Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden und durch den Senatspräsidenten Dr. Schramm, die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny sowie die Hofrätin Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei ADir. J*****, vertreten durch Dr. Peter Resch, Rechtsanwalt in St. Pölten, gegen die beklagte Partei Ing. A*****, vertreten durch Dr. Georg Retter, Rechtsanwalt in Krems an der Donau, wegen Unterlassung, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten vom 14. Juni 2017, GZ 21 R 70/17b-35, womit das Urteil des Bezirksgerichts Lilienfeld vom 14. Jänner 2017, GZ 2 C 1080/15d-31, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 626,52 EUR (davon 104,42 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
Der Kläger ist Diplomrechtspfleger am Bezirksgericht St. Pölten. Er entschied über einen Unterhaltsherabsetzungsantrag des Beklagten mit Beschluss vom 19. 3. 2015, der über Rekurs des Beklagten durch das Gericht zweiter Instanz teilweise abgeändert wurde. In diesem Unterhaltsverfahren hatte der Beklagte den Kläger zuvor erfolglos abgelehnt.
Zugleich mit einem neuerlichen Antrag auf Enthebung von seiner Unterhaltspflicht vom 30. 9. 2015 lehnte der Beklagte den Kläger vorsorglich ab. Er führte aus:
„Ablehnungsantrag, falls dieser Akt von Herrn [Kläger] bearbeitet werden soll. Der Richter Herr … hat in Vertretung der Bezirksgerichtsvorsteherin die Unbefangenheit des Herrn [Kläger] bei meinem ersten Ablehnungsantrag festgestellt. Er hat diese Unbefangenheit aus meiner Sicht mit Argumenten auf Kindergartenniveau begründet. Nichts desto trotz wurde von der österreichischen Justiz durch deren zuständige Vertreter (ob dies in der ersten Ablehnung rechtens war, zweifle ich hiermit an) die Unbefangenheit des Herrn [Kläger] festgestellt. Mein Rekurs zum Landesgericht hat aber gezeigt, dass der Herr [Kläger] so ziemlich alles falsch gemacht hat. Da er von der Justiz als unbefangen gesehen wird, kann ich nur den nüchternen Schluss ziehen, dass der Herr [Kläger] völlig unfähig ist, seinen Job ordentlich zu erfüllen. Es kann mir, als österreichischem Staatsbürger, wohl nicht zugemutet werden, meine kostbare Freizeit mit einem derartigen Dilettanten verschwenden zu müssen. Zusätzlich muss die Justiz in Zeiten der Kostenreduktion überdenken, ob ein derart ungeeigneter Mitarbeiter weiterhin tragbar ist und etwaige Personalkonsequenzen zu ziehen sind. Eben aus diesen angeführten Gründen lehne ich diesen Herren entschieden ab.“
Der Kläger begehrt zuletzt, dem Beklagten die Verbreitung der Äußerungen, der Kläger „sei völlig unfähig, seinen Job ordentlich zu erfüllen“, „sei ein Dilettant“ und „sei ein ungeeigneter Mitarbeiter“, sowie sinngemäßer Äußerungen zu verbieten. Die unrichtigen Äußerungen des Beklagten über den Kläger seien allen Bearbeitern, Entscheidungsorganen und Parteien des Unterhaltsverfahrens zur Kenntnis gelangt.
Der Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Eine Ehrenbeleidigung liege nicht vor, weil die Äußerungen des Beklagten überprüfbar seien. Der Beklagte sei verpflichtet, Missstände aufzuzeigen und einen Ablehnungsantrag zu stellen, wenn für ihn Anzeichen der Befangenheit ersichtlich würden. Er habe sachbezogene Kritik geübt. Offenkundiger Zweck des Ablehnungsantrags sei gewesen, eine neuerliche Entscheidung über Unterhaltsfragen durch den Kläger zu verhindern. Der Beklagte habe sich nur auf eine konkrete Fehlentscheidung des Klägers bezogen.
Das Erstgericht gab der Klage statt. Die dem Beklagten verbotenen Äußerungen seien als Ehrenbeleidigung (§ 1330 Abs 1 ABGB) zu qualifizieren. Sie überstiegen in ihrer Intensität das Maß einer sachlich geäußerten Kritik bzw Begründung eines Ablehnungsantrags beträchtlich.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Der mit etwa 50 % bewertete Rekurserfolg des Beklagten im Unterhaltsverfahren biete selbst aus der Sicht eines juristischen Laien keinen Anlass für die noch einen konkreten Bezug (Erstentscheidung/Rekursentscheidung) habende Aussage, der Kläger habe „so ziemlich alles falsch gemacht“, deren Unterlassung der Kläger nicht mehr begehre. Davon abgesehen seien Abänderungen durch die Rechtsmittelinstanzen nichts Ungewöhnliches und finde insbesondere die Unterhaltsbemessung nicht schematisch nach einer Art einfach zu handhabender Tabelle, sondern einzelfallspezifisch unter Berücksichtigung diverser rechtlicher Erwägungen statt. Die noch inkriminierten Äußerungen des Beklagten hingegen seien gegen die Person des Klägers gerichtet gewesen. Es sei nicht ersichtlich, dass sich diese Äußerungen auf wahre Tatsachen beziehen sollten, die einer objektiven Nachprüfung zugänglich seien, räume doch der Beklagte selbst ein, der Kläger „könnte sehr wohl die entsprechenden Fähigkeiten besitzen, um die Arbeiten durchzuführen“. Der vorletzte Satz des Ablehnungsantrags des Beklagten sei so formuliert, dass beim Dienstgeber „etwaige Personalkonsequenzen“ für einen „derart ungeeigneten Mitarbeiter“ angeregt werden sollen. Diese Anregung gründe sich auf generalisierende, das heiße vom Anlassfall losgelöste Vorwürfe gegen den Kläger (völlig unfähig, Dilettant, ungeeignet). Der Beklagte sei nicht im Rahmen einer allenfalls überzogenen Kritik an einer konkreten Entscheidung des Klägers im Unterhaltsverfahren geblieben, sondern habe „verallgemeinert im Sinn einer pauschalen Abqualifizierung der Fähigkeiten des Klägers sowie einer Anregung, dessen Eignung zu überprüfen“. Diese generalisierenden Vorwürfe hätten keine wahren Tatsachen zum Gegenstand. Die überschießende verallgemeinernde Diktion des Beklagten überschreite die Grenzen einer sachlich berechtigten Kritik oder Äußerung im Rahmen eines Ablehnungsantrags erheblich. Dem Beklagten werde keineswegs das Recht abgesprochen, ein Organ der Rechtspflege zu kritisieren, wenn dieses eine (angebliche) Fehlentscheidung getroffen habe; es gehe hier jedoch nicht um eine Kritik an einer konkreten Entscheidung oder um eine daraus sachlich abgeleitete Ablehnung, sondern um durch nichts begründete, pauschale und ehrverletzende Vorwürfe gegenüber dem Kläger, dieser sei völlig unfähig, seinen Job ordentlich zu erfüllen, sei ein Dilettant und ein ungeeigneter Mitarbeiter, dies sogar verknüpft mit einer Überprüfungsanregung an den Dienstgeber. Der Beklagte habe mit seinen Äußerungen die Grenzen sachlicher Kritik bei weitem überschritten. Die Tatsache, dass die erstinstanzliche Entscheidung des Klägers durch die zweite Instanz
– teilweise – korrigiert worden sei, beweise nicht im Geringsten, dass der Kläger die ihm vorgeworfenen negativen Eigenschaften habe.
Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR, nicht jedoch 30.000 EUR übersteige und dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil zu Klagsführungen nach § 1330 Abs 1 ABGB von Gerichtsorgangen gegen Parteien keine höchstgerichtliche Judikatur vorliege.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision des Beklagten ist – entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts (§ 508a Abs 1 ZPO) – mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.
Die Zurückweisung kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO).
Der Beklagte macht im Revisionsverfahren zusammengefasst geltend, seine Äußerungen stellten eine wertende Kritik dar, die sich auf eine nachweisliche berufliche Fehlleistung des Klägers bezogen habe. Sie seien im Hinblick auf den beruflichen Kontext sachlich und setzten den Kläger nicht pauschal herab. Ein Ablehnungsantrag sei die schärfste Waffe einer Prozesspartei. Von der Grenze des in diesem Zusammenhang Zulässigen sei der Beklagte mit seiner vielleicht scharfen, aber immer sachlich begründeten Kritik zweifellos weit entfernt gewesen. Bei Angehörigen der Justiz müsse im Interesse der Rechtspflege ein besonders hoher Maßstab an die beruflichen Fähigkeiten angelegt werden. Ganz allgemein seien überspitzte Formulierungen legitim. Gerade im Rahmen eines Ablehnungsantrags sei es zulässig, etwas Negatives über einen Justizbediensteten anzuführen. Es seien die Interessen des Beklagten an einer ordnungsgemäßen Rechtspflege mit den Interessen des Klägers auf Schutz seiner Ehre abzuwägen. Gerade Organe der Rechtspflege müssten harsche Kritik an Fehlentscheidungen akzeptieren können.
Eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung (§ 502 Abs 1 ZPO) zeigen weder die Zulässigkeitsbegründung des Berufungsgerichts noch die Revisionsausführungen auf.
1. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs hängen die Fragen, ob eine andere Beurteilung der festgestellten Äußerung vertretbar gewesen wäre, ob Tatsachen verbreitet wurden oder eine wertende Äußerung vorliegt oder ob eine bestimmte Äußerung als Wertungsexzess zu qualifizieren ist (RIS-Justiz RS0113943), so sehr von den Umständen des Einzelfalls ab, dass erhebliche Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO in der Regel – von einer krassen Fehlbeurteilung durch die Vorinstanzen abgesehen – nicht zu klären sind.
2.1. § 1330 Abs 1 ABGB schützt vor einer „Ehrenbeleidigung“. Unter Ehre ist der aus der Personenwürde entspringende, jedermann zukommende Anspruch auf achtungsvolle Behandlung durch andere zu verstehen (6 Ob 40/09i).
2.2. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass die inkriminierten Formulierungen des Beklagten in seinem Ablehnungsantrag beleidigend iSd § 1330 Abs 1 ABGB sind, ist im gegebenen Zusammenhang jedenfalls vertretbar, richten sie sich doch inhaltlich nicht gegen eine Entscheidung des Klägers, sondern schon nach ihrer Formulierung gegen seine Person; der Kläger soll erkennbar beleidigt werden, indem er als beruflich unfähig hingestellt wird.
3.1. Art 10 EMRK stellt klar, dass das Recht auf freie Meinungsäußerung (Abs 1) die Freiheit der Meinung und die Freiheit zum Empfang und zur Mitteilung von Nachrichten oder Ideen einschließt, sieht aber in Abs 2 im Hinblick darauf, dass die Ausübung dieser Freiheit Pflichten und Verantwortung mit sich bringt, die Möglichkeit von Formvorschriften, Bedingungen, Einschränkungen oder Strafdrohungen vor, „wie sie in deiner demokratischen Gesellschaft im Interesse der nationalen Sicherheit, der territorialen Unversehrtheit oder öffentlichen Sicherheit, der Aufrechterhaltung der Ordnung und der Verbrechensverhütung, des Schutzes der Gesundheit und der Moral, des Schutzes des guten Rufes oder der Rechte anderer unentbehrlich sind, um die Verbreitung von vertraulichen Nachrichten zu verhindern oder das Ansehen und die Unparteilichkeit der Rechtsprechung zu gewährleisten“.
3.2. Solange bei wertenden Äußerungen die Grenzen zulässiger Kritik nicht überschritten werden, kann auch massive, in die Ehre eines anderen eingreifende Kritik, die sich an konkreten Fakten orientiert, zulässig sein (RIS-Justiz RS0054817). Unsachliche und erkennbar beleidigende Äußerungen über ein Gerichtsorgan genießen nicht den Schutz der freien Meinungsäußerung, weil – wie aus Art 10 Abs 2 EMRK hervorgeht – in einer demokratischen Gesellschaft ein dringendes Bedürfnis besteht, das Ansehen der Rechtsprechung zu wahren (vgl RIS-Justiz RS0036302; VfGH B 1103/11; VfSlg 12.796, 14.233, 15.586, 16.792).
4. Der Beklagte stützt seine den Kläger beleidigenden und verunglimpfenden Formulierungen allein auf den Umstand, dass eine Entscheidung des Klägers im Rechtsmittelweg teilweise abgeändert wurde. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass diese Tatsache allein auch im Rahmen eines Ablehnungsantrags keine hinreichende Grundlage für die harsche Kritik an der Person des Klägers in seiner beruflichen Stellung bildet, ist nicht korrekturbedürftig.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Der Kläger hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.
Textnummer
E121469European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2018:0060OB00184.17B.0328.000Im RIS seit
25.05.2018Zuletzt aktualisiert am
16.05.2019