TE Vwgh Erkenntnis 2000/2/28 99/10/0250

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Veröffentlicht am 28.02.2000
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
82/04 Apotheken Arzneimittel;

Norm

ApG 1907 §10 Abs2 Z2;
ApG 1907 §10 Abs2 Z3;
ApG 1907 §10 Abs5;
AVG §58 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Bumberger und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Killian, über die Beschwerde der Mag. pharm. I in Klagenfurt, vertreten durch Dr. Gottfried Hammerschlag und Dr. Wilhelm Dieter Eckhart, Rechtsanwälte in Klagenfurt, Alter Platz 19, gegen den Bescheid des Bundesministers für Arbeit, Gesundheit und Soziales vom 1. Oktober 1999, Zl. 262.368/2-VIII/A/4/99, betreffend Apothekenkonzession (mitbeteiligte Partei: Mag. pharm. B in Villach), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 18. Dezember 1998 wurde der mitbeteiligten Partei die Konzession zur Errichtung und zum Betrieb einer neuen öffentlichen Apotheke in Klagenfurt erteilt. In der Begründung dieses Bescheides war die belangte Behörde davon ausgegangen, dass sich infolge der Neuerrichtung der öffentlichen Apotheke der mitbeteiligten Partei die Zahl der von der Betriebsstätte der Beschwerdeführerin aus weiterhin zu versorgenden Personen nicht auf weniger als 5.500 verringern werde, sondern dass der Apotheke der Beschwerdeführerin weiterhin 5.895 zu versorgende Personen verbleiben würden, wobei sich diese Zahl aus der Annahme ergab, dass (auch) die ständigen Einwohner der Zählsprengel 843 und 1254 dem Kundenpotential der Apotheke der Beschwerdeführerin zuzurechnen seien.

Auf Grund einer Verwaltungsgerichtshofbeschwerde der nunmehrigen Beschwerdeführerin wurde der Bescheid der belangten Behörde vom 18. Dezember 1998 vom Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 31. Mai 1999, 99/10/0015, 0016, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben; dies deswegen, weil der angefochtene Bescheid keine ausreichende Begründung für die Zuordnung der ständigen Einwohner der Zählsprengel 843 und 1254 zum Kundenpotential der Apotheke der Beschwerdeführerin enthalten hatte. Der Verwaltungsgerichtshof sprach aus, auf Grund des Vorbringens der Beschwerdeführerin im Berufungsverfahren wären die jeweils zurückzulegenden Entfernungen unter Berücksichtigung der gegebenen Verkehrsmöglichkeiten zu erheben und erforderlichenfalls eine konkrete Zuordnung der in bestimmten Straßenzügen und Häusern der beiden strittigen Sprengel wohnhaften Bevölkerung zum Versorgungspotential der in Betracht kommenden Apotheken vorzunehmen gewesen.

Im fortgesetzten Verfahren legte die mitbeteiligte Partei eine Stellungnahme vor, in welcher sie unter Darstellung der öffentlichen Verkehrsmittel und der Situation für private Kraftfahrzeuge und Fußgänger die Auffassung vertrat, die Einwohner der Zählsprengel 1254 und 843 seien dem Versorgungspotential der Apotheke der Beschwerdeführerin zuzurechnen. Bei den dieser Stellungnahme zugrunde gelegten Entfernungsangaben stützte sich die mitbeteiligte Partei auf eine Wegstreckenuntersuchung eines staatlich befugten und beeideten Ingenieurkonsulenten für Vermessungswesen.

Diese Stellungnahme der mitbeteiligten Partei wurde der Beschwerdeführerin von der belangten Behörde "zur Kenntnisnahme und allfälligen Stellungnahme" ohne Fristsetzung übermittelt.

In ihrer Stellungnahme vom 28. September 1999 erklärte die Beschwerdeführerin die von der mitbeteiligten Partei vorgenommene Zuordnung der Einwohner der Zählsprengel 843 und 1254 für unrichtig und legte eine "topographische Untersuchung" eines staatlich befugten und beeideten Zivilgeometers - Ingenieurkonsulenten für Vermessungswesen vom 23. September 1999 vor. In dieser Untersuchung wird zunächst als Aufgabenstellung eine "konkrete Zuordnung der in bestimmten Straßenzügen der beiden strittigen Sprengel wohnhaften Bevölkerung zum Versorgungspotential der in Frage kommenden Apotheken" angegeben. Daran schließt eine Aufzählung der jeweils für den betreffenden Zählsprengel in Betracht kommenden Apotheken, eine Beschreibung der Lage des Sprengels, der Straßenverbindungen, der öffentlichen Verkehrsmittel sowie der Situation für private Kraftfahrzeuge, Fußgänger und Radfahrer an. Auf dieser Grundlage wird unter Zugrundelegung von Entfernungsangaben eine Zuordnung der Sprengel zu den in Betracht kommenden Apotheken vorgenommen, wobei der Privatgutachter die Auffassung vertritt, dass beide Zählsprengel (843 und 1254) bis auf zwei - in einem beiliegenden Plan rot schraffierte - Häuserzeilen nicht der Apotheke der Beschwerdeführerin zuzuordnen sind. Eine zahlenmäßige Zuordnung der Wohnbevölkerung der Zählsprengel 843 und 1254 wird in der Untersuchung nicht vorgenommen; dies wurde von der Beschwerdeführerin in ihrer Stellungnahme an die belangte Behörde damit erklärt, dass die "einwohnermäßig jetzt gültige Auswertung" deswegen noch nicht möglich gewesen sei, weil der Magistrat der Landeshauptstadt Klagenfurt erklärt habe, dass die offiziellen Zahlenwerte erst Anfang Oktober bekannt gegeben werden könnten. Es werde das Gutachten noch zu ergänzen sein und diese Ergänzung werde vorgelegt werden. Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 1. Oktober 1999 wies die belangte Behörde (neuerlich) die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den erstinstanzlichen Apothekenkonzessionsbescheid ab.

In der Begründung wird nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens zunächst wörtlich die im fortgesetzten Verfahren abgegebene Stellungnahme der mitbeteiligten Partei wiedergegeben. Daran anschließend heißt es, wie bereits die mitbeteiligte Partei ausführlich und für die belangte Behörde glaubwürdig und überzeugend die Verkehrssituation beschrieben habe, seien die Einwohner der Zählsprengel 843 und 1254 zur Gänze als Kunden der Apotheke der Beschwerdeführerin zu berücksichtigen. Die Ausführungen des von der Beschwerdeführerin zugezogenen Zivilgeometers in seiner "topographischen Untersuchung " beinhalteten im Wesentlichen Beschreibungen der Straßen- und Verkehrssituation in Klagenfurt und "leicht abweichende Vermutungen" darüber, welche Einwohner der Zählsprengel 843 und 1254 allenfalls welche anderen Apotheken ebenfalls aufsuchen könnten. Eine Argumentation in der Richtung, dass die Vorzüge anderer (als der Apotheke der Beschwerdeführerin, der Auftraggeberin der Untersuchung) Apotheken auf Grund ihrer Lage und Attraktivität hervorgehoben würden, um glaubhaft zu machen, dass die Einwohner des Versorgungsbereiches der Apotheke der Beschwerdeführerin eher die anderen Apotheken aufsuchten, sei für die belangte Behörde nicht verwertbar. Es stehe außer Zweifel, dass Klagenfurter, die in die Innenstadt fahren wollten, dies auch könnten und tun würden. Dies sei aber nicht Gegenstand der Prüfung durch die Behörde. Der Privatgutachter der Beschwerdeführerin habe die von der mitbeteiligten Partei vorgelegte Darstellung der Verkehrssituation weder widerlegt noch sich überhaupt damit auseinander gesetzt. Die Beschreibung der Lage von Straßen, wovon sich die Behörde durch einen Blick auf den Stadtplan selbst habe überzeugen können, mache den größten Teil der Untersuchung aus. Auch die Pläne der öffentlichen Verkehrsmittel seien der belangten Behörde bereits vorgelegen. Somit habe die Beschwerdeführerin nicht beweisen können, dass die genannten Zählsprengel nicht dem Versorgungsgebiet ihrer Apotheke zuzurechnen seien.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die Beschwerdeführerin bringt im Wesentlichen vor, die belangte Behörde habe der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach die zurück zu legenden Entfernungen unter Berücksichtigung der gegebenen Verkehrsmöglichkeiten zu erheben und erforderlichenfalls eine konkrete Zuordnung der in bestimmten Straßenzügen und Häusern der beiden strittigen Sprengel wohnhaften Bevölkerung zum Versorgungspotential der in Betracht kommenden Apotheken vorzunehmen sei, nicht Rechnung getragen. Die belangte Behörde habe sich ausschließlich auf eine Darstellung der mitbeteiligten Partei gestützt und es unterlassen, sich mit der Gegendarstellung der Beschwerdeführerin auseinander zu setzen. Der von der Beschwerdeführerin beigezogene Zivilgeometer habe nach Vorliegen der erforderlichen Daten in einer Gutachtensergänzung vom 8. Oktober 1999 dargestellt, dass aus den Zählsprengeln 843 und 1254 allenfalls 137 Personen dem Versorgungspotential der Apotheke der Beschwerdeführerin zugerechnet werden könnten. Dies bedeute aber, dass der Apotheke der Beschwerdeführerin nur 4.845 zu versorgende Personen verblieben.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Die mitbeteiligte Partei hat ebenfalls eine Gegenschrift erstattet, in der sie beantragt, der Beschwerde keine Folge zu geben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

In seinem Erkenntnis vom 31. Mai 1999, 99/10/0015, 0016, hat der Verwaltungsgerichtshof die im damals angefochtenen Bescheid von der belangten Behörde gegebene Begründung für die Zuordnung der Zählsprengel 843 und 1254 zum Versorgungspotential der Apotheke der Beschwerdeführerin für nicht ausreichend erachtet und ausgesprochen, auf Grund des Vorbringens der Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren hätten die jeweils zurückzulegenden Entfernungen unter Berücksichtigung der gegebenen Verkehrsmöglichkeiten erhoben und erforderlichenfalls eine konkrete Zuordnung der in bestimmten Straßenzügen und Häusern der beiden strittigen Sprengel wohnhaften Bevölkerung zum Versorgungspotential der in Betracht kommenden Apotheken vorgenommen werden müssen.

Die belangte Behörde hat im fortgesetzten Verfahren jedoch neuerlich ein ausreichendes Ermittlungsverfahren unterlassen. Sie hat sich in einer als einseitig zu bezeichnenden Art und Weise damit begnügt, im angefochtenen Bescheid die Darstellung der mitbeteiligten Partei - also der Gegnerin der Beschwerdeführerin - über die Zuordnung der Sprengel 843 und 1254 wiederzugeben, diese als glaubwürdig und nachvollziehbar zu bezeichnen und die Gegendarstellung der Beschwerdeführerin pauschal als nicht brauchbar abzuqualifizieren, ohne sich mit dieser im Einzelnen auseinander zu setzen. Der von der belangten Behörde erhobene Vorwurf der Unbrauchbarkeit in Bezug auf die Stellungnahme der Beschwerdeführerin ist aber ohne eine nähere Auseinandersetzung mit den in dieser Stellungnahme enthaltenen (behaupteten) Fakten nicht nachvollziehbar. So sei lediglich zur Illustration darauf hingewiesen, dass diese Gegendarstellung durch Entfernungsangaben zu belegen versucht, dass die Apotheke der Beschwerdeführerin für die Einwohner der fraglichen Zählsprengel nicht die nächste für eine Versorgung mit Heilmitteln in Betracht kommende Apotheke ist. Warum diese Darstellung von vornherein unbrauchbar sein sollte, bleibt völlig unerfindlich. Ohne konkrete Auseinandersetzung mit den dort aufgestellten Behauptungen ist nicht zu erkennen, ob die mitbeteiligte Partei mit ihrer Darstellung im Recht ist oder die Beschwerdeführerin.

Zu erwähnen ist auch noch, dass die Beschwerdeführerin im verwaltungsgerichtlichen Verfahren eine mit 8. Oktober 1999 datierte Ergänzung ihres Privatgutachtens vorlegt, in welchem der Gutachter nach Vorliegen der erforderlichen Einwohnerdaten zum Ergebnis kommt, dass von den 600 Einwohnern des Zählsprengels 843 529 Personen nicht der Apotheke der Beschwerdeführerin zuzuordnen sind. Von den 590 Einwohnern des Zählsprengels 254 bezeichnet der Gutachter 524 Personen als nicht zum Versorgungspotential der Apotheke der Beschwerdeführerin gehörig. Die belangte Behörde hat den angefochtenen Bescheid erlassen, ohne der Beschwerdeführerin noch die Gelegenheit zu geben, diese von ihr angekündigte Gutachtensergänzung vorzulegen.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die belangte Behörde dadurch, dass sie ihrer Entscheidung unbesehen die Darstellung einer Verfahrenspartei zugrundegelegt hat, ohne sich substanziell mit der Gegendarstellung der Gegenpartei auseinander zu setzen und eigene Ermittlungen durchzuführen, das Verfahren in einer Art und Weise geführt hat, welches rechtsstaatlichen Mindestanforderungen nicht entspricht (vgl. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 16. Dezember 1998, B 1172/98).

Aus den dargestellten Erwägungen erweist sich der angefochtene Bescheid als rechtswidrig infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben war.

Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 28. Februar 2000

Schlagworte

Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher Verfahrensmangel

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1999100250.X00

Im RIS seit

25.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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