Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann, die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache der Antragstellerin Dr. E*****, vertreten durch die Altenweisl Wallnöfer Watschinger Zimmermann Rechtsanwälte GmbH, Innsbruck, gegen die übrigen Mit- und Wohnungseigentümer der Liegenschaft EZ ***** KG ***** als Antragsgegner, darunter 36. Mag. Dr. K*****, vertreten durch Mag. Daniel Ludwig, Rechtsanwalt in Schwaz, wegen § 16 Abs 2 iVm § 52 Abs 1 Z 2
WEG, über den Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 20. Oktober 2017, GZ 2 R 106/17b-48, mit dem der Sachbeschluss des Bezirksgerichts Innsbruck vom 19. Jänner 2017, GZ 11 Msch 28/14g-44, teilweise abgeändert wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Die Parteien sind Mit- und Wohnungseigentümer einer Liegenschaft, auf der Reihenhäuser errichtet sind. Das Wohnungseigentumsobjekt der Antragstellerin ist das westliche Randhaus der südlichen Reihenhauszeile. Das Reihenhaus des 36. Antragsgegners schließt östlich daran an. Die übrigen Mit- und Wohnungseigentümer haben sich am Verfahren nicht beteiligt.
Gegenstand des Revisionsrekursverfahrens ist nur mehr die von der Antragstellerin begehrte Genehmigung des von ihr bereits durchgeführten Abbruchs der Außenwand im Wohn-/Essbereich und der stattdessen eingebauten Schiebetürkonstruktion, die der ursprünglichen Außenwand vorgesetzt ist, wodurch der Wohnbereich um 4,37 m² vergrößert wurde, und zur Errichtung einer Außenstiege im Osten der Terrasse.
Das Rekursgericht wies insoweit den Antrag in Abänderung des erstgerichtlichen Sachbeschlusses ab. Es verneinte die Verkehrsüblichkeit dieser Änderungen und ein wichtiges Interesse der Antragstellerin daran. Hinsichtlich der Außenstiege sah es auch schutzwürdige Interessen des 36. Antragstellers verletzt.
Den Revisionsrekurs erklärte das Rekursgericht zusammengefasst mit der Begründung für zulässig, dass „zur Frage, ob und gegebenenfalls inwieweit die Verkehrsüblichkeit von Umbauten bei Reihenhausanlagen anders zu beurteilen ist, als bei sonstigen Wohnungseigentumsanlagen, höchstgerichtliche Judikatur nicht aufgefunden werden konnte“.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch (§ 71 Abs 1 AußStrG) nicht zulässig.
1.1 Die Außenhaut des Hauses stellt – jedenfalls im Lichte des § 16 Abs 2 Z 2 WEG – einen allgemeinen Teil der Liegenschaft dar (5 Ob 34/10a; 5 Ob 78/10x; RIS-Justiz RS0082890&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=True&SucheNachText=False">RS0069457; RS0083334 [T3]; Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und Wohnrecht²³ § 16 WEG Rz 31 mwN). Das gilt selbst dann, wenn diese an in Sondernutzung stehende Flächen angrenzt (vgl 5 Ob 45/03h; 5 Ob 78/10x).
1.2 Dass das Rekursgericht den durchgeführten Abbruch einer Außenwand im Wohn-/Essbereich und Einbau einer vorgesetzten Schiebetürkonstruktion samt Vergrößerung des Wohnbereichs um 4,37 m² nach § 16 Abs 2 Z 2 WEG beurteilte, entspricht daher der Judikatur des Obersten Gerichtshofs. Diese Änderungen dürfen, damit sie genehmigt werden können, insbesondere schutzwürdige Interessen der anderen Wohnungseigentümer nicht beeinträchtigen (§ 16 Abs 2 Z 1 WEG) und müssen entweder der Übung des Verkehrs entsprechen oder einem wichtigen Interesse der Antragstellerin dienen (§ 16 Abs 2 Z 2 WEG).
1.3 Soweit die Antragstellerin auch noch in ihrem Revisionsrekurs bezweifelt, dass die von ihr bereits durchgeführten Maßnahmen dem § 16 Abs 2 Z 2 WEG zu unterstellen sind, missdeutet sie die von ihr zitierte Rechtsprechung. Danach ist zwar eine Änderung an einem Objekt, das sich auf einem Liegenschaftsteil befindet, der im Zubehör-Wohnungseigentum (§ 2 Abs 3 WEG) steht und daher dem ausschließlichen Nutzungsrecht des Wohnungseigentümers unterliegt, (nur) nach Z 1 des § 16 Abs 2 WEG zu prüfen (RIS-Justiz RS0124684). Die dazu ergangenen Entscheidungen (5 Ob 9/09v, 5 Ob 208/11s) betrafen aber jeweils Gartenhäuser, die auf Flächen gemäß § 2 Abs 3 WEG errichtet worden waren. Davon unterscheidet sich das Reihenhaus der Antragstellerin grundlegend. Die Außenwand ihres Wohnungseigentumsobjekts verliert entgegen ihrer Ansicht nicht schon deshalb die Qualifikation als allgemeiner Teil der Liegenschaft, nur weil es als Eckreihenhaus an drei Seiten von Zubehörflächen umgeben ist.
2. Ob die Änderung eines Wohnungseigentumsobjekts zulässig ist, hängt immer von den Umständen des Einzelfalls ab, die in ihrer Gesamtheit zu beurteilen sind (RIS-Justiz RS0083309; vgl RS0109643). Auch die Frage nach der Verkehrsüblichkeit ist eine solche des Einzelfalls (RIS-Justiz RS0119528). Dass es sich beim Wohnungseigentumsobjekt der Antragstellerin um ein Reihenhaus handelt, ändert daran nichts. Solange das Rekursgericht bei der Beurteilung dieser Frage den ihm eingeräumten Ermessensspielraum (5 Ob 47/06g mwN; 5 Ob 63/08p) nicht überschritten hat, liegt daher auch keine erhebliche Rechtsfrage vor (5 Ob 180/08v).
3. Grundsätzlich ist die Rechtsprechung bei der Qualifikation von Eingriffen in die Bausubstanz eines Hauses als verkehrsüblich sehr zurückhaltend (RIS-Justiz RS0069704). So hat der Oberste Gerichtshof bereits ausgesprochen, dass die Beurteilung, ein Vorziehen der Außenwand bis zum Rand der Loggia samt damit verbundener Vergrößerung des Wohnraums und Umwidmung eines Terrassenteils in Wohnraum sei nicht verkehrsüblich, von den durch die Rechtsprechung zu § 16 Abs 2 WEG entwickelten Grundsätzen gedeckt ist (5 Ob 258/06m). Auch mit der vorliegenden Maßnahme ist ein Vorziehen der Außenwand und eine Vergrößerung des Wohnraums durch Einbeziehung von Terrassenflächen verbunden, sodass es der Antragstellerin nicht gelingt ein Überschreiten des dem Berufungsgericht bei der Beurteilung dieser Frage eingeräumten Ermessens aufzuzeigen. Mit der bloßen Verglasung einer Loggia, wie sie unter Verweis auf die Entscheidung 5 Ob 212/01i meint, ist die von ihr durchgeführte Änderung nicht vergleichbar. Auch nach dieser Entscheidung wäre eine solche Maßnahme aber keineswegs grundsätzlich zu bejahen.
4. Die Beurteilung einer Änderung als verkehrsüblich ist eine Rechts- und keine Tatfrage (5 Ob 80/01b; Würth/Zingher/Kovanyi Rz 33). Damit spricht die Antragstellerin auch keine Mangelhaftigkeit des Rekursverfahrens an, wenn sie geltend macht, das Rekursgericht hätte die Frage der Verkehrsüblichkeit nicht ohne weitere Beweisaufnahmen beurteilen dürfen, weil der vom Erstgericht beauftragte Sachverständige die Änderungen aus technischer Sicht als „verkehrsüblich“ einstufte.
5. Der weiteren Beurteilung des Rekursgerichts, das auch ein wichtiges Interesse im Sinn des § 16 Abs 2 Z 2 WEG (vgl dazu RIS-Justiz RS0083341) am Abbruch der Außenwand und Einbau einer vorgesetzten Schiebetürkonstruktion verneinte und durch die Errichtung einer Außenstiege im Osten der Terrasse schutzwürdige Interessen des 36. Antragstellers verletzt sah, weil das Treppenpodest wie eine Aussichtsplattform wirke, tritt die Antragstellerin in ihrem Revisionsrekurs nicht mehr entgegen. Ihr Rechtsmittel ist daher zurückzuweisen; einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).
Textnummer
E121421European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2018:0050OB00049.18V.0410.000Im RIS seit
27.05.2018Zuletzt aktualisiert am
14.01.2020