Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Höllwerth, Dr. E. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. L***** C*****, 2. M***** B*****, vertreten durch Mag. Wolfgang Gartner, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei S***** Ltd, *****, vertreten durch Schönherr Rechtsanwälte GmbH in Wien, und deren Nebenintervenientin U***** AG, *****, vertreten durch Dr. Josef Milchram, Dr. Anton Ehm, Mag. Thomas Mödlagl, Rechtsanwälte in Wien, wegen 404.932,50 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 28. Februar 2017, GZ 5 R 192/16s-77, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1.1. Die dreijährige Verjährungsfrist nach § 1489 ABGB beginnt mit dem Zeitpunkt zu laufen, in dem der Ersatzberechtigte sowohl den Schaden als auch den Ersatzpflichtigen soweit kennt, dass eine Klage mit Aussicht auf Erfolg erhoben werden kann (RIS-Justiz RS0034524; vgl auch RS0034374). Maßgeblich ist nicht, ob sich der Anspruchsberechtigte subjektiv in einem Irrtum oder in Zweifeln, etwa über die rechtlichen Erfolgsaussichten einer Klagsführung auf Basis der jeweils aktuellen Rechtsprechung, befunden hat, sondern ob dem Geschädigten objektiv alle für das Entstehen des Anspruchs maßgebenden Tatumstände bekannt waren (vgl RIS-Justiz RS0034547). Ein Kennenmüssen reicht daher grundsätzlich nicht aus (RIS-Justiz RS0034366 [T3, T6]); doch wird in gewissem Umfang eine Erkundungsobliegenheit angenommen (RIS-Justiz RS0034686 [T12]), wenn der Geschädigte die für die erfolgversprechende Anspruchsverfolgung notwendigen Voraussetzungen ohne nennenswerte Mühe in Erfahrung bringen kann (RIS-Justiz RS0034524 [T21]; RS0034366 [T20]).
1.2. Die Annahme der Vorinstanzen, dass die Kläger, denen die Beklagte bekannt war, die ohnehin nur kurze Vertriebskette durch Nachfrage bei der Beraterin, zu der sie noch persönlichen Kontakt hatten, ohne nennenswerte Mühe und daher in zumutbarer Weise hätten in Erfahrung bringen können, ist eine typische Einzelfallbeurteilung, die sich im Rahmen der Rechtsprechung hält und nicht korrekturbedürftig ist.
2.1. Entgegen der Ansicht der Kläger gilt nach aktueller Rechtsprechung für Anlegerschäden die sogenannte Trennungstheorie nicht generell und uneingeschränkt (vgl 5 Ob 133/15t; 10 Ob 70/15i; 1 Ob 112/17b). Vielmehr ist für die Frage der Verjährung von Ansprüchen aus Beratungsfehlern bei Veranlagungs- und/oder Finanzierungskonzepten, die eine Kombination von Fremdwährungskrediten mit verschiedenen Tilgungsträgern vorsehen, entscheidend, zu welchem Zeitpunkt der Geschädigte erkennt, dass das Gesamtkonzept entgegen den Zusicherungen nicht oder nicht im zugesagten Ausmaß risikolos ist (5 Ob 177/15p mwN; 5 Ob 133/15t = VbR 2016/82 [Kolba]; 7 Ob 137/17y). Bei derartigen Modellen ist demnach entscheidend, zu welchem Zeitpunkt der Geschädigte erkennt oder erkennen musste, dass das Gesamtkonzept den Zusagen nicht entspricht (1 Ob 28/17z). Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, wonach die Verjährungsfrist bei Klagseinbringung im Jahre 2013 bereits abgelaufen gewesen sei, weil die Kläger spätestens Ende 2008 erkannt haben, dass die Lebensversicherung nicht die versprochene Garantieverzinsung von 3 % pa erbringt, hält sich ebenfalls im Rahmen der Rechtsprechung und bedarf daher keiner Korrektur.
2.2. Soweit die Kläger den (selbständigen) Beginn der Verjährungsfrist an den Zeitpunkt der erlangten Kenntnis über von der Beklagten angeblich vorgenommene „Quersubventionierungen“ zwischen mehreren Pools anknüpfen wollen, fehlt dafür insofern die Tatsachengrundlage, als das Berufungsgericht erfolgte „Quersubventionierungen“ als nicht erwiesen angenommen hat. Im Übrigen handelt es sich dabei nur um einen Teilaspekt der Ertrags- und Risikobeurteilung, der nach der insoweit maßgeblichen Interessenlage eines durchschnittlichen Anlegers im Rahmen eines Gesamtkonzepts nicht als selbständiger Beratungsfehler zu qualifizieren wäre (vgl 5 Ob 133/15t = VbR 2016/82 [Kolba]; 7 Ob 137/17y) und daher nicht zu einer gesonderten verjährungsrechtlichen Anknüpfung führen kann.
3.1. Das Erstgericht hat betreffend die Abweisung des Eventualbegehrens auf Rechnungslegung in seiner rechtlichen Beurteilung begründet, warum die Beklagte dem VAG, damit auch in bestimmtem Umfang öffentlicher Beaufsichtigung unterlag und vom Ausschluss des § 9 Abs 1 Z 1 WAG 1997 erfasst war, weshalb eine analoge Anwendung des WAG ausscheide. Gegen diese Rechtsansicht bringen die Kläger in ihrer Revision nichts vor.
3.2. Auf den Versicherungsvertrag war vereinbarungsgemäß österreichisches Recht anzuwenden. Der für den hier relevanten Zeitraum geltende § 18b VAG enthält bestimmte Informationspflichten, die in der fondsgebundenen Lebensversicherung (ua) die Kapitalanlagefonds betreffen, an denen die Anteilsrechte bestehen, und die Art der darin enthaltenen Vermögenswerte und die sich auf Änderungen während der Laufzeit erstrecken (§ 18b Abs 1 Z 6 und Abs 2 Z 1 VAG). Die Kläger haben alljährliche Wertinformationen erhalten; dass diese nicht dem § 18b VAG entsprochen hätten, wird in der Revision nicht einmal behauptet. Dass aufgrund der Angaben nach § 18b Abs 1 Z 6 und Abs 2 Z 1 VAG Wertsteigerungen im Poolvermögen und darauf aufbauend ein „Fälligkeitsbonus“ (Gewinnanteil) nicht ermittelbar gewesen seien und deshalb ein strukturelles Informationsdefizit vorgelegen habe, behauptet die Revision nur, macht dies aber nicht plausibel. Es besteht bei dieser Sachlage kein Grund von der auch von den Vorinstanzen zugrunde gelegten Rechtsprechung abzuweichen, wonach auch nach der VAG-Novelle 1994 kein über die nach § 18b Abs 2 Z 2 VAG jährlich vom Versicherer zu erstattende Mitteilung des Stands der Gewinnbeteiligung hinausgehender Anspruch des Versicherungsnehmers auf Rechnungslegung besteht (RIS-Justiz RS0124675).
3.3. Dass es sich beim maßgeblichen Vertragsverhältnis um einen Bevollmächtigungsvertrag im Sinne der §§ 1002 ff ABGB gehandelt habe und deshalb § 1012 ABGB zur Anwendung komme, machen die Kläger in der Revision erstmals geltend und dafür fehlt jede Sachverhaltsgrundlage. Damit zeigen die Kläger auch betreffend die Abweisung des Eventualbegehrens auf Rechnungslegung keine aufzugreifende Fehlbeurteilung der Vorinstanzen auf.
4. Mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision unzulässig und daher zurückzuweisen. Einer weitergehenden Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).
Textnummer
E121474European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2018:0070OB00199.17S.0420.000Im RIS seit
25.05.2018Zuletzt aktualisiert am
18.10.2018