Entscheidungsdatum
20.09.2017Index
60/01 ArbeitsvertragsrechtNorm
AVRAG §7g Abs1Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Verwaltungsgericht Wien hat durch die Richterin Dr. Hason über die Beschwerde des Herrn D. R., vertreten durch Herrn Dipl.-Ing. K., pA Firma E. GmbH, gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den … Bezirk, vom 26.9.2016, Zahl: MBA … - S 1700/15, betreffend eine Verwaltungsübertretung nach dem AVRAG, zu Recht erkannt:
Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde Folge gegeben, das Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 3 VStG eingestellt.
Gemäß § 52 Abs 8 VwGVG hat der Beschwerdeführer keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten.
Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG unzulässig.
Entscheidungsgründe
Das gegen den nunmehrigen Beschwerdeführer als Beschuldigten gerichtete Straferkenntnis enthält folgenden Spruch:
„Sie haben als handelsrechtlicher Geschäftsführer bis 2.4.2012 und somit als gemäß § 9 Abs. 1 VStG 1991 zur Vertretung nach außen berufenes Organ der E.-C. GmbH mit damaligen Sitz in Wien, W.-gasse (nunmehr E. GmbH, Wien, R.-gasse), zu verantworten, dass durch diese Gesellschaft als Arbeitgeberin hinsichtlich des gegenüber dem nach Gesetz, Verordnung oder Kollektivvertrag zustehenden Grundlohnes des von 1.5.2011 bis 30.6.2015 als Maler und Tapezierer beschäftigten Arbeitnehmers M. DA., geb. 1973, im Zeitraum von 1.5.2011 bis 31.3.2012 für seine wöchentliche Arbeitszeit von 20 Stunden wegen seines Anspruches von insgesamt 11.446,69 Euro brutto und der tatsächlichen Auszahlung von insgesamt nur 6.940,10 Euro brutto somit um 4.506,59 Euro brutto unterentlohnt wurde und die Nachzahlung dieser aushaftenden Differenzbeträge zumindest bis 13.1.2015 noch nicht geleistet wurde.
Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:
§ 7g Abs. 1 in Verbindung mit § 7i Abs. 3 des Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetzes - AVRAG, BGBl. Nr. 459/1993, in der Fassung BGBl. I Nr. 24/2011, im Zusammenhalt mit § 9 Abs. 1 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 - VStG.
Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über Sie folgende Strafe verhängt:
Geldstrafe von Euro 2.000,00, falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von 5 Tagen gemäß § 7i Abs. 3 AVRAG.
Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen:
Euro 200,00 als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, d.s. 10% der Strafe (mindestens jedoch Euro 10,00 je Übertretung).
Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten) beträgt daher Euro 2.200,00.
Außerdem sind die Kosten des Strafvollzuges zu ersetzen.
Die E.-C. GmbH haftet für die mit diesem Bescheid über den zur Vertretung nach außen Berufenen, Herrn D. R., verhängte Geldstrafe von Euro 2.000,00 und die Verfahrenskosten in der Höhe von Euro 200,00 sowie für sonstige in Geld bemessene Unrechtsfolgen gemäß § 9 Abs. 7 VStG zur ungeteilten Hand.“
Im dagegen gerichteten Rechtsmittel wurde vorgebracht, dass Herrn Da. die Entgeltdifferenzen nach Bekanntwerden dieser Angelegenheit sofort nachgezahlt worden seien.
Das Verwaltungsgericht Wien hat – ohne auf das Beschwerdevorbringen eingehen zu müssen - dazu erwogen:
Das AVRAG lautete in der im gegenständlichen Fall relevanten, im Tatzeitraum geltenden Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 24/2011 (auszugsweise):
„Strafbestimmungen
§ 7i.
...
(3) Wer als Arbeitgeber/in ein/en Arbeitnehmer/in beschäftigt oder beschäftigt hat, ohne ihm/ihr zumindest den nach Gesetz, Verordnung oder Kollektivvertrag zustehenden Grundlohn unter Beachtung der jeweiligen Einstufungskriterien zu leisten, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit einer Geldstrafe zu bestrafen, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet. Sind von der Unterentlohnung höchstens drei Arbeitnehmer/innen betroffen, beträgt die Geldstrafe für jede/n Arbeitnehmer/in 1 000 Euro bis 10 000 Euro, im Wiederholungsfall 2 000 Euro bis 20 000 Euro, sind mehr als drei Arbeitnehmer/innen betroffen, für jede/n Arbeitnehmer/in 2 000 Euro bis 20 000 Euro, im Wiederholungsfall 4 000 Euro bis 50 000 Euro.
(4) Stellt die Bezirksverwaltungsbehörde fest, dass die Unterschreitung des Grundlohns gering oder das Verschulden des Arbeitgebers oder der Arbeitgeberin geringfügig ist, hat sie von der Verhängung einer Strafe abzusehen, sofern der/die Arbeitgeber/in dem/der Arbeitnehmer/in die Differenz zwischen dem tatsächlich geleisteten und dem dem/der Arbeitnehmer/in nach den österreichischen Rechtsvorschriften gebührenden Entgelt binnen einer von der Behörde festzusetzenden Frist nachweislich leistet und eine solche Unterschreitung des Grundlohns durch den/die Arbeitgeber/in das erste Mal erfolgt. Hat das Kompetenzzentrum LSDB, der zuständige Krankenversicherungsträger oder die Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse bei erstmaliger Unterschreitung des Grundlohns von einer Anzeige abgesehen oder hat die Bezirksverwaltungsbehörde von der Verhängung einer Strafe abgesehen, ist bei der erstmaligen Wiederholung der Unterschreitung zumindest die Mindeststrafe zu verhängen. Im Fall des ersten und zweiten Satzes ist § 21 Abs. 1 VStG nicht anzuwenden. Weist der/die Arbeitgeber/in der Bezirksverwaltungsbehörde nach, dass er/sie die Differenz vom tatsächlich geleisteten und dem dem/der Arbeitnehmer/in nach den österreichischen Rechtsvorschriften gebührenden Entgelt geleistet hat, ist dies bei der Strafbemessung strafmildernd zu berücksichtigen.
(5) Die Verjährungsfrist (§ 31 Abs. 2 VStG) für Verwaltungsübertretungen gemäß Abs. 3 beträgt ein Jahr.
..."
Mit der Novelle BGBl. I Nr. 94/2014 wurde § 7i AVRAG neu gefasst, sein Abs 7 enthält eine Neuregelung der Fristen für die Verfolgungs- und die Strafbarkeitsverjährung, Abs 7a regelt, wann der Fristenlauf für die Verfolgungs- und die Strafbarkeitsverjährung beginnt, falls das gebührende Entgelt nachträglich geleistet wurde.
§ 19 Abs 1 Z 30 AVRAG idF dieser Novelle lautet (auszugsweise):
"Inkrafttreten und Vollziehung
§ 19.
...
31. Die §§ 7a, 7b und 7d bis 7o samt Überschriften in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 94/2014 treten mit 1. Jänner 2015 in Kraft. In Verwaltungs(straf)verfahren nach den §§ 7b Abs. 8, 7i und 7k sind auf Sachverhalte, die sich vor dem 1. Jänner 2015 ereignet haben, die vor dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 94/2014 geltenden Bestimmungen weiterhin anzuwenden. ... .
..."
Das Verwaltungsstrafgesetz VStG idF. der Novelle BGBl. I Nr. 33/2013 lautet (auszugsweise):
"Verjährung
§ 31. (1) Die Verfolgung einer Person ist unzulässig, wenn gegen sie binnen einer Frist von einem Jahr keine Verfolgungshandlung (§ 32 Abs. 2) vorgenommen worden ist. Diese Frist ist von dem Zeitpunkt zu berechnen, an dem die strafbare Tätigkeit abgeschlossen worden ist oder das strafbare Verhalten aufgehört hat; ist der zum Tatbestand gehörende Erfolg erst später eingetreten, so läuft die Frist erst von diesem Zeitpunkt.
(2) Die Strafbarkeit einer Verwaltungsübertretung erlischt durch Verjährung. Die Verjährungsfrist beträgt drei Jahre und beginnt in dem in Abs. 1 genannten Zeitpunkt. ... .
...
Beschuldigter
§ 32. (1) Beschuldigter ist die im Verdacht einer Verwaltungsübertretung stehende Person von dem Zeitpunkt der ersten von der Behörde gegen sie gerichteten Verfolgungshandlung bis zum Abschluß der Strafsache. Der Beschuldigte ist Partei im Sinne des AVG.
(2) Verfolgungshandlung ist jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtete Amtshandlung (Ladung, Vorführungsbefehl, Vernehmung, Ersuchen um Vernehmung, Strafverfügung u. dgl.), und zwar auch dann, wenn die Behörde zu dieser Amtshandlung nicht zuständig war, die Amtshandlung ihr Ziel nicht erreicht oder der Beschuldigte davon keine Kenntnis erlangt hat.
(3) Eine Verfolgungshandlung, die gegen einen zur Vertretung nach außen Berufenen (§ 9 Abs. 1) gerichtet ist, gilt auch als Verfolgungshandlung gegen die anderen zur Vertretung nach außen Berufenen und die verantwortlichen Beauftragten. Eine Verfolgungshandlung, die gegen den Unternehmer (§ 9 Abs. 3) gerichtet ist, gilt auch als Verfolgungshandlung gegen die verantwortlichen Beauftragten.“
Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits klargestellt, dass die strafbare Handlung gemäß § 7i Abs 3 AVRAG im gesetzwidrigen (weil unzureichend entlohnten) Beschäftigen des Arbeitnehmers liegt und als Dauerdelikt andauert, solange die unterbezahlte Beschäftigung aufrecht erhalten wird. Daraus ergibt sich unmissverständlich, dass mit dem jeweiligen Ende einer (unterentlohnten) Beschäftigung die strafbare Handlung gemäß § 7i Abs 3 AVRAG endet und gleichzeitig die Frist für die Verfolgungsverjährung beginnt (vgl die Beschlüsse des VwGH von 23.10.2014, Zl. Ra 2014/11/0061, und Zl. Ra 2014/11/0063, sowie von 09.03.2015, Zl. Ra 2015/11/0014).
Entgegen der Ansicht der belangten Behörde im Straferkenntnis und der WGKK im Strafantrag bewirkt der Umstand, dass die Nachzahlung unterlassen wurde, keine Verlängerung der Verjährungsfristen, sondern stellt die Nachzahlung lediglich einen bei der Strafbemessung zu berücksichtigenden Milderungsgrund dar (vgl die Beschlüsse des VwGH von 23.10.2014, Zl. Ra 2014/11/0061, und Zl. Ra 2014/11/0063).
Die Behörde hat in ihrer Verfolgungshandlung (Aufforderung zur Rechtfertigung vom 15.10.2015) und ihrem Straferkenntnis vom 26.9.2016 ausgeführt, dass Herr M. Da. im Zeitraum vom 01.05.2011 bis zum 31.03.2012 unterentlohnt worden ist (und die Nachzahlung dieser aushaftenden Differenzbeträge zumindest bis 13.01.2015 noch nicht geleistet worden ist).
Die erste Verfolgungshandlung stellt die Aufforderung zur Rechtfertigung vom 15.10.2015 dar, mit der dem Beschwerdeführer eine Unterentlohnung des Herrn Da. in der Zeit vom 01.05.2011 bis 31.03.2012 angelastet wurde.
Die Verfolgungsverjährungsfrist endete daher (im Hinblick auf die noch anzuwendende „alte“ Rechtslage) am 31.03.2013. Es ist somit Verfolgungsverjährung eingetreten, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die im Spruch genannte gesetzliche Bestimmung.
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Unterentlohnung; Beschäftigung, unterbezahlte; Dauerdelikt; Ende der strafbaren Handlung; Verjährung; VerfolgungsverjährungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGWI:2017:VGW.041.005.13567.2016Zuletzt aktualisiert am
25.05.2018