TE Lvwg Erkenntnis 2018/3/20 LVwG-AV-625/001-2017

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 20.03.2018
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Entscheidungsdatum

20.03.2018

Norm

AVG 1991 §37
AVG 1991 §45 Abs3
AWG 2002 §2 Abs1
AWG 2002 §73 Abs1
AWG 2002 §74 Abs1

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch Mag. Binder als Einzelrichterin über die Beschwerde des 1. A und der 2. B, beide vertreten durch C, Rechtsanwalt in ***, ***, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft St. Pölten vom 10. April 2017, Zl. ***, betreffend Behandlungsauftrag nach dem Abfallwirtschaftsgesetz 2002 (AWG 2002), nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung zu Recht:

1.   Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen. Der angefochtene Bescheid wird mit der Maßgabe bestätigt, als dessen Rechtsgrundlage auf
§ 74 Abs. 2 Abfallwirtschaftsgesetz 2002 (AWG 2002) geändert wird. Die Frist für die vollständige Erfüllung des Maßnahmenauftrages wird mit 30. Juni 2018 und die Frist für die Vorlage der Entsorgungsnachweise mit 15. Juli 2018 festgelegt.

2.   Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nach § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe:

1.   Zum verwaltungsbehördlichen Verfahren:

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft St. Pölten vom 10. April 2017,
Zl. ***, wurden die Beschwerdeführer zur Durchführung des folgenden abfallrechtlichen Maßnahmenauftrages betreffend das Grundstück
Nr. ***, KG ***, verpflichtet:

„Die Bezirkshauptmannschaft St. Pölten verpflichtet Herrn A und Frau B, wohnhaft in ***, ***, als Grundeigentümer folgende Maßnahmen durchzuführen:

Die auf dem Grundstück Nr. ***, KG ***, gelagerten Abfälle, nämlich

?    mehrere Elektrolytkondensatoren (gefährliche Abfälle), lagernd im Hofbereich vor dem Eingang zu den ehemaligen Stallungen,

?    ein stark verrosteter Traktor, lagernd hinter dem Stallgebäude,

?    ein großes Getriebe, lagernd im Wohngebäude im Eingangsbereich,

?    Elektroaltgeräte, Holzreste, Isolatoren, Farbdosen, Holzkisten, lagernd im Gebäude

sind nach den Bestimmungen des Abfallwirtschaftsgesetz 2002, umgehend, spätestens jedoch bis 31. Oktober 2017 zu entfernen und nachweislich von einem hierzu Befugten entsorgen zu lassen.

Der Entsorgungsnachweis ist der Bezirkshauptmannschaft St. Pölten bis längstens 10. November 2017 vorzulegen.“

Die behördliche Entscheidung wurde auf die Ergebnisse des Lokalaugenscheines vom 01. März 2017 gestützt und wurde das in dieser Verhandlung abgegebene Gutachten des chemisch-technischen Amtssachverständigen der Technischen Gewässeraufsicht wiedergegeben. In ihrer rechtlichen Begründung verwies die belangte Behörde auf § 73 Abs. 1 AWG 2002 und hätte der chemisch-technische Amtssachverständige der Technischen Gewässeraufsicht im Zuge des Lokalaugenscheines festgestellt, dass die im Spruch beschriebenen Gegenstände und Materialien weder neu seien, noch aufgrund ihrer Beschaffenheit (Funktionsuntüchtigkeit, Verschleiß, usw.) bestimmungsgemäß verwendet werden könnten. Für die Verwirklichung des objektiven Abfallbegriffes genüge bereits die Möglichkeit, dass es zu Auswirkungen auf die öffentlichen Interessen gemäß
§ 1 Abs. 3 AWG 2002 kommen könne. Die Behandlung der Abfälle sei im öffentlichen Interesse gelegen, da sehr wohl Gefahren für die natürlichen Lebensbedingungen von Tieren und Pflanzen oder für den Boden verursacht werden könnten und die nachhaltige Nutzung von Wasser und Boden beeinträchtigt werden könne. Weiters wäre durch die oben beschriebenen Lagerungen das Orts- und Landschaftsbild erheblich beeinträchtigt. Da die Lagerungen in der gegenständlichen Form nicht genehmigt wären und überdies die Entfernung dieser Lagerungen im öffentlichen Interesse gelegen sei, müsse die ordnungsgemäße Entfernung vorgeschrieben werden. Die Frist zur Entfernung stütze sich auf die Stellungnahme des chemisch-technischen Amtssachverständigen der zentralen Gewässeraufsicht.

2.   Zum Beschwerdevorbringen:

In ihrer rechtzeitig dagegen durch ihre rechtsfreundliche Vertretung erhobenen Beschwerde bekämpften die nunmehrigen Beschwerdeführer den Bescheid im vollen Umfang und beantragten, der angerufene Gerichtshof möge nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung den angefochtenen Bescheid derart abändern, dass der Bescheid ersatzlos aufgehoben werde.

Begründet wurde dieser Antrag wie folgt:

1. Sachverhalt

Mit Kaufvertrag vom 06.08.2015 haben die BF u.a. das hier in Rede stehende Grundstück *** in der KG *** erworben; auf Grundstück *** be?ndet sich u.a. auch ein altes landwirtschaftliches Anwesen mit der Adresse ***.

Den BF war weder zum Zeitpunkt des Erwerbs, noch zu einem späteren Zeitpunkt bis zur Auffindung bekannt, dass sich auf dem Grundstück *** und im Anwesen *** die im Spruch des Bescheides angeführten Fahrnisse befanden. Im Oktober 2016, vermutlich am 30.10.2016 gab es durch zwei bekannte Täter in *** eine Brandstiftung; dabei soll es angeblich auch zu Ölaustritt gekommen sein.

Der Behörde selbst war der Umstand, dass auf Grundstück *** die im Spruchteil des Bescheides angeführten Fahrnissen gelagert sind, längst bekannt.

Am 01.03.2017 gab es eine Überprüfungsverhandlung; die BF waren dazu nicht ordnungsgemäß geladen und konnten den Termin nicht wahrnehmen.

2. Angaben zur Rechtzeitigkeit

Der angefochtene Bescheid wurde den BF am 13.04.2017 zugestellt.

3. Beschwerdepunkt

Durch den angefochtenen Bescheid sind die Beschwerdeführer in ihrem subjektiven Recht verletzt, dass entgegen der Bestimmungen des § 73 AWG 2002 gegen sie ein

Behandlungsauftrag nicht erteilt werde.

Geltend gemacht werden inhaltliche Rechtswidrigkeit des Bescheides und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

4. Verletzung von Verfahrensvorschriften

Am 01.03.2017 fand ein Ortsaugenschein statt; die BF sind je bücherliche Hälfteeigentümer des hier in Rede stehenden Grundstücks ***, in der KG *** und haben dies mit Kaufvertrag vom 06.08.2015 erworben. Die BF haben daher Parteiengehör und ein subjektives Recht im Rahmen eines Lokalaugenscheines ihre Einwendungen zu deponieren und ihre Sachanträge zu stellen bzw. ihre Erklärungen abzugeben.

Dieses Recht wurde den BF genommen und damit wurden die BF in ihrem Parteiengehör verletzt.

Vorgelegt wird nach wie vor aktueller Grundbuchauszug EZ ***, KG *** (Beilage ./A), woraus sich die bücherliche Eigentümerschaft der BF ergibt, sowie der Erwerb mit Kaufvertrag vom 06.08.2015 ergibt.

5. Inhaltliche Rechtswidrigkeit

Gegenständlich ist nicht geklärt, ob es sich um Abfall im Sinne des AWG handelt. In der Begründung führt der angefochtene Bescheid aus, in dem er (scheinbar) eine Feststellung eines Dritten übernimmt, wo es heißt "am Grundstück sind gefährliche und nicht gefährliche Abfälle festgestellt worden", zumindest ist dies nach der Diktion nicht klar.

Der angefochtene Bescheid beschäftigt sich daher nicht damit, ob es sich beispielsweise bei Holzreste, bei Isolatoren (Keramik!) und bei Holzkisten um Abfall im Sinne der Bestimmungen des AWG handelt.

Gemäß § 2 Abs. 6 Z. 1 AWG ist Abfallbesitzer entweder der Abfallerzeuger oder jede Person, welche die Abfälle inne hat.

Dazu ist festzuhalten:

Die BF sind nicht Abfallerzeuger im Sinne leg. cit. Abs. 6 Z. 2; die BF sind aber auch nicht Abfallbesitzer; zum Besitz, zumindest wie ihn die Rechtssprechung durchgehend sieht, bedarf es des Umstandes, dass man einer Sache körperlich habhaft ist und dazu auch den entsprechenden Willen hat.

Den BF war der Umstand, dass die im Spruchteil angeführten Fahrnisse dort lagerten, völlig unbekannt und wurde erst ruchbar im Zuge der Erhebungen.

Die BF waren auch dieser Gegenstände körperlich nicht habhaft, da sie ihnen völlig unbekannt waren.

Zusammengefasst, die BF sind nicht Verursacher, sie hatten über die dort abgelagerten Gegenstände keinerlei Kenntnisse; insbesonders sollen auch vor Ort Ölbehälter gelagert gewesen sein; diese Ölbehältnisse waren dicht und völlig ungefährlich; behauptet wird daher, dass es sich dabei nicht um entsorgungsp?ichtige, sondern nur um gelagerte Materialien handelt.

Erst durch eine offenkundige Vorsatztat eines Dritten ist es überhaupt zur (zumindest in untergeordnetem Ausmaße) Verbreitung des Öles gekommen.

Die Ölbehältnisse, das waren Kunststoffkanister, gut verschlossen, soweit man sagen kann, mit Altöl befüllt; diese Behältnisse sind von den BF längst entfernt und entsorgt worden, nämlich unmittelbar nach Kenntnis.

Anders als die BF, hatte jedoch die belangte Behörde angeblich von diesen gelagerten Gegenständen längst Kenntnis.

Es ist daher nicht nachvollziehbar, warum nunmehr die belangte Behörde mit einem Behandlungsauftrag gegen die BF vorgeht und nicht infolge ihrer Kenntnis längst gegen beispielsweise die früheren Grundstückseigentümer vorgegangen ist.

Zusammengefasst wird behauptet, dass

?    es sich gegenständlich nicht um behandlungspflichtigen Abfall im Sinne des AWG handelt

?    die BF weder Verursacher, noch Abfallbesitzer sind,

?    dagegen Abfallverursacher die früheren Eigentümer und die beiden Täter, welche am 30.10.2016 dort Brand gelegt haben, sind.

Genauso

?    die BF mangels Kenntnis keinerlei Verschulden am Ablagern der dort angeführten Gegenstände trifft; das hat die belangte Behörde nicht bedacht.

Beantragt wird die Beischaffung und Verlesung des Aktes *** der BH St. Pölten, genauso wie des Aktes *** der BH St. Pölten und beantragt wird die Beischaffung des Strafaktes, namentlich nicht bekannt, gegen die beiden Brandstifter vom 30.10.2016 von der Staatsanwaltschaft ***, sowie die Einvernahme des Erstbeschwerdeführers.“

3.   Zum durchgeführten Ermittlungsverfahren:

Am 06. März 2018 führte das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, in welcher Beweis erhoben wurde durch die Verlesung des verwaltungsbehördlichen Aktes mit der Zl. ***, sowie des Aktes des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich mit der Zl. LVwG-S-1410/001-2017. Seitens der Beschwerdeführervertretung wurde der Verlesung des im verwaltungsgerichtlichen Akt enthaltenen Erhebungsberichtes der Technischen Gewässeraufsicht vom 26. Juli 2017, des Verzeichnisses der gelöschten Eintragungen hinsichtlich des Grundstückes mit der EZ ***, KG ***, des Kaufvertrages vom 06. August 2015 zwischen den Beschwerdeführern als Käufer und D und E als Verkäufer, des Nachtrages zum Kaufvertrag vom 06. August 2015 und des Einantwortungs-beschlusses des Bezirksgerichtes *** vom 05. Dezember 2005, GZ *** zugestimmt.

Weiters verlesen wurde der Aktenvermerk bezüglich eines Telefonates der erkennenden Richterin mit der Bezirkshauptmannschaft St. Pölten vom 06. März 2018, welcher wie folgt lautet:

„Tel. Frau F BHPL am 6.3.2018:

Diese teilt mit, dass bei der BHPL gegen D, geb. ***, bezüglich diverser Ablagerungen um das Anwesen *** ein AWG-Verfahren zur Zahl *** anhängig war. In der EDV sind keine Schriftstücke ersichtlich, nur, dass der Akt im Jahr 2007 eingelegt und 2011 vernichtet wurde.“

Auch wurde Beweis erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der Staatsanwaltschaft *** zur Zl. ***, betreffend die Brandstiftung auf der verfahrensgegenständlichen Liegenschaft sowie durch Einvernahme des Beschwerdeführers.

4.   Feststellungen:

Herr D, geb. ***, lagerte auf dem Grundstück Nr. ***, KG ***, auf seinem landwirtschaftlichen Gehöft mit der Anschrift ***, ***, diverse Fahrnisse und Materialien. Insbesondere wurden von ihm folgende Fahrnisse gelagert:

?    mehrere Elektrolytkondensatoren im Hofbereich vor dem Eingang zu den ehemaligen Stallungen,

?    ein stark verrosteter Traktor hinter dem Stallgebäude,

?    ein großes Getriebe im Wohngebäude im Eingangsbereich,

?    Elektroaltgeräte, Holzreste, Isolatoren, Farbdosen, Holzkisten im Wohngebäude

Diese Gegenstände weisen zum Teil einen stark verrosteten Zustand bzw. einen starken Verschleiß auf. Ob teilweise Ölreste in diesen enthalten sind, kann nicht ausgeschlossen werden. Augenscheinlich können diese Geräte nicht mehr bestimmungsgemäß verwendet werden bzw. wurde ein Nachweis über deren Funktionsfähigkeit nicht erbracht.

Der Lagerungszustand dieser Gegenstände war auch am 01. März 2017 teilweise völlig systemlos und wurden die Sachen zum Teil nicht in einer solchen Form aufbewahrt, dass eine Beschädigung der Gegenstände durch deren Lagerart nicht ausgeschlossen werden kann, insbesondere weil die Geräte zum Teil im Freien auf nicht flüssigkeitsdichter Fläche und nicht vor eindringendem Oberflächenwasser geschützt abgestellt wurden. Dadurch kann bei diesen Fraktionen eine mehr als geringfügige Beeinträchtigung von Boden und Gewässer nicht ausgeschlossen werden.

Die Liegenschaft ist frei zugänglich und sind in dieser auch keine versperrbaren Räumlichkeiten vorhanden.

Deshalb wurde von der Bezirkshauptmannschaft St. Pölten zur Zl. *** ein abfallrechtliches Behandlungsverfahren eingeleitet, dessen Ausgang nicht mehr festgestellt werden kann, weil der behördliche Akt aus organisatorischen Gründen zwischenzeitlich vernichtet wurde und die Aktenbestandteile nicht rekonstruiert werden können.

Jedenfalls wurden die oben festgestellten Gegenstände von D nicht entfernt.

Am *** verstarb der Verursacher der Abfalllagerungen und wurde der Nachlass den Kindern des Verstorbenen, nämlich D, geb. ***, und E, zu je einer Hälfte eingeantwortet. Der Lagerungszustand wurde von diesen Erben nicht verändert und lagerten die festgestellten Gegenstände zumindest bis zum 10. April 2017 an den festgestellten Örtlichkeiten.

Mit Kaufvertrag vom 06. August 2015 wurde unter anderem die verfahrensgegenständliche Liegenschaft von den Beschwerdeführern käuflich erworben. Punkt IV dieses Kaufvertrages lautet auszugsweise:

„Die Verkäufer geben bekannt, dass Teile des Kaufgegenstandes, soweit sie um das eigentliche Anwesen *** liegen, ohne dass dies größenmäßig eingeschätzten werden kann als Verdachtsflächen ausgewiesen sind.

Die Verkäufer haften daher insbesonders nicht dafür, dass zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses die kaufgegenständlichen Flächen frei von umweltbelastenden Materialien sind.“

Den Erwerbern der verfahrensgegenständlichen Liegenschaft war jedenfalls bekannt, dass sich die festgestellten Fahrnisse auf der Liegenschaft befinden sowie deren Zustand.

Auf Teilen der Liegenschaft lagerten auch Behältnisse mit Altöl und wurde mit diesem Altöl von zwei Jugendlichen am 30. Oktober 2016, gegen 17.00 Uhr, nördlich des leerstehenden ehemaligen landwirtschaftlichen Anwesens ***, *** ein Feuer gelegt. Dieses Feuer griff dann auch auf den ehemals bewohnten Teil des Hauses über, wodurch innerhalb kürzester Zeit der gesamte Dachstuhl in Vollbrand stand. Bei diesem Vollbrand wurden die festgestellten Fahrnisse aber nicht beschädigt.

Zum größeren Teil wurden die verfahrensgegenständlichen Materialien und Gegenstände von den Beschwerdeführern zwischenzeitlich entfernt. Die Vorlage entsprechender Entsorgungsnachweise erfolgte bis dato nicht.

5.   Beweiswürdigung:

Diese Feststellungen beruhen auf dem unbedenklichen Inhalt des Aktes der Verwaltungsbehörde und auf den vom Landesverwaltungsgericht Niederösterreich beigeschafften und in der öffentlichen mündlichen Verhandlung verlesenen Urkunden betreffend die Eigentumsverhältnisse der verfahrensgegenständlichen Liegenschaft, deren Inhalt von den Parteien nicht bestritten wird.

Der Zustand der verfahrensinkriminierten Gegenstände ergibt sich aus dem im behördlichen Verfahren eingeholten Gutachten des chemisch-technischen Amtssachverständigen und sind die Beschwerdeführer im gesamten Verfahren diesem nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten (Vergleich zum Erfordernis des Entgegentretens auf gleicher fachlichen Ebene bei Vorliegen eines schlüssigen und nachvollziehbaren Gutachtens z.B. VwGH 25.09.2014, 2012/07/001), weshalb das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich keinen Grund sieht, an der im Verfahren hervorgekommenen Situation der beschwerdegegenständlichen Materialen zu zweifeln.

Im Übrigen wurde im gesamten verwaltungsgerichtlichen Verfahren Gegenteiliges fundiert nicht behauptet. Vielmehr hat der Beschwerdeführer in der öffentlichen mündlichen Verhandlung ausgesagt, dass ihm bereits vor Abschluss des Kaufvertrages zum Erwerb des Grundstückes Nr. ***, KG ***, bekannt gewesen sei, dass Kaufvertragsgegenstand das „Haus eines Messies“ war. Weiters hat er glaubwürdig und nachvollziehbar dargelegt, dass er den überwiegenden Teil der verfahrensgegenständlichen Fahrnisse bereits entfernt hat.

Strittig ist im Beschwerdeverfahren vielmehr die Rechtsfrage, ob die Beschwerdeführer für die vom ehemaligen Liegenschaftseigentümer verursachten Abfalllagerungen haften.

6.   Rechtslage:

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht – sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist – die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen; andernfalls – zufolge § 31 Abs. 1 VwGVG – mit Beschluss. Soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, hat es den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung
(§ 9 Abs. 3) zu überprüfen und nach § 28 Abs. 2 VwGVG in der Sache zu entscheiden, wenn

1.   der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2.   die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Vorweg ist festzuhalten, dass eine zwischenzeitlich Erfüllung des Auftrages den Maßnahmenauftrag in diesem Umfang nicht rechtswidrig macht. In der Herstellung des Zustandes, der einem erlassenen, im Instanzenzug angefochtenen Auftrag entspricht, ist keine vom Landesverwaltungsgericht Niederösterreich zu beachtende Veränderung des maßgeblichen Sachverhaltes zu erblicken. Denn in diesem Fall darf die Sachlage nicht anders gesehen werden, als ob in der Zeit nach der Erlassung des Bescheides, mit dem die Verpflichtung zur Leistung ausgesprochen worden ist, nichts geschehen wäre (vgl. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I² [1998] 1297, angeführte Rspr).

Zu den in der Beschwerdeschrift monierten verfahrensrechtlichen Mängeln im behördlichen Verfahren ist Folgendes festzuhalten: Die ständige Rechtsprechung des VwGH, wonach eine im erstinstanzlichen Verfahren erfolgte Verletzung des Parteiengehörs im Berufungsverfahren saniert werden kann, wird auf das Beschwerdeverfahren vor dem Verwaltungsgericht übertragen. Eine im Verfahren vor der Verwaltungsbehörde erfolgte Verletzung des Parteiengehörs kann dann durch die mit Beschwerde an das Verwaltungsgericht verbundene Möglichkeit einer Stellungnahme saniert werden, wenn der damit bekämpfte Bescheid die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens vollständig wiedergegeben hat (VwGH 10.09.2015, Ra 2015/09/0056).

Der angefochtene Bescheid der Bezirkshauptmannschaft St. Pölten stützt sich auf
§ 73 Abs. 1 AWG 2002, welcher wie folgt lautet:

„Wenn

1.   Abfälle nicht gemäß den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes, nach diesem Bundesgesetz erlassenen Verordnungen, nach EG-VerbringungsV oder nach EG-POP-V gesammelt, gelagert, befördert, verbracht oder behandelt werden oder

2.   die schadlose Behandlung der Abfälle zur Vermeidung von Beeinträchtigungen der öffentlichen Interessen (§ 1 Abs. 3) geboten ist,

hat die Behörde die erforderlichen Maßnahmen dem Verpflichteten mit Bescheid aufzutragen oder das rechtswidrige Handeln zu untersagen.“

Die abfallrechtliche Liegenschaftseigentümerhaftung ist in § 74 AWG 2002 wie folgt geregelt:

(1) Ist der gemäß § 73 Verpflichtete nicht feststellbar, ist er zur Erfüllung des Auftrags rechtlich nicht imstande oder kann er aus sonstigen Gründen nicht beauftragt werden, so ist der Auftrag nach Maßgabe der folgenden Absätze dem Eigentümer der Liegenschaft, auf der sich die Abfälle befinden, zu erteilen. Ersatzansprüche des Liegenschaftseigentümers an den gemäß § 73 Verpflichteten bleiben unberührt.

(2) Eine Haftung des Liegenschaftseigentümers besteht, wenn er der Lagerung oder Ablagerung entweder zugestimmt oder diese geduldet und ihm zumutbare Abwehrmaßnahmen unterlassen hat. Die Rechtsnachfolger des Liegenschaftseigentümers haften, wenn sie von der Lagerung oder Ablagerung Kenntnis hatten oder bei gehöriger Aufmerksamkeit Kenntnis haben mussten. Die Haftung des Liegenschaftseigentümers und der Rechtsnachfolger besteht nicht bei gesetzlichen Duldungspflichten.

(3) .....

(4) Kann auch der Liegenschaftseigentümer nicht in Anspruch genommen werden, hat die Gemeinde Siedlungsabfälle, die in ihrem Gebiet widerrechtlich gelagert oder abgelagert werden, auf ihre Kosten zu entfernen und umweltgerecht zu behandeln oder behandeln zu lassen. Dies gilt nicht für § 73 Abs. 4. Ersatzansprüche der Gemeinde gegen den Verpflichteten bleiben unberührt."

Nach § 1 Abs. 3 AWG 2002 ist im öffentlichen Interesse die Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung als Abfall dann erforderlich, wenn allenfalls

1.   die Gesundheit der Menschen gefährdet oder unzumutbare Belästigungen bewirken können,

2.   Gefahren für Wasser, Luft, Boden, Tiere oder Pflanzen und deren natürlichen Lebensbedingungen verursacht werden können,

3.   die nachhaltige Nutzung von Wasser oder Boden beeinträchtigt werden kann,

4.   die Umwelt über das unvermeidliche Ausmaß hinaus verunreinigt werden kann,

5.   Brand- oder Explosionsgefahren herbeigeführt werden können,

6.   Geräusche oder Lärm im übermäßigen Ausmaß verursacht werden können,

7.   das Auftreten oder die Vermehrung von Krankheitserregern begünstigt werden können,

8.   die öffentliche Ordnung und Sicherheit gestört werden kann oder

9.   Orts- und Landschaftsbild sowie Kulturgüter erheblich beeinträchtigt werden können.

Gemäß § 2 Abs. 1 AWG 2002 sind Abfälle bewegliche Sachen, deren sich der Besitzer entledigen will oder entledigt hat (subjektiver Abfallbegriff), oder deren Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung als Abfall erforderlich ist, um die öffentlichen Interessen im Sinne des § 1 Abs. 3 leg. cit. nicht zu beeinträchtigen (objektiver Abfallbegriff). Abfall liegt bereits dann vor, wenn entweder der objektive oder der subjektive Abfallbegriff erfüllt ist (VwGH 23.02.2012, 2008/07/0179). Der objektive Abfallbegriff ist erfüllt, wenn durch die gelagerten Gegenstände die in
§ 1 Abs. 3 AWG 2002 normierten öffentlichen Interessen beeinträchtigt werden könnten.

Unbestritten konnte festgestellt werden, dass vom ehemaligen Liegenschaftseigentümer die festgestellten Sachen – teilweise auf ungedichteten Flächen im Freien - im festgestellten Zustand gelagert wurden.

Von einer Entledigung im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 1 AWG 2002 kann dann gesprochen werden, wenn die Weggabe einer Sache in erster Linie darauf abzielt, diese loszuwerden (vgl. VwGH 22.12.2005, 2005/07/0088, mwN).

Ein starker Anhaltspunkt für das Vorliegen eines Entledigungswillens liegt darin, wenn der Inhaber oder Vorbesitzer ausdrücklich seinen Verwendungsverzicht erklärt oder diesen sonst zum Ausdruck bringt (VwGH 25.09.2014, Ro 2014/07/0032). Durch das Ableben des Verursachers kann nicht mehr festgestellt werden, welches Rechtsgeschäft der Übertragung des Eigentums an diesen zugrunde lag und zu welchem Zweck er diese Gegenstände lagerte.

Eine ungeschützte bzw. teilweise systemlos durchgeführte Lagerung von Gegenständen, welche augenscheinlich funktionsunfähig sind bzw. einen starken Verschleiß aufweisen und nicht bestimmungsgemäß verwendet werden, einhergehend mit der großen Gefahr eines Schadens des Ladegutes durch diese Art der Lagerung, manifestiert ebenfalls einen entsprechenden Entledigungswillen, sodass im konkreten Fall davon auszugehen ist, dass der subjektive Abfallbegriff erfüllt ist.

Beinhalten Gegenstände, die auf diese Art gelagert werden, noch umweltrelevante Mengen an gefährlichen Anteilen und Inhaltsstoffen, liegt darüber hinausgehend Abfall im objektiven Sinn vor, weil die Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung dieser Gegenstände im öffentlichen Interesse, insbesondere zum Schutz von Boden und Gewässer, geboten ist. Zu betonen ist dabei auch, dass für die Verwirklichung des objektiven Abfallbegriffes keine konkrete Kontamination, sondern bereits die bloße Möglichkeit einer Gefährdung von Schutzgütern im Sinne des § 1 Abs. 3 AWG 2002 ausreicht (VwGH 22.12.2005, 2005/07/0088).

Für die Qualifikation von Abfall im objektiven Sinn dürfen bewegliche Sachen nach allgemeiner Verkehrsauffassung nicht mehr neu sein (§ 2 Abs. 3 Z 1 AWG 2002) und wegen ihrer Beschaffenheit – z.B. Funktionsuntüchtigkeit – nicht mehr bestimmungsgemäß verwendet werden (§ 2 Abs. 3 Z 2 AWG 2002). Es muss sich also um bewegliche Sachen handeln, deren man sich üblicherweise, d.h. nach der Verkehrsauffassung, entledigt. Bei der allgemeinen Verkehrsauffassung im Sinne des § 2 Abs. 3 AWG 2002 kommt es auf die durchschnittliche Auffassung der in Betracht kommenden Verkehrskreise an, nicht hingegen auf die subjektive Betrachtungsweise des Inhabers der Sache, weshalb auch eine allfällige Reparierabsicht nicht entscheidungsrelevant wäre. Im vorliegenden Verfahren steht unbestritten fest, dass die festgestellten Gegenstände nach allgemeiner Verkehrsauffassung weder neue Sachen im Sinne des § 2 Abs. 3 Z 1 AWG 2002 sind, noch, dass sie in bestimmungsgemäßer Verwendung im Sinne des
§ 2 Abs. 3 Z 2 AWG 2002 stehen. Von einer Funktionstüchtigkeit kann zumindest großteils keine Rede sein (vgl. VwGH 22.04.2010, 2007/07/0015), weshalb die festgestellten Gegenständen (außer die Holzkisten und Holzreste) auch als Abfall im objektiven Sinn anzusprechen sind.

Demnach sind die verfahrensinkriminierten Gegenstände als Abfall im Rechtssinn zu qualifizieren, deren festgestellter Verursacher Verpflichteter iSd § 73 AWG 2002 ist.

Aufgrund des Ablebens des D, geb. ***, im Jahr 2005, kann der gemäß § 73 Verpflichtete zur Erfüllung des abfallrechtlichen Auftrages nicht mehr verpflichtet werden, sodass die Voraussetzung des § 74 Abs. 1 AWG 2002 für den Anwendungsbereich der subsidiären Liegenschaftseigentümerhaftung gegeben ist.

Fraglich ist, ob die Beschwerdeführer als aktuelle Eigentümer oder die historischen Grundstückseigentümer gemäß § 74 Abs. 2 AWG 2002 zu belangen sind.

§ 74 Abs. 1 AWG 2002 verweist auf den "Eigentümer der Liegenschaft" und dessen Beauftragung nach Maßgabe der folgenden Absätze. § 74 Abs. 2 AWG 2002 regelt nun die unterschiedlichen Voraussetzungen für die Heranziehung des Liegenschaftseigentümers im Zeitpunkt der Kontamination zum einen und die der Rechtsnachfolger dieses Liegenschaftseigentümers zum anderen. Daraus ist aber nicht zu folgern, dass der Liegenschaftseigentümer im Zeitpunkt der Kontamination auch dann heranzuziehen ist, wenn er nicht mehr Eigentümer des Grundstückes ist. § 74 Abs. 1 AWG 2002 verweist auf den aktuellen Eigentümer des Grundstückes; je nachdem, ob es sich dabei um den Eigentümer im Ablagerungszeitpunkt handelt oder um seinen Rechtsnachfolger, gelten für seine Heranziehung unterschiedliche Voraussetzungen (vgl. Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum AWG 2002 (984 BlgNR XXI. GP, 104)). Die §§ 31 Abs. 4 und 138 Abs. 4 WRG 1959 weisen in Bezug auf die subsidiäre Liegenschaftseigentümerhaftung eine dem § 74 AWG 2002 vergleichbare gesetzliche Regelung auf. Die subsidiäre Haftung des ursprünglichen Liegenschaftseigentümers nach § 31 Abs. 4 WRG 1959 endet, wenn das Liegenschaftseigentum an einen Rechtsnachfolger übergeht. Mit dem Übergang des Liegenschaftseigentums auf einen Rechtsnachfolger endet die subsidiäre Haftung des Voreigentümers und beginnt die Haftung des aktuellen Eigentümers (so VwGH 29.01.2015, Ro 2014/07/0105 mwN).

Es konnte festgestellt werden, dass die Rechtsmittelwerber von den verfahrens-gegenständlichen Abfalllagerungen Kenntnis hatten, sodass gegen die Heranziehung der Beschwerdeführer als aktuelle Eigentümer der kontaminierten Liegenschaft daher keine Bedenken bestehen. Entsprechend dieser rechtlichen Beurteilung ist spruchgemäß die Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheides abzuändern.

Die Fristen zur vollständigen Erfüllung des Maßnahmenauftrages und zur Vorlage der Entsorgungsnachweise sind angesichts der Dauer des Rechtsmittelverfahrens neu festzusetzen, wobei diese entsprechend dem von der belangten Behörde eingeholten Gutachten des chemisch-technischen Amtssachverständigen in der Verhandlung am 01. März 2017 angepasst wurden.

7.   Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung einerseits nicht von der oben zitierten und einheitlichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, sich andererseits auf den eindeutigen und klaren Gesetzeswortlaut stützen kann (vgl. aus der stRsp zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision in derartigen Fällen z.B. VwGH 29.07.2015, Ra 2015/07/0095) und überdies lediglich eine einzelfallbezogene Beurteilung vorzunehmen war, zu deren Überprüfung der Verwaltungsgerichtshof im Allgemeinen nicht berufen ist (vgl. z.B. VwGH 17.10.2016, Ro 2015/03/0035).

Schlagworte

Umweltrecht; Abfallwirtschaft; Maßnahmenauftrag; subjektiver Abfallbegriff; objektiver Abfallbegriff; Entledigungsabsicht; Haftung; Verfahrensrecht; Parteiengehör;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2018:LVwG.AV.625.001.2017

Zuletzt aktualisiert am

28.05.2018
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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