihren Straftaten muss es ich um ein besonders schweres Verbrechen handeln.

? Sie müssen als gemeingefährlicher Täter angesehen werden können.

? Die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung müssen Ihr Interesse am Weiterbestehen des Schutzes durch den Zufluchtsstaat überwiegen.

Bei Straftaten, die mit lebenslanger bzw. eine fünf Jahre übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht sind, handelt es sich um Schwerkriminalität.

Zur Beurteilung spielen die Höhe der konkret verhängten Freiheitsstrafe, die konkreten Tatauswirkungen in der gesellschaftlichen Wirklichkeit (Art, Ausmaß und Wichtigkeit aller effektiven Nachteile sowohl für den betroffenen Einzelnen, als auch für die Gesellschaft als Ganzes) und die Erschwerungs- und Milderungsgründe im Urteil eine besondere Rolle.

Zur Verurteilung durch das Landesgericht für XXXX ist auszuführen, dass der Tatbestand Raub mit bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe angedroht ist und dass das Strafmaß wegen Ihres damaligen jungen Alters lediglich auf drei Jahre festgesetzt wurde. Auch aufgrund der Tatsachen, dass Sie als mehrfach einschlägig vorbestraft, insbesondere 2 Mal wegen Diebstahls und Raub während noch offener Probezeit wiederholt straffällig wurden und letztendlich amXXXX durch das Landesgericht für XXXX, wegen schweren Diebstahls mit Waffengebrauch zu zwei Jahren Freiheitsstrafe verurteilt wurden und auch eine Rückfallgefahr in Ihrem Fall als gegeben erschien, ist aus Sicht der Behörde bei Ihnen von einer Gefährdung für die Sicherheit Österreichs auszugehen.

Aufgrund der mehrmaligen und noch dazu einschlägigen Straffälligkeit sind Sie daher als gemeingefährlicher Täter anzusehen.

In Ihrer Einvernahme vom 26.2.2018 haben Sie sich reumütig gezeigt und räumten ein, dass es Ihnen Leid täte, was Sie gemacht hätten und baten um eine letzte Chance, da Sie sich geändert hätten. Sie haben in dieser Einvernahme jedoch bestritten Ihre letzte Tat (Schwerer Diebstahl mit Waffengebrauch), zu welcher Sie rechtskräftig verurteilt wurden, begangen zu haben. Nachgefragt, warum Sie keine Berufung einlegten, gaben Sie an, dass Sie Angst von einem negativen Ausgang der Berufung hatten und dadurch Gefahr gelaufen wären, eine noch höhere Strafe verhängt zu bekommen. Aus Sicht der ho. Behörde, wird dies lediglich als Schutzbehauptung gewertet, die lediglich dazu dienen sollte um Ihre kriminellen Taten herunter zu spielen. Denn Niemand würde bei einer ungerechten Verurteilung die Chance einer Berufung vergehen lassen, um der Gerechtigkeit Genüge zu tun.

Gesamtbetrachtet ist daher in Ihrem Fall nicht davon auszugehen, dass Sie nach Verbüßung der letzten Straftat, Ihre kriminelle Lebensweise ändern würden. Es ist in Zusammenschau aller vorliegenden Fakten, Ihren weiteren straffälligen Verhaltensweisen innerhalb offener Bewährungsfristen bzw. nach den jeweiligen Haftbeendigungen, davon auszugehen, dass Sie Ihr Verhalten auch weiterhin fortsetzen werden. Daher kann für Ihre Zukunft keine positive Prognose erstellt werden, denn

? Sie hatten bereits mehrere Chancen, Ihr Verhalten zu ändern. Diese haben Sie allesamt nicht ergriffen.

? Sie haben keinen nachweislichen Schulabschluss, keine nachweisliche Berufsausbildung und damit auch keine gesicherte Existenz. Die sich Ihnen in Österreich bietenden Möglichkeiten einer Ausbildung haben Sie alle nicht genutzt.

? Sie verfügen auch über kein geregeltes Einkommen und leben die meiste Zeit über von staatlicher Unterstützung.

? Gegen Sie liegen 11 rechtskräftige Verurteilungen wegen Vergehen und Verbrechen vor. Die letzte Straftat haben Sie Ende 2016 begangen.

Von erfolgreicher Integration Ihrer Person in die österreichische Gesellschaft kann daher nicht gesprochen werden. Somit überwiegen auch die öffentlichen Interessen an Ihrer Aufenthaltsbeendigung.

Betreffend die Feststellungen zu Ihrer Situation im Fall Ihrer Rückkehr:

In Ihrem Fall ergaben sich keine Hinweise auf eine asylrelevante Verfolgung, noch hatten Sie diese behauptet. Der Status des Asylberechtigten wurde Ihnen im Familienverfahren zuerkannt. Ihre gesetzliche Vertretung hatte damals für Sie keine eigenen Gründe geltend gemacht, sondern hatte sich lediglich auf die Gründe Ihres Vaters bezogen. Da Sie zu diesem Zeitpunkt minderjährig waren und Teil der o.g. Kernfamilie, Ihrem Vater der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden war, war auch Ihnen im Rahmen des Familienverfahrens derselbe Status zuzuerkennen.

In der Einvernahme durch die Behörde am 26.2.2018 haben Sie auch keine asylrelevanten Gründe geltend gemacht, die gegen eine Rückkehr in die Russische Föderation sprechen würden, sondern lediglich behauptet, dass Sie mit Ihrer Kernfamilie Tschetschenien wegen den damals vorherrschenden Bürgerkrieg verließen und dass man in Tschetschenien getötet wird, falls man sich keiner Gruppierung anschließt. Glaubhaft ist, dass Sie gerne weiter in Österreich leben möchten.

Ihnen wurde im Rahmen Ihrer Einvernahme die Möglichkeit einer schriftlichen Stellungnahme zu den Ihnen vorgelegten Länderfeststellungen zur Russischen Föderation und Tschetschenien geboten. Bis dato ist jedoch eine solche nicht bei der Behörde eingetroffen.

Da Ihnen im Herkunftsstaat keine Verfolgung droht, Sie über Anknüpfungspunkte verfügen, auch weder eine akut lebensbedrohende Erkrankung noch einen sonstigen auf Ihre Person bezogenen "außergewöhnlichen Umstand" behaupteten oder bescheinigten, geht die Behörde davon aus, dass Ihnen im Herkunftsstaat auch keine Gefahren drohen, die eine Erteilung des subsidiären Schutzes rechtfertigen würden.

Aus dem Inhalt der Länderfeststellungen ergibt sich zudem, dass die Grundversorgung mit Nahrungsmitteln im Heimatland gewährleistet ist. Es besteht weiters ein Sozialhilfesystem auf niedrigem Niveau und kann humanitäre Hilfe bei den nach wie vor in der russischen Föderation tätigen internationalen und nationalen humanitären Organisationen gefunden werden. Es besteht somit im Herkunftsstaat keine Situation, wonach Sie lebensgefährdend in Ihrer Existenz bedroht wären. Sie verfügen über familiäre Anknüpfungspunkte und ist jedenfalls davon auszugehen, dass Sie in keine existentielle Notlage in Ihrem Heimatland kommen könnten und Unterstützung durch Ihre Familienangehörigen vor Ort bzw. von Österreich durch finanzielle Unterstützung finden würden.

Da Ihnen wie bereits erörtert im Herkunftsstaat keine Verfolgung droht, und Sie Anknüpfungspunkte im Herkunftsstaat haben, geht die Behörde davon aus, dass Ihnen im Herkunftsstaat auch keine Gefahren drohen, die eine Erteilung des subsidiären Schutzes rechtfertigen würden.

Betreffend die Feststellungen zu Ihrem Privat- und Familienleben und zu Ihrem Aufenthalt in Österreich:

Die Feststellungen zu Ihrem Privat- und Familienleben sowie Ihrem Aufenthalt in Österreich ergeben sich aufgrund der Aktenlage, den rechtskräftigen Verurteilungen und allen in Ihrem Asylakt befindlichen Unterlagen sowie Ihrer Einvernahme vor dem BFA.

In Österreich leben Ihre Eltern und Geschwister. Sie lebten außerhalb Ihrer Haftzeiten bei Ihrer Familie inXXXX und werden bzw. wurden durch diese finanziell unterstützt.

In der Russischen Föderation, in XXXX, leben Onkeln und Tanten väterlicherseits, wie Sie vor der Behörde zu Protokoll gaben. Diese haben auch Kinder. Sie behaupteten, keinen Kontakt zu diesem zu haben, was die Behörde für eine reine Schutzbehauptung Ihrerseits hält, denn es geht aus dem Amtswissen hervor, dass Angehörige Ihrer Volksgruppe zumeist einen engen Kontakt zu Ihren im Heimatland verbliebenen Familienangehörigen pflegen.

Eine den Schutz des Privatlebens auslösende Verbindung kann insbesondere für solche Ausländer in Betracht kommen, deren Bindung an Österreich aufgrund eines Hineinwachsens in die hiesigen Verhältnisse mit gleichzeitiger Entfremdung vom Heimatland quasi Österreichern gleichzustellen ist. Deren Situation ist dadurch gekennzeichnet, dass Österreich faktisch das Land ist, zu dem sie gehören, während sie mit ihrem Heimatland nur noch das formale Band der Staatsbürgerschaft verbindet. Dies ist jedenfalls bei Ihnen nicht feststellbar, denn Sie negieren seit Jahren die österreichischen Gesetze und haben keine tatsächlichen Intregrationsschritte gesetzt.

Das wiederholte Fehlverhalten eines Fremden jedoch bewirkt eine erhebliche Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit und ist derart schwerwiegend, dass auch bei stark ausgeprägten privaten und familiären Interessen eines Fremden, der mit seiner Familie schon jahrelang in Österreich lebt, diese zurücktreten müssen. (...)"

Aufgrund des Fehlverhaltens des Beschwerdeführers und den daraus resultierenden strafgerichtlichen Verurteilungen würden die Voraussetzungen für die Verhängung eines Einreiseverbots in seinem Fall vorliegen. Dieser habe durch die von ihm gesetzten Straftaten seine negative Einstellung zur österreichischen Rechtsordnung hinreichend dokumentiert, es liege im öffentlichen Interesse, derartige Straftaten zu verhindern. Demgegenüber weise dieser keine wesentlichen Integrationsmerkmale auf. Daher scheine es dringend geboten, zum Schutz der öffentlichen Ordnung und Sicherheit sowie zur Verhinderung (weiterer) strafbarer Handlungen und nicht zuletzt zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer, somit zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele, ein Einreiseverbot zu erlassen.

6. Gegen den oben angeführten Bescheid wurde mit Schriftsatz vom 26.04.2018 unter gleichzeitiger Bekanntgabe des im Spruch ersichtlichen Vollmachtsverhältnisses fristgerecht die verfahrensgegenständliche Beschwerde im vollen Umfang erhoben. Begründend wurde im Wesentlichen geltend gemacht, der Beschwerdeführer lebe seit 2002 in Österreich, im Jahr 2007 sei ihm gemeinsam mit seiner Familie der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden. Der Beschwerdeführer habe nahezu sein gesamtes Leben in Österreich verbracht und weise keinerlei Bindungen mehr zu seinem Herkunftsstaat auf. Der Beschwerdeführer spreche Deutsch auf Muttersprachenniveau und habe keinerlei Kontakt mehr zu seinen in Tschetschenien lebenden Onkeln, Tanten und Cousins. Der Status des Asylberechtigten sei von seinem Vater abgeleitet worden. Auch der Beschwerdeführer könne sich jedoch sehr gut an Krieg, Gewalt und Brutalität in Tschetschenien erinnern. Diese schrecklichen Erlebnisse würden den Beschwerdeführer zutiefst prägen und diesen wahrscheinlich nie wieder zur Gänze loslassen. Diesem drohe zudem nach wie vor, ebenso wie seinem Vater und der restlichen Familie, asylrelevante Verfolgung. Dem Vater des Beschwerdeführers sei Asyl gewährt worden, da dieser für die Regierung gearbeitet hätte und daher von Verfolgung aufgrund seiner politischen Gesinnung bedroht gewesen wäre. Nachdem man den Vater des Beschwerdeführers in Tschetschenien kenne und auch der Beschwerdeführer den gleichen Namen trage, müsse auch dieser asylrelevante Verfolgung befürchten. Der Beschwerdeführer habe seine gesamte Jugendzeit in Österreich verbracht, wo er die Hauptschule und ein Polytechnisches Gymnasium besucht und abgeschlossen hätte. Von 2005 bis 2008 sei der Beschwerdeführer einer Arbeit nachgegangen, nunmehr arbeite er im Rahmen des offenen Vollzugs auf einen Bauernhof. Der Beschwerdeführer sei bereits früh straffällig geworden, unter anderem weil er sehr schlimme Dinge erlebt und ein Leben ohne Brutalität und Gewalt schlichtweg nicht gekannt hätte. Der Beschwerdeführer bereue die Begehung seiner Straftaten zutiefst und beschreibe diese wie eine Art Abwärtsspirale aus welcher er nicht mehr herausgekommen wäre. Bei den Delikten handle es sich hauptsächlich um Vermögensdelikte, welche der Beschwerdeführer aus einer finanziellen Notlage heraus begangen hätte. Der Beschwerdeführer habe immer arbeiten wollen und selbsterhaltungsfähig sein, aufgrund der Vorstrafen sei es jedoch extrem schwer gewesen, eine Arbeit zu finden. Mittlerweile sei es beim Beschwerdeführer jedoch zu einem tiefgreifenden Lebenswandel gekommen, welcher sich nicht zuletzt dadurch manifestiert hätte, dass sich dieser sehr bemühe, eine Arbeit zu finden, welche er nach Ende der Haft antreten könne. Der Beschwerdeführer habe extrem starke Bindungen zur österreichischen Republik. Seine gesamte Familie und seine Freunde würden hier leben, dieser lebe seit mittlerweile 16 Jahren in Österreich und könne sich ein Leben in Tschetschenien aufgrund der massiven Bedrohung, asylrelevanten Verfolgung sowie der fehlenden Bindungen zum Herkunftsland keinesfalls vorstellen. Zudem habe der Beschwerdeführer in Tschetschenien zu niemandem mehr Kontakt und wäre dort komplett auf sich alleine gestellt. Die Behörde habe die Anforderungen an ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren verletzt und keine ausreichende individualisierte Gefährdungsprognose vorgenommen. Diese verwende Textbausteine und stütze ihre Entscheidung pauschal auf die Verurteilungen des Beschwerdeführers. Im Rahmen der vorzunehmenden Prognoseentscheidung wäre das BFA zur Feststellung gelangt, dass die Rückkehrentscheidung den Beschwerdeführer in seinem Recht auf Wahrung des Privat- und Familienlebens verletze. Die im angefochtenen Bescheid getroffenen Länderfeststellungen erwiesen sich als unvollständig und teilweise unrichtig. In diesem Zusammengang werde auf einen Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 04.04.2017 sowie eine Anfragebeantwortung von ACCORD zur Lage von Personen, welche nach negativem Asylbescheid in die Russische Föderation zurückgekehrt sind, vom 31.05.2016 verwiesen. Die Feststellungen der Behörde würden auf einer unschlüssigen Beweiswürdigung und mangelhaften Befragung und Sachverhaltsermittlung basieren. Dem Beschwerdeführer sei der Status des Asylberechtigten im Rahmen des Familienverfahrens zuerkannt worden; auch wenn der Beschwerdeführer bei seiner Asylantragstellung noch ein Kind gewesen wäre, ginge die Behörde zu Unrecht davon aus, dass dem Beschwerdeführer im Herkunftsland keine asylrelevante Verfolgung (mehr) drohen werde. Der Beschwerdeführer führe den gleichen Nachnamen wie sein Vater, weshalb Rückschlüsse auf ein Verwandtschaftsverhältnis zu diesem in Tschetschenien leicht gezogen werden könnten, weshalb ihm im Herkunftsstaat nach wie vor asylrelevante Verfolgung drohen würde. Im Rahmen der Beurteilung zum subsidiären Schutz halte die Behörde fest, dass der Beschwerdeführer im Herkunftsstaat über Anknüpfungspunkte verfügen würde und ihm keine existenzielle Notlage drohe, wobei es sich jedoch um bloße Mutmaßungen handle. Der Beschwerdeführer habe im Herkunftsland weder Verwandte, noch Freunde, zu welchen Kontakt bestehe und wäre daher komplett auf sich alleine gestellt. Der Beschwerdeführer sei in Österreich sozialisiert worden und seine gesamte Kernfamilie befände sich hier. Die Behörde habe keine Zukunftsprognose hinsichtlich der Gemeingefährlichkeit des Beschwerdeführers getroffen. So befinde sich dieser im offenen Vollzug und stelle seine gute Führung dadurch unter Beweis. In Haft sei es bislang zu keinen Problemen gekommen. Die Behörde habe sich zudem in keiner Weise mit den Motiven der Straftaten auseinandergesetzt, welche hauptsächlich aufgrund finanzieller Not erfolgt wären. Durch sein Asylaberkennungsverfahrens habe der Beschwerdeführer den Ernst der Lage begriffen, und sich extrem bemüht, eine Arbeit zu finden und seine Lebensweise zu ändern. Dies habe dazu geführt, dass er eine Einstellungszusage bei einem Baustellenunternehmen für die Zeit nach der Haft erhalten hätte, welche nachgereicht werden würde. Beim Beschwerdeführer sei es zu einem tiefgreifenden Sinneswandel geklommen, weshalb die Begehung abermaliger Straftaten nicht zu befürchten wäre. Unter Berücksichtigung dieser Aspekte hätte die Behörde zum Ergebnis gelangen müssen, dass die Zukunftsprognose ganz klar zu Gunsten des Beschwerdeführers ausfalle. Entgegen der Ansicht der Behörde weise der Beschwerdeführer eine starke soziale und familiäre Verankerung in Österreich auf. Im Falle einer Rückkehr würde dem Beschwerdeführer eine existenzielle Notlage drohen; da seinen Eltern und Geschwistern in Österreich der Status von Asylberechtigten zukomme, könnten diese ihn nach einer Rückkehr nicht einmal besuchen. Die Behörde verkenne desweiteren, dass der Beschwerdeführer zum Begehungszeitpunkt mancher Straften minderjährig bzw. ein junger Erwachsener gewesen wäre, weshalb das JGG anzuwenden wäre. Es sei auf § 5 Z 10 JGG zu verweisen, welcher besage, dass die in gesetzlichen Bestimmungen vorgesehenen Rechtsfolgen nicht eintreten würden. Die Annahme eines Asylausschlussgrundes, für welchen das kumulative Vorliegen von vier Voraussetzungen erforderlich wäre, habe in restriktiver Weise zu erfolgen, wozu auf unterschiedliche Entscheidungen von VwGH und BVwG verwiesen werde. Bei den dem Beschwerdeführer vorgeworfenen Straftaten handle es sich nicht um besonders schwere Verbrechen im Sinne der höchstgerichtlichen Judikatur. So sind mehrere der dem Beschwerdeführer vorgeworfenen Tathandlungen nicht einmal Verbrechen iSd § 17 StGB. Hätte die belangte Behörde eine mängelfreie Zukunftsprognose angestellt, hätte sie berücksichtigen müssen, dass der Beschwerdeführer in Österreich sehr gut integriert wäre und sein gesamtes soziales Netz in Österreich habe. Auch wolle dieser die derzeitige Haftstrafe zum Anlass nehmen, sein Leben von Grund auf zu ändern. Er werde nach der Haftentlassung wie bereits erörtert, einer geregelten Erwerbstätigkeit nachgehen und ein ausreichendes Gehalt beziehen, um zukünftig in keine finanzielle Notlage zu geraten. Es sei daher nicht von einer Wiederholungsgefahr auszugehen. Eine Güterabwägung müsse ebenfalls dazu führen, dass kein Asylausschlussgrund vorliege. Dem Beschwerdeführer stünde keine innerstaatliche Fluchtalternative offen; dieser stamme aus Tschetschenien und sei aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung mit seiner Familie geflüchtet. Andere Landesteile wären ihm vollkommen fremd und würden Tschetschenen in anderen Landesteilen zudem massiv diskriminiert und verfolgt werden. Zudem drohe im als Rückkehrer aus dem Westen, welchem bereits internationaler Schutz gewährt worden wäre, besondere Aufmerksamkeit der tschetschenischen und russischen Behörden. Eine Ausweisung komme daher zumindest einer Verletzung von Art. 2 und 3 EMRK gleich, weshalb eindeutig ein Abschiebehindernis vorliege. Beim Beschwerdeführer handle es sich um einen mittellosen Mann mit sehr geringer Berufserfahrung, welcher keinen Kontakt zu seinen in Tschetschenien lebenden Tanten, Onkeln und Cousins aufweisen würde, weshalb er sich in Tschetschenien nicht einmal orientieren, geschweige denn zurechtfinden könnte. Der Beschwerdeführer habe beinahe sein gesamtes Leben in Österreich verbracht und habe sich seit beinahe 16 Jahren nicht mehr in seinem Heimatland aufgehalten. Die zur Rückkehrentscheidung geführt habende Interessensabwägung erwiese sich als mangelhaft, da die familiäre und soziale Situation des Beschwerdeführers falsch dargestellt und kaum ermittelt worden wäre. Bezüglich der Verurteilungen sei unberücksichtigt geblieben, dass es sich teilweise um Jugendstraftaten und Taten als junger Erwachsener handeln würde. Das Interesse des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich überwiege das Interesse Österreichs an einer Rückverbringung seiner Person in die Russische Föderation, weshalb sich eine Rückkehrentscheidung als dauerhaft unzulässig erweise.

7. Die Beschwerdevorlage des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl langte am 04.05.2018 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Auf Grundlage des Verwaltungsaktes der belangten Behörde und der in diesem Verfahren herangezogenen Hintergrundberichte zur aktuellen Lage in der Russischen Föderation respektive Tschetschenien wird seitens des Bundesverwaltungsgerichts Folgendes festgestellt:

1.1. Der Beschwerdeführer führt die im Spruch genannten Personalien, ist Staatsangehöriger der Russischen Föderation und Angehöriger der tschetschenischen Volksgruppe.

Der Beschwerdeführer reiste als XXXXjähriger gemeinsam mit seinem Vater, seiner Stiefmutter und seinen Geschwistern in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 24.03.2003 durch seinen gesetzlichen Vertreter einen Antrag auf internationalen Schutz. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 21.05.2007, Zl. 03 09.391/1-BAG, wurde dem Beschwerdeführer (ebenso wie seinen Familienangehörigen) gemäß § 7 AsylG 1997 Asyl gewährt und gemäß § 12 AsylG festgestellt, dass diesem damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Der Beschwerdeführer weist die folgenden strafgerichtlichen Verurteilungen auf:

XXXX Am XXXX wurde gegen den Beschwerdeführer durch das XXXX wegen § 127, § 15 StGB, ein Schuldspruch unter Vorbehalt der Strafe, sowie eine dreijährige Probezeit ausgesprochen.

2. Am XXXX wurde der Beschwerdeführer vom Bezirksgericht XXXX (Rechtskraft: XXXX) wegen § 15, § 141/1 StGB zu einer Geldstrafe (180,00 €) / Ersatzstrafe 30 Tage im NEF verurteilt.

3. Am XXXX wurde der Beschwerdeführer vom Landesgericht XXXX (Rechtskraft: XXXX) wegen § 91/2 (1. Fall) StGB zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten bedingt, mit einer Probezeit von 3 Jahren und einer Zusatzstrafe gem. §§ 31 und 40 StGB verurteilt.

4. Am XXXX wurde der Beschwerdeführer vom Bezirksgericht XXXX (Rechtskraft: XXXX) wegen § 125 StGB zu einer Geldstrafe von 100 Tagen zu je 4,00 € (400,00 €) im NEF 50 Tage verurteilt.

5. Am XXXX wurde der Beschwerdeführer vom Landesgericht XXXX (Rechtskraft: XXXX) wegen § 15, § 127, § 129/1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von fünf Monaten, mit einer Probezeit von drei Jahren verurteilt.

6. Am XXXX wurde der Beschwerdeführer vom Landesgericht XXXX (Rechtskraft: XXXX) wegen § 83/1, § 15, § 127, § 128 Abs. 1 Z4, §129 Abs. 1, § 15, § 83 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt.

7. Am XXXX wurde der Beschwerdeführer vom Landesgericht XXXX (Rechtskraft: XXXX) wegen § 84 Abs. 1, § 83 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten mit einer Zusatzstrafe gem. §§ 31 und 40 StGB verurteilt.

8. Am XXXX wurde der Beschwerdeführer vom Landesgericht XXXX (Rechtskraft: XXXX) wegen § 142 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt.

9. Am XXXX wurde der Beschwerdeführer vom Landesgericht für XXXX (Rechtskraft: XXXX) wegen §§ 127, 128 (1) Z 1,2, 129 (2) Z 1, 130

(2) StGB § 15 StGB zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt.

10. Am XXXX wurde der Beschwerdeführer durch das LG XXXX (Rechtskraft am XXXX) wegen § 299 Abs. 1 StGB verurteilt (keine Zusatzstrafe).

Nicht festgestellt werden kann, dass der Beschwerdeführer zum gegenständlichen Entscheidungszeitpunkt in der Russischen Föderation respektive Tschetschenien aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Ansichten bedroht wäre. Im Entscheidungszeitpunkt konnte keine aktuelle Gefährdung des Beschwerdeführers in der Russischen Föderation festgestellt werden.

Ebenfalls nicht festgestellt werden kann, dass der Beschwerdeführer im Fall seiner Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Russische Föderation in seinem Recht auf Leben gefährdet, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen würde oder von der Todesstrafe bedroht wäre. In diesem Zusammenhang wird insbesondere hervorgehoben, dass der Beschwerdeführer unter keinen schwerwiegenden Krankheiten leidet und einer Teilnahme am Erwerbsleben fähig ist. Im Herkunftsstaat leben nach wie vor ein Onkel, eine Tante, Cousins und Cousinen des Beschwerdeführers.

In Österreich leben der Vater, die Stiefmutter, zwei volljährige Brüder und eine minderjährige Schwester des Beschwerdeführers als anerkannte Flüchtlinge. Zu diesen besteht kein finanzielles oder sonstiges Abhängigkeitsverhältnis. Der Beschwerdeführer befindet sich seit Ende Juni 2016 im Strafvollzug. Der Beschwerdeführer eignete sich Deutschkenntnisse an, eigenen Angaben zufolge war er in den Jahren 2005 bis 2008 teils als Lehrling beschäftigt, innerhalb der letzten zehn Jahre ging er keiner Erwerbstätigkeit nach und war nicht selbsterhaltungsfähig. Er gab an, die Hauptschule und ein Polytechnikum absolviert zu haben, legte jedoch keine Unterlagen bezüglich in Österreich absolvierter Ausbildungen vor. Darüber hinaus kann keine besondere Integrationsverfestigung des Beschwerdeführers im Bundesgebiet erkannt werden. Der Beschwerdeführer ist ledig, hat keine Kinder, engagierte sich nicht ehrenamtlich und gehört keinem Verein an. Seinen Aufenthalt in Österreich nutzte er zur kontinuierlichen Begehung von (qualifizierten) Vermögensdelikten und Körperverletzungsdelikten.

Ein weiterer Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet würde eine Gefährdung in Hinblick auf die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellen, zumal auf Grundlage seines bisher gesetzten Verhaltens die Gefahr einer neuerlichen Straffälligkeit zu prognostizieren ist.

1.2. Zum Herkunftsland des Beschwerdeführers (Russische Föderation respektive Tschetschenien) wird Folgendes festgestellt:

Wie erwartet ist Russlands Präsident Putin bei der Präsidentschaftswahl am 18.3.2018 im Amt bestätigt worden. Nach Auszählung von 99% der Stimmen errang er 76,7% der Stimmen. Putins stärkster Herausforderer, der Kommunist Pawel Grudinin, kam auf 11,8%, dahinter der Rechtspopulist Wladimir Schirinowski mit 5,7%. Die Wahlbeteiligung lag der Nachrichtenagentur Tass zufolge bei knapp 67%, und erfüllte damit nicht ganz die Erwartungen der Präsidialadministration. 70% waren in den letzten Wochen inoffiziell als Ziel gestellt worden, zuletzt hatte der Kreml die Erwartungen auf 65% heruntergeschraubt (Standard.at 19.3.2018, vgl. Presse.at 19.3.2018). Die Beteiligung galt als wichtiger Indikator für Putins Rückhalt in der Bevölkerung. Entsprechend beharrlich hatte die russische Führung die Bürger aufgerufen, ihre Stimme abzugeben (Tagesschau.de 19.3.2018).

Putins wohl ärgster Widersacher Alexej Nawalny durfte nicht bei der Wahl kandidieren. Er war zuvor in einem von vielen als politisch motivierten Prozess verurteilt worden und rief daraufhin zum Boykott der Abstimmung auf, um die Wahlbeteiligung zu drücken (Presse.at 19.3.2018).

Oppositionelle Politiker und die Wahlbeobachtergruppe Golos hatten mehr als 2400 Verstöße gezählt, darunter mehrfach abgegebene Stimmen und die Behinderung von Wahlbeobachtern. Wähler waren demnach auch massiv unter Druck gesetzt worden, um an der Wahl teilzunehmen. Auch die Wahlkommission wies auf mutmaßliche Manipulationen hin. Sie stellte Bilder einer Überwachungskamera in einem Wahllokal nahe Moskau zur Verfügung, die offenbar zeigen, wie Wahlhelfer gefälschte Stimmzettel in eine Urne stopfen. Putin kann dem Ergebnis zufolge nach 18 Jahren an der Staatsspitze weitere sechs Jahre das Land führen. Gemäß der Verfassung darf er nach dem Ende seiner sechsjährigen Amtszeit nicht erneut antreten, da es eine Beschränkung auf zwei aufeinanderfolgende Amtszeiten gibt (Tagesschau.de 19.3.2018).

Quellen:

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Presse.at (19.3.2018): Putin: "Das russische Volk schließt sich um Machtzentrum zusammen",

https://diepresse.com/home/ausland/aussenpolitik/5391213/Putin_Das-russische-Volk-schliesst-sich-um-Machtzentrum-zusammen, Zugriff 19.3.2018

-

Standard.at (19.3.2018): Putin sichert sich vierte Amtszeit als Russlands Präsident,

https://derstandard.at/2000076383332/Putin-sichert-sich-vierte-Amtszeit-als-Praesident, Zugriff 19.3.2018

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Tagesschau.de (19.3.2018): Klarer Sieg für Putin, https://www.tagesschau.de/ausland/russland-wahl-putin-101.html, Zugriff 19.3.2018

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Politische Lage

Die Russische Föderation hat knapp 143 Millionen Einwohner (CIA 15.6.2017, vgl. GIZ 7.2017c). Die Russische Föderation ist eine föderale Republik mit präsidialem Regierungssystem. Am 12. Juni 1991 erklärte sie ihre staatliche Souveränität. Die Verfassung der Russischen Föderation wurde am 12. Dezember 1993 verabschiedet. Das russische Parlament besteht aus zwei Kammern, der Staatsduma (Volksvertretung) und dem Föderationsrat (Vertretung der Föderationssubjekte) (AA 3.2017a). Der Staatspräsident der Russischen Föderation verfügt über sehr weitreichende exekutive Vollmachten, insbesondere in der Außen- und Sicherheitspolitik. Seine Amtszeit beträgt sechs Jahre. Amtsinhaber ist seit dem 7. Mai 2012 Wladimir Putin (AA 3.2017a, vgl. EASO 3.2017). Er wurde am 4. März 2012 (mit offiziell 63,6% der Stimmen) gewählt. Es handelt sich um seine dritte Amtszeit als Staatspräsident. Dmitri Medwedjew, Staatspräsident 2008-2012, übernahm am 8. Mai 2012 erneut das Amt des Ministerpräsidenten. Seit der Wiederwahl von Staatspräsident Putin im Mai 2012 wird eine Zunahme autoritärer Tendenzen beklagt. So wurden das Versammlungsrecht und die Gesetzgebung über Nichtregierungsorganisationen erheblich verschärft, ein föderales Gesetz gegen "Propaganda nicht-traditioneller sexueller Beziehungen" erlassen, die Extremismus-Gesetzgebung verschärft sowie Hürden für die Wahlteilnahme von Parteien und Kandidaten beschlossen, welche die Wahlchancen oppositioneller Kräfte weitgehend zunichtemachen. Der Druck auf Regimekritiker und Teilnehmer von Protestaktionen wächst, oft mit strafrechtlichen Konsequenzen. Der Mord am Oppositionspolitiker Boris Nemzow hat das Misstrauen zwischen Staatsmacht und außerparlamentarischer Opposition weiter verschärft (AA 3.2017a). Mittlerweile wurden alle fünf Angeklagten im Mordfall Nemzow schuldig gesprochen. Alle fünf stammen aus Tschetschenien. Der Oppositionelle Ilja Jaschin hat das Urteil als "gerecht" bezeichnet, jedoch sei der Fall nicht aufgeklärt, solange Organisatoren und Auftraggeber frei sind. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow hat verlautbart, dass die Suche nach den Auftraggebern weiter gehen wird. Allerdings sind sich Staatsanwaltschaft und Nebenklage, die die Interessen der Nemzow-Familie vertreten, nicht einig, wen sie als potenziellen Hintermann weiter verfolgen. Die staatlichen Anklagevertreter sehen als Lenker der Tat Ruslan Muchutdinow, einen Offizier des Bataillons "Nord", der sich in die Vereinigten Arabischen Emirate abgesetzt haben soll. Nemzows Angehörige hingegen vermuten, dass die Spuren bis "zu den höchsten Amtsträgern in Tschetschenien und Russland" führen. Sie fordern die Befragung des Vizebataillonskommandeurs Ruslan Geremejew, der ein entfernter Verwandter von Tschetscheniens Oberhaupt Ramsan Kadyrow ist (Standard 29.6.2017). Ein Moskauer Gericht hat den Todesschützen von Nemzow zu 20 Jahren Straflager verurteilt. Vier Komplizen erhielten Haftstrafen zwischen 11 und 19 Jahren. Zudem belegte der Richter Juri Schitnikow die fünf Angeklagten aus dem russischen Nordkaukasus demnach mit Geldstrafen von jeweils 100.000 Rubel (knapp 1.500 Euro). Die Staatsanwaltschaft hatte für den Todesschützen lebenslange Haft beantragt, für die Mitangeklagten 17 bis 23 Jahre (Kurier 13.7.2017).

Russland ist formal eine Föderation, die aus 83 Föderationssubjekten besteht. Die im Zuge der völkerrechtswidrigen Annexion erfolgte Eingliederung der ukrainischen Krim und der Stadt Sewastopol als Föderationssubjekte Nr. 84 und 85 in den russischen Staatsverband ist international nicht anerkannt. Die Föderationssubjekte genießen unterschiedliche Autonomiegrade und werden unterschiedlich bezeichnet (Republiken, Autonome Gebiete, Autonome Kreise, Regionen, Gebiete, Föderale Städte). Die Föderationssubjekte verfügen jeweils über eine eigene Legislative und Exekutive. In der Praxis unterstehen die Regionen aber finanziell und politisch dem föderalen Zentrum (AA 3.2017a).

Die siebte Parlamentswahl in Russland hat am 18. September 2016 stattgefunden. Gewählt wurden die 450 Abgeordneten der russischen Duma. Insgesamt waren 14 Parteien angetreten, unter ihnen die oppositionellen Parteien Jabloko und Partei der Volksfreiheit (PARNAS). Die Wahlbeteiligung lag bei 47,8%. Die meisten Stimmen bei der Wahl, die auch auf der Halbinsel Krim abgehalten wurde, erhielt die von Ministerpräsident Dmitri Medwedew geführte Regierungspartei "Einiges Russland" mit gut 54%. Nach Angaben der Wahlkommission landete die Kommunistische Partei mit 13,5% auf Platz zwei, gefolgt von der nationalkonservativen LDPR mit 13,2%. Die nationalistische Partei "Gerechtes Russland" erhielt 6%. Diese vier Parteien waren auch bislang schon in der Duma vertreten und stimmten in allen wesentlichen Fragen mit der Mehrheit. Den außerparlamentarischen Oppositionsparteien gelang es nicht die Fünf-Prozent-Hürde zu überwinden. In der Duma verschiebt sich die Macht zugunsten der Regierungspartei "Einiges Russland". Die Partei erreicht im Parlament mit 343 Sitzen deutlich die Zweidrittelmehrheit, die ihr nun Verfassungsänderungen ermöglicht. Die russischen Wahlbeobachter von der NGO Golos berichteten auch in diesem Jahr über viele Verstöße gegen das Wahlrecht (GIZ 4.2017a, vgl. AA 3.2017a).

Das Verfahren am Wahltag selbst wurde offenbar korrekter durchgeführt als bei den Dumawahlen im Dezember 2011. Direkte Wahlfälschung wurde nur in Einzelfällen gemeldet, sieht man von Regionen wie Tatarstan oder Tschetschenien ab, in denen Wahlbetrug ohnehin erwartet wurde. Die Wahlbeteiligung von über 90% und die hohen Zustimmungsraten in diesen Regionen sind auch nicht geeignet, diesen Verdacht zu entkräften. Doch ist die korrekte Durchführung der Abstimmung nur ein Aspekt einer demokratischen Wahl. Ebenso relevant ist, dass alle Bewerber die gleichen Chancen bei der Zulassung zur Wahl und die gleichen Möglichkeiten haben, sich der Öffentlichkeit zu präsentieren. Der Einsatz der Administrationen hatte aber bereits im Vorfeld der Wahlen - bei der Bestellung der Wahlkommissionen, bei der Aufstellung und Registrierung der Kandidaten sowie in der Wahlkampagne - sichergestellt, dass sich kein unerwünschter Kandidat und keine missliebige Oppositionspartei durchsetzen konnte. Durch restriktives Vorgehen bei der Registrierung und durch Behinderung bei der Agitation wurden der nichtsystemischen Opposition von vornherein alle Chancen genommen. Dieses Vorgehen ist nicht neu, man hat derlei in Russland vielfach erprobt und zuletzt bei den Regionalwahlen 2014 und 2015 erfolgreich eingesetzt. Das Ergebnis der Dumawahl 2016 demonstriert also, dass die Zentrale in der Lage ist, politische Ziele mit Hilfe der regionalen und kommunalen Verwaltungen landesweit durchzusetzen. Insofern bestätigt das Wahlergebnis die Stabilität und Funktionsfähigkeit des Apparats und die Wirksamkeit der politischen Kontrolle. Dies ist eine der Voraussetzungen für die Erhaltung der politischen Stabilität (RA 7.10.2016).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (3.2017a): Russische Föderation - Innenpolitik,

http://www.auswaertiges-amt.de/sid_167537BE2E4C25B1A754139A317E2F27/DE/

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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