Entscheidungsdatum
07.05.2018Index
41/02 Passrecht FremdenrechtNorm
NAG §24 Abs3Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seine Richterin Mag.a Mandl über die Beschwerde der Frau F. S., geb.: 1993, StA.: Kosovo, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien, Magistratsabteilung 35, vom 19.01.2018, Zl. MA35-9/3090872-03, mit welchem der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels für den Zweck "Studierender" gemäß § 64 Abs. 3 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, § 8 Z 7 lit. b Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz-Durchführungsverordnung (NAG-DC) und § 74 Abs. 6 Universitätsgesetz (UG), abgewiesen wurde,
zu Recht e r k a n n t:
I. Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG Folge gegeben und der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.
II. Der Beschwerdeführerin wird der Aufenthaltstitel für den Zweck "Studierender" gemäß § 64 Abs. 3 NAG für die Dauer von einem Jahr erteilt.
III. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Die Beschwerdeführerin (BF) stellte am 5.9.2017 einen Antrag auf Verlängerung ihres Aufenthaltstitels für den Zweck Studierender, welcher mit Bescheid der belangten Behörde vom 19.1.2018 abgewiesen wurde. Begründend wurde zusammengefasst ausgeführt, dass die BF zuletzt über eine Aufenthaltsbewilligung Studierender gültig von 5.9.2016 bis 5.9.2017 verfügt habe. Die BF habe im Verfahren anhand der Studienbestätigung und dem Studienblatt für das Wintersemester 2017 lediglich nachgewiesen, dass sie seit 12.10.2015 im Vorstudienlehrgang an der Technischen Universität Wien gemeldet sei. Das Wintersemester 2017 sei demnach bereits das fünfte Semester und sei der Vorstudienlehrgang nicht innerhalb des vorgegebenen Rahmens von maximal vier Semestern abgeschlossen worden. Laut einer Prüfungsbestätigung des Clubs für interkulturelle Begegnung vom 29.9.2017 habe die BF die B2 ÖSD Prüfung nicht bestanden und würde auch eine gegenteilige Annahme nicht zu einem anderen Ergebnis führen, da eine solche Deutschprüfung nicht im Rahmen des Vorstudienlehrganges absolviert sei. Auch der geltend gemachte Hinderungsgrund einer Strafverfolgung ändere nichts an der Abweisung des Antrages.
Dagegen erhob die BF Beschwerde an das Verwaltungsgericht Wien und führte darin zusammengefasst aus, dass sie sich bewusst sei, dass die Beendigung des Vorstudienlehrganges nicht mehr als vier Semester dauern solle, die Verspätung aufgrund von unerwarteten Umständen eingetreten sei, für welche sie persönlich nicht verantwortlich gewesen sei. Sie habe vom 7.10.2015 bis 31.1.2017 in einer Wohnung einer Familie aus dem Bekanntenkreis gemeinsam mit anderen Studenten gewohnt und sich ein Zimmer mit einer Studentin geteilt. Sie habe sich im Wintersemester 2015/16, Sommersemester 2015/16 und Wintersemester 2016/17 auf die Ergänzungsprüfung aus Deutsch am 31.1.2017 vorbereitet. Die BF sei am 11.1.2017 von einem Urlaub in der Heimat nach Wien zurückgekehrt, habe am 12.1.2017 die Miete persönlich überbracht und sei mit dem Vorwurf der Vermieterin konfrontiert worden, dass sie etwas in deren Wohnung im September 2016 gestohlen habe. Am 31.1.2017 sei die Ergänzungsprüfung aus Deutsch gewesen und habe sie nicht bestanden, sie habe nur sieben Punkte erreicht. Sie sei bis 1.2.2017 in der Wohnung geblieben, habe dann Österreich verlassen und sei, nachdem sie eine Unterkunft gefunden habe, am 17.3.2017 wieder nach Wien zurückgekehrt. Am 30.3.2017 habe sie eine Benachrichtigung von der Polizei bekommen und sie habe am 4.4.2017 dort ihre Aussage gemacht. Der Termin für die Ergänzungsprüfung und der polizeilichen Einvernahme seien zusammengefallen, sodass sie die Prüfung nicht absolvieren habe können. Am 10.5.2017 habe sie neuerlich bei der Polizei eine Aussage machen müssen. Am 31.5.2017 sei das Verfahren eingestellt worden. Dieser Vorfall sei eine unerwartete Situation für sie gewesen, sehr peinlich und schwierig. Sie habe den Termin für die Ergänzungsprüfung aus Deutsch verloren, da sie fünf Monate lang ihre Energie für die Polizei und für die Suche nach einer neuen Wohnung aufwenden habe müssen. In der Zeit bis Ende Mai sei es unmöglich gewesen, sich für die Deutschprüfung vorzubereiten oder sich für einen Deutschkurs anzumelden. Sie habe im Wintersemester 2017/18 Deutsch auf Niveau B2 besucht, habe am 31.1.2018 die Ergänzungsprüfung aus Deutsch beim Vorstudienlehrgang geschrieben und warte auf das Prüfungszeugnis, damit sie das Sommersemester 2017/18 als ordentliche Studentin an der Technischen Universität Wien beginnen könne.
In den Akt der Staatsanwaltschaft Wien … wurde Einsicht genommen.
Die BF wurde aufgefordert, das Zeugnis zu Ergänzungsprüfung Deutsch vom 31.1.2018 und Inskriptionsbestätigung als ordentliche Studierende an der Technischen Universität Wien laut ihren Ausführungen in der Beschwerde vorzulegen.
Die BF gab fristgerecht bekannt, dass der Zulassungsbescheid und das EPD-Zertifikat zur Inskription als ordentliche Studierende an der Technischen Universität Wien benötigt worden seien. Diesem Schreiben angeschlossen war „Studienblatt der ordentlichen Studierenden für das Sommersemester 2018“ der Technischen Universität Wien und Bestätigung des Vorstudienlehrganges der Wiener Universitäten vom 4.4.2018 über die bestandene Deutschprüfung.
Das Verwaltungsgericht Wien hat erwogen:
Aufgrund des Aktes der belangten Behörde und des Beschwerdeverfahrens, der Einsichtnahmen in das Zentrale Melderegister, in die Daten der Sozialversicherung und in das Zentrale Fremdenregister des BMI wird nachstehender Sachverhalt als erwiesen festgestellt:
Die BF ist am … 1993 geboren und kosovarische Staatsangehörige. Der Reisepass der BF hat eine Gültigkeit bis 29.10.2024.
Die BF wird von ihrem Vater finanziell unterstützt.
Die BF verfügte zuletzt über einen Aufenthaltstitel für den Zweck Studierende mit Gültigkeit bis 5.9.2017. Die BF hat am 5.9.2017 die Verlängerung dieses Aufenthaltstitels beantragt, welcher mit nunmehr angefochtenem Bescheid der belangten Behörde abgewiesen wurde.
Die BF hat für das Studienjahr 2016/17 keinen Studienerfolg nachgewiesen.
Die BF ist seit 12.10.2015 im Vorstudienlehrgang an der Technischen Universität Wien gemeldet und hat diesen laut Studienblatt für das Sommersemester 2018 per 6.4.2018 abgeschlossen. Die BF ist laut Studienblatt für das Sommersemester 2018 seit 6.4.2018 ordentliche Studierende an der Technischen Universität Wien.
Nach dem Akt der Staatsanwaltschaft Wien … wurde der BF vorgeworfen, in der Zeit von 15.9.2016 bis 19.9.2016 bei einem Besuch in der Wohnung der Vermieterin Goldschmuck gestohlen sowie Geld von einem Bankomat abgehoben zu haben. Die Anzeigenerstattung erfolgte Ende Februar 2017 durch die Vermieterin. Die BF wurde dazu am 12.5.2017, nachdem sie zuvor zwei Ladungsterminen zur Vernehmung keine Folge geleistet hatte, polizeilich einvernommen. Mit Schreiben der Staatsanwaltschaft Wien vom 30.5.2017 … wurde der BF mitgeteilt, dass das Verfahren eingestellt werde, da ein Schuldbeweis nicht mit der für ein Strafverfahren notwendigen Wahrscheinlichkeit zu erbringen ist, weil Aussage gegen Aussage steht.
Das Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft zog sich sohin von Ende Februar 2017 bis 30.5.2017. Die BF wurde am 12.1.2017 erstmals mit dem Diebstahlsvorwurf durch die Vermieterin konfrontiert. Die BF ist strafgerichtlich unbescholten.
Laut Daten der Sozialversicherung ist die BF seit 1.10.2017 bis laufend selbstversichert.
Die BF wohnt laut Daten des Zentralen Melderegisters in Wien.
Rechtlich folgt daraus:
§ 64 Abs. 3 NAG lautet:
Dient der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen der Durchführung eines ordentlichen oder außerordentlichen Studiums, ist die Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung für diesen Zweck nur zulässig, wenn dieser nach den maßgeblichen studienrechtlichen Vorschriften einen Studienerfolgsnachweis der Universität, Fachhochschule, (…) erbringt. (…). Liegen Gründe vor, die der Einflusssphäre des Drittstaatsangehörigen entzogen, unabwendbar oder unvorhersehbar sind, kann trotz Fehlens des Studienerfolges eine Aufenthaltsbewilligung verlängert werden.
Gemäß § 24 Abs. 3 NAG ist Fremden im Rahmen eines Verlängerungsverfahrens ein Aufenthaltstitel mit dem gleichen Zweck zu erteilen, wenn die Voraussetzungen für diesen weiterhin vorliegen.
Die BF hat nach der zitierten Gesetzesbestimmung einen Studienerfolg nach den maßgeblichen studienrechtlichen Vorschriften nachzuweisen. Nach den studienrechtlichen Vorschriften liegt ein Studienerfolg vor bzw. ist ein Nachweis hierüber von der Universität dann auszustellen, wenn der Studierende im vorangegangenen Studienjahr positiv beurteilte Leistungen im Umfang von mindestens 16 ECTS-Anrechnungspunkten oder 8 Semesterstunden erreicht hat. Das Gesetz räumt bei dieser Bemessung der Behörde weder einen Ermessensspielraum noch eine Toleranzgrenze ein.
Der maßgebliche Beurteilungszeitraum ist nach stRspr das vorangegangene Studienjahr. Es handelt sich um jenes Studienjahr, das unmittelbar vor dem Gültigkeitsende des bisherigen Aufenthaltstitels liegt. Ein Studienjahr beginnt nach den Bestimmungen im Universitätsgesetz 2002 mit dem 1. Oktober und endet am 30. September des darauffolgenden Jahres.
Der gegenständliche Aufenthaltstitel für den Zweck Studierende der BF hatte eine Gültigkeit bis 5.9.2017. Als maßgebliches Studienjahr ist demnach das vorangegangene Studienjahr 2016/17 zu beurteilen. In diesem Studienjahr hat die BF unstrittig keinen Studienerfolg nachgewiesen.
Die BF macht als Hinderungsgrund gemäß § 64 Abs. 3 NAG geltend, dass gegen sie ein Strafverfahren geführt worden sei, das am 30.5.2017 durch Einstellung geendet habe.
Nach den aufgrund des Aktes der Staatsanwaltschaft Wien getroffenen Feststellungen wurde Ende Februar 2017 Anzeige gegen die BF erstattet. Die BF wurde am 12.1.2017 durch ihre Vermieterin mit dem Vorwurf des Diebstahls konfrontiert. In der Folge wurde die BF zu polizeilichen Vernehmungen vorgeladen. Die BF wurde am 12.5.2017 polizeilich zu diesem Vorwurf einvernommen. Sie hat den Vorwurf bestritten. Am 30.5.2017 wurde das Verfahren mangels Schuldbeweises eingestellt.
Die BF bringt vor, am 31.1.2017 die Ergänzungsprüfung Deutsch zwar geschrieben, jedoch nicht bestanden zu haben. Sie habe daraufhin eine andere Wohnung gesucht und seien sodann die Vorladungen durch die Polizei eingetroffen. Dies sei für sie eine unerwartete Situation gewesen, die sehr peinlich und schwierig für sie gewesen sei. Es seien fünf Monate mit dieser polizeilichen Angelegenheit vergangen und sie habe nebenbei auch eine neue Wohnung gesucht.
Nach stRspr zu § 64 Abs. 3 letzter Satz NAG dürfen nur solche Hindernisse Berücksichtigung finden, die nicht von Dauer sind.
Eine Anzeige durch die Vermieterin, in deren Wohnung die BF zeitweise auf deren Kinder aufgepasst hat, wegen Diebstahls ist ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis, das nicht dauerhaft ist. Bei einer unbescholtenen Person kann eine solche Anzeige und ein polizeiliches Ermittlungsverfahren ein Ereignis darstellen, das einen Studienerfolg zumindest zu beeinträchtigen geeignet ist.
Dies liegt nach Ansicht des Gerichtes gegenständlich vor. Die BF hat trotz dieser Vorwürfe durch die Vermieterin am 12.1.2017 am 31.1.2017 einen Antritt zur Deutschprüfung versucht, diese hat sie jedoch nicht bestanden hat.
Hinzu tritt im gegenständlichen Fall, dass mit diesem Diebstahlsvorwurf durch die Vermieterin auch der Verlust der Unterkunft verbunden war und sich die BF auf Unterkunftssuche begeben hat.
In Zusammenschau dieser beiden Gründe, die Diebstahlsanzeige und der damit im vorliegenden Fall verbundene Wohnungswechsel, stellt nach Ansicht des Gerichts ein unabwendbares und unvorhersehbares Ereignis dar, das der Einflusssphäre der BF entzogen war. Aus diesem Grund kann in Anwendung des § 64 Abs. 3 letzter Satz NAG trotz Fehlens eines Studienerfolges die beantragte Aufenthaltsbewilligung gegenständlich verlängert werden.
Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte in Anwendung des § 24 Abs. 1 Z 1 VwGVG entfallen, da bereits aufgrund der Aktenlage feststand, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben war.
Es war spruchgemäß zu entscheiden.
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Besondere Erteilungsvoraussetzung, Studienerfolgsnachweis, maßgebliches Studienjahr, Hinderungsgrund, unabwendbares und unvorhersehbares Ereignis, StrafverfahrenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGWI:2018:VGW.151.074.2807.2018Zuletzt aktualisiert am
28.05.2018