TE Bvwg Erkenntnis 2018/5/14 W238 2178789-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 14.05.2018
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Entscheidungsdatum

14.05.2018

Norm

Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1
BBG §42
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W238 2178789-1/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Claudia MARIK als Vorsitzende und die Richterin Mag. Julia JERABEK sowie den fachkundigen Laienrichter Dr. Ludwig RHOMBERG als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Niederösterreich, vom 14.11.2017, OB XXXX , betreffend Abweisung des Antrags auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass zu Recht erkannt:

A) Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG in Verbindung mit § 42 Abs. 1 BBG und § 1 Abs. 4 Z 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen stattgegeben und der angefochtene Bescheid dahingehend abgeändert, dass dem Antrag von

XXXX vom 20.07.2017 auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass Folge gegeben wird.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der nunmehrige Beschwerdeführer verfügt seit 22.08.2016 über einen Behindertenpass mit einem Grad der Behinderung von 70 v.H. Er stellte am 20.07.2017 beim Sozialministeriumservice, Landesstelle Niederösterreich (in der Folge als belangte Behörde bezeichnet), unter Vorlage medizinischer Beweismittel einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses sowie auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass.

2. Seitens der belangten Behörde wurde daraufhin ein Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin eingeholt. In dem - auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 30.10.2017 - Gutachten vom 13.11.2017 wurden als Ergebnis der Begutachtung die Funktionseinschränkungen den Leidenspositionen

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos.Nr.

GdB %

1

Kehlkopfverlust Wahl dieser Richtsatzposition mit dem mittleren Rahmensatz, berücksichtigt den Zustand nach Kehlkopfentfernung mit guter Ersatzstimme, jedoch Probleme mit der Kanülenversorgung, berücksichtigt werden die lokalen Auswirkungen der Strahlentherapie.

12.05.03

60

2

Larynx-Karzinom Unterer Rahmensatz, da ohne Wiederauftreten der Grunderkrankung während der Heilungsbewährung, Lokalkomplikationen werden separat berücksichtigt.

13.01.03

50

zugeordnet und

nach der Einschätzungsverordnung ein Gesamtgrad der Behinderung von 70 v.H. festgestellt. Begründend wurde im Gutachten ausgeführt, dass Leiden 1 durch Leiden 2 um eine Stufe erhöht werde, da zwei schwerwiegende Gesundheitsschädigungen vorliegen würden. Es handle sich um einen Dauerzustand.

Im Vergleich zum aktenmäßigen Vorgutachten (Anm.: vom 08.08.2016) komme es zur Erfassung von zwei separaten Leiden. Hinsichtlich der im Vorgutachten angenommenen Reduzierung des Allgemein- und Ernährungszustandes bei Zustand nach PEG-Sonden-Implantation sei festzuhalten, dass zwischenzeitlich bei stabilem Gewichtsverlauf und gutem Schluckvermögen eine Deexplantation der Sonde möglich gewesen sei. Diesbezüglich sei eine Besserung festzustellen.

Zu den Auswirkungen der festgestellten Gesundheitsschädigungen nach Art und Schwere auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wurde vom befassten Sachverständigen ausgeführt, dass die Gehstrecke, die Gang- und Standsicherheit sowie die Fähigkeit zur Überwindung von Niveauunterschieden für die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ausreichend sei. Die im Letztgutachten angeführte eingeschränkte Belastbarkeit sei in diesem Ausmaß nicht mehr vorhanden.

3. Am 13.11.2017 wurde dem Beschwerdeführer ein Behindertenpass mit einem Grad der Behinderung von 70 v.H. und der Zusatzeintragung "Der Inhaber des Passes ist Träger einer Prothese" ausgestellt.

4. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 14.11.2017 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass gemäß §§ 42 und 45 BBG abgewiesen. Begründend stützte sich die belangte Behörde im Bescheid auf das im Verfahren eingeholte ärztliche Sachverständigengutachten vom 13.11.2017, wonach die Voraussetzungen für die beantragte Zusatzeintragung nicht gegeben seien. Das Gutachten wurde dem Beschwerdeführer als Beilage des Bescheides übermittelt.

5. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht eine als Einspruch bezeichnete Beschwerde. Darin führte er insbesondere aus, dass er durch die totale Kehlkopfentfernung in erheblichem Umfang körperlich beeinträchtig sei. Abgesehen von den Veränderungen an der Luftröhre würden zusätzlich dauerhaft schmerzhafte Bewegungseinschränkungen im Bereich des Schultergürtels (als Folge einer operativen Lymphknotenentfernung) vorliegen. Weiters bestehe eine erhebliche Einschränkung der Bewegung durch Kurzatmigkeit. Ihm sei das Stiegen steigen, das Überwinden von Steigungen und die Bewältigung längerer Wegstrecken nur mit Einschränkungen oder Schmerzen möglich. Die Bewegungseinschränkung behindere ihn dabei, Haltegriffe über Kopf zu benützen. Eine verbale Kommunikation sei nur erschwert möglich. Da die Filterfunktion der Nase und des Mundes fehle, bestehe zudem ein deutlich höheres Risiko an einem Infekt zu erkranken. Es bestehe, vor allem in der kalten Jahreszeit eine fast chronische Entzündung der Schleimhäute. Abschließend ersuchte der Beschwerdeführer um Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung". Seiner Beschwerde legte er ein Schreiben seines behandelnden Arztes vom 28.11.2017 vor, in dem unter Bezugnahme auf die Gesundheitsschädigungen des Beschwerdeführers mit näherer Begründung festgehalten wurde, dass dem Beschwerdeführer die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht uneingeschränkt möglich sei.

6. Die Beschwerde und der bezughabende Verwaltungsakt langten am 05.12.2017 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

7. Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes wurde in weiterer Folge eine Begutachtung des Beschwerdeführers durch einen Facharzt für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten veranlasst. In dem daraufhin auf Basis einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers erstellten Gutachten vom 12.03.2018 führte der befasste Sachverständige auszugsweise Folgendes aus:

"STELLUNGNAHME

1. Dauernde Gesundheitsschädigungen des Beschwerdeführers als Diagnoseliste:

Zustand nach Laryngektomie und neck dissection beidseits 04/2016 mit permanentem Tracheostoma bei Rezidiv eines Larynxkarzinoms, Zustand nach vorgängiger Larynxteilresektion und Chemoradiatio

Tumorremission innerhalb der Heilungsbewährung

2. Liegen erhebliche Einschränkungen der Funktion der unteren Extremitäten vor?

Nein.

3. Liegen in der Folge der beim BF durchgeführten Operationen maßgebliche. Einschränkungen der Beweglichkeit im Bereich des Halses-/Schultergürtels vor, die es ihm erheblich erschweren, Haltegriffe zu benützen?

Ja, aufgrund postradiogener und postoperativer Narbenbildung nach kompliziertem Heilungsverlauf ist die Beweglichkeit des Halses und des Schultergürtels funktionell eingeschränkt, die Arme können schmerzbedingt nicht über die Horizontale gehoben werden, das An- und Festhalten an Haltegriffen über Schulterniveau, das Hochziehen des Körpers mit den Armen an Haltegriffen beim Einsteigen über Stufen bzw. beim Aufstehen aus dem Sitzen ist nicht bzw. eingeschränkt möglich.

4. Liegen erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit vor?

a) Besteht beim Beschwerdeführer insbesondere eine erhebliche Atemnot, die bewirkt, dass Stiegen, Steigungen und längere Wegstrecken nur mit Einschränkungen und Schmerzen bewältigt werden können?

Aus der Sicht der Leiden des Fachgebietes der Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde besteht keine erhebliche Atemnot, die das Stiegen steigen, Bewältigen von Steigungen oder das Zurücklegen längerer Wegstrecken einschränkt, zumal die oberen Atemwege frei sind bzw. keine mechanischen Atemwegshindernisse bestehen.

‚Bei Kehlkopflosen kann, sofern die erheblichen Einschränkungen der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr allein aufgrund des Kehlkopfverlustes zu beurteilen ist, nur ein eingeschränktes Gehvermögen durch innere Leiden in Frage kommen. Eine Einschränkung des Gehvermögens durch innere Leiden ist nur dann anzunehmen, wenn schwere Herzschäden oder schwere Atembehinderungen vorliegen. Bei einem Menschen, dessen Lunge vor der Kehlkopfoperation gesund war, kann in aller Regel nicht davon ausgegangen werden, dass die Kehlkopfentfernung zu einer erheblichen Einschränkung der Lungenfunktion führt. Es können sich aber durch die Kehlkopfentfernung Folgekrankheiten, z.B. chronische Bronchitis, entwickeln, die dann im Laufe der Jahre die Lungenfunktion stärker einschränken.' 1 Feldmann H, Brusis T Das Gutachten des Hals-Nasen-Ohren-Arztes. 7. Auflage 2012; Thieme Verleg ISBN:

9783135423074.

Inwieweit eine zusätzliche Erkrankung der Lunge (z.B. COPD nach jahrzehntelangem Nikotinabusus) oder eine zusätzliche Erkrankung des Nerz-, Kreislaufsystems (z.B. Cardiomyopathie mit Herzinsuffizienz nach Chemotherapie) als Ursache der beklagten Atemnot vorliegt, kann aus Sicht des Fachgebietes der Hals-, Nasen - und Ohrenheilkunde nicht beurteilt werden.

Aus den vorliegenden medizinischen Befunden geht eine solche zusätzliche Erkrankung nicht hervor und wurde bei der Vorbegutachtung durch den Arzt für Allgemeinmedizin am 13.11.2017 auch nicht festgestellt.

5. Wie oft pro Tag muss der BF das Tracheostoma aufgrund Schleimbildung absaugen und reinigen? Ist dies zeitlich planbar?

Die Pflege des Tracheostomas erfolgt gemäß plausibler und nachvollziehbarer Angabe des BF 3x täglich und ist planbar.

6. Kommt es beim BF zu unkontrolliertem Abhusten mit unkontrolliertem Auswurf von Schleim?

Es kommt bei kehlkopflosen Patienten im Allgemeinen und so auch beim BF im Besonderen naturgemäß zu unkontrollierbaren, reflektorischen Sekretauswürfen aus dem Tracheostoma.

7. Wie gestaltet sich die sprachliche Kommunikation des BF (Stimmbildung)?

Die sprachliche Kommunikation des BF ist den Umständen entsprechend als gut zu bezeichnen.

8. Fragen betreffend das Immunsystem:

a) Liegt eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems vor?

Es liegt keine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems im engeren Sinne vor.

b) Besteht grundsätzlich nach einer Laryngektomie eine hochgradige Immunschwäche in der Form, das ein erhöhtes Infektionsrisiko besteht? Bitte um Begründung:

Bei Halsatmern bleibt die Funktion der oberen Atemwege zur Anwärmung und Anfeuchtung der Atemluft aus, daraus resultiert eine ständige Reizung der unteren Atemwege, Laryngektomierte neigen zu verstärkter Sekret- und Schleimbildung aus den unteren Atemwegen. Dieses Sekret muss über das Tracheostoma, fallweise unkontrollierbar, reflektorisch abgehustet werden.

Eine daraus resultierende erhöhte Infektanfälligkeit, wie in der vorliegenden fachärztlichen Bestätigung sowie in den Einwendungen des Beschwerdeführers angeführt, wird als Schlussfolgerung abgeleitet, ist jedoch in der Medizin nicht evidence based belegt.

Virusinfekte der oberen und unteren Atemwege nehmen ihren Infektionsweg über die Schleimhäute von Nase und Auge, ein häufigeres Auftreten bei Halsatmern ist nicht anzunehmen.

Primär bakterielle Infekte sind selten, eine besondere Gefährdung diesbezüglich ist bei ansonsten immunkompententen Laryngektomierten nicht belegt.2 Harlid R, Andersson G, Frosteil CG, Jörbeck HJ, Ortqvist AB. Respiratory tract colonization and infection in patients with chronic tracheostomy. A one-year study in patients living at home. Am J Respir Crit Care Med, 1996 Jul; 154(1):124-9.

c) Liegt im konkreten Fall beim BF ein erhöhtes Infektionsrisiko vor? Bitte um Begründung:

Beim BF liegt ein Zustand nach Laryngektomie vor.

Es treffen alle angeführten Begründungen des Punktes 8.)b) für den BF im Besonderen zu.

d) Kann eine eventuell erhöhte Infektanfälligkeit minimiert werden? Wenn ja durch welche Maßnahmen ? Welche Maßnahmen wären beim BF zielführende?

Allgemeine Empfehlungen zur Minimierung von Infektionen in der Zivilgesellschaft treffen für den BF im Besonderen zu wie zum Beispiel:

-

gesunde ausgewogene Ernährung

-

witterungsadäquate Kleidung

-

Händehygiene

-

Meiden von Körperkontakt (‚Händeschütteln')

-

Meiden von Menschenansammlungen

9. Liegen erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten/Funktionen vor?

Nein.

10. Liegt eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit vor?

Nein.

11. Ausführliche Stellungnahme zu den im Rahmen des Verwaltungsverfahrens vorgelegten Befunden und Unterlagen

Die vorliegenden Befunde und Unterlagen sind für den Zeitraum Jänner 2016 bis November 2017 schlüssig und erlauben eine gutachterliche Stellungnahme zu allen gestellten Fragen. Die bei der Begutachtung am 14.02.2018 vorgelegten der Neuerungsbeschränkung unterliegenden Befunde sind zur Beantwortung der Fragestellungen nicht relevant.

12. Ausführliche Stellungnahme zu den im Rahmen der Beschwerde erhobenen Einwendungen.

Aus der ausführlichen Einwendung des BF vom 29.11.2017 werden im gegenständlichen Gutachten die angeführten Funktionsstörungen der ‚dauerhaft schmerzhaften Bewegungseinschränkung des Schultergürtels' sowie das ‚unkontrollierte Abhusten und Auswerfen von Sekret aus dem Tracheostoma' als für die Fragestellung relevant anerkannt und berücksichtigt.

Zur beklagten ‚Infektanfälligkeit' infolge der Kehlkopfentfernung siehe gutachterliche Stellungnahme Punkt 8.)b).

Die beklagte ‚erhebliche Einschränkung der Bewegung durch Kurzatmigkeit', die Fähigkeit daraus ‚Stiegen, Steigungen und längere Wegstrecken nur mit Einschränkungen und Schmerzen' zurücklegen zu können und die angegebene maximale Wegstrecke von ‚200 bis 500 Meter' erklärt sich aus den Leiden des Fachgebietes, im Speziellen aus dem Zustand nach Laryngektomie unzureichend.

Das Tragen von Lasten ist allerdings bei schmerzhafter Bewegungseinschränkung und reduzierter Belastbarkeit des Schultergürtels tatsächlich nur eingeschränkt möglich. Schwerere Einkäufe des täglichen Lebensbedarfes können daher nicht über eine längere Wegstrecke transportiert werden.

13. Ausführliche Stellungnahme zu der im Rahmen der Beschwerde vorgelegten fachärztlichen Bestätigung:

Die fachärztliche Bestätigung des OA Dr. XXXX HNO Abteilung des Universitätsklinikums XXXX vom 28.11.2017 enthält neben einer zusammenfassenden Krankengeschichte des BF einen Hinweis auf die eingeschränkte Beweglichkeit des Halses und des Schultergürtels sowie daraus resultierenden ‚starken Schmerzen' bei endlagiger Bewegung der Arme.

Diese Funktionsstörungen werden im aktuellen Gutachten bezugnehmend auf die Fragestellungen als relevant berücksichtigt.

Weiters wird hingewiesen auf die erhöhte Infektanfälligkeit des BF infolge der Kehlkopfentfernung - gutachterliche Stellungnahme dazu siehe Punkt 8.)b).

Die in der fachärztlichen Stellungnahme erwähnte ‚schlechte Stimmqualität' infolge von Komplikationen mit der Stimmprothese ist aus Sicht des Gutachters für die aktuelle Fragestellung ‚Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund von Behinderung' nicht relevant.

Eine allfällige erhebliche Atemnot, die bewirkt, dass Stiegen, Steigungen und längere Wegstrecken nur mit Einschränkungen und Schmerzen bewältigt werden könnten, findet in der fachärztlichen Stellungnahme keine Erwähnung.

14. Bitte um Stellungnahme über die konkrete Fähigkeit des BF zur Benützung öffentlicher Verkehrsmittel und zwar unter Berücksichtigung:

a) der hierbei zurückzulegenden größeren Entfernungen,

b) der Zugangsmöglichkeit sowie der Ein- und Aussteigemöglichkeit,

c) der zu überwindenden Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen,

d) der Schwierigkeiten beim Stehen

e) der Schwierigkeiten bei der Sitzplatzsuche

f) der Schwierigkeiten bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt - Bestehen ausreichend Stand- und Gangsicherheit sowie ausreichend Kraft zum Anhalten ?

g) Welche Schmerzen sind allenfalls mit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel verbunden?

Ausgehend von den bisherigen durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes entwickelten Beurteilungskriterien zur Frage ‚Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel' sind beim BF folgende Funktionseinschränkungen relevant:

Aus der Sicht der Leiden des Fachgebietes der Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde besteht keine erhebliche Atemnot, die das Stiegensteigen, Bewältigen von Steigungen oder das Zurücklegen längerer Wegstrecken einschränkt, zumal die oberen Atemwege frei sind bzw. keine mechanischen Atemwegshindernisse bestehen.

Aufgrund von postradiogenen und postoperativen Narbenbildungen am Hals ist die Beweglichkeit des Kopfes und auch des Schultergürtels eingeschränkt, die Arme können daraus nur bis zur Horizontale gehoben werden, ein sicheres Anhalten bzw. Festhalten mit den Armen ist daher über Schulterniveau nicht bzw. nicht schmerzfrei möglich, bei der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beeinträchtigt dies das Überwinden von Niveauunterschieden beim Ein- und Aussteigen sowie das Aufstehen aus dem Sitzen während der Fahrt und auch das Festhalten an Haltegriffen über Schulterniveau, zumal das unterstützende Hochziehen des Körpers mit den Armen nicht möglich ist.

Sehr wohl möglich ist es dem BF, Haltegriffe auf niedrigerem, unter Schulterniveau zu nützen, wie etwa Kinder oder kleinwüchsige Fahrgäste, zumal die Kraft in den Händen und Armen nicht beeinträchtigt ist.

Eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems liegt im engeren Sinne nicht vor. Auch eine hochgradige Immunschwäche in der Form, dass ein erhöhtes Infektionsrisiko der Atemwege bestünde ist medizinisch nicht belegt.

Nach Kenntnisstand des Gutachters wurde in der bisherigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes die besondere Funktionsbeeinträchtigung der Atmungsorgane bei Laryngektomierten bezüglich ‚Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund von Behinderung' bislang nicht berücksichtigt.

Auch bei bestmöglicher planbarer Pflege des Tracheostomas ist das unkontrollierte Abhusten von Sekret und Schleim aus den tiefen Atemwegen durch das Tracheostoma unvorhersehbar und nicht vermeidbar, eine unmittelbare Freilegung der Atemwege durch Entfernung von Bekleidung und allfälliger Abklebungen und fallweise auch eine unterstützende Absaugung von Sekret aus der Luftröhre und dem Tracheostoma ist dann dringlich unter Zeitdruck erforderlich. Unvermeidbar ist bei unkontrollierbaren, reflektorischen Hustenstößen auch ein Ausstoß von Sekreten der unteren Atemwege durch das Tracheostoma in die Umgebung des Kehlkopflosen. Inwieweit dies anderen Fahrgästen öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar ist, ist nicht Gegenstand der aktuellen Fragestellungen.

Aus persönlicher medizinischer Sicht des Gutachters ist bei Gesamtbewertung der aufgelisteten Funktionsbeeinträchtigungen dem Beschwerdeführer aufgrund der besonderen Funktionsbeeinträchtigung der Atmungsorgane bei Laryngektomierten die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht zumutbar.

15. Stellungnahme zu einer allfälligen zum angefochtenen Gutachten vom 13.11.2017 abweichenden Beurteilung.

In Abweichung zum Gutachten vom 13.11.2017 betrachtet der zeichnende Gutachter nach zusammenfassender fachärztlichen Bewertung der Funktionsstörungen des Beschwerdeführers die Zusatzeintragung ‚Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund von Behinderung' aus medizinischer Sicht für gerechtfertigt.

Ausschlaggebend dafür ist die besondere Funktionsbeeinträchtigung der Atemwege bei Zustand nach Laryngektomie, auch wenn in der bisherigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes diese Funktionsstörung bislang keine Berücksichtigung findet.

16. Feststellung ob bzw. wann eine Nachuntersuchung erforderlich ist.

Es liegt ein Dauerzustand vor, eine Nachuntersuchung ist nicht erforderlich."

8. Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 15.03.2018 wurden der Beschwerdeführer und die belangte Behörde über das Ergebnis der Beweisaufnahme informiert und ihnen in Wahrung des Parteiengehörs die Gelegenheit eingeräumt, dazu binnen zwei Wochen eine Stellungnahme abzugeben. Weiters wurde in diesem Zusammenhang mitgeteilt, dass das Bundesverwaltungsgericht in Aussicht nehme, über die Beschwerde ohne Abhaltung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung aufgrund der Aktenlage zu entscheiden, sofern eine mündliche Verhandlung vor Gericht nicht ausdrücklich beantragt wird.

Die Verfahrensparteien ließen dieses Schreiben unbeantwortet.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer verfügt seit 22.08.2016 über einen Behindertenpass mit einem Grad der Behinderung von 70 v.H.

Er stellte am 20.07.2017 einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses sowie auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass.

Am 13.11.2017 wurde dem Beschwerdeführer (erneut) ein Behindertenpass mit einem Grad der Behinderung von 70 v.H. und einer näher bezeichneten Zusatzeintragung ausgestellt.

Beim Beschwerdeführer bestehen folgende Funktionseinschränkungen, die voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

Zustand nach Laryngektomie und neck dissection beidseits 04/2016 mit permanentem Tracheostoma bei Rezidiv eines Larynxkarzinoms, Zustand nach vorgängiger Larynxteilresektion und Chemoradiatio, Tumorremission innerhalb der Heilungsbewährung.

Hinsichtlich der beim Beschwerdeführer festgestellten Gesundheitsschädigungen, ihrer Art und Schwere sowie ihrer Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel werden die diesbezüglichen Beurteilungen in dem vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Sachverständigengutachten eines Facharztes für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten vom 12.03.2018 der nunmehrigen Entscheidung zugrunde gelegt.

Beim Beschwerdeführer ist die Beweglichkeit des Kopfes und des Schultergürtels aufgrund von postradiogenen und postoperativen Narbenbildungen eingeschränkt. Die Arme können nur bis zur Horizontalen gehoben werden. Ein sicheres Festhalten an Haltegriffen über Schulterniveau ist dem Beschwerdeführer nicht bzw. nicht schmerzfrei möglich. Es ist auch nicht gewährleistet, dass der Beschwerdeführer Niveauunterschiede beim Ein- und Aussteigen in öffentlichen Verkehrsmitteln überwinden und während der Fahrt aufstehen kann, weil er seinen Körper nicht unterstützend mit den Armen hochziehen kann.

Ein sicherer Transport in öffentlichen Verkehrsmitteln unter üblichen Transportbedingungen ist nicht möglich.

Aufgrund der festgestellten Funktionseinschränkungen kann dem Beschwerdeführer die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel aus medizinischer Sicht nicht zugemutet werden.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen zum Vorliegen eines Behindertenpasses, zur Antragstellung sowie zur neuerlichen Ausstellung eines Behindertenpasses ergeben sich aus dem Akteninhalt.

2.2. Die Feststellungen zum Vorliegen erheblicher - die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel bewirkender - Funktionseinschränkungen gründen sich auf das seitens des Bundesverwaltungsgerichtes eingeholte Sachverständigengutachten eines Facharztes für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde vom 12.03.2018. Darin wurde auf die Art und Schwere der Leiden des Beschwerdeführers sowie deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vollständig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei eingegangen. Das Gutachten setzt sich ausführlich mit den im Zuge des Verfahrens vorgelegten Befunden auseinander. Die getroffene medizinische Beurteilung basiert auf dem im Rahmen einer persönlichen Untersuchung erhobenen Befund und entspricht den festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen (diesbezüglich wird auch auf die auszugsweise wiedergegebenen Ausführungen im Gutachten verwiesen).

Das vom Bundesverwaltungsgericht eingeholte Gutachten wurde der belangten Behörde und dem Beschwerdeführer unter Einräumung einer Frist zur Äußerung übermittelt. Keine der Parteien hat Einwände gegen das Sachverständigengutachten erhoben.

Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit des vorliegenden Sachverständigengutachtens vom 12.03.2018. Es wird in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Die Beschwerde ist rechtzeitig und auch sonst zulässig. Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes und die Entscheidung durch einen Senat unter Mitwirkung eines fachkundigen Laienrichters ergeben sich aus §§ 6, 7 BVwGG iVm § 45 Abs. 3 und 4 BBG.

Zu A) Stattgebung der Beschwerde:

3.2. Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten auszugsweise:

"§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

(...)"

"§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluß der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.

(...)"

"§ 47. Der Bundesminister für Arbeit und Soziales ist ermächtigt, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 auszustellenden Behindertenpaß und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen."

3.3.1. Die in Ausübung der Ermächtigung des § 47 BBG erlassene Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013, ist am 01.01.2014 in Kraft getreten und wurde mit 22.09.2016, BGBl. II Nr. 263/2016, novelliert. § 1 dieser Verordnung lautet auszugsweise:

"§ 1. ...

(4) Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist jedenfalls einzutragen:

...

3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und

-

erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten

-

erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder

-

erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder

-

eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder

-

eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach Abs. 4 Z 1 lit. b oder d

vorliegen.

(5) Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, bildet ein Gutachten eines/einer ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.

..."

3.3.2. In den Erläuterungen zur Stammfassung der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen wird hinsichtlich der hier maßgeblichen Bestimmung des § 1 Abs. 4 Z 3 (vormals: § 1 Abs. 2 Z 3) - soweit im gegenständlichen Fall relevant - insbesondere Folgendes ausgeführt:

"Zu § 1 Abs. 2 Z 3:

Mit der vorliegenden Verordnung sollen präzisere Kriterien für die Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel festgelegt werden. Die durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bisher entwickelten Grundsätze werden dabei berücksichtigt.

Die Voraussetzung des vollendeten 36. Lebensmonats wurde deshalb gewählt, da im Durchschnitt auch ein nicht behindertes Kind vor dem vollendeten 3. Lebensjahr im Zusammenhang mit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel Wegstrecken nicht ohne Begleitung selbständig gehen kann.

Grundsätzlich ist eine Beurteilung nur im Zuge einer Untersuchung des Antragstellers/der Antragstellerin möglich. Im Rahmen der Mitwirkungspflicht des Menschen mit Behinderung sind therapeutische Möglichkeiten zu berücksichtigen. Therapierefraktion - das heißt keine therapeutische Option ist mehr offen - ist in geeigneter Form nachzuweisen. Eine Bestätigung des Hausarztes/der Hausärztin ist nicht ausreichend.

Durch die Verwendung des Begriffes ‚dauerhafte Mobilitätseinschränkung' hat schon der Gesetzgeber (StVO-Novelle) zum Ausdruck gebracht, dass es sich um eine Funktionsbeeinträchtigung handeln muss, die zumindest 6 Monate andauert. Dieser Zeitraum entspricht auch den grundsätzlichen Voraussetzungen für die Erlangung eines Behindertenpasses.

Nachfolgende Beispiele und medizinische Erläuterungen sollen besonders häufige, typische Fälle veranschaulichen und richtungsgebend für die ärztlichen Sachverständigen bei der einheitlichen Beurteilung seltener, untypischer ähnlich gelagerter Sachverhalte sein. Davon abweichende Einzelfälle sind denkbar und werden von den Sachverständigen bei der Beurteilung entsprechend zu begründen sein.

Die Begriffe ‚erheblich' und ‚schwer' werden bereits jetzt in der Einschätzungsverordnung je nach Funktionseinschränkung oder Erkrankungsbild verwendet und sind inhaltlich gleich bedeutend.

Unter erheblicher Einschränkung der Funktionen der unteren Extremitäten sind ungeachtet der Ursache eingeschränkte Gelenksfunktionen, Funktionseinschränkungen durch Erkrankungen von Knochen, Knorpeln, Sehnen, Bändern, Muskeln, Nerven, Gefäßen, durch Narbenzüge, Missbildungen und Traumen zu verstehen.

Zusätzlich vorliegende Beeinträchtigungen der oberen Extremitäten und eingeschränkte Kompensationsmöglichkeiten sind zu berücksichtigen. Eine erhebliche Funktionseinschränkung wird in der Regel ab einer Beinverkürzung von 8 cm vorliegen.

Erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit betreffen vorrangig cardiopulmonale Funktionseinschränkungen. Bei den folgenden Einschränkungen liegt jedenfalls eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vor:

-

arterielle Verschlusskrankheit ab II/B nach Fontaine bei fehlender therapeutischer Option

-

Herzinsuffizienz mit hochgradigen Dekompensationszeichen

-

hochgradige Rechtsherzinsuffizienz

-

Lungengerüsterkrankungen unter Langzeitsauerstofftherapie

-

COPD IV mit Langzeitsauerstofftherapie

-

Emphysem mit Langzeitsauerstofftherapie

-

mobiles Gerät mit Flüssigsauerstoff muss nachweislich benützt werden

Erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen umfassen im Hinblick auf eine Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel folgende Krankheitsbilder:

-

Klaustrophobie, Soziophobie und phobische Angststörungen als Hauptdiagnose nach ICD 10 und nach Ausschöpfung des therapeutischen Angebotes und einer nachgewiesenen Behandlung von mindestens 1 Jahr,

-

hochgradige Entwicklungsstörungen mit gravierenden Verhaltensauffälligkeiten,

-

schwere kognitive Einschränkungen, die mit einer eingeschränkten Gefahreneinschätzung des öffentlichen Raumes einhergehen,

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nachweislich therapierefraktäres, schweres, cerebrales Anfallsleiden - Begleitperson ist erforderlich.

Eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems, die eine Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel wegen signifikanter Infektanfälligkeit einschränkt, liegt vor bei:

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anlagebedingten, schweren Erkrankungen des Immunsystems (SCID - sever combined immundeficiency),

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schweren, hämatologischen Erkrankungen mit dauerhaftem, hochgradigem Immundefizit (z.B: akute Leukämie bei Kindern im 2. Halbjahr der Behandlungsphase, Nachuntersuchung nach Ende der Therapie),

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fortgeschrittenen Infektionskrankheiten mit dauerhaftem, hochgradigem Immundefizit,

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selten auftretenden chronischen Abstoßungsreaktionen nach Nierentransplantationen, die zu zusätzlichem Immunglobulinverlust führen.

Bei Chemo- und/oder Strahlentherapien im Rahmen der Behandlung onkologischer Erkrankungen kommt es im Zuge des zyklenhaften Therapieverlaufes zu tageweisem Absinken der Abwehrkraft. Eine anhaltende Funktionseinschränkung resultiert daraus nicht.

Anzumerken ist noch, dass in dieser kurzen Phase die Patienten in einem stark reduzierten Allgemeinzustand sind und im Bedarfsfall ein Krankentransport indiziert ist.

Bei allen frisch transplantierten Patienten kommt es nach einer anfänglichen Akutphase mit hochdosierter Immunsuppression, nach etwa 3 Monaten zu einer Reduktion auf eine Dauermedikation, die keinen wesentlichen Einfluss auf die Abwehrkräfte bei üblicher Exposition im öffentlichen Raum hat.

..."

3.4.1. Nach der (noch zur Rechtslage nach der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen, BGBl. 86/1991, ergangenen) ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat die Behörde, um die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilen zu können, zu ermitteln, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt. Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel aufgrund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Nur dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung unzumutbar ist (vgl. VwGH 22.10.2002, 2001/11/0242; VwGH 20.04.2004, 2003/11/0078 [= VwSlg. 16.340 A/2004]; VwGH 01.06.2005, 2003/10/0108; VwGH 29.06.2006, 2006/10/0050; VwGH 18.12.2006, 2006/11/0211; VwGH 17.11.2009, 2006/11/0178; VwGH 23.02.2011, 2007/11/0142; VwGH 23.05.2012, 2008/11/0128; VwGH 17.06.2013, 2010/11/0021; VwGH 27.05.2014, Ro 2014/11/0013; 27.01.2015, 2012/11/0186; 01.03.2016, Ro 2014/11/0024, je mwN).

Ein solches Sachverständigengutachten muss sich mit der Frage befassen, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt (VwGH 20.03.2001, 2000/11/0321 [= VwSlg. 15.577 A/2001]). Dabei ist auf die konkrete Fähigkeit des Beschwerdeführers zur Benützung öffentlicher Verkehrsmittel einzugehen, dies unter Berücksichtigung der hiebei zurückzulegenden größeren Entfernungen, der zu überwindenden Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, der Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt etc. (VwGH 22.10.2002, 2001/11/0242; VwGH 14.05.2009, 2007/11/0080).

Dabei kommt es entscheidend auf die Art und die Schwere der dauernden Gesundheitsschädigung und deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel im Allgemeinen an, nicht aber auf andere Umstände, die die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel aus sonstigen, von der Gesundheitsbeeinträchtigung unabhängigen Gründen erschweren, wie etwa die Entfernung des Wohnorts des Beschwerdeführers vom nächstgelegenen Bahnhof (vgl. VwGH 22.10.2002, 2001/11/0258 und VwGH 27.05.2014, Ro 2014/11/0013).

3.4.2. Diese (zur Rechtslage vor Erlassung der Verordnung BGBl. II Nr. 495/2013 idF BGBl. II Nr. 263/2016 ergangene) Rechtsprechung ist zur Beurteilung der Voraussetzungen der Zusatzeintragung nach § 1 Abs. 4 Z 3 der Verordnung des Bundesm

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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