Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin Hon.-Prof. Dr. Lovrek als Vorsitzende, die Hofräte Dr. Veith und Dr. Musger, die Hofrätin Dr. E. Solé sowie den Hofrat Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R***** W*****, vertreten durch Mag. Markus Freilinger, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei N***** Versicherung AG, *****, vertreten durch Dr. Stefan Gloß ua, Rechtsanwälte in Sankt Pölten, wegen 41.094,12 EUR sA (Revisionsinteresse: 10.285,71 EUR sA), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 22. Jänner 2018, GZ 11 R 199/17s-54, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Sankt Pölten vom 4. Oktober 2017, GZ 24 Cg 33/16z-49, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 860,58 EUR (darin enthalten 143,43 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger war Polizeibeamter und wurde bei einem Verkehrsunfall am 26. 7. 2012 schwer verletzt. Die Beklagte ist Haftpflichtversicherer des Unfallgegners und haftet dem Kläger für die Unfallfolgen. Aufgrund der unfallbedingten langen Krankenstandsdauer wurde der Kläger mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 27. 10. 2014 mit Ablauf des 30. 11. 2014 vorzeitig in den Ruhestand versetzt. Mit der Monatsabrechnung Dezember 2014 wurde dem Kläger eine Urlaubsersatzleistung gemäß § 13e GehaltsG 1956 in Höhe von 9.406,04 EUR brutto für den nicht verbrauchten Erholungsurlaub angewiesen.
Der Kläger begehrt (ua) unfallkausalen Verdienstentgang für die Jahre 2013 bis 2015. Im Revisionsverfahren ist nur strittig, ob sich der Kläger die erwähnte Urlaubsersatzleistung (die sich unter Berücksichtigung der Einkommensteuernachzahlung mit 10.285,71 EUR brutto auswirkt) als den Verdienstentgang mindernd anrechnen lassen muss oder nicht. Der Kläger steht auf dem Standpunkt, die Urlaubsersatzleistung sei bei der Berechnung des Verdienstentgangs nicht zu berücksichtigen.
Die Beklagte meint hingegen, die Urlaubsersatzleistung sei in die Verdienstentgangsberechnung miteinzubeziehen.
Das Erstgericht schloss sich im Ergebnis der Ansicht der Beklagten an und wies deshalb das Klagebegehren im Umfang von 10.285,71 EUR samt Zinsen ab und gab dem Klagebegehren im Übrigen unbekämpft statt.
Das vom Kläger angerufene Berufungsgericht gab dem Klagebegehren zur Gänze statt. § 13e GehaltsG 1956 normiere, dass die Urlaubsersatzleistung anlässlich des Ausscheidens aus dem Dienst als Ersatz für noch nicht verbrauchten Erholungsurlaub gebühre. Der Oberste Gerichtshof habe in den Entscheidungen 2 Ob 187/98h und 2 Ob 91/00x (RIS-Justiz RS0112775) jeweils in Regressprozessen des Dienstgebers gegen den Schädiger die Rechtsansicht vertreten, die Ansprüche des Dienstnehmers auf Urlaubsabfindung und Urlaubsentschädigung, die in Zeiten anfielen, für die der Dienstgeber zur Lohnfortzahlung verpflichtet sei, obwohl der Dienstnehmer für ihn zufolge eines einem Dritten zurechenbaren Schadensereignisses nicht zur Dienstleistung in der Lage sei, begründeten keinen Verdienstentgang (kein Fall der Schadensverlagerung). Nach RIS-Justiz RS0031403 sei die Urlaubsabfindung im Sinne des § 8 Arbeiterurlaubsgesetz 1959 auf den Anspruch des Verletzten gegenüber dem Schädiger auf Ersatz des Verdienstentgangs nach § 1325 ABGB nicht (mindernd) anzurechnen. Der Urlaubsanspruch sei grundsätzlich ein Naturalanspruch, er habe keinen Entgeltcharakter und verkörpere ein höchstpersönliches Recht. Er könne während des Arbeitsverhältnisses nicht in Geld abgegolten werden (RIS-Justiz RS0125030). Der Verkehrsunfall des Klägers habe zur Beendigung von dessen Dienstverhältnis und letztlich zur Umwandlung des höchstpersönlichen Naturalanspruchs in einen Geldanspruch (Urlaubsersatzanspruch) geführt. Dieser Anspruch resultiere aus der eigenen Handlung des Verletzten, nämlich seinem bis dahin bestehenden Dienstverhältnis (2 Ob 463/61 = JBl 1962, 262 = EvBl 1962/113), weshalb er nicht im Wege des Vorteilsausgleichs zu berücksichtigen sei. Diese zur Urlaubsabfindung ergangene Rechtsprechung sei auch auf die Urlaubsersatzleistung anzuwenden. Die Differenzierung zwischen Urlaubsabfindung und Urlaubsentschädigung sei seit Inkrafttreten des Urlaubsgesetzes, BGBl 1976/390, gefallen. Sowohl § 10 UrlaubsG als auch § 13e GehaltsG 1956 normierten eine Ersatzleistung als Abgeltung für den der Dauer der Dienstzeit in diesem Urlaubsjahr im Verhältnis zum gesamten Urlaubsjahr entsprechenden Urlaub. Nach der zitierten Rechtsprechung sei die Urlaubsersatzleistung bei der Berechnung des Verdienstentgangs nicht (mindernd) zu berücksichtigen.
Das Berufungsgericht ließ die Revision zu, weil zur Frage der Einbeziehung einer Urlaubsersatzleistung in eine Verdienstentgangsberechnung mit Ausnahme der zu RIS-Justiz RS0031403 aufgefundenen Rechtsprechung, die sich aber lediglich auf die Urlaubsabfindung im Sinne des § 8 Arbeiterurlaubsgesetz 1959 beziehe, keine höchstgerichtliche Rechtsprechung existiere.
Gegen den Zuspruch von weiteren 10.285,71 EUR sA durch das Berufungsgericht richtet sich die Revision der Beklagten mit dem Antrag auf Wiederherstellung des erstgerichtlichen Urteils.
Der Kläger beantragt in der Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht angeführten Grund zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.
Die Revision macht geltend, das Schadenersatzrecht diene nicht dem Zweck, den Geschädigten besser zu stellen, als er ohne das schädigende Ereignis stünde. Die Versetzung in den Ruhestand bezwecke Ruhe und Erholung. Dies entspreche dem Zweck des Urlaubs. Der Kläger gelange daher ohnehin in den Zustand der Erholung. Würde man nun zusätzlich zur Ruhestandversetzung die Urlaubsersatzleistung im Sinne eines Geldanspruchs berücksichtigen, so würde dies zu einer Bereicherung des Klägers führen.
Hierzu wurde erwogen:
Der Oberste Gerichtshof erachtet die Begründung des angefochtenen Urteils für zutreffend und verweist die Revisionswerberin darauf (§ 510 Abs 3 Satz 2 ZPO). Wenngleich die einschlägige Judikatur (RIS-Justiz RS0031403 mit zwei Entscheidungen aus den 1960er Jahren) bereits relativ alt ist, hat sich in der Sache seither nichts geändert. Denn § 13e GehaltsG 1956 in der hier anzuwendenen Fassung entspricht in den im vorliegenden Fall relevanten Aspekten dem seinerzeitigen § 8 Arbeiterurlaubsgesetz 1959 (BGBl 1959/24), dessen Wortlaut in der in JBl 1962, 262 und EvBl 1962/113 veröffentlichten Entscheidung 2 Ob 463/61 wiedergegeben ist. Es besteht daher kein Grund, von dieser Rechtsprechung abzugehen. Diese Rechtsprechung wurde indirekt auch durch die bereits vom Berufungsgericht zitierten Entscheidungen 2 Ob 187/98h und 2 Ob 91/00x (RIS-Justiz RS0112775) bestätigt, denen implizit zu entnehmen ist, dass Ansprüche auf Urlaubsabfindung oder Urlaubsentschädigung keinen Verdienst darstellen. Demgemäß können derartige Ansprüche auch keinen Einfluss auf Schadenersatzansprüche aus Verdienstentgang haben.
Das in der Revision vorgetragene Argument der Bereicherung des Klägers (Vorteilsausgleich) hat der Oberste Gerichtshof bereits mit der schon vom Berufungsgericht wiedergegebenen Begründung in der Entscheidung 2 Ob 463/61 verworfen. Der Revision ist daher nicht Folge zu geben.
Die Kostenentscheidung gründet auf den §§ 41, 50 ZPO.
Textnummer
E121491European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2018:0020OB00063.18F.0425.000Im RIS seit
29.05.2018Zuletzt aktualisiert am
14.05.2019