Entscheidungsdatum
14.05.2018Norm
BEinstG §14Spruch
W238 2153583-1/7E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Claudia MARIK als Vorsitzende sowie die Richterin Mag. Julia JERABEK und den fachkundigen Laienrichter Dr. Ludwig RHOMBERG als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX, geboren am XXXX, vertreten durch ÖZIV Burgenland, Verband für Menschen mit Behinderungen, Technologiezentrum, Marktstraße 3, 7000 Eisenstadt, gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 21.02.2017, OB XXXX, nach Beschwerdevorentscheidung vom 03.04.2017 betreffend Abweisung des Antrags auf Feststellung der Zugehörigkeit zum Personenkreis der begünstigten Behinderten beschlossen: A) Das Beschwerdeverfahren wird wegen Zurückziehung der Beschwerde gemäß § 28 Abs. 1, § 31 Abs. 1 VwGVG eingestellt.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang:
1. Am 24.10.2016 beantragte die nunmehrige Beschwerdeführerin beim Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien (im Folgenden als belangte Behörde bezeichnet), die Feststellung der Zugehörigkeit zum Personenkreis der begünstigten Behinderten.
2. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 21.02.2017 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf Feststellung der Zugehörigkeit zum Personenkreis der begünstigten Behinderten gemäß §§ 2 und 14 Abs. 1 und 2 BEinstG abgewiesen (erster Satz des Spruches) sowie festgestellt, dass der Grad der Behinderung "40 vom Hundert" beträgt (zweiter Satz des Spruches). Begründend verwies die belangte Behörde auf die für die Feststellung der Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten geltende Voraussetzung eines Gesamtgrades der Behinderung von 50 v.H. und darauf, dass ein solcher Gesamtgrad im Ermittlungsverfahren nicht habe festgestellt werden können. Als Beilage zum Bescheid übermittelte die belangte Behörde der Beschwerdeführerin das dem Bescheid zugrunde gelegte medizinische Sachverständigengutachten vom 17.02.2017.
3. In der gegen diesen Bescheid fristgerecht erhobenen Beschwerde begehrte die Beschwerdeführerin mit näherer Begründung die Erhöhung des Grades der Behinderung. Geltend gemacht wurden eine psychische Erkrankung sowie ein ungünstiges Zusammenwirken der bestehenden Gesundheitsschädigungen.
4. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 03.04.2017 wurde eine Beschwerdevorentscheidung erlassen, mit der die Beschwerde gegen den Bescheid vom 21.02.2017 gemäß §§ 2, 3, 14 und 19 BEinstG iVm § 14 VwGVG abgewiesen wurde (erster Satz des Spruches). Des Weiteren wurde festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Zugehörigkeit zum Personenkreis der begünstigten Behinderten nicht vorliegen (zweiter Satz des Spruches) und dass der Grad der Behinderung "40 vom Hundert" beträgt (dritter Satz des Spruches). Begründend führte die belangte Behörde aus, dass die aufgrund der Beschwerde durchgeführte ärztliche Begutachtung einen Grad der Behinderung von 40 v.H. ergeben habe. Die wesentlichen Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens seien dem als schlüssig erkannten Sachverständigengutachten zu entnehmen, das einen Bestandteil der Begründung bilde. Die Voraussetzungen für die Feststellung der Zugehörigkeit zum Personenkreis der begünstigten Behinderten würden nicht vorliegen. Als Beilage zum Bescheid übermittelte die belangte Behörde der Beschwerdeführerin die der Beschwerdevorentscheidung zugrunde gelegte gutachterliche Stellungnahme vom 31.03.2017.
5. Am 13.04.2017 langte bei der Behörde ein Vorlageantrag der Beschwerdeführerin ein, in dem die Beschwerdeausführungen bekräftigt und präzisiert wurden.
6. Die Beschwerde, der Vorlageantrag und der bezughabende Verwaltungsakt langten am 20.04.2017 beim Bundesverwaltungsgericht ein.
7. In weiterer Folge wurden seitens des Bundesverwaltungsgerichtes Sachverständigengutachten eines Facharztes für Neurologie und Psychiatrie vom 17.10.2017 sowie einer Fachärztin für Unfallchirurgie und Ärztin für Allgemeinmedizin vom 03.03.2018 und 04.03.2018 eingeholt. In den - auf Grundlage persönlicher Untersuchungen der Beschwerdeführerin erstatteten - Gutachten wurde nach der Einschätzungsverordnung ein Gesamtgrad der Behinderung von 30 v.H. festgestellt.
8. Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 29.03.2017 wurden die Beschwerdeführerin und die belangte Behörde über das Ergebnis der Beweisaufnahme informiert und ihnen in Wahrung des Parteiengehörs Gelegenheit eingeräumt, dazu binnen zwei Wochen eine Stellungnahme abzugeben.
9. Mit Eingabe vom 12.04.2018 erklärte die Beschwerdeführerin, dass sie ihre Beschwerde zurückziehe und auf ein Urteil verzichte.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Nach Einräumung von Parteiengehör und Setzung einer Frist zur Erstattung einer Stellungnahme zog die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 12.04.2018 die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid in der Fassung der Beschwerdevorentscheidung zurück.
2. Beweiswürdigung:
Der Sachverhalt ist aktenkundig, unstrittig und deshalb erwiesen.
Die Feststellung, dass die Beschwerdeführerin ihre Beschwerde zurückgezogen hat, ergibt sich aus dem Inhalt der schriftlichen Eingabe vom 12.04.2018 (vgl. dazu Pkt. I.9.).
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes und die Entscheidung in einem Senat unter Mitwirkung eines fachkundigen Laienrichters ergeben sich aus Art. 131 Abs. 2 B-VG, § 14 Abs. 2 iVm § 19b Abs. 1 BEinstG und § 7 BVwGG.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.
Zu A) Einstellung des Verfahrens:
3.2. Gemäß § 7 Abs. 2 VwGVG ist eine Beschwerde nicht mehr zulässig, wenn die Partei nach Zustellung oder Verkündung des Bescheides ausdrücklich auf die Beschwerde verzichtet hat. Eine Zurückziehung der Beschwerde durch den Beschwerdeführer ist in jeder Lage des Verfahrens ab Einbringung der Beschwerde bis zur Erlassung der Entscheidung möglich (Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte, § 7 VwGVG, K 6).
Dasselbe folgt sinngemäß aus § 17 VwGVG iVm § 13 Abs. 7 AVG.
Die Annahme, eine Partei ziehe die von ihr erhobene Berufung zurück, ist nur dann zulässig, wenn die entsprechende Erklärung keinen Zweifel daran offen lässt. Maßgebend ist daher das Vorliegen einer in dieser Richtung eindeutigen Erklärung (vgl. z.B. VwGH 22.11.2005, 2005/05/0320, zur insofern auf die Rechtslage nach dem VwGVG übertragbaren Judikatur zum AVG).
Eine solche eindeutige Erklärung lag im gegenständlichen Fall vor, da die Beschwerdeführerin im Wege ihrer Rechtsvertretung die Zurückziehung - wie im Rahmen der Beweiswürdigung bereits dargelegt wurde - schriftlich eindeutig zum Ausdruck gebracht hat.
3.3. In welchen Fällen "das Verfahren einzustellen" ist (§ 28 Abs. 1 VwGVG), regelt das VwGVG nicht ausdrücklich. Die Einstellung steht nach allgemeinem Verständnis am Ende jener Verfahren, in denen ein Erledigungsanspruch nach Beschwerdeeinbringung verloren geht, worunter auch der Fall der Zurückziehung der Beschwerde zu subsumieren ist (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren [2013] § 28 VwGVG, Anm. 5).
Die Beschwerdevorentscheidung der belangten Behörde vom 03.04.2017, die dem bekämpften Ausgangsbescheid vom 21.02.2017 endgültig derogiert (vgl. dazu zuletzt VwGH 04.03.2016, Ra 2015/08/0185), ist aufgrund der von der Beschwerdeführerin erklärten Zurückziehung der Beschwerde rechtskräftig geworden. Damit ist einer Sachentscheidung insoweit die Grundlage entzogen, weshalb mit Beschluss die Einstellung des betreffenden Beschwerdeverfahrens auszusprechen war.
3.4. Zum Entfall der mündlichen Verhandlung
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Die Einstellung des Beschwerdeverfahrens wegen Zurückziehung der Beschwerde ist ihrem Wesen nach mit einer Zurückweisung vergleichbar. Für eine Zurückweisung sieht § 24 Abs. 1 Z 1 VwGVG ausdrücklich die Möglichkeit des Entfalls der mündlichen Verhandlung vor.
Die mündliche Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG aber auch deshalb unterbleiben, weil der Sachverhalt aus dem Verwaltungsakt in Verbindung mit der Beschwerde und ihrer Zurückziehung hinreichend geklärt ist. Art. 6 Abs. 1 EMRK steht dem Entfall der mündlichen Verhandlung nicht entgegen. Die Verfahrensgarantie des "fair hearing" iSd Art. 6 Abs. 1 EMRK kommt nicht zur Anwendung, wenn einer Entscheidung in der Sache Prozesshindernisse entgegenstehen (vgl. hiezu die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes VfSlg. 17.063/2003 und 19.175/2010 sowie des Verwaltungsgerichtshofes VwGH 21.11.2012, 2008/07/0161 und VwGH 23.06.2014, 2013/12/0224, je mwH). Diese Judikatur ist aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes auch auf Fälle übertragbar, in denen ein Erledigungsanspruch (erst) nach Beschwerdeeinbringung verloren geht.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung (vgl. zur Einstellung bei Zurückziehung etwa VwGH 22.11.2005, 2005/05/0320; 29.04.2015, Fr 2014/20/0047). Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.
Schlagworte
Verfahrenseinstellung, ZurückziehungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:W238.2153583.1.00Zuletzt aktualisiert am
25.05.2018