TE Vwgh Erkenntnis 2000/3/7 99/05/0252

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Veröffentlicht am 07.03.2000
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Index

L37159 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Wien;
L80009 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan Wien;
L80409 Altstadterhaltung Ortsbildschutz Wien;
L82000 Bauordnung;
L82009 Bauordnung Wien;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

BauO Wr §129 Abs2;
BauO Wr §129 Abs4;
BauRallg;
VVG §2 Abs1;
VVG §4 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Rätin Dr. Gritsch, über die Beschwerde des Mustafa Asik in Wien, vertreten durch Mag. Dr. Erhard Buder und Dr. Gabriele Herberstein, Rechtsanwälte in Wien VIII, Lerchenfelderstraße 94, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 14. September 1999, Zl. MA 64-BE 91/98, betreffend Kostenvorauszahlungsauftrag in einer Bausache, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist Eigentümer der Liegenschaft in Wien XII, Altmannsdorfer Straße 105, mit einem darauf befindlichen einstöckigen Gebäude. Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 18. Oktober 1996, der im Jahre 1997 in Rechtskraft erwachsen ist, wurden dem Beschwerdeführer gemäß § 129 Abs. 2 und 4 der Bauordnung für Wien insgesamt 8 Instandsetzungsmaßnahmen aufgetragen.

Beschwerdegegenständlich sind folgende Aufträge:

"3) Die im Geschäftslokal im Erdgeschoß im Ausmaß von ca. 50 cm bei den Scheide- und gangseitigen Trennwänden, sowie von ca. 100 bis 180 cm in den straßenseitigen Außenwänden durch aufsteigende Grundfeuchte durchfeuchteten Wände sind in geeigneter, dauerhafter Weise trockenlegen zu lassen. Der im Bereich der Durchfeuchtung morsche und teilweise abfallende Verputz ist ergänzen bzw. ersetzen zu lassen.

4) Die im Umkleideraum links über dem Gangfenster in der Trennwand zum Gang befindlichen lockeren Verputz- und Ziegelteile im Ausmaß von ca. 200 cm2 sind instandsetzen zu lassen.

5) Die infolge von Stemmarbeiten im Einfahrtsbereich an der Innenseite der Trennwand zum Verkaufslokal entstandenen losen Verputz- und Ziegelteile sind abschlagen und der Verputz hernach instandsetzen zu lassen."

Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 64, vom 28. Mai 1998 wurde dem Beschwerdeführer als Vorauszahlung für die Kosten der Ersatzvornahme aufgetragen, S 959.000,-- gegen nachträgliche Verrechnung zur Einzahlung zu bringen.

Gegen diesen Bescheid hat der Beschwerdeführer berufen und im Wesentlichen vorgebracht, dass eine Mieterin im gegenständlichen Haus den Zutritt zu den Bestandsräumen zwecks Erstellung von Kostenvoranschlägen verweigert habe, diese Kostenvoranschläge jedoch zwischenzeitig eingeholt worden seien; die Arbeiten seien bereits teilweise in Angriff genommen worden. Überdies habe die Behörde bei der Kostenvorschreibung das aus § 2 Abs. 1 VVG ableitbare Schonungsprinzip außer Acht gelassen. Die vorgeschriebene Summe von S 959.000,-- stehe in unverhältnismäßiger Diskrepanz zu den bereits seitens des Beschwerdeführers eingeholten Kostenvoranschlägen.

Im Zuge des Berufungsverfahrens erfolgten weitere Erhebungen durch den Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37/12, der mitteilte, dass die Aufträge zu Punkt 5 teilweise, und zu 6 - 8 zur Gänze durchgeführt seien, die Punkte 3, 4 und 5 (teilweise) seien noch offen. Die Magistratsabteilung 25 teilte mit Schreiben vom 17. März 1999 mit, dass für Baumeisterarbeiten, Installationen, Elektroinstallationen, Steinmetzarbeiten und einen Rauchfangbefund sowie Fußbodenlegearbeiten Aufwendungen im Ausmaß von S 708.280,-- (zuzüglich 20 % Umsatzsteuer) erforderlich seien, um den Aufträgen zu den Punkten 3, 4 und 5 zu entsprechen. Dazu führte der Beschwerdeführer aus, dass die veranschlagten Kosten nicht nachvollziehbar seien, der Fachmann, der vom Beschwerdeführer mit der Durchführung der gegenständlichen Arbeiten beauftragt worden sei, habe einen Kostenvoranschlag vorgelegt, der nicht über S 200.000,-- (inkl. USt) reiche. In der Stellungnahme der MA 25 über die geschätzten Kosten werde aber mehr als das Vierfache veranschlagt, ohne irgendeine nachvollziehbare Begründung für diese abstrakten Positionen "Baumeisterarbeiten, Installationskosten, Elektroinstallationen, Steinmetzarbeiten, Rauchfangbefund, Fußbodenleger" anzuführen. Zum Einen seien die einzelnen Positionen nicht notwendig, um zum gewünschten Ergebnis der Trockenlegung des Mauerwerks zu gelangen, sodass der Verdacht nahe stehe, dass ein Jahrhundertwendehaus auf Kosten des Hauseigentümers unter Umgehung der wichtigsten Eigentümerrechte auf einen Standard angehoben werden solle, den es nie hatte und der auch nach den baurechtlichen Vorschriften nicht verpflichtend sei. Zum Anderen erreichten allein die Baumeisterarbeiten mit S 587.280,-- eine so unerfindliche und eklatante Höhe, dass eine Aufschlüsselung der hierfür zu erbringenden Leistungen verlangt werden müsse.

In der Folge erstellte die Magistratsabteilung 25 am 20. Mai 1999 eine detaillierte Kostenschätzung und veranschlagte u. a. für diverse Fußbodenaufbauten samt Bodenbelägen und Unterbauabbrechen im Ausmaß von ca. 86 m2 S 284.700,-- und für das Durchschneiden der im Bescheid angeführten Mauern, Einbringen einer geeigneten, bituminösen elastischen Isolierung im Ausmaß von ca. 28 m2 S 109.200,--. Mit Stellungnahme vom 28. Juni 1999 reduzierte die MA 25 ihre Kostenschätzung von S 708.280,-- um S 1.000,-- (exklusive Umsatzsteuer). In seiner Stellungnahme zum Vorhalt des Beweisergebnisses führte der Beschwerdeführer aus, dass die Quadratmetermaße der sogenannten detaillierten Kostenschätzung völlig falsch seien. Die im Titelbescheid aufgetragenen Arbeiten beträfen allein das Geschäftslokal, das eine Fläche von 68 m2 habe. Die Maße in den Positionen der MA 25 mit jeweils 86 m2 seien daher falsch, die Gesamtsumme auch. Auch das Maß in der Position 4 mit ca. 150 m2 sei falsch; damit wären nicht nur sämtliche Wände im Umfang vom Boden bis zur Decke sondern auch noch zusätzliche nicht vorhandene Flächen berücksichtigt. Diverse Arbeiten seien überhaupt nicht notwendig; mit dem Lösungsvorschlag des vom Liegenschaftseigentümer beauftragten Baumeisters, wonach ein Durchschneiden der Mauer nicht notwendig sei, habe sich die MA 25 überhaupt nicht auseinander gesetzt. Es sei ihm eine Garantie von 10 Jahren für die Dauerhaftigkeit der Sanierungsmaßnahmen gegeben worden. Mit seiner Stellungnahme legte der Beschwerdeführer Kostenvoranschläge des Baumeisters Ing. G.P. vor sowie ein Sachverständigengutachten des D.I.W.L. Zur Stellungnahme des Beschwerdeführers äußerte sich die Magistratsabteilung 25 mit Schreiben vom 25. August 1999, worin sie ausführte, die Maße für die Kostenschätzung seien aus den Plänen genommen, die für die Kostenschätzung der MA 25 gewählte Methode der Trockenlegung sei weder unzweckmäßig und schon gar nicht unzulässig. Der Kostenvoranschlag, den der Beschwerdeführer vorgelegt habe, entspreche nicht dem Bauauftrag. Dieses Schreiben wurde dem Beschwerdeführer nicht mehr zur Kenntnis gebracht.

Mit Bescheid vom 14. September 1999 hat die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid vom 28. Mai 1998 insofern Folge gegeben, als der zur Vorauszahlung vorgeschriebene Betrag S 837.936,-- betrage und lediglich die Punkte 3, 4 und 5 des Titelbescheides umfasse. Im Übrigen wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. Zur Begründung wurde nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens im Wesentlichen ausgeführt, der Amtsachverständige habe in schlüssiger und nachvollziehbarer Weise dargelegt, wie sich die voraussichtlichen Kosten für die notwendigen Arbeiten errechneten. Die Aufgliederung der Kostenschätzung sei in gebotenem Maße wahrgenommen worden. Die MA 25 gehe davon aus, dass eine zielführende wirksame Trockenlegung das Durchschneiden von Mauern bedinge und der Fußbodenbereich mit einzubeziehen sei. Der Beschwerdeführer argumentiere, dass die von ihm beauftragte Baufirma derartige Arbeiten für nicht erforderlich erachte. Es bleibe dem Beschwerdeführer unbenommen, ein Unternehmen seiner Wahl zu beauftragen. Aus dem Bauauftrag sei aber ersichtlich, dass Ursache für die Durchfeuchtung der Wände die aufsteigende Grundfeuchte sei. Es sei daher auch für einen Laien nachvollziehbar, dass eine dauerhafte Behebung des Baugebrechens das Aufsteigen der Grundfeuchte abstellen müsse. Daher gehe die Kostenschätzung von einer Durchschneidung des Mauerwerks und der damit einhergehenden dauerhaften Isolierung vor aufsteigender Grundfeuchte aus. Die vom Beschwerdeführer geplante Sanierung sehe jedoch lediglich das Abschlagen des Verputzes und die Aufbringung eines Sanierputzes vor. Es sei das Argument des Beschwerdeführers, die MA 25 lege ihrer Kostenschätzung eine überschießende und unzuverlässige Methode zu Grunde, nicht stichhaltig.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten mit einer Gegenschrift vorgelegt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 4 Abs. 1 VVG kann dann, wenn der zu einer Arbeits- oder Naturalleistung Verpflichtete dieser Pflicht gar nicht oder nicht vollständig oder nicht zur gehörigen Zeit nachgekommen ist, die mangelnde Leistung nach vorheriger Androhung auf Gefahr und Kosten des Verpflichteten bewerkstelligt werden. Nach Abs. 2 dieser Bestimmung kann die Vollstreckungsbehörde in einem solchen Fall dem Verpflichteten die Vorauszahlung der Kosten gegen nachträgliche Verrechnung auftragen. Der Auftrag zur Vorauszahlung ist vollstreckbar. Gemäß § 2 Abs. 1 leg. cit. haben die Vollstreckungsbehörden bei Handhabung der in diesem Bundesgesetz geregelten Zwangsbefugnisse an dem Grundsatz festzuhalten, dass jeweils das gelindeste noch zum Ziel führende Zwangsmittel anzuwenden ist.

Der dem Kostenvorauszahlungsauftrag zu Grunde liegende Titelbescheid ist auf § 129 Abs. 2 und 4 der Bauordnung für Wien (BO) gegründet.

Gemäß § 129 Abs. 2 BO hat der Eigentümer (jeder Miteigentümer) dafür zu sorgen, dass die Gebäude und die baulichen Anlagen in gutem, der Baubewilligung und den Vorschriften dieser Bauordnung entsprechendem Zustand erhalten werden. Nötigenfalls hat die Behörde nach Abs. 4 dieser Bestimmung den Eigentümer zur Behebung von Baugebrechen unter Gewährung einer angemessenen Frist zu verhalten; sie verfügt die aus öffentlichen Rücksichten notwendige Beseitigung von Baugebrechen und ordnet die erforderlichen Sicherungsmaßnahmen an.

Dem vorgelegten Verwaltungsakt kann nicht entnommen werden, dass das um die Jahrhundertwende errichtete Gebäude anlässlich seiner Errichtung mit einer horizontalen Isolierung versehen gewesen sei. Der Beschwerdeführer hat während des Verwaltungsverfahrens stets das Gegenteil behauptet, und die belangte Behörde ist dem nicht entgegengetreten. Aus dem im Akt einliegenden Gutachten des D.I.W.L., das anlässlich des beim Bezirksgericht Fünfhaus anhängig gemachten Verfahrens zu 8 Msch 339/96 erstellt wurde, geht hervor, dass das Gebäude ohne Horizontalsperre errichtet wurde. Diese Art der Ausführung sei für "Vorstadthäuser, die um die Jahrhundertwende errichtet wurden", durchaus üblich gewesen.

Das Durchschneiden des Sockelmauerwerks und der nachträgliche Einbau einer Horizontalabdichtung stellt zweifellos eine sinnvolle und dauerhafte Art der Sanierung dar. Ob sie dem aus § 2 VVG ableitbaren Schonungsprinzip Rechnung trägt, wurde jedoch von der belangten Behörde nicht in Erwägung gezogen.

Der Beschwerdeführer hat während des Verwaltungsverfahrens wiederholt darauf hingewiesen, dass die von ihm beauftragte Baumeisterfirma Ing. W.P. mit wesentlich geringeren Mitteln, als von der MA 25 als notwendig erachtet, das Auslangen finden würde und eine Gewährleistung auf eine wirksame Mauerwerkstrockenlegung auf mindestens 10 Jahre gegeben wurde.

Wenn in der Beschwerde ausgeführt wird, der Beschwerdeführer ziehe es vor, alle 10 Jahre solche Mauerwerkstrockenlegungen vornehmen zu lassen, die jedenfalls auf eine Mindestdauer von 10 Jahren wirksam sind, so kann dies im Verfahren relevant sein, wenn es sich hiebei um eine dauerhafte Maßnahme handelt. Selbst das MRG (vgl. § 18 Abs. 1 Z. 3) geht davon aus, dass sich die Notwendigkeit von Instandhaltungsarbeiten bei zu Grunde zu legender regelmäßiger Bestandsdauer erfahrungsgemäß wiederholt; es nimmt dafür einen 10 Jahre nicht übersteigenden Zeitraum an.

Der im Titelbescheid verwendete Begriff "dauerhafte Trockenlegung" ist im Sinne des schon erwähnten Schonungsprinzips weder als Maßnahme mit zeitlich unbegrenzter Wirkung, noch im Sinne einer einem Provisorium nahekommenden Maßnahme zu verstehen.

Da die belangte Behörde zu Unrecht davon ausgegangen ist, im Wege der Ersatzvornahme könne der Hauseigentümer verhalten werden, eine so dauerhafte, aufwendige Trockenlegung des Mauerwerks vorzunehmen, dass dieser eine zeitlich unbegrenzte Wirkung zukommt, belastete sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Ausgehend von ihrer als rechtswidrig erkannten Rechtsansicht belastete sie ihr Verfahren mit sekundären Verfahrensmängeln, da sie es unterlassen hat, eine detaillierte Kostenschätzung für solche Arbeiten vorzunehmen, die dauerhaft im Sinne des Titelbescheides sind. Überdies waren die Trockenlegung bzw. Erneuerung des Fußbodens sowie diverse Installationsarbeiten nicht Gegenstand eines Titelbescheides, die damit im Zusammenhang stehenden Kosten im Schätzungsgutachten der MA 25 finden somit im Titelbescheid keine Deckung und durften schon aus diesem Grunde nicht im Kostenvorauszahlungsauftrag berücksichtigt werden.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Mit der Erledigung der Beschwerde ist der Antrag, dieser die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, gegenstandslos geworden. Wien, am 7. März 2000

Schlagworte

Baupolizei Baupolizeiliche Aufträge Baustrafrecht Kosten Baugebrechen Instandhaltungspflicht Instandsetzungspflicht BauRallg9/3 Baupolizei Vollstreckung Kosten BauRallg10

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1999050252.X00

Im RIS seit

03.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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